Unter Wasser
Die Welt ist hektisch. Motoren dröhnen, Männer posen um Frauen zu beeindrucken. Mobiltelefone rufen ihre Besitzerinnen zu sich, sie schreien um Aufmerksamkeit, denn die wichtigen Momente im Leben anderer Menschen verlangen danach. Niemand mehr trägt eine Uhr, denn niemand mehr hat Zeit.
Mit jedem Meter, den ich unter die Wasseroberfläche tauche, werden diese ach so wichtigen Dinge nichtiger, sie verlieren an Bedeutung und zum Glück auch an Lärm. Es wird still. Friedlich. Die Wellen des Lebens schlagen hier unten nicht zu. Ich sinke an den Grund, ohne Grund. Einfach so.
Loslassen, schweben, im Einklang mit mir und mit allem, was mich umgibt. Mit einem Mal wird mir klar, warum sich das Leben im Wasser hat entwickeln können. Hier ist die Welt vollkommen, hier git es kaum Störfaktoren, und falls doch, dann von uns Menschen verursacht.
Der tiefere Sinn aus "The Deep Blue" wird mir plötzlich klar. Ich möchte an seiner Stelle abtauchen. Wenn es endet, ist da nicht etwa Licht, sondern Dunkelheit. Sie ist vollkommener als das Licht, weil sie keine Unterschiede zulässt. Alles ist gleich, alles ist eins. Irrelevant.
Selbst wenn ich hier bloss in einem Becken aus Chromstahl tauche, erinnere ich mich an die vielen Momente unter Wasser, an den verschiedensten Stränden unserer Welt. Es ist überall das gleiche Schauspiel. Ganz egal, ob es die Touristen oder die vom Wind aufgetürmten Wellen sind, welche die laute Musik des Lebens spielen, wenn ich unten bin, am Grund, ist nichts davon mehr spürbar. Ein Gefühl von ewigem Leben gegenüber der Vergänglichkeit an Land.
Dann aber kommt der Drang zu atmen. Ich bemerke, dass ich in dieser heilen Unterwasserwelt bloss ein Besucher bin, ein Fremder, der nicht hierher gehört. Ehrfürchtig. Vorsichtig. Neugierig. Meine Welt ist die da oben, die mit Wind und Lärm, mit Hektik und Geltungsdrang.
Ein letztes Ausruhen, ein letzter Blick nur sei mir gewährt. So lange muss die Luft noch ausreichen, denn ich bin für Deep Blue noch nicht bereit. Aber in meinem Herzen nehme ich ein Stück davon mit, fest verschlossen. Immer, wenn ich mit der Hektik unserer Welt nicht mehr mitkomme, öffne ich mein Herz ein klein wenig und lasse die Ruhe der Unterwasserwelt herausströmen, auf dass sie mich mitnehme und trage, schwebend, in Ruhe.
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