Kapitel 14 (Niall)
Am Morgen unserer Hochzeit, kam Ophelia in mein Zimmer. ,,Wir ziehen das durch, oder?", fragte sie ohne eine Begrüßung. Bei uns beiden lagen die Nerven komplett blank, aber ich nickte. Unser Plan war so bescheuert, dass er tatsächlich funktionieren könnte, auch wenn ich mir sicher war, dass es am Ende Konsequenzen tragen würde.
,,Wir ziehen das durch", bestätigte ich mit leicht zitternder Stimme. ,,Wir schaffen das, da bin ich mir ganz sicher." Das war eine Lüge, aber ich wusste nicht, ob ich mich selbst versuchte damit zu überzeugen oder sie.
,,Wir gehen da raus und machen sie fertig."
Ophelia ließ ein leichtes Lächeln sehen, was vermutlich alles war, was ich in so einer Situation aus ihr herausbekommen würde.
Ich griff nach ihren Händen und strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. ,,Alles wird gut", versprach ich und sah ihr ernst in die Augen. Ophelia nickte leicht. ,,Ich habe Angst", gab sie dann leise zu, als wäre es etwas, wofür sie sich schämen müsste.
,,Du wärst ein Dummkopf, wenn es nicht so wäre", sagte ich mit einem spöttischen Lachen. Was wir vorhatten, war der reinste Wahnsinn, jeder hätte in so einer Situation panische Angst.
Noch einmal nickte sie, dann drehte sie sich um und verließ mein Zimmer. Ich blieb alleine zurück.
Der Raum erschien mir auf einmal viel zu klein und mein Atem beschleunigte sich. Eine Panikattacke war wirklich das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, also zwang ich mich tief einzuatmen und öffnete das Fenster um etwas frische Luft hereinzulassen.
Mein Herz beruhigte sich wieder, genau wie meine Atmung.
Keine Minute später öffnete sich meine Tür wieder und einige Diener kamen herein, die mir helfen sollten, mich für meine eigene Hochzeit fertig zu machen, die keiner wirklich wollte.
Die Prozedur des Ankleidens ging vorüber, ohne, dass ich wahrnahm, was eigentlich gemacht wurde.
Gerade wollte einer der Diener mir in mein Jackett helfen, als ich aus lauter Ungeschicklichkeit ein offenes Döschen von der Kommode stieß, dessen Inhalt sich sogleich auf meine weiße Anzughose ergoss.
Mit großen Augen sah ich auf den Fleck, der sich leuchtend von dem Blütenweiß der Hose abhob. Dann begann ich wie ein Rohrspatz zu Fluchen. Hektisch versuchte ich abzuklopfen, was man abklopfen konnte, was das ganze allerdings nur schlimmer machte.
,,Mist! Verfluchter Drecksmist!", fluchte ich weiter, als Hektik um mich herum ausbrach, denn dummerweise war das die einzige weiße Anzughose, die ich besaß und die so einwandfrei passte, wie diese hier.
Mitten in dem Chaos, das um mich herum ausgebrochen war, lächelte ich in mich hinein. Mach was draus, Ophelia.
Nur wenige Minuten später kam mein Vater wutentbrannt in den Raum gestürmt. Man konnte genau sehen, wie sehr er kochte, als er auf mich zu kam und am Kragen meines Hemdes packte.
,,Ich weiß, dass du diese Hochzeit nicht willst, aber du wirst dieses Mädchen heiraten und wenn es in einer schäbigen Jogginghose ist. Es ist mir egal, schließlich ist es dein Ruf, den du dir zerstörst", zischte er und kam mit seinem Gesicht zu nahe, dass ich den Speichel auf meiner Wange spürte, den er dabei in feinen Tröpfchen ausstieß.
