Zweites Kapitel
Zweites Kapitel.
In dem Fisch, der Hund, ein Sofakissen frisst
Lily hatte schon das ein oder andere Mal verflucht, dass James und Sirius manchmal längere Zeit am Stück nicht erreichbar waren, wenn sie Aufträge hatten, aber an diesem Tag ärgerte es sie besonders.
"Sirius ist bis morgen Abend unterwegs", hatte Remus gesagt, nach einer längeren Pause, in der sich alle drei im Laden angestarrt hatten. Regulus hatte kurz überlegt und dann genickt.
"Ok", hatte er gesagt, "aber könnt ihr ihm sagen, dass ich dringend mit ihm reden muss?"
"Klar", hatte Lily gesagt, "wie kann er dich kontaktieren?"
Regulus hatte kurz gezögert, dann hatte er gemeint, er würde am Montag wieder kommen und war verschwunden. Lily und Remus hatten sich einige Momente verwirrt angeschaut und dann einstimmig beschlossen, dass sie es äußerst ärgerlich fanden, Sirius nicht auf der Stelle bescheid geben zu können.
Aber Sirius war außer Reichweite und so hatte sie keine Wahl als Freitag und Samstag wie gewohnt den Laden zu öffnen, ihrem Alltag nachzugehen und am Samstagnachmittag die Einzugsparty vorzubereiten.
Gegen 17 Uhr hatte sie von James und Sirius eine kurze Nachricht erhalten, dass sie vermutlich etwas später als geplant kommen würden, aber ganz sicher rechtzeitig für die Feier da sein wollten.
Die ersten, die kamen, waren Dorcas und Marlene, die mit größeren Mengen Sekt und ihren beiden Hunden auf Lilys Türschwelle standen und sobald Lily sie hereinließ, begannen, überall Luftschlangen und Ballons aufzuhängen.
"Was wird das denn?", fragte Lily überrascht. Marlene wirbelte herum, eine grün-gelbe Schlange in der Hand, die sie gerade versucht hatte, über die Gardinenstange an der Balkontür zu werfen.
"Schmuck!", erklärte sie, "ich habe letztens einen wissenschaftlichen Artikel darüber gelesen, dass bunter Schmuck für bessere Laune bei Partys sorgt!"
"Ich glaube, das war eher die Werbung einer Luftschlangenfirma", meinte Dorcas verschmitzt und ließ einen Ballon unter die Deckenlampe schweben. Marlene machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Was verstehst du schon vor Zeitungsartikeln?", fragte sie empört, "bin ich die Journalistin von uns oder du?"
Dorcas grinste.
"Ich denke, als freie Quidditchjournalistin und nebenberufliche Autorin von Protestartikeln gegen so ziemlich alles, hast du weder Ahnung von Werbung noch von Wissenschaftsjournalen", sagte sie trocken. "Lils, ich glaube, Fisch versucht, dein Sofakissen zu fressen."
Lily seufzte und setzte sich neben den Hund, der wie eine Mischung aus Berner Sennenhund, Dogge und Schäferhund aussah und dessen prägende Charakterzüge vor allem seine Größe, seine geringe Intelligenz und seine Vorliebe, auf Stoffteilen herumzukauen waren und streichelte seinen Kopf, während sie sanft versuchte, das von ihrer Mutter selbst gehäkelte Kissen aus Fischs Maul zu ziehen.
Fisch, der anscheinend felsenfest davon überzeugt war, in Wahrheit die Größe einer Katze zu haben, sprang mit Begeisterung zu ihr auf die Couch und ließ sich auf ihren Schoß fallen, um sich ausgiebig streicheln zu lassen, ohne jegliches Problembewusstsein, dass er in Wahrheit eine Schulterhöhe von 70 Zentimeter hatte und 50 Kilo wog. Immerhin entließ er das Kissen wieder in die Freiheit, das Lily mit einem kurzen Wink ihres Zauberstabes von den Spuren seiner Zähne befreite.
So außer Gefecht gesetzt konnte sie im Grunde nur Fisch zwischen den Ohren kraulen, der sicherlich geschnurrt hätte, hätte er die Fähigkeiten dazu gehabt, und zuschauen, wie Dorcas und Marlene ihr Wohnzimmer in einen Partyraum verwandelten. Lefty, der zweite Hund der beiden, wuselte zwischen ihren Beinen herum, vollkommen außer sich, mitten im Geschehen zu sein.
