Kapitel 25. Küss mich, halt mich, verlass mich
~*~
Er grinste süffisant: „Also ja? Dieser Hobbit weiß nur nicht, wie man mit einer Frau umgeht. Tröste dich damit."
„Aber du weißt das?", was sollte das? Warum mischte er sich trotzdem ein? Und warum wusste er sofort, wer das Problem war? Er vergaß, dass er ihr keine Entlastung sein wollte.
„Das hast du jetzt gesagt. Aber na ja, nachdem du mich beinahe umgebracht hast ist es nur fair. Schöne Ferien.", setzte er nach, ließ die Tür frei und wollte gehen.
„Meinen Trank zu manipulieren ist auch nicht die feine englische Art!", zischte sie aufgebracht, worauf er ihr im Gehen zuwinkte und sie ignorierte.
~*~
Das Haus war leer. Unpersönlich.
Als sie es betrat, fühlte sie sich schrecklich an ihre Kindheit erinnert. An den Baum, der jetzt eigentlich neben dem Kamin stehen würde, den Keksduft, der immer vorherrschend war, weil ihre Mutter gern backte. Ihr Vater würde die Socken aufhängen, ihr einen Kuss auf die Wange geben und ihren Koffer nach oben tragen, weil er sie vom Bahnhof abholte.
Seufzend stellte sie ihn neben der Garderobe ab, hing ihren Mantel auf, stieg aus ihren Schuhen.
Es war spät in der Nacht, sie war am Bahnhof appariert und wenn sie jetzt schlafen ging, wäre es beinahe Heiligabend, wenn sie wiedererwachte. Dann müsste sie zu den Weasleys gehen...
Während der restlichen Fahrt hatte Ron auf sie eingeredet, Harry unterstützte ihn mit einigen wenigen Sätzen und so hatte sie nachgegeben, würde die Nacht vom 24. Dezember im Fuchsbau verbringen und danach zurück nachhause gehen.
Das Gespräch mit Malfoy blieb in ihrem Hinterkopf. Woher wollte er wissen, ob Ron wusste, wie man eine Beziehung führte? Er nervte sie. Er sagte, er würde ihr Gewissen nicht erleichtern und noch immer fühlte sie sich schuldig. Das nächste Mal, sollte er sich sein Genick brechen, damit sie seine Worte nicht mehr hören musste. Aber natürlich wollte sie das eigentlich nicht. Es war ein einziger, grimmiger Moment, in dem sie sich das wünschte.
(...)
Narzissa und Draco traten in das Malfoy Manor, sie hatte ihn liebevoll in ihre Arme geschlossen, als er aus zum Zug gestiegen war. Sehnsüchtig betrachtete sie ihren Jungen, der müde und erschöpft aussah, schließlich war es spät.
„Möchtest du etwas essen?", fragte sie, er stellte seinen Koffer ab und zuckte seine Achseln.
„Nicht unbedingt."
„Wir werden uns schon ein schönes Weihnachten machen.", sagte sie leise, schien sich nicht dafür zu interessieren, dass er keinen Hunger hatte. „Ich habe einen Baum geschmückt und eingekauft. Morgen Abend können wir zusammen essen und..."
„Schon gut. Danke.", erwiderte er, seine Unruhe kehrte zurück.
Nachdem es ihm von seinen Entzugserscheinungen so schlecht gegangen war, hatte er wieder nachgegeben. Wahrscheinlich war er inzwischen an dem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück gab. Goyle hatte ihm einen passenden Vorrat für die Ferien besorgt, den er nun verbrauchen würde, damit seine Mutter keinen Verdacht schöpfte.
„Komm.", sie schob ihn, ungeachtet des unordentlichen Haufens seines Gepäcks, an. Im Zwielicht der Kerzen betraten sie den blauen Salon. Vorher war es der Raum von Voldemorts Tagungen gewesen, aber Narzissa hatte umgeräumt, die Wände streichen lassen und so war es nun ein Raum, der weniger düster, gemütlicher wirkte. Mit einer gezielten Bewegung drückte sie Draco auf das Sofa, verschwand in der Küche.
