Zehntes Kapitel
Zehntes Kapitel.
In dem Lily James für seine Zeitschrift auslacht
Den Freitag verbrachte Lily in nervöser Stimmung. Sie und James hatten gestern Abend nicht mehr wirklich geredet, als sie beide zu Hause waren, beide im Wissen, dass sie so oder so zu wenig Schlaf bekommen würden, bis ihr Wecker klingelte. Er hatte sie gefragt, wie der Mädelsabend gewesen, sie ihn, wie das Date mit Regulus verlaufen war, beide hatten mit einem müden "gut" geantwortet und waren dann schlafen gegangen.
Für heute hatten sie sich den Abend extra frei gehalten, wie gestern besprochen, um ihn gemeinsam auf dem Sofa zu verbringen. Lily hatte in der Nacht nicht gut geschlafen, hatte sich immer wieder umgedreht und versucht, zur Ruhe zu kommen, aber ihr Hirn hatte nicht aufgehört, das Gespräch mit Dorcas auszuwerten. Da war der Teil mit ihren Eltern - (war sie ihnen vielleicht tatsächlich immer noch böse?) - und natürlich das große Thema mit James. Sie war nicht wirklich zu einem Schluss gekommen, was sie wollte - außer, dass sie sich nichts mehr wünschte, als in Ruhe mit James über alles zu reden.
Als sie am Freitagabend nach Hause kam, war James schon da und aus der Küche roch es hervorragend nach Curry. Sie pfefferte ihren Rucksack in die zugehörige chaotische Ecke des Flurs und steckte den Kopf zur Küchentür hinein.
"Bin zu Hause", grüßte sie ihren Partner, der sich mit einem Lächeln vom Herd weg zu ihr hin drehte. Sie zog ihre Schuhe aus und stellte sie nicht besonders ordentlich ins Schuhregal, bevor sie in die Küche trat, um ihn von hinten zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
"Schön, dich zu sehen", meinte er und griff nach ihrer Hand, um einen Kuss darauf zu drücken. Sie erwiderte die Geste und beugte sich an ihm vorbei über den Topf.
"Was machst du denn spannendes?", fragte sie neugierig. Er griff nach einem Kochlöffel, der neben dem Herd auf einem kleinen Teller lag und rührte im Topf herum.
"Ich sag es dir, wenn du versprichst, nicht zu lachen", bot er an. Lily musste natürlich sofort grinsen.
"Keine Chance", meinte sie, "was hast du gemacht?"
Er verdrehte die Augen, aber ganz ehrlich, das hätte er sich wirklich denken können. Er wandte sich zum Küchentisch um und deutete auf eine Zeitschrift, die darauf lag. Sie ging hinüber und musterte sie, aufgeschlagen war sie auf einer großen, farbgedruckten Doppelseite mit der Überschrift Die schärfsten Geheimnisse der indischen Küche, darunter, darüber, daneben, eigentlich überall verteilt waren verschiedene Rezepte für Currys, frittiertes Gemüse, Fladenbrote, Eintöpfe und Süßspeisen.
"Warum sollte ich darüber lachen, dass du beschlossen hast, ein Rezept aus einem Magazin nachzukochen?", fragte sie verwundert, während sie die Zeitung aus Neugier zuklappte, um das Cover anzuschauen. Ehe er jedoch antworten konnte, brach sie in lautes Gelächter aus, als sie entdeckte, um was für eine Zeitschrift es sich handelte. "James, Liebling, woher hast du eine Ausgabe von British Good Housekeeping?"
Er seufzte tief, aber sie konnte die Belustigung darin hören. Geduldig wartete er, bis sie fertig mit Lachen war.
"Ich hab sie gestern von Regulus mitgenommen", erzählte er dann. Lily hob neugierig die Augenbrauen, während sie zur Besteckschubladen ging, um sich einen kleinen Löffel zu nehmen, mit dem sie definitiv nichts Freches plante.
"Wofür besitzt Regulus die British Good Housekeeping?"
James schmunzelte und trat zur Seite, als sie sich mit ihrem Löffel bewaffnet in Richtung Herd schlich, ihr jede Illusion nehmend, dass ihre Mission, das Curry zu probieren, in irgendeiner Weise unauffällig gewesen wäre.
"Du weißt, dass du nicht heimlich probieren musst?", erinnerte er sie schmunzelnd. "Ich freue mich, wenn du probierst."
