Kapitel 12 (Niall)
Unsicher betrat ich mein Zuhause wieder, obwohl es eigentlich nie wirklich mein Zuhause gewesen war, dafür hasste ich es viel zu sehr hier zu sein und jetzt, wo ich all die Informationen meines Onkels hatte, verabscheute ich es nur noch mehr.
,,Oh Gott, Niall!", hörte ich zuerst die Stimme meiner Mutter, die mich im nächsten Moment in eine feste Umarmung zog. ,,Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wie konntest du mir das nur antun!?"
,,Tut mir leid", murmelte ich in ihre Schulter. Wegen ihr tat es mir tatsächlich leid.
Über ihre Schulter hinweg sah ich, wie mein Vater die Treppe hinunter kam und das Blut schien mir in den Adern zu gefrieren und ich versteifte mich in den Armen meiner Mutter, aber das durfte ich mir nicht anmerken lassen.
,,Ich sagte doch, dass er zur Vernunft kommen würde", näselte er und sah auf mich herunter, als wollte er so nochmal sicherstellen, dass ich wusste, wo mein Platz war. Carolines Stimme, die mir Kraft wünschte, hallte in meinem Kopf wieder und half mir, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren.
Langsam löste ich mich von meiner Mutter und verließ gleichzeitig ihre wohltuende Wärme, die dieses kalte Gebäude wenigstens etwas zu einem Zuhause machte.
,,Ich bin froh, dass du wieder da bist", flüsterte sie mir noch ins Ohr und drückte meine Schulter in einer beruhigenden Geste.
,,Ich werde mich auf mein Zimmer begeben und mich frisch machen", kündigte ich an ohne auf die Worte meines Vaters einzugehen, aber seinem Blick wich ich nicht aus. Wir starrten uns gegenseitig so lange in die Augen, bis ich endlich an ihm vorbei war und danach spürte ich seinen unnachgiebig kalten Blick noch so lange im Rücken, bis ich um die nächste Ecke gebogen war.
Ein Schauder überkam mich und in diesem Moment wünschte ich mich wieder zurück in die Schule und zu Caroline, die mich so sicher fühlen ließ, wenn ich bei ihr war. Wieder rief ich mir ihr lächelndes Gesicht ins Gedächtnis und stellte mir vor, wie ihre Brille ein kleines Bisschen auf ihrer Nase herunter gerutscht war, wie sie es immer tat, wenn Caroline lachen musste.
Das Bild in meinem Kopf gab mir gleich etwas Ruhe. Ich würde zu ihr und meinen Freunden zurückkehren, was es auch kosten mochte. Und wenn das hier alles mal vorbei war, konnten wir alle in Frieden zusammen leben.
Der Gedanke ließ mich lächeln. Vielleicht konnte ich sie alle ins Schloss holen. Liam, Zayn und Louis würden die Bibliothek lieben und vermutlich gar nicht mehr raus wollen und Harry würde vermutlich in einem der Türme sein und die wunderbare Aussicht zum Zeichnen nutzen. Vielen hatte er seine Zeichnungen nicht gezeigt. Ich war mir nicht mal sicher, ob Louis sie kannte und wusste, wie oft er eigentlich Harrys Modell war.
Sie würden das ganze Gebäude viel gemütlicher machen, sodass es vielleicht wirklich zu einem Zuhause werden würde und nicht nur der Ort war, an dem ich meine Kindheit verbracht hatte.
In meinem Zimmer lehnte ich mich gegen die Tür und atmete erstmal tief durch. Ich würde das schaffen. Ich musste es schaffen, jetzt gab es kein Zurück mehr. Der Point of no return war nun offiziell überschritten.
Obwohl ich eigentlich nie besonders gläubig war, machte ich jetzt ein Kreuzzeichen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass alles glatt gehen würde, denn ich hatte keine Ahnung, was mit mir passieren würde, wenn das nicht der Fall war.
Insgesamt ließ ich mir fünf Minuten um zur Ruhe zu kommen und, mit dem Kopf gegen die Tür gelehnt, tief einzuatmen. Wirklich helfen tat es nicht, aber ich hatte mich hierfür entschieden, also musste ich da auch durch.
