5. Bardin
Kapitel 5 - Bardin
Lillys Sicht
„Wohin musst du jetzt?", fragte Sam, der sich meinem Gehinke angepasst hatte und nun langsam neben mir herlief.
„Zelt zwei"
Sam nickte und überflog seine Liste. „Da habe ich drei Patienten. Dürfte aber nicht so lange dauern. Ich komme zu dir, wenn ich fertig bin" Mit diesen Worten ging er vor mir durch die Zeltöffnung.
Ich folgte ihm etwas langsamer und zog meine Liste wieder hervor.
Elhadír, Kategorie Eins, Zelt zwei, Mittelhandknochenbruch, Entzündung durch Knochensplitter
Ich ließ mein Blick durch das Zelt gleiten. Es unterschied sich nicht großartig von dem ersten. Der einzige Unterschied war, dass die Hälfte der Patienten überwiegend aus Elben bestanden, die sich aber sorgfältig mit Trennwänden von den Zwergen abgrenzten.
Ich ging auf den ersten Elben zu, denn Elhadír war auf jeden Fall ein Elbenname. Entlang der Bettreihen ließ ich meinen Blick aufmerksam über die Elben gleiten, bis ich einen mit einem vielversprechenden Verband an der linken Hand hatte.
„Elhadír?", fragte ich zögerlich einen Elben mit dunkelbraunen Haaren, der gerade ein wenig vor sich hindöste.
„Was wollt Ihr von mir, Zwerg?", fragte er kühl, als er die Augen aufgeschlagen und mich erblickt hatte.
„Euch verarzten", erwiderte ich ebenso kühl und zog herausfordern eine Augenbraue nach oben.
„Dann verzichte ich lieber auf ärztliche Behandlung", sagte der Elb hochnäsig und drehte seinen Kopf zur Seite.
„Ist mir recht", sagte ich völlig uninteressiert und wandte mich ab. Ich würde niemanden behandeln, der sich nicht von mir behandeln lassen wollte. Undankbares Pack. Konnte nicht einmal einer sagen: „Hey ich find's echt gut dass du so etwas machst!"?
Ich zückte einen Stift und strich den Namen des Elben von meiner Liste, wo auch Afdar schon mit einem dicken Strich entfernt worden war, bevor ich meine Liste weiter durchging.
Bardin, Kategorie Eins, Zelt Zwei, Platzwunde am Kopf
Na toll, wieder ein Zwerg. Ich ließ meinen Blick über die wenigen Zwerge hier im Zelt gleiten und ging sogleich auf den zu, der einen dicken Verband um den Kopf trug
„Bardin?", fragte ich den Zwerg und musterte ihn genau, wobei mir sein Anblick einen Schauder über den Rücken jagte. Er hatte tiefe Schnittverletzungen im Gesicht, von denen manche noch offen waren und bluteten. Sein Auge zierte ein dunkelblaues Veilchen, das so aussah, als ob er es sich jetzt kürzlich zugezogen hatte und ihm fehlten ein paar Zähne.
Der alte Zwerg sah auf und nickte etwas schwach. „Da habt Ihr richtig gelegen", murmelte er und schenkte mir ein zahnloses Lächeln.
„Dürfte ich mir Eure Wunden ansehen?", bat ich den Zwerg.
„Mit Vergnügen" Bardin setzte sich erleichtert aufrechter hin, sodass ich mir seine Schrammen näher ansehen konnte.
Es war mir nicht wohl dabei, dem Zwerg im Gesicht zu untersuchen und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sich diese Wunden nicht von der Schlacht zugezogen hatte. Sie sahen zu frisch aus und selbst eine tiefe Wunde müsste nach über einer Woche angefangen haben zu heilen
„Ihr seid recht ungewöhnlich", riss mich Bardin plötzlich aus meinen Gedanken. „Eine Frau als Heiler ist sehr selten"
Beunruhigt musterte ich den Zwerg, doch kam mir nichts an ihm falsch oder unrecht vor. Er wirkte eher neugierig und sah mich offen an.