,,Es tut mir leid, Vater, aber für meine eigene Ungeschicklichkeit kann ich leider nichts", sagte ich mit erhobenem Kopf, ohne mir durch die geringste Zuckung in meinem Gesicht etwas anmerken zu lassen. ,,Es war ein Versehen. Du weißt doch, wie ich bin, wenn ich nervös bin."
Mit angespannten Kieferknochen nickte mein Vater mit einem Blick auf meine Diener, die bereits eine neue Hose hergeschafft hatten, die sie aber noch etwas kürzen mussten, weil ich sonst andauernd auf die Hosenbeine getreten wäre.
Es waren maximal fünfzehn Minuten, die wir nun in Verzug waren, aber vielleicht würde das für's Erste reichen.
In dem Ankleideraum, in dem ich mich nun befand, rückte die Trauung immer näher und ich wurde immer nervöser. Damit wir noch genug Zeit für die Hose hatten, waren die Festlichkeiten eine halbe Stunde nach hinten verschoben worden. Mir blieb also noch etwa eine Viertelstunde, wenn ich mich nicht verrechnet hatte.
,,Könnte ich vielleicht einen Moment Ruhe bekommen? Ich möchte mich noch einmal sammeln, bevor es losgeht", bat ich und die Diener nickten und verließen einer nach dem anderen den Raum. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie alle draußen waren.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich exakt dreizehn Minuten hatte und davon wollte ich keine Sekunde verwenden, also sprang ich auf, wobei ich sorgsam darauf achtete, keine lauten Geräusche zu machen.
Dann tastete ich nach der Tapetentür, die in einen Gang führte, der mich in das Arbeitszimmer meines Vaters bringen würde. Im Gang war es dunkel, aber ich war als Kind unzählige Mal hier drin gewesen und fand mich wunderbar blind zurecht.
Der Gang war kurz, keine fünf Meter lang, aber ich rannte trotzdem. Mein Vater war nicht in seinem Arbeitszimmer, was ich allerdings auch nicht erwartet hätte. Genau darauf hatten wir spekuliert: dass niemand mehr an den Orten waren, die wir in den letzten drei Wochen noch nicht unter die Lupe nehmen konnten. Hektisch durchsuchte ich seine Unterlagen, die offen auf dem Schreibtisch lagen, aber da war nichts dabei, was ich gebrauchen konnte.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich noch fünf Minuten hatte. Acht waren bereits vergangen. Auf dem Gang ertönten Schritte, aber daran störte ich mich nicht. Wer sollte schon jetzt noch hier rein kommen?
Stattdessen zog ich eine Schublade im Schreibtisch nach der anderen auf, aber außer viel zu viele Ersatzstifte, Klarsichtfolien oder anderer Bürokram, fand ich darin auch nichts, bis ich an die letzten beiden Schubladen gelangte. Beide verschlossen. Natürlich. Das war ja wirklich so klischeehaft, dass ich mir beinahe mit der Hand vor den Kopf geschlagen hätte.
Ich musste an den Schlüssel kommen, bevor ich wieder herkommen konnte.
Von der Tür ertönte ein Geräusch, das mich aufschrecken ließ. Die Klinke drückte sich herunter. Wie paralysiert stand ich da und sah mich nach einem Versteck um. Bis zur Tapetentür und in den Gang würde ich es niemals schaffen.
Schließlich entschied ich mich aus Ermangelung an Alternativen dafür, mich unter den Schreibtisch zu hocken.
,,Ja, ich komme sofort. Ich muss nur noch etwas holen", ertönte die kalte Stimme meines Vaters, der in dem Moment den Raum betrat, in dem ich unter dem Schreibtisch verschwunden war.
Damit ich nicht zu laut atmete, hielt ich mir die Hand über Mund und Nase, während kalter Schweiß meine Haut überzog und mein Herz so laut klopfte, dass ich fürchtete, es würde mich verraten. Ich hatte gerade mal noch zwei Minuten, bis ich wieder zurück sein musste und mein Vater schien sich alle Zeit der Welt zu lassen.
