Kapitel 21
"Niemand hat so Eigenheiten, wirklich niemand."
Wir saßen da und Lyra teilte die Karten aus. Unterdessen redete Ley ununterbrochen von irgendwelchen Büchern oder Serien, die mir so an sich kaum was sagten. Aber ich ließ sie reden. Wieso auch nicht? Es hatte doch eh keinen Sinn, sie zu unterbrechen.
"Glaubt mir, würde ich so auftreten, würde man mich schon nach einer Minute rausschicken. Aber nein, natürlich ist er der Star. Wisst ihr, er benimmt sich so, als sei er der Herrscher der Welt. Dabei ist er doch auch nur ein Jugendlicher, genau wie du und ich. Wie wir alle drei. Ich meine, klar, man braucht vielleicht etwas, damit man nicht irgendwann aufgibt damit, so ein... Wie man auch sagt. Auf jeden Fall müsst ihr jetzt mal den Fakt betrachten: Er ist toll. Total toll. Überaus gut aussehend, wirklich..."
"Hat sie angefangen über jemanden zu reden, auf den sie steht?", fragte Lyra an mich gewandt.
"Hoffentlich nicht. Wenn doch dann.... Nein, sie hat schon einen Freund."
Gekonnt ignorierte Ley uns und sprach einfach weiter. "Er ist Straßenkünstler. Und dunkelhäutig. Na ja, immerhin kein reicher, weißer Mann, aber dennoch. Seine Eigenschaften sind zum Großteil positiv. Aber jetzt mal wirklich, welcher normal vernünftige Mensch würde so auftreten? Nun gut. Seine Arbeit besteht darin, sich pantomimisch zu verkleiden und irgendjemanden darzustellen. Ihr wisst schon. Zudem steht er die Hälfte der Zeit nur rum, in der entsprechenden Position und beobachtet die Leute. Die Leute, die an ihm vorbei gehen. Was soll man daraus lernen?"
"Jeder andere Mensch, würde nichts lernen wollen, beziehungsweise wäre genervt, wenn was mit lernen drinnen vorkommt", kommentierte ich.
"Und ihr müsst mir glauben, man bekommt zwar Eindrücke von seinem Privatleben und so, aber zum Großteil steht er einfach nur so rum. Auf der Straße. Als Künstler. Und das wird dann hoch gevibt."
"Du meinst gehypt."
"Und im Allgemeinen. Er ist ja sowieso der beste und der tollste. So unbekümmert. Die Frauen liegen ihm zu Füßen. Aber er will nur sie. Doch ausgerechnet sie scheint sich nicht für ihn zu interessieren. Wisst ihr, es ist ihr egal, was er macht, wie beliebt er ist. Sie fühlt sich nicht auf einer Wellenlänge mit ihm. Bringt seinen Interessen kein Verständnis entgegen. Und allem im Allem. Es spitzt sich hoch. Und dann.... ja dann... Wenn ihr wissen wollt, wie es weitergeht, liegt es an euch."
"Nein danke", sagte Lyra und schaute hochkonzentriert auf die Karten. Die restlichen in ihrer Hand verbliebenen, mischte sie nochmals durch und legte sie dann auf einen Stapel. "Jetzt lasst uns spielen. Wir haben später noch Zeit."
Also spielten wir Karten. Eine Runde nach der anderen. Ab und zu erzählte Ley uns noch was, aber allem im allem, waren wir doch schon leise und...
"Es ist unglaublich", brachte Ley hervor und riss mich aus meinen Gedanken.
"Was genau meinst du?", erkundigte ich mich, sichtlich neugierig.
"Hättest du Anfang dieses Schuljahres geglaubt, dass wir so friedlich beieinander sitzen könnten? Vielleicht haben wir wirklich nur Lyra gebraucht."
"Lyra ist toll", stimmte ich ihr zu.
"Vielen Dank", fügte sich Lyra geschickt ins Gespräch ein. "Ich finde es auch toll, wie friedlich ihr seid. Und was läuft bei euch so? Was geht bei euch ab?"