Er betrachtete die Schneekugeln auf dem Kaminsims, für die seine Mutter eine Schwäche besaß. In der Mitte stand diejenige, die er ihr einmal geschenkt hatte. Darin befand sich eine winzige Eislaufbahn, auf der drei Figuren ihre Runden drehten, Sprünge und Pirouetten vollzogen, während künstliche Flocken in der Flüssigkeit schwebten.
„Hier.", sagte sie plötzlich neben ihm, er zuckte ein wenig zusammen. Entschieden stellte sie ein Tablett mit Tee ab. „Wie war es in der Schule?"
Die Kanne erhob sich, schenkte ihnen ein, um dann wieder an ihren Platz zurückzukehren.
„Wie immer.", erwiderte er wortkarg, trank einen Schluck.
Mit einem harten Zug um ihren Mund sah sie ihn an: „Was heißt wie immer?"
„Anstrengend. Wir müssen viele Hausarbeiten schreiben, lernen, Quidditch spielen. Was denn sonst?", genervt versuchte er das Zittern seiner Finger zu unterdrücken, aber er hatte keine Macht darüber.
„Gibt es sonst etwas Neues?", was wollte sie denn hören? Dass ihn jeder mied? Er und Granger sich permanent gegenseitig ein Bein stellten?
„Nein.", gab er daher zurück.
Seine Gedanken drifteten ab, erinnerten ihn daran, wie er an diesem Nachmittag aus einem kurzen, unruhigen Schlaf erwacht war.
„Draco wird das gern für Sie tun, Master. Er besitzt die Fähigkeiten."
„Versprich mir nicht zu viel, Lucius. Wenn dein Sohn versagt, werdet ihr seine Schuld begleichen."
„Er wird nicht scheitern. Lord-"
„Schweig! Du wiederholst dich. Die Bedingungen sind eindeutig, nicht wahr? Er wird es schaffen und ihr bleibt am Leben. Aber wenn er scheitert-"
Die Stimme des dunklen Lords erzeugte eine Eisschicht auf seinen Knochen. Obwohl er unter einer dicken Decke gelegen hatte, fror er mehr als je zuvor.
„Draco?", die dünne Stimme seiner Mutter erreichte ihn, als sie seinen Unterarm berührte.
„Ja?"
„Möchtest du mir etwas sagen?"
Er könnte ihr einiges erzählen; dass er Tränke missbrauchte, Granger geküsst hatte, ihren Trank versaute, ihre Schuld schürte, bis sie sie verbrennen würde. Dass er, obwohl es ihn so sehr anwiderte, irgendwie ihre Nähe suchte. Sei es nur, um Streit zu provozieren.
„Nein, Mutter.", Draco leerte seine Tasse. „Ich freue mich auf das Essen. Aber ich würde vorher gern ausschlafen, bitte stör mich nicht."
Narzissa blinzelte, dann nickte sie: „Selbstverständlich. Gute Nacht. Komm zu mir, falls du Alpträume hast, ich kann dir einen Trank geben."
Den brauche ich nicht, ich bin bestens versorgt, dachte er zynisch.
„Das werde ich. Schlaf gut."
(...)
Die Stimmung zum Weihnachtsfest war bedrückter als sonst. Trotzdem ließ es sich keiner der Weasleys nehmen, Hermine fest zu umarmen, als sie im neuen Fuchsbau angekommen war. Schneeflocken tanzten vor den Fenstern, das Feuer im Kamin knisterte einladend.
Als Ron der letzte im Bunde war, der auf sie zukam, wusste sie plötzlich nicht, was sie tun sollte. Unwohl wich sie seinem Kuss aus, legte ihr Kinn auf seiner Schulter ab, nachdem sie sich streckte und ihn umschloss. Er wirkte ein wenig irritiert von ihrem Verhalten, schien es aber zu ignorieren, grub seine Hase in ihr Haar.