Er verschob noch etwas auf dem Schreibtisch, als würde er etwas suchen und ich war mit einem Mal unglaublich dankbar, dass der Schreibtisch von einer Seite komplett geschlossen war, sodass er mich nicht sehen konnte.
In meinem Kopf zähle ich die Sekunden mit, damit ich die Zeit abschätzen konnte. Noch eine Minute. So langsam wurde es wirklich richtig knapp. Staub kitzelte in meiner Nase. Wenn ich jetzt niesen musste, wäre alles aus, also hielt ich mir die Nase zu und atmete flach durch den Mund.
Noch 45 Sekunden. Endlich durchquerte mein Vater den Raum, wobei es noch eine quälende Ewigkeit dauerte, bis er schließlich doch die Tür hinter sich zugezogen hatte und ich seine Schritte auf dem Gang hörte.
Mir blieben keine dreißig Sekunden mehr. Mit schnellen Schritten hechtete ich hinüber zur Tür, eilte durch den Gang und noch als ich die Tapetentür in meinem Ankleidezimmer wieder hinter mir zu zog, hörte ich schon die Diener vor der Tür.
In Windeseile ließ ich mich wieder auf den Stuhl fallen, auf dem ich zuvor gesessen hatte und wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Keine Sekunde zu spät, wie sich herausstellte. Im nächsten Moment war ich wieder umringt von meinen Dienern. Erleichtert atmete ich auf. Fürs Erste hatte ich es geschafft.
Viel schneller als mir lieb war, wurde ich in den Thronsaal verfrachtet, wo die Trauung von statten gehen sollte und direkt vor die Throne platziert, wo Ophelia direkt auf mich zulaufen sollte.
Das Problem war bloß, dass sie es nicht tat. Die Musik hatte nun schon zum dritten Mal von Vorne begonnen, aber es tat sich immer noch nichts. Die großen Flügeltüren gingen nicht auf und keine Ophelia in einem wunderschönen Kleid betrat den Raum.
Ein Murmeln brach unter den Gästen aus, während ich zwanghaft ein Lächeln unterdrücken musste.
,,Wo ist meine Braut?", verlangte ich nach über zwanzig Minuten herrisch zu wissen. ,,Wo ist Ophelia? Ist ihr etwas zugestoßen? Ich muss sofort zu ihr!", bestimmte ich in einem panischen Ton und begann mir meinen Weg durch den Mittelgang zu bahnen.
,,Du wirst nicht gehen!", widersprach mein Vater mit einem nicht minder herrischen Tonfall. ,,Sie wird kommen", setzte er noch hinterher, aber davon ließ ich mich jetzt ganz sicher nicht aufhalten.
,,Ich werde meine Braut suchen gehen", sagte ich kalt und starrte meinem Vater in die Augen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, in dem ich ihm endlich die Stirn bieten musste. ,,Wenn etwas passiert ist, wird sie mich an ihrer Seite wissen wollen, wo wir doch beinahe verheiratet sind", fügte ich hinzu und hob mein Kinn etwas an ohne den Blickkontakt abzubrechen.
Gut zwei Minuten versuchten wir uns gegenseitig in Grund und Boden zu starren und ich weigerte mich aufzugeben. Dieses Mal würde ich nicht klein beigeben und wenn es das einzige Mal war, dass ich über ihn triumphierte. Diesen Sieg gönnte ich ihm nicht.
Schließlich senkte er den Kopf und nickte. ,,Du hast Recht, Sohn. Sie wird dich an ihrer Seite haben wollen", räumte er äußerst widerwillig ein, aber er trat einen Schritt zur Seite und ließ mich an ihm vorbei.
Mit entschlossenen und schnellen Schritten durchquerte ich den Saal und atmete einmal tief durch, als ich um die Ecke gebogen war und nicht mehr von den Gästen gesehen werden konnte.