„Was seht Ihr mich denn so überrascht an?", fragte er und ein Schmunzeln huschte ihm über das verschandelte Gesicht und entblößte seine restlichen Zähne.
„Ich...Nichts", stotterte ich und sah ihn etwas verwirrt an. „Ihr seid nur der erste Patient, der mich mit Anstand behandelt"
„Nun, die anderen sollten sich schämen wenn sie sich vor so einer jungen, aufreizenden Frau nicht benehmen", meinte Bardin und machte eine andeutende Verbeugung, was mich zum Lachen brachte. „Mein Name ist übrigens Bardin, sehr erfreut Euch kennen zu lernen"
„Lilly", grinste ich und knickste leicht, so gut das mit den Krücken ging. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits"
Bardin lächelte etwas, was mit seinem Gesicht eher zu einer Grimasse wurde und ich mich daran erinnerte, dass ich ihn eigentlich verarzten sollte. Schnell stellte ich eine der Krücken beiseite und wuchtete die Arzttasche auf seine Pritsche, bevor ich mich daran machte seinen Verband zu lösen.
„Wie habt Ihr Euch Eure Verletzung zugezogen, wenn ich fragen darf" Bardin nickte mit den Kopf auf die Schiene an meinem Bein und auf die Krücken.
Ich seufzte. „Ich schätze viele würden es Dummheit nennen", murmelte ich.
Bardin brummte belustigt. „Ihr habt Humor", stellte er fest. „Darf ich fragen woher Ihr kommt"
„Ich ...ähm", ich hatte keine Ahnung wo ich herkam, konnte ich ihm doch nicht die Wahrheit sagen. Ich entschied mich für eine kleine Notlüge. „Aus den blauen bergen"
Bardin lächelte mich an und schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine woher kommt Ihr wirklich"
Perplex starrte ich ihn an. „Wie meint Ihr das?", hakte ich etwas erschrocken nach, denn noch niemandem war es so schnell aufgefallen, dass ich nicht aus Mittelerde stammte. Na gut, Gandalf ausgeschlossen.
„Ich meine nur, weil Ihr einen recht außergewöhnlichen Namen habt und für einen Zwerg sehr ungewöhnlich ausseht", erklärte Bardin und seine wachen Augen blitzen mich neugierig an, wenn nicht sogar etwas argwöhnisch.
Ich hielt in meiner Bewegung inne, sagte aber nichts. Ich mochte diesen Zwerg, doch war ich ihm nicht gewillt alles zu erzählen.
„Ich weiß nicht was Ihr meint", sagte ich entschlossen und machte mich deswegen weiter daran seinen Verband abzuwickeln, der sich immer noch fest über den ganzen Kopf spannte.
„Aber das ist doch offensichtlich", meinte Bardin verwirrt. „Ihr habt keinen Bart, tragt Hosen und seid allgemein viel zierlicher gebaut als die meisten Zwergenfrauen"
Ich seufzte und hielt inne. „Liegt das wirklich so auf der Hand?", fragte ich entgeistert, doch dann zuckte ich geschlagen mit den Schultern. „Ihr habt Recht"
Bardin lächelte erneut und zeigte mir wieder seine restlichen Zähne. „Keine Sorge ich erwarte nicht, dass Ihr mir Eure ganze Lebensgeschichte erzählt", meinte er und sah mich aufmerksam an. „Ich war nur neugierig"
„Anscheinend, denn ihr saht auf den ersten Blick mehr von mir, als andere, die mich schon viel länger kennen", murmelte ich und sah den Zwerg kopfschüttelnd an. „Ihr habt eine ungeheure Auffassungsgabe"
Bardin schmunzelte. „Der Vorteil des Alters. Ich bin am königlichen Hofe aufgewachsen. Dort wird mehr gelogen, als irgendwo sonst. Ich habe gelernt zu beobachten"
„Ungeheuer gut zu beobachten", verbesserte ich ihn und hatte es nun endlich geschafft den Verband von seinem Kopf zu lösen, doch musste ich mir gleich darauf einen kleinen Aufschrei verkneifen. Die Platzwunde die der alte Zwerg am Kopf hatte zog sich über die Halbe Stirn und das geronnene Blut klebte ihm in den Haaren.