„Schön dich zu sehen.", sagte er leise, worauf sie beklommen nickte.
Warum war es so seltsam? In der Nacht, in der sie sich wieder zum ersten Mal geküsst hatten, war es so geborgen gewesen. Seit Ewigkeiten hatte sie nicht so gut geschlafen wie in dieser Nacht, die sie in seinen Armen vor dem Kamin verbracht hatte. Aber dann sagte er, ihre Eltern würden es sowieso nicht merken. Sie wären nicht so schnell auffindbar. Malfoy hätte sie angeschwärzt, ohne einen Beweis vorzubringen. Das Letzte stimmte, wie sie wusste. Nur die anderen Vorwürfe hatten so einen tiefen Schmerz erzeugt, dass es nur langsam weniger wurde.
Was hätte Malfoy dazu gesagt, hätte sie ihm davon erzählt? In einem unmöglichen Szenario, in dem sie noch befreundet waren?
„...Draco?"
Er würde leise brummen, seinen Kopf drehen, den er an der Mauer anlehnte. Das Licht der Fackeln in den Korridoren beleuchtete die Nische warm.
„Meine Eltern... ich habe ihr Gedächtnis verändert.", würde sie ihm sagen, während sie an ihrem Rocksaum herumnestelte. „Sie haben vergessen wer ich bin."
Dracos Gesichtsausdruck wäre neutral, aber sie wusste, er würde sie verstehen.
Ihr Blick könnte zu seinem wandern. Warm und kalt trafen sie sich.
„Meinst du, sie verzeihen mir? Wenn ich sie wiederfinde? Kann ich das überhaupt?"
„Kann ich das?", verächtlich verzöge er seinen Mund. „Wer bist du? Granger oder Longbottom mit elf?"
Dann sähen sie sich wütend an, bis er seufzte.
„Deine Eltern sind anders. Sie würden dich wahrscheinlich immer... lieben."
Ihre Arme sanken zu ihren Seiten, Hermine kehrte in die Wärme des Wohnzimmers zurück, in dem sie mit Ron stand.
Er lächelte leicht, berührte ihre Wange kurz mit seinen Fingerknöcheln.
„Kommt schon! Hermine ist sowieso schon so spät aufgetaucht!", tadelte Molly, die um die Ecke sah und die beiden entdeckte.
„Brüderchen kann wieder nicht die Finger vom heißen Eisen lassen.", sagte George gleichmütig. Er kam aus der ersten Etage nach unten, wuschelte Ron im Vorbeigehen durch das Haar, worauf er ihm böse nachstarrte.
Hermine kicherte leise, George war es auch gewesen, der die beiden am Morgen nach dem Kuss gefunden hatte. Unsanft hatte er sich über die Schlafenden gebeugt und erstaunt Nein! gerufen. Folglich war Ron hochgeschreckt, vom Sofa gefallen und alle anderen auf den Beinen gewesen, um es mit eigenen Augen sehen zu können.
Während des Essens wurden alle unverfänglichen Themen angerissen, die ihnen einfielen. Sie unterhielten sich über das passende Winterwetter, die Weihnachtseinkäufe, die Vorbereitungen für das Fest. Obwohl die Entscheidung der Eltern, die über die Köpfe der Kinder hinweg getroffen worden war sehr schwer wog, versuchte man, darüber hinweg zu kommen.
Ron betrachtete Hermine unauffällig, sie saß neben ihm. Zwar war sie anwesend, wirkte aber gehemmter, als er sie kannte. Nicht einmal einen Kuss hatte er zur Begrüßung bekommen, beziehungsweise hatte sie seinen Versuch abgewehrt. Vielleicht sollte er mit ihr sprechen? Es schien etwas im Argen zu liegen, was er bisher nicht wusste. Auch, wenn er in letzter Zeit streng mit ihr war und den ein oder anderen Kommentar fallen gelassen hatte, dachte er eigentlich nicht, dass es daran lag. Hermine konnte das ab, sie wusste, wie er war. Sollte er sich plötzlich Gedanken darum machen, dass er sie verletzte?