Lefty war wesentlich intelligenter als Fisch, ein Mischling in so vielter Generation, dass niemand mehr wirklich wusste, was so alles in ihr steckte. Sie hatte tatsächlich die Größe einer Katze, war allerdings felsenfest davon überzeugt, in Wahrheit deutlich größer als Fisch zu sein. Keiner von den beiden hinterfragte das. Ihr voller Name war Der Leftenant. Urspünglich hatte sie Der Lieutenant heißen sollen, aber erstens hatte Dorcas verhindern wollen, dass Leute es amerikanisch Loo-tenant aussprachen und zweitens hatte Marlene es witzig gefunden, es absichtlich falsch zu schreiben, um Remus zu ärgern.
"Es kann ja nicht jeder Heiler werden", setzte Marlene die Stichelei von eben nahtlos fort, worüber Dorcas nur die Augen verdrehte.
Lily hatte nicht wirklich eine Ahnung, was genau die beiden waren. Ein Paar oder gute Freunde oder irgendetwas dazwischen. Aber sie waren direkt nach der Schule zusammengezogen, Dorcas machte ihre Ausbildung zur Heilerin, Marlene ging auf Proteste für und gegen so ziemlich alles und schrieb Artikel für alle möglichen Magazine. Sie hatten die beiden Hunde, eine größere Anzahl an Fischen, die sie nach ihren Freunden benannten und eine Schildkröte namens Bambi.
"Guppy-Sirius ist schon wieder gestorben", berichtete Marlene mit einem Seufzen, während sie bunte Partyhüte und Papierservietten mit verschiedenen Sprüchen auf dem Tisch verteilte. Lily hob die Augenbrauen.
„Der wievielte war das jetzt?", fragte sie, „der siebte?"
Marlene zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung."
„Ich glaube, Guppy-Remus hat ihn gefressen", meinte Dorcas. „Lefty, bitte lass die Luftschlange los, ich brauche die jetzt."
Lefty dachte gar nicht daran. Marlene runzelte die Stirn.
„Meint ihr, das ist ein schlechtes Omen für die Beziehung von Mensch-Sirius und Mensch-Remus?", fragte sie nachdenklich. Lily und Dorcas sahen sie zweifelnd an.
„Ob es ein Omen für die Beziehung unserer Freunde ist, dass einer deiner Fische einen anderen deiner Fische gefressen hat, was bei Fischen häufiger vorkommt?", fragte Dorcas. „Nur weil die beiden Fische zufällig die Namen selbiger Freunde tragen?" Sie gab den Kampf um die Luftschlange auf und entließ Lefty in ihren Siegesmarsch. „Nein."
Marlene zuckte mit den Schultern, setzte sich auf einen Stuhl, klopfte auf ihre Beine, um Lefty zu sich zu holen (Fisch sah kurz neugierig von Lilys Schoß auf, schätzte die Situation aber richtig als Leckerli-negativ ein und schloss die Augen wieder) und begann, sie von der Luftschlange zu befreien, die sich jetzt bereits mehrfach um ihre Beine gewickelt hatte.
„Keine Ahnung", sagte sie, „ich meine, die beiden sind jetzt seit viereinhalb Jahren zusammen, genau wie du und James. Aber irgendwie hab ich nicht das Gefühl, dass sie auch nur halb so weit sind wie ihr." Sie machte eine Geste in den Raum. „Ich meine, ihr wohnt zusammen, ihr versteht euch im Grunde ohne Worte und für uns alle ist klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bevor ein Ring im Spiel ist." Lily schnaubte amüsiert. Marlene ignorierte sie. „Remus und Sirius sind Welten davon entfernt, zusammenzuziehen. Ich hab keine Ahnung, wo die Beziehung hingeht und ich glaube, ihnen geht es ähnlich."
Lily zog die Augenbrauen zusammen.
„Ich verstehe, was du meinst", räumte sie ein, „aber ich glaube, wir sollten das den beiden überlassen. Sie wirken doch ganz zufrieden und der Vergleich mit mir und James ist etwas unfair. Beziehungen sind unterschiedlich. Das was ich mit James habe ist fundamental anders als das von Sirius und Remus und beide sind weit entfernt von dir und Dorcas oder von Pete und Amata oder von Mary und...wie hieß der letzte Typ, den sie am Wickel hatte?"
„Davy", soufflierte Dorcas. „Wobei ich bitte nicht im gleichen Satz mit ihm auftauchen will. Der Kerl ist eine wandelnde rote Fahne."