„Sieht nicht schön aus wie?", meinte Bardin traurig und ließ etwas den Kopf sinken.
„Nein, es...es geht schon", meinte ich hastig und Bardin lächelte mich traurig aber wissend an.
„Ihr bracht mir nichts vorzumachen"
Ich antwortete ihm nicht, sondern begann seine Wunde zu säubern.
„Seid Ihr nicht noch ein bisschen zu jung um eine Ärztin zu sein?", fragte Bardin schließlich und zog mich scharf musternd eine Augenbraue nach oben.
Beleidigt starrte ich ihn an. Machte ich meine Sache etwa so schlecht, dass es sofort auffiel, dass ich eigentlich null Erfahrung hatte?
„Und Ihr seid ein bisschen zu alt um in den Kampf zu ziehen?"
„Verzeiht", sagte Bardin sofort und hob entschuldigend die Hände. „Ich wollte Euch nicht beleidigen. Ich finde nur dass Ihr etwas zu jung seid um Euch schon mit Krankheiten, Verletzungen und dem Tod zu befassen"
Traurig sah ich ihn an und legte das Tuch zur Seite und sah ihm in die Augen. „Da habt Ihr wohl Recht", meinte ich und ungewollt schweiften meine Gedanken zurück zu Thorin.
„Um wen handelt es sich denn?", fragte Bardin plötzlich.
„Was?" Geschockt sah ich ihn an. Woher wusste er es? Ich hatte mit keinem Wort erwähnt, dass ich jemanden hatte, der im Sterben lag, oder zumindest kurz davor war. „Woher wisst Ihr, dass ich mich um jemanden Sorge?", fragte ich etwas verwirrt und sah ihn belämmert an. „Ich habe nicht von ihm gesprochen"
„Ich kenne diesen Gesichtsausdruck bei einer Frau. Ich selbst habe ihn gesehen, bevor ich in die Schlacht gezogen bin", sagte Bardin traurig und ich senkte den Kopf.
„Eure Frau?"
„Ja", sagte Bardin und ließ nun wortwörtlich den Kopf hängen.
„Es tut mir leid", murmelte ich. „Aber Ihr solltet Euch freuen. Ihr könnt zu ihr zurück und nicht jedem Mann steht dieses Vergnügen zu"
Bardin sah für einen Moment so aus, als wolle er etwas erwidern, doch dann nickte er einfach nur. „Ja Ihr habt wohl recht"
Verwirrt blinzelte ich leicht. Irgendetwas stimmt mit diesem Zwerg ganz und gar nicht. Er schien nicht schwer verletzt zu sein, doch in diesem Maße wirkte er wie geschändet. Er war zu schlau, als dass er sich etwas anmerken ließe, doch die Wunden waren zu frisch und die Schnitte zu tief. Irgendetwas verschwieg dieser Zwerg. Ich biss mir leicht auf die Lippe, während ich ihn scharf musterte. Doch nichts an seiner Mimik oder Gestik verriet etwas. Vor mir saß nur ein kleiner, verletzter Mann.
„Was mich wundert, ist das Ihr Euch nicht schon längst hattet behandeln lassen", murmelte ich und begutachtete eine lange Schramm. „Woher habt Ihr diese Wunden?"
„Was meint Ihr? Natürlich aus der Schlacht", sagte Bardin offensichtlich verwirrt, doch spürte ich wie er sich kaum merklich anspannte.
„Für einen solch schlauen Zwerg, war das eine ziemlich dumme Antwort", schimpfte ich ärgerlich. „Erklärt mich nicht für dumm, ich sehe doch, dass diese Wunden frisch sind" Fest, beinahe herausfordernd sah ich den Zwerg an. „Also ich frage noch einmal: Woher habt Ihr diese Wunden?"