"Ja, ja." Sie winkte ungeduldig mit dem Löffel, bevor sie ihn im Curry versenkte. "Wofür hatte Regulus denn jetzt die Zeitung?"
James zuckte mit den Schultern.
"Für die Strickmuster", berichtete er. Lily grinste, oder versuchte es zumindest, mit einem Löffel im Mund war das schwieriger als gedacht. "Und ich hab drin geblättert, die Rezepte gesehen, mich dran erinnert, dass du Blumenkohl und indische Gewürze magst und dachte, hey, vielleicht ist Aloo Gobi genau deins!"
"Und recht hattest du", verkündete Lily, während sie den Löffel ein zweites Mal in den Eintopf gab, um "nochmal zu probieren". "Das hier ist absolut göttlich, ich kann es nicht erwarten, da gleich mehrere Eimer von zu essen."
James grinste und Lily wusste, dass es amüsiert sein sollte, aber in Wirklichkeit war es sehr begeistert und stolz - absolut verdient, denn hier hatte er sich wirklich selbst übertroffen.
"Freut mich, dass du auch noch gelegentlich an mich denkst, wenn du bei Regulus bist", scherzte sie. James schmunzelte und pikste sie in die Seite, bevor er sich wieder an den Topf stellte und noch etwas Salz hinein streute.
"Es mag dich wundern, aber ich denke tatsächlich recht regelmäßig an dich", erwiderte er. "Zum Beispiel, wenn ich ins Regs Wohnung auf dem Klo durch Magazine blättere."
Sie verzog das Gesicht.
"Zu viel Information, James", erklärte sie, auch wenn ihre Beziehung schon viel zu lange bestand, als dass es so etwas wie zu viel Information zwischen ihnen geben konnte. "Apropos zu viel Information, wie läuft es mit euch beiden?"
"Gut." James stellte das Salz und auch einige andere Gewürze, die noch herumstanden zurück ins Gewürzregal. "Also, soweit man das nach zwei Dates sagen kann." Er öffnete den Geschirrschrank, um zwei tiefe Teller herauszuholen, die er an Lily weiterreichte. Als sie sie ihm abnahm, erhaschte sie einen kurzen Blick auf sein Gesicht, das beinahe etwas unsicher aussah. Sie legte den Kopf schräg und sah ihn erwartungsvoll an. Er holte tief Luft. "Wir haben uns...eventuell...zum Abschied geküsst?"
Sie nickte.
"Cool."
"Bist du ok damit?" Er wirkte noch unsicherer, als sie sich fühlte.
"Natürlich", meinte sie. "Wir hatten ja vorher drüber geredet und ich hatte dir gesagt, dass das in Ordnung ist."
Er griff ihre Hand, als sie zur Besteckschublade griff.
"Ja, aber...", begann er. "Bist du immer noch ok damit, jetzt, wo es passiert ist?"
Sie überlegte kurz.
"Ich denke schon", gab sie dann ihre ehrliche Antwort. "Wie war's?"
Jetzt war es an James, kurz nachzudenken.
"Schön", sagte er dann. "Seltsam, irgendwie, nach einer so langen Zeit. Aber irgendwie ziemlich gut."
Lily musterte ihn, während sie jetzt doch die Besteckschublade öffnete, um den Tisch fertig zu decken.
"Hast du es vermisst?", fragte sie dann. "Das Küssen?"
Er schwieg kurz.
"Nicht wirklich", meinte er dann. "Ich meine, es gibt Sachen, die wir nicht machen, richtig? Küssen, Sex, solche Dinge." Lily nickte. "Und ich glaube, diese Dinge sind für mich ein bisschen, wie Schokomuffins."
Lily musterte ihn zweifelnd.
"Schokomuffins?", wiederholte sie. "Lecker, etwas klebrig und verkohlt, wenn man sie im Ofen vergisst?"
James lachte leise in sich hinein. Dann wuchtete er den großen Topf auf den Tisch und bedeutete Lily, sich zu setzen. Aus dem Ofen holte er noch aufgebackenes Fladenbrot hervor, dann setzte er sich zu ihr.
"Ich mag Schokomuffins", erklärte er. "Ich esse sie gerne und wenn mir jemand einen anbietet, dann sage ich wirklich gerne ja und freue mich drauf." Er musterte Lily. "Aber ich kann wirklich ohne größere Probleme ohne Schokomuffins leben. Meinem Leben fehlt nichts, wenn ich keine Schokomuffins habe." Er grinste. "Ohne Erdbeertörtchen hingegen möchte ich nicht leben."