Als ich gerade niemanden in meiner Nähe sehen konnte, huschte ich wieder in die Richtung des Arbeitszimmer meines Vaters. Es war der einzige Ort, an dem ich etwas finden konnte, was ihn als schuldig erwies, da war ich mir sicher. Ihn und viele Generationen meiner Familie vor ihm.
Das Glück war auf meiner Seite und mir kam niemand entgegen, als ich in das Arbeitszimmer huschte und die Tür hinter mir schloss. Eilig ging ich wieder auf den Schreibtisch zu und überlegte, wo er den Schlüssel versteckt haben könnte, aber mir fiel nichts ein. Bei sich tragen, war beinahe ausgeschlossen. Sowas würde er nicht tun, dafür war er viel zu klug.
Er musste irgendwo versteckt sein. Einmal rüttelte ich noch an den verschlossenen Schubladen, die in der Zwischenzeit noch nicht auf eine magische Weise aufgegangen waren.
Mein Blick glitt über das Bücherregal und mir kam eine Idee. Ich zog jedes Buch aus dem Regal und blätterte es durch. Früher hatte er oft Dinge in Büchern versteckt, aber das einzige, was ich fand, war ein Dolch, in einem besonders großen Lexikon, über Pflanzen. Dafür hatte ich keine Verwendung, also ließ ich ihn liegen.
Mit einem Blick auf die Uhr, stellte ich fest, dass mich das durchwühlen der Bücher eine Menge Zeit gekostet hatte und ich dringend zurück musste. Ebenso leise, wie ich gekommen war, huschte ich wieder zurück.
Auf der Hälfte des Weges, wurde ich in eine Nische gerissen. Erst wehrte ich mich mit aller Macht, dann entdeckte ich das makellose Weiß eines Hochzeitskleides und kurz darauf erkannte ich Ophelia. Sie sah hübsch aus. Ihr Kleid war ein Traum aus Tüll und Spitze, das ihre Figur wunderbar betonte und bei ihrem Make-up, hatten sich ihre Zofen selbst übertroffen.
,,Du siehst hübsch aus", sagte ich mit einem frechen Lächeln. ,,Danke, ich finde, ich gebe eine phantastische Braut ab, auch wenn das Kleid mehr als unpraktisch ist", gab sie zurück und lächelte mich an, bevor sie ernst wurde.
,,Wir brauchen die Schlüssel. Eine Idee, wo er sie haben könnte?" Sie war also exakt so weit wie ich.
,,Nein. Das einzige, was ich gefunden habe, war ein Dolch in einem Lexikon über Pflanzen. Ich glaube, er hat ihn versteckt, aber es ist auch möglich, dass er ihn bei sich trägt, auch wenn das nicht zu dem passt, was er sonst immer gemacht hat", erklärte ich hastig und im Flüsterton.
,,Okay, ich versuche ihn an deinem Vater zu finden. Wenn ich da jetzt rein gehe, hast du vielleicht noch zwanzig Minuten, in denen ich eine Show hinlegen kann, dann werde ich durch den rechten Gang abhauen, du musst dann von links kommen."
Entschlossen nickte ich und beschloss, dass zwanzig Minuten mehr als genug waren, um das Schlafzimmer meines Vaters ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich wollte keinen Raum in diesem Schloss unbeachtet lassen, egal wie unwahrscheinlich es war, dass ich etwas darin finden würde.
Ophelia nickte ebenfalls, dann trat sie zurück in den Gang und eilte in Richtung Thronsaal. Von hier aus war es nicht mehr weit, also wartete ich, bis ich Ophelia reden hörte. ,,Was soll das heißen, er ist nicht hier!?", kreischte sie wie eine Furie.
Nun stieß ich mich selbst von der Wand ab und verschwand in einem der unzähligen Geheimgänge, die ich schon in meiner Kindheit zur genüge erforscht hatte, um jetzt blind darin zurecht zu finden.
