Drittes Kapitel
Drittes Kapitel.
In dem Sirius, Regulus und zwei Tischlampen aufeinandertreffen
Sirius saß auf dem Ladentisch, baumelte mit den Beinen und schreckte Kundschaft ab. Lily musterte ihn von der Seite, während sie einen Blumenstrauß zusammenband, den eine Kundin vorhin bestellt hatte und in einer halben Stunde abholen wollte. Er gefiel ihr gut, die Farben spielten wunderbar zusammen und sie hatte letztens wunderschönes Band gekauft, was sich jetzt mehr als rentierte.
Es machte einen Heidenspaß, entschied sie, einen Blumenladen im Frühjahr zu haben.
"Wirst du heute den ganzen Tag da sitzen?", fragte sie Sirius, der ihr neugierig zuschaute.
"Kommt drauf an", erklärte er, "wann mein Bruder hier auftaucht."
"Dein Freund ist da drüben", erinnerte Lily ihn und deutete auf Remus, der im hinteren Teil des Ladens gerade einen Kunden zu verschiedenen Kochbüchern beriet. Sirius schmunzelte.
"Ja, aber wenn ich ihm zu sehr auf die Nerven gehe, dann darf ich vielleicht nicht bei ihm übernachten", erklärte er. "Du hingegen hast nicht viel gegen mich in der Hand."
Lily zog eine Augenbraue nach oben.
"Das sagst du mutig zu der Person, die aufpasst, dass wir immer Toastbrot und Ketchup im Haus haben, für den Fall, dass du hungrig bei uns auftauchst", erinnerte sie ihn. "Und können wir bitte noch einmal festhalten, dass ungetoastetes Toastbrot mit Ketchup und sonst nichts ein wirklich widerlicher Snack ist?"
"Du unterschätzt, wie höllisch man aufpassen muss, dass man sich nicht versehentlich gesund ernährt, Lily", mischte sich Remus ein, dessen Beratung anscheinend abgeschlossen war, denn er kam mit einem chilenischen Kochbuch zur Theke, seinen Kunden dicht auf den Fersen.
"Touché", murmelte Lily und stellte den jetzt fertigen Strauß in eine Vase. Sirius verzog beleidigt die Mundwinkel.
"Ich ernähre mich sehr wohl gesund", protestierte er. "Technisch gesehen ist in Ketchup Tomate drin. Und ich habe vorgestern eine Möhre gegessen."
"Dann stell dir schnell einen Wecker, bevor du vergisst, nächste Woche noch eine zu essen", scherzte Remus. Sirius hüpfte jetzt doch von Lilys Tresen herunter, aber nur, um sich hinter den von Remus zu schleichen und, als der Kunde mit dem Kochbuch aus dem Laden verschwunden war, ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
Lily sah demonstrativ weg. Die beiden waren inzwischen viereinhalb Jahre zusammen, aber sie hatte sich noch nicht daran gewöhnt, es zu sehen, wenn sie ohne Rücksicht auf die Anwesenheit ihrer Freunde miteinander herumknutschten. Eigentlich hatte sie zumindest von Remus mehr Scham erwartet, aber das hatte sich schnell als falsche Annahme herausgestellt. Ganz offensichtlich hatte Remus' Hirn einen Ausschalter, den Sirius mit den Lippen auf seinen mühelos betätigen konnte.
Die Ladenglocke klingelte leise, als sich die Tür öffnete und Lily konnte nicht anders, als dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich, als sie Regulus erkannte. Er warf einen zweifelnden Blick auf seinen Bruder.
"Ich hätte mir denken können, dass ich ihn so vorfinde", erklärte er. Remus und Sirius schreckten auseinander - viel zu spät für Lilys Geschmack, sie konnten froh sein, dass es nur Regulus gewesen war und keine Kundschaft, die sich direkt wieder umdrehte, wenn sie 50% der Ladenbesitzer unprofessionell knutschend vorfand. "Gut zu wissen, dass sich manche Dinge nicht verändern."