Anschließend, nachdem alles bei Seite geräumt worden war, versammelte sich die große Familie vor dem Kamin. Bill und Charlie konnten leider aus beruflichen Gründen nicht anwesend sein, außerdem erwartete Fleur ein Kind, weshalb sie die weite Reise lieber nicht auf sich nehmen wollte. Möglicherweise war es ihnen auch zu unangenehm, da sie jetzt alle wieder wussten, was vorgefallen war.
Nachdenklich betrachtete George seine Hände, die den Punsch hielten. Er hatte etwas vorbereitet, um seinem Bruder zu gedenken. Ron und Ginny mochten annehmen, dass ihm der Tod seines Bruders inzwischen weniger nahe ging, aber das war ganz und gar nicht der Fall. Er dachte täglich an ihn, ja wurde durch sein eigenes Spiegelbild darauf hingewiesen. Und jetzt, da sie alle gegessen hatten, wollte er es in Angriff nehmen.
„Leute.", sagte er, worauf sich die Augen der Anwesenden auf ihn legten. Seine Eltern saßen auf dem Sofa, lächelten ihn schmerzlich an. Ron und Hermine saßen auf gegenüberliegenden Seiten, an Hermines Seite befand sich Ginny, an Harrys Ron. Percy hatte seinem Vater, neben dem er saß von einer neuen Idee des Ministers erzählt, um die Abteilung für die Zusammenarbeit mit der politischen Seite der Muggel zu stärken, verstummte aber, als George sich von seinem Sessel erhob und sich vor den Kamin stellte. „Ich habe etwas vorbereitet."
Wenn es zu ernsten Themen ging, war es für ihn schwierig, die passenden Worte zu finden, aber die waren nicht notwendig. Sie verstanden sich stumm.
Auf sein Geheiß hin zogen sie ihre Umhänge über, legten Schals und Mützen an. Dann folgten sie ihm in den Garten, wo er Schritte voran ging und eine schwere Decke von einer Kiste zog. Ein wenig Schnee hatte sich darauf gesammelt, aber er schüttelte ihn ab. Glücklicherweise war der Himmel nun bewölkt, aber der Niederschlag hatte aufgehört, sodass sie seine Bemühungen sehen konnten.
„Fred ist weg.", begann er, seine Stimme war leise, aber fest. „Und er kommt nicht zurück. Aber er wird immer bei uns sein. Er würde mich vermutlich dafür auslachen, diese Rede hier ist viel zu unspektakulär und deprimierend. Bestimmt würde er mich mit Schneebällen bewerfen und rufen: Hey Mann! Erzähl ihnen doch nicht solche langweiligen Geschichten, du bist nicht das Ministerium. Er würde einen Arm um Percy legen, mit seinem Zeigefinger in seine Wange pieken und der hier übernimmt das für dich. Percy ist quasi der Vorstand. Mein Herr, wie werden ihre nächsten Beschlüsse ausfallen? Es ist so eine Ehre, sie zu treffen, sagen.", George wischte eine Träne aus seinem Augenwinkel, holte tief Luft und trat zu der Holzkiste, deren Deckel er abnahm. „Wir müssen ihn feiern, nicht trauern."
Mit seinem Zauberstab entzündete er eine Lunte, die er hervorgezogen hatte, ehe er zu seiner Familie rannte und seine weinende Mutter stützte. Sie lächelte ihn an, nickte, ehe sie vom ersten Knall aufgeweckt wurden.