Beinahe wie in Trance nahm ich einen Geheimgang nach dem anderen, bis ich keine fünf Minuten später im königlichen Gemach meines Vater stand. Alles war penibel aufgeräumt und mehr als ein großes Bett und ein Kleiderschrank stand auch nicht im Zimmer.
Sofort wandte ich mich dem Schrank zu, der viel größer und geräumiger war als man auf den ersten Blick vermutete. Außerdem verbarg sich unter den lockeren Dielen im Boden eine Treppe, die sich bis hinunter in den Keller wand, wo sich die Waschräume befanden.
Mit größter Sorgfalt durchsuchte ich seine Sachen, wurde aber auch hier nicht fündig, also versuchte ich alles wieder so ordentlich wie nur irgendwie möglich zu hinterlassen. Dann hörte ich wie die Tür aufgemacht wurde und aufgebrachte Schritte ins Zimmer stürzten.
Mir gefror das Blut in den Adern und mir wurde mal wieder die Zeit knapp. Innerlich fluchend, hob ich die Dielen an und betrat die Treppe, die mich vier Stockwerke in die Tiefe bringen würde, auch wenn ich die Zeit eigentlich gar nicht mehr hatte.
Gerade als ich die Dielen wieder an ihren Platz geschoben hatte, hörte ich, wie die Tür des Schrankes aufgestoßen wurde. Das Blut rauschte mir so laut in den Adern, dass ich nichts mehr außer meinem Herzschlag hören konnte, als ich die Treppe hinunter eilte.
Obwohl ich mich bewegte, war mir eiskalt und mit einem Mal hatte ich panische Angst, dass ich entdeckt werden würde oder Ophelia und dass alles auffliegen würde.
Tränen stiegen mir in die Augen und mein Atem beschleunigte sich auf eine Art und Weise, die nichts mit dem hohen Tempo zu tun hatte, mit dem ich gerade die Treppe hinunter lief. Mein Kopf wiederholte wieder und wieder, was mit mir passieren würde, wenn ich erwischt werden würde.
Schon das zweite Mal an diesem Tag kämpfte ich eine Panikattacke nieder und so langsam spürte ich, wie das an mir zerrte. Im Keller angekommen, lehnte ich mich über eine der Waschmaschinen und zwang mich, an Caroline zu denken und wieder einen ruhigen Atemrhythmus zu finden.
Es dauerte viel zu lange, bis ich mich wieder beruhigt hatte und ich hoffte inständig, dass Ophelia etwas länger gebraucht hatte, als gedacht, weil ich sonst ganz sicher viel zu spät kommen würde.
Auf der gegenüberliegenden Seite nahm ich wieder eine Treppe, die drei Stockwerke in die Höhe führte, in ein Zimmer, das zur Zeit nicht belegt war und von dem ich wusste, dass dort eine Geheimtür war, die mich direkt in den Gang drei Ecken vom Thronsaal entfernt bringen würde.
Die Geheimgänge in diesem Schloss waren das reinste Labyrinth. Es gab mehr Geheimgänge als offizielle und obwohl ich niemals eine Karte in der Hand gehabt hatte, die all diese versteckten Gänge zeigten, wusste ich genau, welchen Weg ich nehmen musste.
In Windeseile stand ich wieder in einem der Gänge, wobei ich nur knapp einem Bediensteten entwischt war, der gerade aus dem unbenutzten Raum auf den Gang getreten war, als ich aus dem Geheimgang schlüpfte. Da hatte ich nur großes Glück, dass er sich nicht mehr umgedreht hatte.
Noch während ich um die Ecke bog, hörte ich Ophelias Kleid rascheln, aber es war schon so weit weg, dass sie schon weg sein musste, weshalb ich mich um die Ecke traute und mit hoch erhobenem Kopf den Thronsaal betrat.