Nun huschte über Bardins Gesicht ein verärgerter Ausdruck. „Eigentlich geht Euch das überhaupt nichts an, also was interessiert es Euch?"
Ich trat einen Schritt zurück und senkte leicht den Blick. Ich war ihm zu nah gekommen. Seine Reaktion war nicht unverständlich. „Verzeiht, Ihr habt Recht, es stand mir nicht zu" Ich machte schweigend mit meiner Behandlung weiter. Was hatte der alte Zwerg zu verstecken. Was zur Hölle war so wichtig, dass er sich nach dem Krieg noch verprügeln ließ? Immer noch schweigend packte ich schließlich meine Sachen zusammen,
„Ich verstehe nicht, warum Ihr mir nicht sagen wollt wer Euch das angetan hat" Ich griff nach meinen Krücken, es fühlte sich tatsächlich angenehm an endlich wieder einen sicheren Stand zu haben und nicht auf einem Bein um Bardins Bett herum zu hüpfen. „Doch solltet Ihr wissen, dass ich Euch gerne helfen würde und wer immer Euch das angetan hat, sollte sich schämen"
Bardins Miene wurde wieder etwas freundlicher. „Danke, meine Liebe. Das weiß ich sehr zu schätzen, doch habt Ihr mir mit Eurer Behandlung bei weitem mehr geholfen" Sein Mundwinkel zuckte. Es war, als würde er die ganze Zeit dennoch etwas sagen wollen. „Ich sehe, es hat keinen Sinn Euch etwas vor zu machen", meinte er schließlich. „Doch mit diesen Rüpeln werde ich schon alleine fertig. Ihr hättet mir dabei wahrscheinlich sowieso nicht helfen können. Auch wenn ich Eure Absichten sehr zu schätzen weiß, Handgreiflichkeiten sind nichts für eine Frau"
Müde wischte er sich über die Augen, während ich nur eine Augenbraue nach oben zog. Handgreiflichkeiten? Wenn der wüsste.
Ich nickte ihm freundlich zu und trat grübelnd aus dem Zelt. Das war ein komischer alter Zwerg gewesen. Komisch, aber nett. Mich wunderte noch immer, dass er sich nicht früher hatte verarzten lassen und fragte mich wer dem Zwerg so etwas angetan hatte. Er würde für sein ganzes restliches Leben entstellt sein.
Ich hörte, wie jemand meinen Namen rief und sah sogleich Óin auf mich zueilen.
„Wenn du magst, kannst du dich jetzt ausruhen und etwas Essen gehen", sagte er und blieb bei mir stehen. Verwundert sah ich ihn an, als mir auffiel, dass es schon dunkel geworden und die Sonne gänzlich hinter den Kronen der Bäume verschwunden war.
„Aber ich habe noch nicht einmal fünf Patienten geschafft", murmelte ich müde und hielt zur Bestätigung meiner Worte die Liste mit den Namen nach oben.
Óin nahm mir die Liste ab, warf einen prüfenden Blick auf die Namen, bevor er sie einsteckte. „Das ist schon in Ordnung. Der Tag war bestimmt nicht leicht für dich und ich weiß dass du zu Thorin willst. Also geh und ruh dich etwas aus"
Überrascht hob ich den Blick. So viel Mitgefühl hätte ich von Óin nicht erwartet. „Danke", sagte ich und merkte erst jetzt, dass ich hundemüde war. „Sagst du Sam Bescheid, dass ich schon gegangen bin?", fragte ich, bevor ich mich auf den Weg zum Berg machte. „Sonst macht er sich noch Sorgen"
Óin nickte und hob nur noch eine Hand, während er weitereilte.