Mehr oder weniger schwungvoll stieß ich mich von der Tür ab und betrat das angrenzende Bad, wo ich mir einige Hände voll mit kaltem Wasser ins Gesicht schaufelte. Auf meiner Lippe herumkauend, kleidete ich mich in die königlichen Gewänder, von denen mein Schrank voll war.
Sofort fühlte ich mich auf merkwürdige Art und Weise verkleidet. Gott, wie gerne wäre ich jetzt wieder in der Schule und ich hätte niemals gedacht, dass ich das mal sagen, geschweige denn denken würde.
Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, dann trat ich wieder aus meinem Zimmer mit einer Mission, die ich nicht verhauen durfte.
Eigentlich müsste schon bald Zeit zum Abendessen sein und so lange, konnte ich noch versuchen meine Mutter ein wenig auszuhorchen, auch wenn mir nicht wohl bei der Sache war, sie so für meine Zwecke zu benutzen, wo sie doch die einzige Person hier war, die ich nicht abgrundtief hasste.
,,Hi Mum", begrüßte ich sie, als ich mit federnden Schritten den Salon betrat, den sie immer frequentierte. Auch heute saß sie auf einem der Sofas und las in einem Buch.
,,Niall!" Ein warmes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, während sie das Buch mit einem Lesezeichen versah und schließlich zu Seite legte. Auffordernd klopfte sie auf den Platz neben sich und ich setzte mich.
,,Wie geht es dir?", fragte ich, als ich ihre Augenringe bemerkte, die sie sorgfältig versuchte hatte, mit Make-up abzudecken, was nur halb funktioniert hatte. Man konnte trotzdem sehen, wie müde sie war.
,,Meinst du nicht, dass ich dich das fragen sollte?", fragte sie mich und rieb sich mit beiden Händen durch die Augen.
,,Du bist müde", stellte ich fest und schob gleich noch eine Entschuldigung hinterher. ,,Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin."
,,Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", gab sie zu, aber in ihrer Stimme lag keinerlei Vorwurf. Es war eher eine Feststellung. ,,Aber ich verstehe es. Ich habe den Gedanken einer arrangierten Heirat auch gehasst, als ich in deinem Alter war, aber es ist nicht immer nur etwas Schlechtes, weißt du? Über die Zeit kann man sich lieben lernen und dann eine genauso glückliche Ehe führen, wie andere Paare auch", sagte sie, aber ich glaubte ihr kein Wort.
Ich wollte ihr entgegen schreien, dass ich bereits jemanden gefunden hatte, mit dem ich viel lieber den Rest meines Lebens verbringen wollte, als mit der Schnepfe, die ich tatsächlich heiraten sollte. Ich wollte sie fragen, ob sie wirklich daran glaubt und ob sie mit meinem Vater ernsthaft glücklich war und ihn liebte. Aber ich sagte nichts von alledem, sondern biss mir stattdessen auf die Lippe.
,,Vielleicht bin ich einfach noch nicht bereit, mich schon so früh durch eine Heirat zu binden", wandte ich ein und traute mich dabei kaum, ihr in die Augen zu sehen.
,,Aber es ist deine Pflicht." Ihr Ton war weder hart noch sanft, aber sie legte mich eine Hand auf die Schulter. Unbewusst lehnte ich mich der Berührung entgegen und wünschte mir nicht zum ersten Mal in meinem Leben, dass meine Mutter mehr Umarmungen freier verteilte. Noch nie war sie kein Mensch gewesen, der besonders viele Berührungen verteilte oder auch bei sich selber zuließ und ich fand es schade.
,,Aber es ist meine Pflicht", wiederholte ich deprimiert.
,,Du wirst das gut machen", sagte sie. Wie sollte man denn eine Hochzeit bitte gut machen? Ich kannte dieses Mädchen, meine Verlobte, ja nicht einmal.
,,Sie wird gleich morgen anreisen, damit ihr euch noch ein wenig kennenlernen könnt, bevor ihr euch vermählt", kündigte meine Mutter an.
So gerade schaffte ich es noch ein Stöhnen zu unterdrücken. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Bis zur Hochzeit waren es ohnehin nur noch sechs Wochen, was wirklich eine knappe Zeit war und da sollte ich ganz nebenbei auch noch eine königliche Schnepfe babysitten? Na super. Wann war mein Leben nur so geworden?
,,Wie hieß sie noch gleich?", frage ich, weil ich schon wieder vergessen hatte, was für ein Mädchen nun endgültig ausgewählt wurde, ich mir aber auch nicht die Blöße geben wollte, ihren Namen nicht zu kennen, wenn sie eintraf. Das würde nur unnötig unangenehm werden.
,,Ophelia. Hast du das etwa schon wieder vergessen?"
,,Ja", grummelte ich so leise, dass sie es nicht hören konnte.
Im Kopf bildete ich bereits einen Plan, wie ich meine eigentlichen Vorhaben hier durchziehen und gleichzeitig Ophelia bespaßen konnte. Ophelia. Wer hieß denn bitteschön so?
,,Da du jetzt wieder da bist und wir noch einige andere Termine haben, werden wir die Hochzeit übrigens etwas vorziehen und sie schon in drei Wochen abhalten. Ob du jetzt in drei oder in sechs Wochen heiratest, macht dann ja auch keinen Unterschied mehr, nicht wahr?"
Und wie das einen Unterschied machte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Gerade schien sich wirklich alles gegen mich verschworen zu haben, aber auch jetzt biss ich einfach die Zähne zusammen und nickte. Verhindern konnte ich es ja doch nicht. Vermutlich hatte mein Vater das veranlasst, um mich nochmal extra zu schikanieren.
-☆-
Nachts lag ich noch lange wach und hörte auf die Schritte im Gang. Es war ungewöhnlich viel los. Selbst wenn ich die unzähligen Geheimgänge nutzte, um ungesehen im Schloss herumzuschleichen, würde ich vermutlich nicht weit kommen, bis mich einer der Diener entdeckte und meinem Vater petzte, dass ich nicht im Bett lag. Schließlich waren viele der Geheimgänge extra für die Diener eingerichtet worden, damit sie schnell und ungesehen von Zimmer zu Zimmer kamen.
Also schloss ich die Augen, aber es fiel mir schwer in den Schlaf zu finden. Mir fehlte das leise Atmen meiner Freunde, die um mich herum lagen, das gelegentliche Schnarchen von Liam oder das Murmeln von Harry. Dafür machten mich die Schritte auf dem Gang, die in meinem Zimmer widerhallten wahnsinnig.
Selbst als ich mir versuchte vorzustellen, dass meine Freunde an meiner Seite waren und die Erinnerungen an die letzten Schuljahre und alles, was wir da erlebt hatten, half mir leider nicht, weshalb ich schließlich die Augen wieder aufschlug und an die schwarze erscheinende Decke meines Zimmers starrte.
Laut seufzte ich.
In der Nacht tat ich kein Auge zu. Das höchste der Gefühle war ein bisschen Dösen hin und wieder, aber das konnte man schwerlich als Schlafen bezeichnen. Leider Gottes sah ich auch genau so aus am nächsten Morgen.
Vermutlich würde der Anblick meines zerknautschten Gesichts Ophelia schon wieder in die Flucht jagen. Ich hätte mir auf alle Fälle nicht nachts in einer dunklen Gasse begegnen wollen.
Schon von weitem hörte ich das Gezeter. Eigentlich wollte ich ganz in Ruhe zum Frühstück gehen, aber daraus wurde jetzt wohl nichts mehr.
,,Sehe ich so aus, als würde ich heiraten wollen!?", fragte eine schnippische Stimme. ,,Ich bin gerade mal neunzehn. In Amerika dürfte ich nicht mal Alkohol trinken, aber ich soll mir für den Rest meines Lebens an einen möchtegern Prinzen binden, der sich vermutlich noch nicht mal die Schnürsenkel binden kann? Nein danke. Ich verzichte!"
Meine Schritte waren immer langsamer geworden und ich hörte dem Gespräch in unserem Speisesaal zu, das man auch drei Gänge weiter gut belauschen konnte.
,,Wie gut, dass wir nicht in Amerika sind und du hier bereits Alkohol trinken darfst", erwiderte eine Stimme ruhig, als hätte sie so eine Diskussion schon öfter geführt.
,,Niall ist wirklich ganz lieb. Du wirst dich sicherlich gut mit ihm verstehen", mischte sich meine Mutter ein und mein Vater schnaubte, was eine irrationale Wut in mir auslöste. Ich wurde trotzig.
Hoch erhobenen Hauptes betrat ich nun endlich den Speisesaal. ,,Ach, gibt sich der Herr auch mal die Ehre." Ophelia ging gleich in die Offensive, aber was sie konnte, konnte ich schon lange.
,,Immerhin wohne ich hier und du bist diejenige, die in mein Zuhause eingedrungen ist, ungebeten, wenn ich das mal dazu sagen darf", feuerte ich zurück.
,,Richte die Beschwerden an meine und deine Eltern. Ich bin nicht diejenige, die eine Leiche, wie dich, heiraten will. Sind diese Augenringe eigentlich noch durch Schminke hervorgehoben oder siehst du immer so scheiße aus?"
,,Tja, wenigstens stehe ich zu meinen Augenringen und decke sie nicht mit fünfzehn Schichten Make-up zu viel ab."
Von ihrem Platz aus, warf Mama mir einen flehenden Blick zu, während mein Vater aussah, als wolle er mich bei nächster Gelegenheit erwürgen.
Bevor unsere Meinungsverschiedenheit eskalieren konnte, schritten Ophelias Eltern ein. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, wer sie wohl waren, dass Ophelia als angemessen als meine Braut angesehen wurde, aber eigentlich interessierte es mich auch gar nicht.
Der Rest des Frühstücks verlief in einer unangenehmen Stille und ich bekam kaum ein Toast herunter gewürgt. Mein Magen war wie zugeschnürt. Immerhin wusste ich jetzt, dass Ophelia diese Hochzeit ebenfalls nicht wollte. Das beruhigte mich ungemein, weil wir dann vielleicht eine Chance hatten, zusammen die Hochzeit zu verhindern.
Dem Blick meines Vaters begegnete ich kein einziges Mal mehr und die einzigen, die versuchten eine Konversation aufzubauen, waren Ophelias Eltern, die sich auch ruhig mal hätten vorstellen können, aber niemand ging darauf ein und so schwiegen auch sie bald.
In mir spürte ich meine Wasserenergie brodelt. Manchmal fragte ich mich, ob sie auch meine Gefühle verstärken konnte. Jetzt gerade fühlte es sich jedenfalls so an, als wäre jede Empfindung in mir um ein vielfaches stärker.
Das Frühstück endete nach einer viel zu langen Ewigkeit und ich flüchtete, bevor mein Vater mich zurück halten konnte. Mit ihm wollte ich mich gerade wirklich nicht auseinander setzen.
Etwas unentschlossen lief ich in den Gängen des Schlosses umher. Eigentlich sollte ich jede freie Minute nutzen, die mir noch zur Verfügung stand, aber ich wusste nicht mal, wo ich anfangen sollte.
Bei Ophelia wäre vermutlich keine schlechte Idee. Wenn ich sie auf meiner Seite hätte, wäre alles wenigstens ein bisschen leichter.
Etwas zaghaft klopfte ich an ihre Zimmertür. Von innen ertönte ein Rascheln und Schniefen. Verwirrt und ein wenig besorgt, runzelte ich die Stirn. Gerade wollte ich etwas sagen, als Ophelia mir mit einem ,,Herein" signalisierte, dass ich eintreten durfte.
Vorsichtig drückte ich die Tür auf und sah Ophelia vor ihrem Schminktisch sitzen. Durch den dort angebrachten Spiegel beobachtete sie mein Eintreten, ohne sich selbst umzudrehen. Ihr Rücken war durchgestreckt und ihre ganze Haltung suggerierte Selbstbewusstsein und Arroganz, aber ihre Augen waren ganz rot und verweint.
,,Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme", entschuldigte ich mich und wandte meinen Blick von ihrem Gesicht ab. Stattdessen durchquerte ich den Raum und sah mich um, als wäre ich noch nie hier gewesen und blieb schließlich am Fenster stehen.
,,Du hast eins der guten Zimmer erwischt. Von hier aus hat man einen hervorragenden Blick auf den Garten. Das hat auf mich immer beruhigend gewirkt, wenn ich als Kind aufgebracht war", sagte ich, um irgendwie ein Gespräch einzuleiten.
,,Was willst du?", wollte Ophelia wissen und schlug dabei einen extra kalten Ton an, der aber dadurch abgemildert wurde, dass ihre Stimme kratzig und verweint klang. Ich sprach es nicht an.
Einen Moment schwieg ich, dann drehte ich mich um und lehnte mich an die Fensterbank. ,,Es tut mir aufrichtig leid, dass du in dieser Situation steckst, das kannst du mir glauben. Ich will dich genauso wenig heiraten, wie du mich und um ganz offen zu sein, bin ich nie zurückgekommen, um zu heiraten. Ich wollte schon lange wieder weg sein, bevor du überhaupt hier auftauchst", gab ich zu und sah sie an.
Sie sagte nichts, sondern starrte nur zurück. ,,Was hast du für ein Element?", fragte ich aus dem Nichts und schien auch sie damit zu überraschen. Darauf hatte ich spekuliert. Vielleicht war sie so überrascht, dass sie mir tatsächlich auf etwas antworten würde.
,,Erde", sagte sie und sah mich an als sei sie vor mir auf der Hut. Wer konnte es ihr verübeln. ,,Wie Liam und Louis", stellte ich lächelnd fest.
,,Ich habe von ihm gehört."
Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch. ,,Wem? Louis oder Liam?"
,,Liam."
,,Woher? Ich wusste nicht, dass er so berühmt ist." Nun war ich wirklich etwas verwirrt.
,,Ich war noch in der Schule als er und der Schwarzhaarige gekommen sind. Danach sollte unsere Schule umziehen für unbestimmte Zeit, aber da haben mich meine Eltern abgeholt." Sie gab einem wirklich nur das Minimum an Informationen.
,,Der Schwarzhaarige muss dann Zayn gewesen sein. Sie sind durch die Schulen gegangen und haben mit den Schulleitern gesprochen. Weißt du, worum es ging?"
Ophelia nickte. Es war etwas in ihren Augen, das ich nicht deuten konnte, aber ich wusste, dass wir dieses Gespräch besser nicht hier weiter führen sollten. Hier war man nie wirklich alleine.
Zielstrebig tastete ich die Wand ab und öffnete die Wand zu einem Geheimgang. Mit einem Bein war ich schon im Gang, als ich mich nochmal umdrehte und Ophelia bedeutete mir zu folgen.
Mit großen Augen sah sie mich an, kam mir dann aber doch hinter.
,,Du tust so, als wäre das keine große Sache!", stieß sie aus, während wir von einem Geheimgang in den nächsten liefen. Es gab nur wenige Zimmer in diesem Schloss, in denen kein einziger Geheimgang endete. In den meisten gab es sogar drei oder vier Zugänge.
,,Glaub mir, wenn du hier aufgewachsen bist, ist es das auch nicht mehr. Dieses Schloss hat mehr geheime als offizielle Gänge. Die meisten sind für das Personal gebaut worden, damit sie sich möglichst ungesehen im Schloss bewegen konnte, aber viele davon sind schon lange in Vergessenheit geraten. Woher der Rest kommt, weiß ich nicht, aber ich liebe meine Vorfahren dafür."
Aus dem letzten Geheimgang trat ich nun ins Freie. ,,Komm", forderte ich Ophelia auf, während ich schon wieder vor lief.
Zielsicher führte ich sie über die Schlossanlage vorbei an einem der zahlreichen Springbrunnen. Wenn man in diesem Garten spazieren gehen würde, könnte man tagelang laufen und hätte noch immer nicht alles gesehen.
Vorbei an den sorgfältig geschnittenen Hecken und den Trauerweiden, führte ich sie zu den üppig wachsenden Büschen. Dort schob ich einige Zweige auseinander und bedeutete Ophelia hindurchzugehen, was sie zögerlich und mit einem skeptischen Seitenblick auf mich auch tat.
,,Wow", entkam es ihr. Sie stand vor einem kleinen Teich, der umgeben war von einer Wiese, auf der alle möglichen bunten Blumen blühten. Der Ort sah magisch und verlassen zugleich aus. Als Kind war ich ständig hier gewesen, wenn ich niemandem begegnen wollte und auch heute noch strahlte der Ort eine gewisse Sicherheit für mich aus. Niemand außer mir schien diese Ecke unseres Gartens zu kennen, denn hier war ich noch nie jemandem begegnet.
,,Schön, nicht wahr?" Ophelia nickte, als sie sich herab beugte und eine besonders schöne blaue Blume pflückte.
,,Also, du weißt Bescheid darüber, warum Liam und Zayn in deiner Schule waren?", kam ich auf den Punkt, warum wir überhaupt hier waren. Natürlich könnten wir hier auch belauscht werden, aber meiner Erfahrung sagte mir, dass die Chance hier deutlich geringer war, als in jedem anderen Teil des Schlosses.
,,Es geht um die Elementarier mit mehr als einem Element. Man hört eine ganze Menge und die Menschen fangen an, sich auf die eine oder andere Seite zu positionieren", sagte Ophelia, als sie auf das Wasser starrte.
,,Man nennt sie auch Exercitas. Das kommt aus dem Lateinischen und bedeutet das Heer, weil sie einmal das Heer des Königs waren.", erklärte ich ihr, was ich im letzten Jahr von Frau Parker gelernt hatte.
,,Kennst du einen?", fragte ich dann und Ophelia schien mit sich zu ringen, was mir die Antwort eigentlich schon verriet.
,,Ja", sagte sie leise. ,,Meine beste Freundin war eine."
,,War?" Ich wollte nicht unsensibel sein, aber ich war auch unheimlich neugierig.
Ophelia begegnete meinem Blick und ich konnte die Tränen in ihren Augen sehen. ,,Sie ist untergetaucht. Ich weiß nicht mal, ob sie noch lebt."
,,Das tut mir leid. Ich wünschte, wir hätten ihr helfen können." Ich wusste, dass es Ophelia nicht helfen würde, aber es war trotzdem die Wahrheit. Nicht jede Schule hatte eine Frau Parker oder so ein vergleichsweise tollen Schuljahr, wie wir letztes Jahr.
Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen aus Mitleid mit Ophelia und ihrer besten Freundin. ,,Wir versuchen gerade aufzudecken, was hinter dem ganzen Hass auf die Exercitas steckt", erklärte ich.
,,Warum bist du dafür zurück gekommen?"
,,Weil wir aus einer relativ sicheren Quelle wissen, dass mein Vater knietief mit in dieser ganzen Sache drinsteckt und wir jetzt Beweise dafür suchen, dass das alles eine riesengroße Verschwörung ist."
,,Das wundert mich nicht", murmelte sie und ich zog mit einem verschmitzten Grinsen die Augenbrauen in die Höhe. ,,Sorry", schob sie dann noch hinterher, als sie bemerkte, dass sie gerade meinen Vater beleidigt hatte.
,,Nein, du hast ja recht. Mich hat es auch nicht wirklich gewundert, als ich das gelesen habe."
,,Was hast du jetzt genau vor?", fragte Ophelia und begegnete meinem Blick. Zum ersten Mal, seit ich hier war, schöpfte ich Mut. Vielleicht würde ich doch nicht ganz so alleine sein, wie ich dachte.
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