Kapitel 7
"Geht es dir gut?" Unsicher beobachtete mich Elis, als ich in meinem Zimmer herum tigerte. Was sollte ich tun? Ich sollte mich setzen, aber ich hatte einen undurchdringlichen Bewegungsdrang.
"Ja, schon, nur, es tut mir leid", stammelte ich und versuchte die Wörter zusammeln und aus den Fetzen Sätze zu bilden.
"Okay, komm setz dich hin, alles ist gut, ich habe nichts gegen dich und Ferrys Verhalten tut mir leid."
Irritiert hielt ich inne. Warum tat ihm Ferrys Verhalten leid? Was hatte er damit zu tun?
Als hätte er meine Gedanken an, setzte er an, sich zu erklären: "Manchmal bin ich übereilig und überstürze Sachen. Sachen, die nicht unbedingt so dazu geeignet sind, sie zu überstürzen. Ich habe mal etwas überstürzt, was fatale Folgen hatte, wahrscheinlich warnt Ferry mich deswegen."
Ich hätte ihm gern widersprochen, aber irgendwas hielt mich von zurück.
"Komm wieder. Ich meine, komm her."
"Elis, willst du eigentlich was von mir?"
"Warum sollte ich... Fragst du wegen Ferry?"
"Nur so." Ich wusste nicht, wie ich drauf gekommen war. Es war mir einfach nur so rausgerutscht.
"Alles okay? Komm setz dich. Wir sollten reden."
Ein leises Lächeln huschte mir über das Gesicht. Würde ich bekommen, was ich wollte?
"Okay." Unsicher setzte ich mich neben ihm und blickte ihm tief in die Augen. Er hatte schöne Augen, wunderschöne.
"Was ist mit dir?"
Verwirrt sah ich ihn an. Was meinte er? Wie, was sollte mit mir sein?
"Ich meine, hast du Gefühle für mich?"
Entsetzt sah ich ihn an. Was sollte ich jetzt sagen. "Entschuldigung, ich muss... ich..." Was sollte ich bloß tun? Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. "Entschuldige mich einen Moment, ich muss was trinken, mein Hals ist trocken." Diese Situation wurde mir plötzlich total unangenehm und ich begann zu zweifeln, dass er wirklich ohne Vorbehalt war, vielleicht führte er ja auch was im Schilde.
"Okay?" Verunsichert suchte er meinen Blick, doch ehe er ihn fand, stürmte ich auf und rannte durch die Tür nach unten.
Hektisch atmend versuchte ich Luft zu holen. Was war bloß los mit mir?
Irgendwie spürte ich seinen Blick auf mir ruhen, aber das war mir egal.
Zitternd nahm ich ein Glas und füllte mir Wasser ab, das Wasser schwenkte im Glas, bis ich einen Schluck davon nahm. Das Wasser ran kühl meine Kehle herunter.
Oh mein Gott. Was hatte ich bloß getan? Ich meinte, ich hätte die besten Chancen gehabt, mit ihm zusammen zu kommen oder ihm irgendwas aufzutischen, doch aus welchem Grund auch immer, hatte ich sie nicht sofort genutzt. Hatte ich Angst?
Nach einigen Minuten kehrte ich zurück nach oben und betrachtete die Wand.
"Es tut mir leid, ich wollte dich nicht so überfallen, aber du hast irgendwas. Wahrscheinlich überstürze ich nur wieder alles. Es tut mir so leid, ich wollte dir nichts böses, ich wollte nicht..."
"Denk doch mal an Ferry, was soll er nur denken? Was soll ich machen?"
"Okay, ich... Ferry ist hochgekommen und hat gefragt, was los ist."
"Und was hast du gesagt? Ich wollte nicht... Falls ich dir weh getan habe, tut es mir leid."
"Nein, alles gut. Ich habe gesagt, dass nichts ist. Dann hat er gefragt, wo du bist."
"Und?" Irgendwie war mir diese Situation total unangenehm.
"Ich habe nur geradeaus geschaut, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Schließlich habe ich mich dazu aufgerafft, ihm zu sagen, dass du nur was trinken wolltest."