Der Weg zum Berg verlief zäh. Müde schleppte ich mich schließlich die Stufen nach oben und wunderte mich, dass ich tatsächlich den Weg gefunden hatte. Langsamen Schrittes ging ich weiter den Gang entlang, bis ich vor der großen prunkvollen Tür angelangt war, hinter der Thorins Gemach lag. Leise drückte ich die Klinke hinunter und schlich in den Raum. Sobald ich durch die Tür getreten war, fiel mir auf, dass der Raum ganz anders aussah. Im Schein der vielen Kerzen, die nun überall verteilt waren, erkannte ich, dass das ganze Zimmer von Staub befreit und hergerichtet wurde. Im Kamin flackerte ein kleines, munteres Feuerchen und auch der abgestandene, muffige Geruch war verschwunden. Durch ein offenes Fenster konnte ich nach draußen auf den dunklen Nachthimmel sehen, an dem groß und Rund der Vollmond hell in das Zimmer hinein schien. Wie versteinert stand ich da und musste zugeben dass es echt gemütlich aussah. Die dicken Teppiche an den Wänden waren verschwunden, das Zimmer schien allgemein viel geräumiger. Jetzt fiel mir auch eine Tür am anderen Ende des Raumes auf, die ich vorher noch nie wahrgenommen hatte. Leise schlich ich an Dwalin vorbei, der dösend und ein kleines bisschen vor sich hin schnarchend in einem Sessel am Fenster saß. Ich ließ mich an Thorins Bett nieder und musterte aufs Neue sein bleiches Gesicht. Ein Stich fuhr mir durch die Brust, als ich erkannte, dass sich sein Zustand nicht im Geringsten verändert hatte...aber was hatte ich auch erwartet? Dass er, nur weil ich es endlich geschafft hatte mein eigenes Dasein zu kontrollieren, plötzlich einen Genesungsschwung bekommt?
„Du dumme Nuss", schimpfte ich mich selbst und schüttelte den Kopf, verbannte das schmerzende Gefühl in den tiefsten Winkel. Seufzend drückte ich Thorins kalte Hand, bevor ich wieder aufstand. Ich brauchte abstand.
Langsam lief ich auf die neue Tür zu, trotz dessen dass ich müde war obsiegte die Neugierde und ich linste neugierig durch den Türspalt. Überrascht stellte ich fest, dass der Raum wie eine Art Wohnzimmer aussah. Es war noch größer, als das Zimmer in dem Thorin lag und ziemlich geräumig, doch auch hier war geputzt und alles schön, säuberlich hergerichtet worden. Jeweils an den gegenüberliegenden Wänden des Zimmers befanden sich noch einmal zwei Türen. Hinter der ersten befand sich so etwas, das aussah, wie ein Studierzimmer. Mit edlem Schreibtisch und einem riesigen Bücherregal. Hinter der zweiten jedoch, und ich kann gar nicht sagen wie sehr ich mich darüber freute, entdeckte ich ein Badezimmer. Zu meiner Überraschung stand darin sogar eine Wanne, die mit frischem Wasser eingelassen war. Daneben lag frische Kleidung und ein großer Stapel flauschiger Handtücher.
Ich tauchte eine Hand in das Wasser. Es war kalt, doch das scherte mich wenig...es war sauber und nru das zählte. Langsam begann ich mich aus meiner Kleidung zu schälen, was tatsächlich nicht sonderlich schwer war, denn ich trug immer noch die Kleidung am Leib, die ich von Anbeginn der Reise an getragen hatte. Sie hatte sich gut gehalten, ohne Frage das konnte man nicht leugnen, doch Kleidung war mittlerweile der falsche Begriff für diese zerfetzten Lumpen. Zuhause wäre ich sicherlich als Bettler oder Obdachloser abgestempelt worden. Meine Kleidung wies neben Dreck, Grasflecken, Rissen, Verfärbungen und Blut außerdem noch den Geruch von Schweiß und Rauch auf. Wohlreichend konnte man mich schon lange nicht mehr bezeichnen...aber was konnte man auch erwarten? Im Krieg kam die Hygiene leider etwas zu kurz und Orkblut war wirklich schwer aus der Kleidung auszuwaschen. Seufzend kletterte ich in die Wanne und ließ mich in das Wasser gleiten. Es war für meine Verhältnisse der pure Luxus. Als wir unterwegs gewesen waren, hatten wir, wenn wir Glück hatten, einen seichten, meist nicht gerade sauberen Tümpel zum Baden gehabt. Aber ein Bad? Wann hatte ich wohl zuletzt so ein Bad genommen? Relaxing pur. Ich schloss die Augen und entspannte mich, während ich mich gründlich wusch und den ganzen Schmutz von meiner Haut schruppte. Ich muss wohl nicht beschreiben, wie das Wasser aussah, nachdem ich mich fertig gewaschen hatte...aber ich selbst glänzte wie neu.