Das Hemd unter meinem Jackett musste schon lange durchgeschwitzt sein und ich hoffe inständig, dass niemand das riechen konnte, weil es wirklich schwierig werden würde, das zu erklären. Wobei diese ganze Situation schon schwierig genug zu erklären sein würde.
,,Mir kam zu Ohren, dass meine Braut schließlich doch endlich hier eingetroffen sei", sagte ich so gebieterisch, wie ich nur konnte, um möglichst viel Autorität und Würde auszustrahlen. Denn ich konnte schon von hier aus sehen, wie sehr mein Vater brodelte und kochte.
Wäre diese Situation nicht so nervenaufreibend für mich, würde ich mich königlich amüsieren. Ich sah, wie meine Mutter ihren Kopf in beiden Händen vergraben hatte. Für sie tat mir mein Verhalten beinahe leid, aber ich musste es tun und da konnte ich leider keine Rücksicht auf sie nehmen.
,,Wo ist sie denn nun!?" Das war der Moment, in dem mein Vater explodierte und mir eine Backpfeife verpasste. So stark, dass mein Kopf zur Seite schlug und mein Gesicht ganz heiß wurde. Ganz sicher konnte man sogar seine einzelnen Finger ausmachen.
Vor Schmerz traten mir die Tränen in die Augen, aber ich würde ihm nicht die Genugtuung geben und weinen. Nicht hier und nicht jetzt. Diesen Sieg bekam er nicht.
Ein Raunen ging durch die Anwesenden, aber ich ließ mir nicht anmerken, dass ich sie hörte, genau wie mein Vater.
,,Du wirst sofort mit dem Theater aufhören!", befahl er, während ich ihn nur mit dem kältesten Blick bedachte, den ich hervorbringen könnte. Wenn Blicke töten könnten, wäre mein Vater nun langsam und qualvoll gestorben.
Noch immer pochte meine Wange unangenehm und ich spürte sogar etwas dickflüssiges an meiner Lippe. Es musste Blut sein, aber ich fasste nicht hin, um meine Vermutung zu bestätigen. Stattdessen stellte ich mir vor, wie Caroline jetzt neben mir stand und meine Hand hielt und wie Louis, Liam, Harry und Zayn hinter mir standen und mir eine Hand auf die Schulter legten, um mir Kraft zu spenden.
Ich war nicht alleine. Ich würde niemals alleine sein. Nicht so lange ich sie hatte.
,,Ich weiß nicht, was du meinst, Vater. Wenn Ophelia mich nicht heiraten will und deshalb immer weg ist, wenn ich da bin, dann kann ich da leider herzlich wenig dafür. Schließlich bin ich derjenige, der am Altar stehen gelassen wurde und der direkt zurückgeeilt kam, als er hörte, dass seine Braut endlich eingetroffen war."
Mein Kiefer war angespannt, als ich auf die Antwort meines Vaters wartete. In Gedanken waren immer noch alle meine Freunde da und leisteten mir im Stillen Beistand.
,,Ich warne dich", zischte er, bevor er schließlich doch einen Schritt zurück trat.
,,Ophelia", keuchte ein kleines Mädchen, das die Tochter eines Bediensteten sein musste. ,,Sie ist ohnmächtig geworden."
Erschrocken wandte ich mich zu ihr. Das war nicht Teil des Plans. Was war passiert? ,,Ich muss zu ihr", flüsterte ich mir selbst zu. Vermutlich war etwas ganz schlimm schief gelaufen und wir mussten retten, was zu retten war.
,,Wo ist sie?", fragte ich das Mädchen so sanft wie möglich. Mit großen, verschreckten Augen sah sie mich an. ,,Kannst du mich hinführen?" Schnell nickte sie und lief aus der Tür. Ich war ihr direkt auf den Fersen.