"Ich habe einen Freund mit dem ich sehr glücklich bin. Ganz egal was andere behaupten. Aber ja, wie sieht es eigentlich bei dir aus, Lal?"
"Ich habe..." Gute Frage. Habe ich einen Freund? Habe ich keinen? Ich konnte es nicht sagen. "Es ist kompliziert. Im Allgemeinen geht es mir gut. Und ja. Also Lyra, beantwortest du dir deine Frage auch selbst?"
"Es geht. Manchmal ist es in manchen Situationen unangenehm. Aber im Großen und Ganzen komme ich sehr gut zurecht. Eigentlich bin ich hier, weil ich meinen Bruder besuche. Oder es zumindest tun will. Vielleicht kennt ihr in ja. Wie auch immer."
"Ja. Und sonst? Gefühlstechnisch alles im Lot?"
Bevor sie antwortete, starrte sie mich an und ihre Augen funkelten. Dann schien sie sich eines Besseren zu besinnen und lächelte. "Ja, alles im Lot. Was sollte auch nicht in Ordnung sein? Es ist nur... Ach auch egal."
Hatte ihr Bruder recht?
"Wirklich. Alles okay. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Leiser, so, dass nur ich es hören konnte, fügte sie hinzu: "Es war nur eine dumme Idee." Sie musste nicht näher erläutern, was sie meinte, ich wusste es auch so.
"Ja. Vielleicht. So bin ich nun mal. Ich bin die pure Idee äh ja. Die pure Idee dumm, ich glaube auch."
"Ist doch schön, wenn du glaubst."
"Finde ich auch."
"Okay, das wird jetzt etwas fade."
"Ja, Lal, mir schon klar. Erzähl uns mal aus deinem Liebesleben. Bist du jetzt eigentlich mit Elis zusammen oder doch mit Alonso?"
"Weder noch. Wieso sollte ich überhaupt mit jemanden von beiden zusammen sein? Und wie kommst du darauf, dass ich mit Alonso zusammen sein sollte, geschweige denn ihn überhaupt kennen?"
"Verkauf mich nicht für dümmer, als ich bin. Ich bin nicht blöd. Merk dir das. Außerdem hängt Alonso in letzter Zeit mal bei Ferry rum, der ja wiederum mein Freund ist. Siehst du? Alles ganz einfach und kombinierbar. Ach und keine Sorge, ich hatte nie was mit Alonso."
"Und Elis? Wie sieht es mit Elis aus?"
"Sehe ich so aus, als sei ich mit jemanden wie ihm zusammen? Nein danke. Nichts gegen dich, aber er ist nun mal eben nicht mein Fall."
"Und er hatte nie Gefühle für dich."
"Nie auch nur die geringsten", erwiderte Ley, mir etwas zu schnell.
"Also entweder gibt es da keine Zweifel oder du willst nicht darüber reden. Ich tippe auf letzteres. Aber ganz ehrlich, es interessiert mich im Endeffekt doch eh nicht. Mir auch egal. Wieso sollte es mich auch interessieren?"
"Weil beide als dein Freund infrage kommen würden. Nichts gegen dich. Es sind beide vielleicht nicht die besten Partien, aber dennoch. Es ist egal, was ich von ihnen halte, solange du glücklich bist, wenn du mit einem von beiden zusammen bist."
"Äh, entschuldige mal bitte. Was hast du gerade gesagt? Was hast du bitte gegen Al... gegen sie alle?"
"Genau alle. Glaubst du, ich bin blöd. Ich muss nur was gegen ihn sagen und schon... schon bist du vollkommen dabei und verrätst mir noch die letzten Geheimnisse. Das heißt, Alonso und du empfinden beide was füreinander und dennoch geht ihr nicht weiter?"
"Nicht alles ist so einfach, wie du es darstellst."
"Wann habe ich was von einfach gesagt?"
"Leute, beruhigt euch mal. Ich bin auch noch hier." Sobald Lyra das gesagt hatte, verstummten wir und sahen sie an. Doch sie sagte nichts mehr und auch wir wussten nichts zu sagen.
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