„Nicht nur eine", brummte Lily. Aber wenn man vom Teufel sprach, klingelte es unten an der Tür und Lily schob Fisch jetzt doch unter Protest von ihren Beinen, sodass sie aufstehen und den Türöffner betätigen konnte. Der hatte nach Jahren in einer magischen Wohnung, wo man Gäste mit dem Wink eines Zauberstabs hereinließ, einiges an Gewöhnung gebraucht, aber inzwischen fand Lily ihn eigentlich ganz witzig. Sie öffnete die Wohnungstür und hörte ein Stockwerk drunter im Erdgeschoss noch das Summen der Haustür, bevor Stimmen und Schritte im Treppenhaus laut wurden. Sie spitzte die Ohren, aber jeglicher Versuch, zu lauschen, wurde von Lefty sabotiert, die begeistert zu bellen begann.
Fisch hüpfte jetzt wieder von der Couch herunter und kam ebenfalls an die Wohnungstür, wo er ein einzelnes alibimäßiges tiefes „Wuff" zu Leftys anhaltender Begrüßung ergänzte und sich dann neben Lily setzte.
Dorcas warf Lefty einen warnenden Blick zu, der zwar nicht dazu führte, dass sie aufhörte, zu bellen, aber zumindest war ihr jetzt sichtbar bewusst, dass sie eigentlich aufhören sollte.
„Lefty, sei leise jetzt", sagte Marlene streng und beugte sich zu der kleinen Hündin herunter, um sie festzuhalten, damit sie den Neuankömmlingen nicht entgegenrannte.
Die kamen jetzt am richtigen Treppenabsatz an und Lily breitete die Arme aus, um Mary, Peter und Amata in Empfang zu nehmen.
Amata Fox war ein Jahr jünger als sie und Pete hatte sie bei der Ausbildung im Ministerium kennen gelernt. Sie war zierlich und noch einmal deutlich kleiner als er, was Wunder für sein Ego getan hatte. Die beiden dateten jetzt seit knapp zwei Jahren und es hatte nicht lange gedauert, bis sie alle die schlagfertige, standfeste junge Frau ins Herz geschlossen hatten.
"Kommt rein, kommt rein", sagte Lily, während sie sie alle ins Wohnzimmer hinein winkte. Gerade wollte sie die Wohnungstür schließen, als es noch einmal klingelte. Lily öffnete die Haustür noch einmal, dieses Mal für Remus, der die Treppe hoch joggte und ihr einen Kuss auf die Wange gab, bevor sie sich zu den anderen gesellten.
Lefty hatte ihren Lieblingsmenschen Peter gefunden und ihn sofort überredet, sich auf einen Sessel zu setzen, sodass sie auf seinen Schoß springen konnte. Lily erinnerte sich nicht, dass sie das bei anderen Menschen tat, aber bei ihm hätte man eine Stoppuhr danach stellen können.
Amata breitete währenddessen einige exotisch aussehende Snacks aus, die sie in einer großen Dose mitgebracht hatte, unter den gierigen Blicken von Dorcas, Marlene und Fisch. Lily stupste Mary an.
"Was macht Davy?", fragte sie. Mary seufzte tief.
"Nicht das, was er soll", brummte sie. "Er hat immer noch keinen Job, auch wenn er mir versichert, dass er auf der Suche ist."
Lily runzelte die Stirn.
"Warum genau datest du ihn noch gleich?", fragte sie. Mary hob verteidigend die Schultern.
"Weil er süß ist und mir immer Blumen mitbringt", meinte sie. Lily verkniff sich einen Kommentar.
"Nächster Samstag steht aber noch, oder?", fragte sie, "du hast versprochen, mir mit Bürokram für den Laden zu helfen. Es sind zu viele Formulare und ich verstehe kein einziges davon."
Mary grinste.
"Klar, aber warum macht Remus das nicht? Ich dachte, Buchhaltung ist sein Hobby."
"Ich kann dich hören, Mary", warnte Remus und gesellte sich zu ihnen. Marys Grinsen wurde breiter.
"Ich weiß, aber ich habe dich noch nichts abstreiten gehört."
Remus verdrehte die Augen und wandte sich an Lily.
"Wenn Sirius und James kommen, nimmst du Sirius zur Seite und besprichst mit ihm...die Sache von gestern?", fragte er. Lily legte den Kopf schräg.
"Wir können es auch gerne zusammen machen, wenn du willst."
Remus schüttelte den Kopf.