Sirius starrte ihn einfach nur an. Vielleicht machte er den gleichen gedanklichen Check wie Lily am Freitag - bemerkte, wie erwachsen er aussah und die Tatsache, dass er einen grünen Strickpullover trug, von dem Lily sich sicher war, dass er im Hause Black niemals erlaubt gewesen wäre.
"Regulus", war alles, was Sirius schließlich herausbrachte. Kurz erwartete Lily, dass Reg einen stichelnden Kommentar darüber machen würde, aber es huschte nur ein kleines Lächeln über sein Gesicht.
"Hi."
Sirius kam um den Tisch herum und blieb vor seinem Bruder stehen, musterte ihn noch einmal von oben bis unten.
"Hi", echote er. "Lange nicht gesehen. Schicker Pullover."
Regulus schmunzelte.
"Danke, ich hab ihn selbst gemacht."
Sirius lachte, dann hielt er inne.
"Warte, wirklich?"
Regulus nickte.
"Das hast du also die letzten drei Jahre gemacht?", fragte Sirius. "Stricken?"
Regulus zuckte mit den Schultern.
"Und Quidditch. Viel gereist. Viel gelesen. Ein bisschen gedatet, aber nicht so erfolgreich wie du anscheinend."
"Und jetzt bist du zurück."
"Und jetzt bin ich zurück."
Kurz war es still. Lily wagte einen Blick zu Remus hinüber, aber er schien genau wie sie beschlossen zu haben, dass er besser so still war wie möglich, nicht dass die beiden beschließen würden, irgendwo hin zu gehen, wo sie nicht weiter zuhören konnten.
"Ist es wahr?", fragte Sirius dann. "Was die Zeitungen geschrieben haben? Warum du England verlassen hast?" Regulus biss sich auf die Lippe.
"Es ist...größtenteils wahr."
"Du hast einen Gesetzesvorschlag zur Regelung von Arbeitsbedingungen für Hauselfen ausgearbeitet und ihn dem Zaubergamot vorgelegt?", fragte Sirius ungläubig. "Mit Unterstützung mehrerer Elfen aus dem Haus unserer Eltern, die du im Zuge einer Protestaktion nach der Ablehnung freigelassen hast?"
Regulus wand sich ein wenig unter den Worten.
"Ich habe mehrere Jahre lang mit verschiedenen Hauselfen am Grimmauldplatz und in Hogwarts zusammengearbeitet und versucht, herauszufinden, wie man ihr Leben verbessern könnte, ohne jemanden zu radikalisieren", korrigierte er. "Viele Elfen wollen nicht befreit oder bezahlt werden. Aber wenn man tief genug stochert, findet man heraus, dass sie freie Tage oder mehr Kontrolle über ihr eigenes Leben oder richtige Schlafräume durchaus annehmen würden. Ich habe beschlossen, dem Zaubergamot einen Entwurf vorzulegen, dass genau so ein Minimum verpflichtend wird." Er verschränkte die Arme. "Das mit dem Befreien zum Protest war mit den Elfen abgesprochen und ich hätte es sowieso gemacht. Hab vorher mehrere Jahre unsere Eltern subtil beeinflusst, dass sie Elfen ins Haus holen, von denen ich wusste, dass sie Interesse daran haben."
Sirius stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus.
"Ich wette, das hat ihnen gefallen, als sie es gemerkt haben", meinte er. Regulus seufzte.
"Mutter war fuchsteufelswild", bestätigte er, "ich könnte mir vorstellen, dass ich dir in dem Moment zumindest für einen Augenblick die Medaille für Größte Enttäuschung abgenommen habe."
Sirius klopfte ihm auf die Schulter.
"Das ist ok", meinte er, "wir können sie teilen."
