2. Kapitel
Ich schlage zu, so wie ich im Selbstverteidigungskurs gelernt habe. Ich treffe eine Nase oder so. Mein Angreifer lässt mich los und ich renne auf die andere Seite der Lichtung und schnappe mir einen Ast. Ich drehe mich um. Mein Angreifer (jetzt kann ich sehen dass es ein Junge ist) hat mir den Rücken zugewandt. Ich renne, den Ast zum Anschlag erhoben, auf ihn zu. Als ich noch ca. fünf Meter von ihm entfernt bin, dreht er sich um. Ich lasse den Ast fallen und renne auf ihn zu. "Oh mein Gott!", rufe ich geschockt. "Danke, Marco reicht auch", nuschelt er. Seine Nase blutet. "Haha", sage ich sarkastisch, "Hab ich dich sehr verletzt?""Nein. Aber hast du vielleicht ein Taschentuch?" Ich fummel in meiner Tasche und finger ein Taschentuch heraus. Ich reiche es Marco. Still wischt er sich das Blut vom Gesicht. Zum Glück ist das Blut nicht auf seine Kleidung getropft. Sonst wären wir wirklich in Erklärungsnot geraten. Ich schaue ihm dabei ganz still zu. "Warum starrst du mich so an? Hab ich nichts an oder was?", bricht Marco das schweigen. Ich zucke zusammen, weil es vorher so still war."Keine Angst ich tue dir schon nichts", sagt er und legt einen Arm um meine Schultern, zieht mich an ihn ran und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. Ich schmiege mich an ihn und schließe die Augen. Genauso sollte es immer bleiben. Doch das gibt es nicht. Nicht in meiner Welt. Denn bei mir bleibt nichts so wie es mal war. Zum Beispiel letztes Jahr als ich auf dem Halbjahreszeugnis so gute Noten hatten, dass ich einen Durchschnitt von 1,5 geschafft habe. Auf dem Endzeugnis hatte ich dann wieder einen Durchschnitt von 2,8. Und heute habe ich Marco auch die Whatsapp-Nachricht mit der Aufforderung zum kommen geschickt. Ich dachte schon er kommt nicht, aber jetzt ist er ja da. Zum Glück. Denn ich brauche jetzt dringend jemand mit dem ich reden kann. Aber ich habe Angst. Was ist wenn er mir nicht glaubt? Wenn er denkt ich Erfinde was um im Mittelpunkt zu stehen? Mit meinen Eltern kann ich nicht sprechen. Ausgeschlossen. Sie würden sofort zur Polizei gehen. Hoffentlich hält Marco dicht. "Warum wolltest du mich jetzt eigentlich sprechen?", fängt Marco an. Schluss mit kuscheln. Er packt mich an den Schultern und hebt mein Kinn."Jetzt sag schon", verlangt er mit weicher Stimme. "Aber du musst versprechen, es niemandem, wirklich niemandem zu sagen, auch nicht deinen Eltern!", entgegne ich. "Du hast mein Wort", sagt er und verschränkt unsere kleinen Finger inenander,"fang an."
"Okay", fange ich an. "Ich war gestern in der Stadt, für meine Eltern einkaufen. Da habe ich Laura gesehen. Und sie war irgendwie verändert. Hat sich ihre Haare nach oben gegelt und so ne Punk-Frisur daraus gemacht. Sogar Strähnen hat sie sich machen lassen! Naja, jedenfalls hing sie mit lauter solchen Leuten rum. Und die haben geraucht! Also zumindest die anderen. Bei Laura bin ich mir nicht sicher. Aber was ist wenn sie es wirklich getan hat? Sie ist doch erst 12!", sage ich und hole kaum Luft. "Ich mache mir Sorgen um sie! Sie ist doch wie eine kleine Schwester für mich! Und wenn ihre Eltern das erfahren? Dann bekommt sie richtig Ärger. Ich denk mal dass sie eine Perücke trägt, wenn sie mit denen raus geht, aber trotzdem!", sage ich und mir kullern Tränen aus den Augen. Marco nimmt mich wieder in den Arm. Lange sitzen wir auf dem Baumstamm und ich schluchze in Marcos Schulter. Irgendwann schniefe ich noch einmal und setze mich wieder aufrecht hin. "Tut mit leid, dass ich dich so vollgeheult habe", sage ich klein laut,"ich weiß auch nicht, warum mich das so berührt, normalerweise bin ich-""Shhh...! ", macht Marco und legt mir seinen Finger an die Lippen und streichelt sie sanft. "Dafür sind Freunde doch da! Und ich erst Recht! Ich verspreche dir etwas: ich werde versuchen herauszufinden was da los ist, okay?""Okay, danke", sage ich und schmiege mich noch mehr an ihn. Vielleicht wird es ja doch noch ein schönes Leben.
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