"Und?", hakte ich unsicher nach.
"Was auch immer du vor hast, er hat dir seine volle Zustimmung gegeben."
"Wie das?" Verwunderung machte sich in mir breit. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit. Damit, dass er mir die Zustimmung in der Sache gibt, hätte ich nicht gerechnet. So langsam spürte ich, wie mein Mund von innen austrocknete, dabei hatte ich erst eben getrunken. Eine Art Adrenalin drang in mir hervor und machte es mir fast unmöglich, ruhig da stehen zu bleiben.
"Er meinte, er hätte sich fast gedacht, dass ich wieder sowas abziehe, er meinte, genau davor, hatte er dich beschützen wollen, genau davor hatte er dich gewarnt."
Ich verstand so gar nichts, dennoch hörte ich Elis zu und wurde innerlich immer unruhiger. War es ein Fehler gewesen? Ich bemühte mich um ruhigen Atem, aber dennoch lauschte ich jeden seiner Worte und blickte unruhig von der Wand zu ihm und wieder zur Wand.
"Er wollte nicht, dass du verletzt würdest. Besser gesagt, dass ich dich verletze, er wollte es nicht. Er war vollkommen aufgebracht. Er..." Traurigkeit lag in seinem Blick, dennoch atmete er einigermaßen ruhig.
"Du musst nicht weiter reden, wenn du nicht willst." Aber innerlich wünschte ich, er würde weiterreden, was er auch tat. Was auch immer es war, ich wollte es wissen.
Zögerlich musterte er mich, dabei schien er jedoch jedes einzelne Detail von mir aufzunehmen. Schließlich setzte er wieder zum reden an. "Vielleicht sagst und denkst du, dass ich es nicht muss, aber ich weiß, dass ich es muss. Ich muss weiterreden. Es wäre nur fair gegenüber dir. Auch wenn er sagte, dass das einzig Relevante wäre, dass du tun und lassen darfst, was immer du tun und lassen muss. Wie bereits gesagt, habe ich bereits schon mal viel überstürzt. Ich bin eine Person, die es hasst zu warten. Während andere Angst davor haben, sich zu binden, hätte ich damit kein Problem. Ich meine, es ist mein Leben und nicht das eines anderen. Er hätte kein Problem mehr damit, falls du mich verletzen würdest, seinetwegen könntest du mich sehr tief verletzen. Du könntest mich, seiner Ansicht nach, langsam aber sicher von innen ausbluten lassen. Mir ist egal, ob du was für mich empfindest, ganz ehrlich, ich habe langsam genug davon, mich immer zurückdrängen zu lassen. Zu leiden, auch wenn es anders gehe. Angeblich bin ich viel zu emotional. Aber ich muss ihnen was beweisen. Eine Frage, ich will wirklich nicht über dich urteilen oder so, aber könntest du dir vorstellen, mit jemanden zusammen zu sein, den du nicht liebst? Auch wenn dies vollkommen abwegig klingen vermag."
Reflexartig schloss ich meine Augen. Was sollte ich nur darauf sagen? Natürlich würde ich. Dies war genau dass, was ich tun musste, ob ich wollte oder nicht. Aber schön zusehen, dass Ferry kein Problem mehr mit hatte.
"Würdest du?", fragte er zart nach.
"Ja", erwiderte ich schwach und würde mich am liebsten schlagen. Was auch immer er damit zu erreichen versuchte, es funktionierte wahrscheinlich. Wie kam er auf sowas? Spürte er, dass ich nichts für ihn empfand und scheinbar doch was von ihm wollte?
"Setz dich." Noch ehe ich reagieren konnte, zog er mich neben sich, auf mein Bett.
Stille lag in der Luft, aber sie war anders als sonst. Die Ruhe vor dem Sturm, doch daran passte irgendwas nicht.
"Ich auch, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß nicht, ob es überhaupt möglich ist, dass ich jemanden liebe, der mich auch liebt. Ob es möglich ist, jemanden zu lieben, der mich liebt, den ich aber nicht liebe. Aber irgendwie habe ich Angst davor, jemanden wegzuschmeißen oder jemanden gehen zu lassen, nur weil wir nicht das Gleiche für einander empfinden und am Ende stellt sich raus, es wäre ein Fehler gewesen. Lieber jemanden, der mich mag und dem ich vertrauen kann, als jemanden, der mich liebt, den ich aber nicht vertrauen kann. Lieber jemanden, den ich nicht zwingend liebe, den ich aber sehr wohl vertrauen kann, als jemanden den ich liebe, aber den ich nicht vertrauen kann. Ich meine, eventuell kann man lernen, jemanden zu lieben, aber zu lernen, jemanden zu vertrauen, geht nicht so schnell. Wenn man überhaupt lernen kann, jemanden zu vertrauen, dem man nicht vertraut. Oder der. Ich bin ja hetero, soweit ich weiß."
Ein leichtes Lächeln umspielte mein Gesicht. Er hatte recht, schon irgendwie. Liebe konnte man schneller aufbauen als Vertrauen. Auch wenn Leute meinen, man könne sich nicht innerhalb einer Woche verlieben, so kann man doch genauso wenig, innerhalb einer Woche Vertrauen zu jemanden aufbauen, den man nicht vertraut. Meiner Meinung nach.
"Wäre es abwegig, dich zu fragen, ob du mit mir zusammen sein möchtest, auch wenn du mich nicht liebst?"
"Liebst du mich denn?"
"Es ist verrückt, man kann sich in niemanden innerhalb einer Woche verlieben, keiner verliebt sich innerhalb einer Woche, kein normaler Mensch."
"Was ist denn schon normal?"
Auch er lächelte. "Du hast recht. Normal gibt es nicht. Wenn ich jedoch meine Gefühle richtig deutest, so überwältigst du mich. Du lässt mich fühlen, was ich nie zuvor gefühlt habe. Ich weiß nicht, ob es Liebe ist oder ein anderes Gefühl, aber ich würde gerne sehen, ob da mehr draus werden könnte. Ob sich daraus Liebe entwickeln könnte. Selbst wenn du mich nie lieben können würdest, so will ich zumindest das Gefühl kennen. Also, würdest du mit mir zusammen sein? Auch wenn es nicht für Ewig ist. Wenigstens für eine Zeit?"
Wie auch immer er darauf gekommen war, er überwältigte mich.
"Ja", brachte ich schwach zustande und starrte ihn wortlos an. Was war gerade passiert?
"Willst du mit mir zusammen sein? Es zumindest eine Weile mit mir aushalten?", wiederholte er ruhig seine Frage, auch wenn ich spürte, dass er eigentlich ganz und gar nicht ruhig war.
"Okay. Ja, meinetwegen, wenn es dich glücklich macht." Und es mir zur Erfüllung meiner ersten Wette, meiner ersten Aufgabe verhilft, gewiss.
"Also sind wir jetzt zusammen?" Unsicherheit ruhte auf seinem Gesicht, während er mich kopfschüttelnd, aber sichtlich beeindruckt betrachtet.
"Ich nehme es an." Tief atmete ich durch und biss mir leicht auf die Lippen.
"Danke", flüsterte er mich und ehe ich ihn davon zurückhalten konnte oder etwas anderes tun konnte, beugte er sich vor und gab mir einen leichten und sanften Kuss auf die Lippen. Es fühlte sich gut an, aber ich wusste, dass ich ihn nicht liebte. Wie es sich wohl anfühlte, wenn man die jeweils andere Person liebte? Wie es sich wohl anfühlte, eine Person zu küssen, die man liebte? Würde ich es je erfahren? Aber bis dahin hatte ich wenigstens die Vorbereitung auf einen Freund. Spielen konnte ich, spielen konnte ich sehr gut. Aber fühlen musste um einiges überwältigender sein. Solange, bis ich lernte zu fühlen und jemanden fand, den ich lieben konnte, den ich wirklich liebte, konnte ich versuchen, dies zu bewältigen und zumindest so zu tun, als hätte ich einen Freund. Mein Atem versagte, aus welchem Grund auch immer.
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