Eine Rakete schoss kerzengerade in den schwarzen Himmel, zerbarst in goldene Funken, ehe die Spitzen erneut explodierten und sich davonschlängelten. Es folgte eine weitere, die sich in einer Spirale in die Luft bohrte und dabei ohrenbetäubend kreischte. Mehrere kleine Lichtkugeln stiegen hinauf, zersprangen und formten Kobolde, die sich an den Händen fassten und grün funkelnd im Kreis tanzten, während eine weitere Rakete durch die Mitte schoss, einen Löwen zum Vorschein brachte, der die Kobolde angriff, worauf sie sich auflösten. Immer wieder wurden die größeren Objekte von kleineren Funken flankiert, die ein großes Gesamtbild erzeugten. Zum Schluss kam es zu einer blauen Explosion, die Fred auf einem Besen freisetzte, der durch den Himmel flog, ihnen zuwinkte, immer weiter an Höhe gewann, bis die Partikel auseinanderglitten und erloschen. Danach erschien das bekannte W, dass er und sein Bruder gemeinsam entwickelt hatten und das den Abschluss des Feuerwerks bildete.
Ja, er blieb bei ihnen. Weasleys Wizard Wheezes war ihr gemeinsames Projekt, das ohne Harrys Gewinn beim Trimagischen Tournier niemals möglich gewesen wäre. Zwar musste George es nun allein fortführen, aber er würde niemals vergessen, wie sie beide an den Kotzpastillen, den Langziehohren und den essbaren dunklen Malen gearbeitet hatten.
Georges Idee berührte Hermine mitten in ihrem Herzen. Auch sie vermisste es, wie sie ihre Sätze gegenseitig beendeten, durch das ganze Haus apparierten. In diesem Moment, dachte sie fest an Fred, wünschte ihm, dass er seinen Frieden gefunden hatte und sich darüber freute, dass sie hier gemeinsam standen und in den Himmel sahen.
„Schluss damit!", George ergriff als erster das Wort. „Wir gehen jetzt rein, legen Musik auf und haben Spaß!"
Und das taten sie.
Laut hallten Weihnachtslieder wie Last Christmas, Driving home for Christmas, Jingle Bells und All I want for Christmas durch das Wohnzimmer, in dem sie ausgelassen tanzten, schief mitsangen, Punsch auffüllten und lachten. Harry und Hermine hielten sich an ihren Händen, während sie sich drehten, bis sie über ihre eigenen Füße stolperten. Molly und Arthur tanzten einen Slow Ceroc, den sie in den 80er Jahren an einem Wochenende in London gelernt hatten. Zu diesem Zeitpunkt war sie mit Ron schwanger gewesen, es war ein heilloses Durcheinander, die Kinder zu diesem Unterricht mitzunehmen, sie hatten es fertig gebracht, den Lehrer aus der Fassung zu bringen, sodass sie nun nur die Grundschritte und eine einzelne Drehung beherrschten, da die Stunde danach abgebrochen worden war.
Ron und Ginny blätterten in einem Fotoalbum und schrien sich an, weil sie sich sonst nicht verstehen konnten. Percy wurde von George zu einem Tanz gezwungen, den er nur mürrisch über sich ergehen ließ, während George grinste und ihn summend durch das Zimmer wirbelte.
Letztendlich war der Abend zur späten Nacht geworden, die letzte Schallplatte dudelte leise im Hintergrund, völlig erschöpft hingen sie auf den Möbeln, aber waren sehr glücklich.
Hermine hatte sich um Ron herumgedrückt, versucht in der Nähe der anderen zu sein, obwohl er ihr Freund war. Auf einmal war es seltsam geworden. Lag es daran, dass Malfoy sich so an sie angenähert hatte? Sie sich fast küssten, nur weil sie es verhinderte? Dass Ron ihr die unglaublichsten Sachen vorwarf, als wäre es völlig irrelevant, wann sie nach ihren Eltern suchte? Das war es nicht. Wenn sie nicht auf seinen Rückhalt zählen konnte, was sollte das dann alles? Er musste doch wissen, wie wichtig eine Familie war! Gerade an diesem Abend!
Wehmütig dachte sie daran, dass ihre Eltern in ihrem Garten hinter dem Haus grillen würden, während eine Lichterkette um den Stamm einer großblättrigen Feige geschlungen war. Natürlich schon viel eher an diesem Tag, immerhin gab es 11 Stunden Zeitverschiebung. Wahrscheinlich wären sie jetzt aufgestanden, packten ein paar Geschenke aus und bereiteten einen Brunch vor, wie sie ihn immer gemeinsam veranstaltet hatten.