Ophelia lag halb auf dem Schreibtisch in dem Arbeitszimmer meines Vaters, die Augen zur Hälfte geschlossen und mindestens drei verschiedene Zofen eilten um sie herum in dem Bestreben etwas für ihre Gesundheit zu tun. Daran, wie sie jetzt unter ihren Lidern hervor schaute, erkannte, dass sie das alles nur spielte und ich atmete erleichtert auf.
Auch der Fakt, dass sie genau in diesem Raum lag, konnte unmöglich ein Zufall sein. Mit einem großen Schritt war ich an ihrer Seite und schüttelte sie sanft an der Schulter.
,,Ophelia, was ist denn nur los?", fragte ich mit sanfter Stimme. ,,Wach schon auf", schob ich in einem flehenden Tonfall hinterher, obwohl ich genau wusste, dass sie die ganze Zeit wach gewesen war.
In einer fahrigen Geste griff sie nach meiner Hand und drückte mir einen kleinen Schlüssel hinein, der der Schlüssel für die Schubladen gewesen sein musste. Mit der anderen Hand klammerte sie sich an mein Jackett. Genauer gesagt in den Stoff der kleinen Tasche, in die eine Rose gesteckt war, die die gleiche Farbe hatten, wie der Strauß, den Ophelia tragen sollte. Instinktiv wusste ich, was ich tun sollte.
Ich wusste, was zu tun war, als sie theatralisch wieder zurück fiel und die Augen verdrehte. ,,Kann ihr denn niemand helfen!?", verlangte ich zu wissen, sodass alle Leute in meiner Umgebung erstmal zusammen zuckten.
,,Ihr geht es offensichtlich nicht gut, also helft ihr gefälligst!", bestimmte ich, die Faust fest um den kleinen Schlüssel geschlossen.
In dem Moment betrat mein Vater den Raum und ich wandte mich um. ,,Wir sollten die Festlichkeiten absagen", schlug ich vor in dem Wissen, dass mein Vater ganz und gar nicht begeistert davon sein würde.
,,Nein, wir werden das durchziehen", bestimmte er leise, sodass nur ich ihn hören konnte.
Im Gegensatz zu ihm, hob ich ganz bewusst meine Stimme, damit die anderen Gäste mich klar und deutlich verstehen konnte.
,,Meine Braut liegt ohnmächtig auf deinem Schreibtisch und du scherst dich einen Dreck um sie. Heiraten können wir auch morgen noch. Es bringt gar nichts, sie jetzt noch diesem zusätzlichen Stress auszusetzen und schließlich einen ernsthaften Schaden an ihrer Gesundheit zu hinterlassen. Oder ist dir das einfach alles egal?" In gespielter Wut, stieß ich ihn vor die Brust, während ich dabei vorsichtig den Schlüssel zurück in seine Jacketttasche gleiten ließ.
Etwas peinlich berührt sah mein Vater sich um, bevor er versuchte zu retten, was noch zu retten war. ,,Nein, natürlich nicht", sagte er hastig. ,,Wir werden die Hochzeit auf in drei Tagen verschieben", bestimmte er.
Zufrieden nickte ich und rauschte mit energischen Schritten aus dem Raum. Sofort wurde ich in mein Ankleidezimmer begleitet, wo man mir half aus dem durchgeschwitzten Anzug zu schlüpfen. Glücklicherweise fragte niemand, warum ich so geschwitzt hatte und ich dankte allen höheren Mächten, die hier gerade am Werk waren.
Mir wurde ein einfacher Pullover und eine Jeans rausgelegt, die ich anzog und ich war dankbar, dass ich nicht in eines meiner königlichen Gewänder gehüllt wurde.
Alleine machte ich mich schließlich auf den Weg in mein Zimmer, wobei ich nur die richtige Gelegenheit abpasste, bis mich gerade niemand beachtete und schlüpfte in einen der Geheimgänge von denen ich wusste, dass sie direkt in das Gästezimmer führten, in dem Ophelia untergebracht war.
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