"Mach das mal lieber du", meinte er ausweichend. Lily musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
"Alles gut?", fragte sie. Er lächelte.
"Alles bestens, aber ich weiß nicht, wie offen Sirius das händeln will und wenn du ihn nach seiner Ankunft kurz in die Küche bugsierst, ist es weniger auffällig, als wenn wir beide es machen."
Lily nickte. Dann sahen sie beide zu Mary, die misstrauisch zwischen ihnen hin und her sah.
"Wird mir jemand verraten, worum es geht?", wollte sie wissen. Lily biss sich auf die Lippe, dann schüttelte sie den Kopf. Mary setzte zum Protest an, aber Lily wurde gerettet, als es jetzt an der Wohnungstür Sturm klingelte, bevor sie von außen mit einem Schlüssel geöffnet wurde und Sirius und James hereinkamen, Sirius - natürlich - laut in eine Partytröte blasend, sodass wirklich niemand ihre Ankunft verpassen konnte. James folgte seinem besten Freund mit schlecht unterdrücktem Gelächter, bis seine Augen auf Lily fielen und ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie nicht verhindern können, dass sich ihre eigenen Mundwinkel nach oben zogen, während sie auf ihn zuging und ihn in ihre Arme schloss. Er drückte einen Kuss auf ihre Stirn und zog sie fest an sich, sodass sie seinen Geruch tief einatmen konnte. Kurz schloss sie die Augen und genoss es, dass die Welt für einige Sekunden nur aus James bestand. Dann lösten sie sich voneinander und sie strich über seinen Arm, bis sie seine Hand in ihrer hatte, um einen Kuss auf seine Fingerknöchel zu drücken.
"Schön, dich zu sehen."
"Das kann ich nur zurückgeben." James schmunzelte, drehte seine Hand in ihrer, sodass er den kleinen Handkuss zurückgeben konnte. Keiner von ihnen konnte sich wirklich erinnern, wann sich diese Begrüßung in ihre Beziehung geschlichen hatte, aber jetzt war sie da und Lily wollte sie nie wieder missen.
"Ich muss kurz mit Sirius reden", sagte sie, nachdem sie ihn noch einmal fest an sich gezogen hatte. "Kannst du ihn mir unauffällig in die Küche schicken? Ich muss eh noch nach dem Auflauf schauen."
James nickte und betrat das Wohnzimmer, die Arme ausgebreitet wie ein König zu seinen Untertanen, was ihm ein allgemeines Aufstöhnen, Gelächter und selbstverständlich Bellen von Lefty einbrachte.
Lily verschwand in der Küche und prüfte, wie durch die Kartoffeln im Gemüseauflauf waren, den sie für die Gruppe vorbereitet hatte, mit der Erkenntnis, dass ihnen weitere fünf Minuten nicht schaden würden. Bis dahin würden die Teilchen von Amata und die Pizza, die im Wohnzimmer aufgetaucht war, ohne, dass Lily genau zuordnen konnte, wer sie mitgebracht hatte, ausreichen.
Sirius erschien nach wenigen Augenblicken, in der Hand ein Stück von selbiger Pizza, breitete seine Arme aus (die Pizza stellte beinahe Kontakt zur Kühlschranktür her) und ein riesiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
"Evans!", meinte er begeistert und schloss sie ihn eine Umarmung. "Wichtigste Frau in meinem Leben!"
Lily lachte leise.
"Es ist erstaunlich, dass du der wichtigsten Frau in deinem Leben immer noch verweigerst, sie beim Vornamen zu nennen", meinte sie. Sirius grinste.
"Du kennst die Regel", erinnerte er sie. "Ich nenne dich Evans, bis..."
"...ich eine Potter werde", ergänzte Lily mit einem Augenverdrehen. "Ich weiß."
"Sehr gut." Sirius biss ein Stück seiner Pizza ab. "Was gibt's?"
Lily holte tief Luft und lehnte sich gegen den Küchentisch.
"Regulus ist wieder in London", berichtete sie also frei heraus. "Er kam gestern im Laden vorbei. Er wollte mit dir reden." Sie sah Sirius an. Er blinzelte.
"Er ist zurück?", fragte er. Lily nickte. "Was ist mit...naja...dem Vorfall?"
Sie hob die Schultern.
"Anscheinend hat sich das geklärt, jetzt, wo eure Mutter...naja."
Sirius schien das für einen Moment verarbeiten zu müssen. Dann fing er sich wieder und ein entschlossener Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.
"Wo ist er jetzt?"
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