Sie steigerte sich in diesen Gedanken hinein, saß inmitten von geliebten Menschen und fühlte sich, als hätte sie ihr Leben weggeworfen. Ja, sie hatte Zeit dazu, sie zu finden, aber sie wollte sie lieber jetzt sehen und nicht erst nach ihrem Abschluss. Nur würde es nicht anders werden. Der einzige Punkt, in dem sie Ron zustimmte war, dass sie es in diesen wenigen Ferientagen nicht schaffen konnte. Hoffnung brauchte sie. Wenigstens den Funken der Möglichkeit, dass es doch funktionieren könnte. Und Ron verwehrte ihr das.
Er wollte sie nur bremsen und daran erinnern, dass sie keine zu großen Erwartungen haben sollte. Und trotzdem. Ihr Kopf gaukelte ihr vor, dass Malfoy, würden sie sich noch mögen, ihr sofort geholfen hätte.
(...)
Am nächsten Morgen versammelten sich die Anwesenden tröpfchenweise am Frühstückstisch. Molly tischte bereits Tee und Kaffee auf, der Duft von Rührei, Speck und Bohnen schwebte durch den Raum. Ginny war dabei, ein paar Waffeln auszubacken, die bereits einen großen, schiefen Stapel auf einem Teller bildeten. Percy stellte Marmeladen mit Ingwer, Johannisbeeren und Orange dazu.
Hermine hatte in Ginnys Zimmer übernachtet, warf einen kurzen Blick auf Ron, den sie am vorherigen Abend mit einer kurzen Umarmung verabschiedet hatte. Bedrückt löffelte er Orangenmarmelade auf eine Scheibe Toast, die er sich von einem der Teller genommen hatte. Sie musste unbedingt mit ihm sprechen, aber erst, nachdem sie die Geschenke ausgepackt hatten und sie danach gehen konnte. Zwar war sie auch zum Mittagessen eingeladen worden, an dem es den Weihnachtsbraten gab, aber sie ertrug es nicht länger.
(...)
Mit einem neuen, roten Schal, zwei Büchern über Zaubertränke und Schutzzauber und einer Schachtel frischer Kekse begab sie sich allein in Ginnys Zimmer. Sie zog ihre Tasche neben die Matratze, die auf dem Boden lag und packte die Geschenke ein, über die sie sich sehr gefreut hatte. Ron hatte sich bezüglich des Buchs über Schutzzauber vermutlich von Harry beraten lassen, aber das störte sie nicht.
Jemand klopfte an die Tür, die langsam geöffnet wurde, nachdem sie mit einem Ja? geantwortet hatte.
Ron trat ein, ließ die Tür ins Schloss fallen und ging zu ihr. Er setzte sich neben sie auf die Matratze. Sie fühlte sich seltsam. Noch immer war es irgendwie, als würde sie ihren Bruder neben sich sitzen haben. Und zu Beginn war es anders gewesen, das wusste sie und sie erschrak darüber.
„Müssen wir reden?", fragte er, lehnte sich gegen Ginnys Bett.
„Ich weiß nicht. Ich denke schon.", unschlüssig blieb sie, wo sie war und umfasste ihre angewinkelten Beine. Ihre Augen ruhten auf dem Holzboden.
„Habe ich... etwas falsch gemacht?"
„Ein paar Dinge. Aber es liegt auch irgendwie an mir.", begann sie, dann wandte sie sich doch zu ihm. „Ich verstehe es nicht. Wieso versuchst du so krampfhaft mir auszureden, nach meinen Eltern zu suchen?"
„Ich rede es dir nicht aus.", erwiderte er verständnislos. Das tat er nicht! Zumindest hatte er das nicht vor. „Ich dachte nur, bevor du ihr Gedächtnis wiederherstellst, könntest du dich selbst... sortieren."