"Das müssen wir auch", sagte Regulus, ernster als Lily es nach Sirius' Scherz erwartet hätte. "Sie hat mich ebenfalls aus dem Teppich gebrannt. Ich glaube, sie dachte, dass damit das Erbe auf Bella oder Cissy fallen würde. Das passiert aber nur, wenn wir tot wären. So wie es aussieht, sind wir wieder bei null. Beide Erben. Jeder die Hälfte. Das heißt du und ich müssen uns mal zusammensetzen und und überlegen, was wir mit dem ganzen Kram machen."
Sirius klappte die Kinnlade herunter.
"Warte, was?", fragte er überrascht. Regulus hob nur etwas hilflos die Schultern. "Sie haben dich nur wegen der Hauselfensache enterbt?"
Regulus schnitt eine Grimasse.
"Das war der offizielle Grund. Ich schätze mal, es hat nicht geholfen, dass sie mich einige Tage zuvor mit meinem damaligen Freund in flagranti erwischt haben und so auf die harte Tour herausgefunden haben, dass ich ihnen nur sehr unwahrscheinlich weitere Erben produzieren werde."
Lily hätte es nicht erwartet, aber Sirius entglitten die Gesichtszüge tatsächlich noch weiter.
"Warte, was?", fragte er überrascht. "Du bist...nicht hetero?" Regulus' Augenbrauen hoben sich ein wenig überrascht und auch Lily blinzelte. Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass James in den gesamten letzten fünf Jahren seinem besten Freund gegenüber nie verraten hatte, dass er und Regulus mal gedatet hatten.
"Ich...dachte, das wusstest du längst?", erwiderte Regulus, mindestens genauso verwirrt wie sein Bruder.
Lily sah noch einmal zu Remus, der gleichzeitig überrascht und extrem amüsiert aussah.
Wie um das Chaos perfekt zu machen, ging jetzt die Ladentür auf - und James kam herein, in jedem Arm eine Tischlampe.
"Lily, ich war gerade bei Detmer's drüben, um nach einer Lampe fürs Wohnzimmer zu schauen, wie wir besprochen hatten. Welche von denen findest du besser? Ich mag den großen Schirm von der hier, aber mir gefällt das Muster von der anderen auch, deshalb dachte ich, ich schneie schnell vorbei und frage nach, was du..." Er unterbrach sich selbst, als er von den Lampen aufschaute und direkt in Regulus' Gesicht sah, der mindestens genauso unvorbereitet wirkte, ihn zu sehen. "...Regulus?"
Regulus tat für einen kurzen Augenblick gar nichts, dann räusperte er sich leise und deutete auf die linke Lampe.
"Also, ich finde die schöner. Aber ich kenne euer Wohnzimmer nicht."
James blinzelte.
"Ich...seit wann bist du wieder in England?"
Lily hätte gerne weiter aufgepasst, wurde aber von Remus abgelenkt, der sich dicht hinter sie stellte und ihr ins Ohr wisperte:
"Ok, völlig absurde Idee, aber ich weiß gerade nicht, wie ich den Raum anders lesen soll." Er zögerte kurz. "Hatten James und Regulus mal was miteinander?"
Er hatte ganz offensichtlich versucht, es so leise wie möglich zu sagen, aber die peinlich berührte Stille zwischen James, Regulus und Sirius ließ den Satz im Laden hallen, als hätte er in ein Megafon gesprochen.
James versuchte, sich hinter den Lampen zu verstecken - oder vielleicht versuchte er nur, sie nicht fallen zu lassen. Vor allem, um nicht nur unangenehm berührt in der Gegend zu stehen, ging Lily einige Schritte zu ihm hinüber und nahm ihm eine der beiden ab.
Sirius sah zwischen Regulus und James hin und her, von denen keiner bisher Anstalten gemacht hatte, Remus' Frage zu verneinen.
"Warte, hattet ihr wirklich?", wollte er überrascht wissen. "Und keiner von euch ist mal auf die Idee gekommen, mir davon zu erzählen?"