Schließlich zog ich mich wieder aus der Wanne und angelte mir eines der Handtücher von dem Stapel. Man roch ich gut. Gerade als ich mich anziehen wollte, erkannte ich was ich da für Kleidungsstücke in der Hand hielt.
Ein Kleid...Ernsthaft? Das würde ich nie und nimmer anziehen, vor allem nicht wenn ich morgen schon wieder Arzt spielen musste. Mit dem Ding wäre ich ein noch viel größeres Opfer für alle Vollidioten da draußen, als ich es eh schon war. Nicht, dass ich Kleider nicht gerne trug, doch hier in Mittelerde, da waren Hosen um einiges praktischer. Verbittert wickelte ich mir das Handtuch um die Brust und humpelte in das Schlafzimmer. Neben Thorins Bett hatte doch ein Schrank gestanden, dort sollten Hosen zu finden sein...hoffentlich. So leise es ging versuchte ich an Dwalin vorbeizukommen, der im Moment immer noch schlafend in seinem Sessel saß. Ich selbst war nicht sonderlich erpicht darauf, dass er mich nackt und nur mit einem Handtuch bekleidet durch das Zimmer hüpfen sah, deswegen beeilte ich mich besonders. Wenn nur diese verdammten Krücken nicht wären. Ich klappte die eine Tür des riesigen Schrankes auf und stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass die Hälfte aus Hosen und Jagdhemden bestanden. Es war die übliche Tracht der Zwerge, während die andere Seite mit Kleidern vollgestopft war. Teilweise echt schönen Kleidern, doch noch im Moment nichts für mich. Ich schnappte mir eine Hose und ein Oberteil und legte es auf den großen Schreibtisch in der Ecke, bevor ich meinen Dolch zückte und den Stoff an Armen und Beinen kurzerhand absäbelte. Jetzt müsste es mir eigentlich halbwegs passen. Die Kleidung war zwar noch immer zu weit, und von der Länge nun etwas zu kurz, doch war es allemal geschickter als so ein langes lästiges Kleid, welches mir nur immer im weg war.
Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter und stellte fest, dass Dwalin immer noch schlief, bevor ich das Handtuch fallen ließ und mir so schnell es ging die Kleidung überzog.
Es war nicht zu beschreiben wie wohl ich mich nun fühlte. Ich humpelte zum Bett und ließ mich in einen Sessel fallen, der neben dem Dwalins stand. Schläfrig öffnete dieser nun die Augen.
„Das Bad hat Euch wohl bekommen", sagte er zur Begrüßung und nickte mir freundlich zu, ehe er sich erhob.
„Ja...danke jedenfalls...das warst doch du...oder?", stotterte ich. Was hatte ich getan, dass dieser Zwerg seine Abneigung gegen mich hatte fallen lassen?
„Ich dachte, dass du sich so vielleicht etwas wohler fühlst", erklärte Dwalin und erhob sich nun von seinem Sessel.
„Danke", sagte ich leise.
„Nicht der Rede wert", wank Dwalin ab und ging zur Tür. „Nun denn, ich gehe nun ebenfalls zu Bett"
„Gute Nacht", sagte ich immer noch perplex, als Dwalin auch schon verschwunden war. Äußert merkwürdig.
(3 186 Wörter)
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