„Ich bin sortiert, Ronald.", Hermine konnte nicht weiter neben ihm sitzen, sie stand auf und funkelte ihn an. „Ich will, dass du mich unterstützt! Ich kann es nicht gebrauchten, dass du immer wieder sagst, ich solle noch warten oder sie hätten sowieso keine Ahnung von allem. Ich weiß, dass sie das nicht haben, sie sind Menschen ohne Zauberkraft. Es wird sehr hart, ihnen zu erklären, was passiert ist. Aber ich... du solltest eigentlich helfen. Was bringt es mir, wenn du mir damit in den Ohren liegst, sie würden es sowieso nie begreifen? Für wie beschränkt hältst du sie?"
„Ich halte sie nicht für beschränkt.", Ron überkreuzte seine Arme, sah zur Seite. „Ich bin nur der Meinung, dass du dich zuerst auf dich fokussieren musst. Klar wirst du es ihnen erklären, und wie du das wirst. Es gibt nichts, das du nicht erklären kannst.", bei diesen Worten, wurde es doch schwer in ihrem Herzen. „Aber ich denke, wenn du dich jetzt damit beschäftigst, dann... es wird bestimmt schwieriger werden, als du jetzt annimmst."
„Du glaubst, ich könnte das neben der Schule nicht schultern, oder was?", die Wärme verflog. „Wie habe ich es geschafft, neben dem Unterricht über Basilisken zu recherchieren? Wie habe ich es geschafft, nebenher einen Vielsafttrank zu brauen? Wie haben wir es geschafft, nebenbei ein Tournier zu bestreiten, bei dem wir immer darum bangen mussten, dass Harry nicht stirbt?"
Ron atmete tief ein.
Aber Hermine war noch nicht fertig: „Früher hättest du dich sofort hinter mich gestellt und gesagt: Hermine kann alles. Sie schafft das. Was ist passiert?"
Er sah es ein. Er konnte selbst nicht begreifen, wieso er sie plötzlich für zerbrechlich hielt, es war einfach so gekommen. So oft war sie in Harrys Geschichten involviert gewesen, genauso wie er selbst. Sie hatten alle möglichen, schlimmen Dinge erlebt und jetzt... jetzt wünschte er ihr, in Frieden leben zu können. Tatsächlich wäre es nur diese eine Sache, die noch zu tun war. Ihre Eltern zu finden bedeutete ihr viel und auch das verstand er. Aber als sie sich an ihm geklammert hatte, als wäre er eine rettende Boje, da hatte er das Gefühl, wirklich etwas in ihrem Leben auszumachen. In seinen Gedanken gab er zu, dass er Angst davor hatte, sie zu verlieren, wenn sie ihre Eltern wiederhatte. Sie waren ihre engsten Bezugspersonen, obwohl sie keine Magier waren und er glaubte, wenn sie sie hätte, dann wäre er ihr egal geworden. Aber ihm ging auf, dass es bereits jetzt geschah, weil er sie nicht unterstützte.
„Du hast recht.", sagte er unumwunden. So sehr er seine Gedanken auch drehte und wendete, sie war ihm wichtig. „Was dir wichtig ist, sollte mir auch wichtig sein."
„Deine Worte haben mich sehr verletzt.", äußerte sie frei heraus, dann ging sie an das Fenster, das links neben ihr in die Wand gelassen war und die schneebedeckte Umgebung zeigte.
„Das wollte ich nicht. Es tut mir leid.", murmelte er. Vermutlich war es eine der wenigen Entschuldigungen, die sie je von ihm erhalten hatte.
„Es gibt noch etwas anderes, das ich dir sagen möchte.", sie konnte ihn dabei nicht ansehen. Fröstelnd umfasste sie ihren Oberkörper, während ihr Herzschlag sich vor Aufregung überschlug. „Ich weiß nicht, ob ich dich liebe."
~*~
A.N.: Besser spät als nie, ich hoffe ihr hattet ein schönes Wochenende. :)
Falls jemand von euch wissen möchte, wie Ceroc aussieht, stellt euch einfach eine viel weniger professionelle Version davon vor:
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro