
Kapitel 22
Die Welt verschneit einen den Weg.
Äh nein.
In einem Moment steht man noch hier und im nächsten schon am Steg.
Ja, klar.
Alles wirkt so düster, friedlich und doch ganz allein.
Genau.
In allem wirkt die Lust zu sein.
Das war jetzt nichts, über das man explizit nachdenken musste.
So sehe doch die Welt nun mal, als das, was sie eben ist.
Und geh nicht immer nach ner Frist.
So wie du betrachtet werden willst, die Welt dich auch empfängt, in Trauer und in Leid, das all in der Gemeinsamkeit des Zusammenseins, ein jeder für einander da, wo Liebe ist, da auch Schmerz, wo Schmerz da Gefühl, wo Gefühl, da Hoffnung keimt.
So sieh dein Leben allerlei, beurteil nicht, was du nicht kannst, sei freundlich und gütig, egal was man sich zusammenreimt.
Du bist du und das ist alles gut. Sei wie du bist, bleib wie du bist, ganz egal, doch vergesse nicht, was du versprichst.
Reimen kann ich, ganz gewiss.
Unwissend, was ich von dem Allem halten sollte, blickte ich hinunter auf das Geschriebene vor mir.
Und das alles zur Gemütlichkeit. Was sage nun dir dein Freigeist? Wie steht es zur Zweisamkeit?
Äh nein, das passte nicht.
Verbissen starrte ich auf die Zeilen und versuchte in meinen Kopf eine Struktur festzulegen. Weil das auch immer klappte. Wieso waren Deutschlehrerinnen eigentlich immer davon überzeugt, dass man mit allem was man schrieb, eine Botschaft übermitteln wollte? Und wenn das der Fall war, welche wollte ich dann bitte damit übermitteln? Was für eine Botschaft sollte das denn sein? So etwa von wegen: Wenn du es nicht kannst, dann versuche es erst gar nicht und bleib dir lieber treu oder was?
Das mit der Gemütlichkeit und so konnte ich gleich wieder streichen. Es brachte ja sowieso gar nichts. Lass es einfach mit versprichst enden, dann ist alles gut.
"Komme ich ungelegen, solle ich lieber gehen?", fragte Ferry, der sich über die Zeilen meines Geschriebenen beugte.
"Hilf mir lieber, mir eine vernünftigere Beschäftigung zu suchen", seufzte ich und drehte mich dann ihm zu. "Was willst du eigentlich?"
"Schon vergessen, dass wir heute wieder joggen wollten? Ist aus deiner Sicht wahrscheinlich eine bessere Beschäftigung als dichten. Also komm. In zehn Minuten unten und nimm dir was zu Trinken mit. Wir könnten schon so zwei Stunden unterwegs sein. Mir schon klar, dass du nach einer halben Stunde nicht mehr kannst, aber du musst Hin- und Rückweg berechnen. Zudem vielleicht ne halbe Stunde Pause, je nachdem wie lange du brauchst. Also lass uns rechnen. Eine halbe Stunde Pause. Das bedeutet, es bleibt noch eine Stunde und eine halbe übrig. Also eine Schuldoppelstunde. Heißt neunzig Minuten a 45 Minuten. Also, wenn du verstehst. Heißt so eine dreiviertel Stunde joggen, Pause und wieder eine dreiviertel Stunde joggen, diesmal zurück. Wir müssen dringend an deinem Durchhaltevermögen arbeiten. Damit wir uns nicht falsch verstehen."
"Ist ja schon gut. Dann muss ich mich halt ne Viertelstunde triezen."
"Ich sehe, wir verstehen uns." Mit diesen Worten ließ er mich allein in meinen Zimmer zurück und ich fing an, mich fertig zu machen.
Eine halbe Stunde später erreichten wir eine Kreuzung, an der wir stehen blieben. Suchend sah sich Ferry um. Dabei warf er mir einen warnenden Blick zu, der wohl soviel heißen sollte, wie freu dich nicht zu früh.
"Aber wir sind richtig?", konnte ich mich nicht verhindern hervorzubringen.
"Ja, natürlich", erwiderte er trocken, "ich schau nur, welchen Weg wir heute lang joggen. Hier lang." Mit seiner Hand wies er nach rechts und joggte zugleich los.
Verblüfft brauchte ich einen Moment um mich zu sammeln und ihm hinterher zu hechten. Das schien ihn regelrecht zu amüsieren, weswegen ich ihm blöde Blicke zuwarf.
"Nur noch 25 Minuten", zog er mich auf und erhielt dafür einen etwas wütenden, leicht genervten Blick von mir.
"Die werde ich wohl schon noch durchhalten, aber rede nicht mit mir." Angestrengt versuchte ich meinen Oberkörper gerade zu halten, damit ich ihm trotzen konnte.
Diese nur 25 Minuten gehörten dahin, wo sie mich keines Falls kriegen konnten. Nicht, dass ich nicht körperlich fit oder so wäre, aber nach einer Weile ist ja auch wandern anstrengend. Und die Vorstellung, die Wege, die man wanderte zu joggen...
"Na, schon müde? Erschöpft? Also ich könnte noch locker fünf Minuten durchhalten", zog Ferry mich auf.
"Keineswegs, oder sehe ich so aus, als würde ich gerade jeden Moment zusammenbrechen?", giftete ich zurück und versuchte mich zu beruhigen.
"Um ehrlich zu sein, ja", ließ er seufzend vernehmen und ließ sich neben mir nieder. "Komm setz dich. Du brauchst deine Kraft, um nachher zurück zu joggen. Und da machen wir keines Falls Pause."
"Gut. Also keine Zweiteilung auf dem Rückweg. Auch gut."
"Du siehst nicht gerade so aus, als würdest du dich darüber freuen."
"Wirklich nicht? Sollte ich denn jubelnd in die Luft springen oder was erträumst du dir?", konterte ich.
"Aber natürlich."
Noch eine Weile saßen wir da so da und redeten. Er erkundigte sich nach meinem Empfinden und ich erzählte ihm, was zu wissen er benötigte. Dafür erzählte er mir auch was von seinem Leben. Interessiert hörte ich zu.
"Ach und ich habe gehört, dass du dich mit Ley wieder verstehst?"
"In der Tat", brachte ich hervor.
Es war ein langer Tag, wie so manch einer sagen würde. Wir redeten und quatschten. Auch, als wir schon wieder zu Hause waren und beim Abendessen, waren wir alle froh und munter. Ley hatte sich zum Essen angekündigt und ließ nicht lange auf sich warten. Und wirklich, wir verstanden uns wieder prächtig. So als sei ein Band zwischen uns gebrochen und hätte sich aus unserem Weg gebahnt, um keine Barrikade zu sein. Es war so, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen. Auch Ferry schien das zu bemerken und er schien glücklich darüber zu sein. Im Allgemeinen, wir lachten viel und als das Essen, welches überaus hervorragend schmeckte, gegessen war, blieb Ley noch und wir zogen uns zu dritt zurück. Dieses Gefühl, das uns bei alldem begleitete, fühlte sich gut an. So eine Art Losgelöstheit. So als könne sich nichts mehr zwischen uns bahnen, komme was wolle.
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