Lily runzelte die Stirn.
"Was sind die Erdbeertörtchen in dieser Metapher?", fragte sie amüsiert. Er zuckte mit den Schultern.
"Kuscheln mit dir", erklärte er unschuldig.
Sie verdrehte die Augen, aber innerlich hüpfte ein kleines Kind völlig begeistert auf und ab. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie sich entschied, vorsichtig zu fragen:
"Was wäre, wenn ich dir einen Schokomuffin anbieten würde?" Er sah sie für einen Moment etwas verwirrt an. Sie entschied sich, ihn zu erlösen, als er nach einen Augenblicken noch nicht begriffen hatte, was sie meinte: "Ich hab in letzter Zeit darüber nachgedacht, ob wir es vielleicht mal ausprobieren sollten. Sex, meine ich. Wenn du Interesse hättest?"
Er blinzelte überrascht.
"Du meinst, du und ich?", fragte er erstaunt und etwas misstrauisch. Sie nickte. Er wirkte nicht überzeugt. "Lily, ist das...ist das etwas, was du wirklich willst? Oder hast du Angst, für mich nicht genug zu sein, jetzt, wo Regulus mit im Spiel ist? Weil das auf jeden Fall etwas ist, worüber wir reden können und sollten, aber ich will auf keinen Fall, dass du dich zu irgendetwas zwingst und überredest, was du eigentlich nicht willst, nur weil du denkst, dass ich -"
"James!", unterbrach Lily ihn, sanft, aber bestimmt. "Ich werde wahrscheinlich noch eine Weile brauchen, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass du Regulus datest. Aber das ist ok. Ich bin definitiv nervös an einigen Stellen, aber ich bin mir auch sehr sicher, dass viel davon daher kommt, dass die Situation neu und ungewohnt ist." Sie griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. "Meine Überlegung, mit dir Dinge auszuprobieren, kommt zwar daher, dass ich in dieser Situation noch einmal neu darüber nachgedacht habe. Aber ich bin auch ganz ehrlich wirklich neugierig."
Er schob seine Finger zwischen ihre.
"Wirklich?", fragte er leise. "Was ist damit, dass du die Vorstellung immer irgendwie abstoßend fandest?"
Sie zog die Schultern hoch, jetzt wieder mehr verunsichert.
"Ich bin auch ganz ehrlich", meinte sie, "ich weiß nicht, ob ich darin etwas finde, was mir gefällt. Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Aber ich glaube, ich würde es trotzdem gerne mal ausprobieren. Nicht heute, aber...irgendwann?"
Er lächelte leicht und drückte ihre Hand.
"Absolut", erwiderte er. "Und es ist komplett in Ordnung, wenn wir es probieren und es dir nicht gefällt. Wir können jederzeit aufhören, wenn du keinen Spaß hast. Und nur, weil wir es einmal ausprobieren, heißt das nicht, dass wir es nach diesem einen Mal jemals wieder tun müssen."
Sie nickte erleichtert. Dann deutete sie auf den immer noch dampfenden Topf.
"Wollen wir vielleicht anfangen, zu essen?", schlug sie vor. Er nickte.
"Sehr gerne. Und danach eine Runde Scrabble?"
Lily nickte und atmete erleichtert auf, das Gespräch so positiv beendet zu haben.
"Danach eine Runde Scrabble."
Dieses Kapitel heute ist der Auftakt einer Reihe von Diskussionen zum Thema Sex, die relativ hemmungslos geführt werden. Ich hoffe, ihr seid damit ok, wenn nicht, dann könnte ich mir vorstellen, dass diese Geschichte für die nächste Handvoll Kapitel etwas weniger fun werden könnte. Zuerst kommen nächste und übernächste Woche aber noch ganz harmlose Kapitel - nächste Woche zum Beispiel treffen wir jemanden wieder, den wir vor einer Weile kennen gelernt haben. Seid gespannt und werdet bzw. bleibt gesund (merkt man es, dass ich seit Wochen mit einer Erkältung kämpfe und inzwischen einfach nur noch frustriert bin, dass sie nicht wieder weggeht? Bestimmt kaum!)
Liebe Grüße an euch alle und habt eine gute Woche :)
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