"Um ehrlich zu sein, war ich davon ausgegangen, dass du längst davon wusstest", murmelte Regulus. "Ich hätte nicht erwartet, dass James so lange dicht hält."
James sah ihn völlig entrüstet an.
"Was soll das denn heißen?", fragte er empört. "Als ob ich dich vor irgendjemandem ohne deine explizite Erlaubnis outen würde. Insbesondere deinem Bruder!"
Lily war sich nicht vollkommen sicher, aber...naja, doch schon ziemlich, dass Regulus' Wangen etwas erröteten.
"Wirklich?", fragte er etwas kleinlaut.
James wäre sicherlich in eine längere Rede über Ehre und Freundschaft verfallen, wenn nicht zum wiederholten Mal die Ladentür aufgegangen wäre und sie daran erinnert hätte, dass es die ganz normalen Öffnungszeiten waren und sie in einem Raum waren, den theoretisch zu jedem Zeitpunkt Außenstehende betreten konnten.
Sehr zu Lilys Erleichterung wollten die eintretenden Kunden in den Buchladenteil und so war es Remus, der sich aus der Situation entfernen und mit ihnen in den hinteren Teil des Ladens gehen musste.
Sirius schnappte sich James' Arm und sah zwischen Lily und Regulus hin und her.
"Entschuldigt uns kurz", meinte er. James hob fragend die Augenbrauen, aber Lily und Regulus nickten beide und so verschwanden die beiden hinter der Tür auf der "Nur für Angestellte" stand ins Lager, James nicht, ohne Regulus vorher die zweite Lampe in die Hand zu drücken.
Und so blieben Lily und Regulus zurück, jeder eine Tischlampe in der Hand, etwas ratlos. Lily sah zwischen den beiden Lampen hin und her.
"Ich glaube, mir gefällt auch die mit dem Muster am besten", sagte sie nach einigen Momenten, in denen sie beide geschwiegen hatten.
"Ich hoffe, es ist nicht seltsam für dich, dass James und ich...", murmelte Regulus. "Also, wo ihr doch jetzt...und so..."
Lily legte den Kopf schräg und hätten sie nicht beide eine Lampe gehalten, hätte sie vielleicht eine Hand auf seinen Arm gelegt.
"Reg, ich weiß schon seit Jahren bescheid", beruhigte sie ihn. "Ich wusste davon, bevor ich angefangen habe, James zu daten."
Regulus blinzelte.
"Hat er...dir davon erzählt?"
Lily schnitt eine Grimasse.
"Ich hab euch ein bisschen...gesehen, als ihr euch geküsst habt, wenn ich ehrlich bin", gestand sie. Regulus wirkte alarmiert und sie hob beschwichtigend die Hände (mit der Lampe darin). "Es war in einem Geheimgang. Und ich stand unter einem Tarnumhang. Es war keine Absicht." Sie schloss die Augen. "Es ist eine lange Geschichte und sie ist weniger schlimm, als es gerade aussieht. Oder vielleicht schlimmer."
Regulus lachte leise in sich hinein.
"Wie auch immer", meinte er. "Du musst dir auf jeden Fall keine Gedanken machen, dass ich ihm noch einmal Avancen mache. Mein Interesse an ihm gehört der Vergangenheit an."
Lily legte den Kopf schräg und durch ihre Gedanken huschte das Versprechen, was sie James gegeben hatte, der Kuss von vor so vielen Jahren und die Gesichtsausdrücke der beiden, als sie sich eben zum ersten Mal wieder gesehen hatten. Ihr einer Mundwinkel zog sich ein Stück nach oben und sie versuchte, alle Unsicherheit und Angst, die ihr bei diesen Gedanken aufkamen, mit einer dicken Schicht Gelassenheit zu überstreichen.
"Nun, Regulus", meinte sie und zum Glück konnte man ihren höheren Herzschlag nicht in ihrer Stimme hören. "Versprich nichts, was du nicht halten kannst."
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