Kapitel 2. Älteres Futhark
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Ihre Augenbrauen senkten sich, nachdenklich strich sie mit ihren Fingern über ihre Stirn: „Ja, er ist mir, als Jahrgangsbeste, immer hart auf den Fersen, das ist mir nicht entgangen.", ob mehr dahintersteckte, fragte sie sich. Noch immer über ihn nachdenkend drehte sie sich ein wenig und sah, wie er einen Messbecher voller Mondwasser in seinen Kessel goss. Kurz schossen seine Pupillen zu ihr, richteten sich dann aber wieder auf sein Tun, weil er etwas von dem Wasser daneben gegossen hatte.
„Harry!", hörte sie Ron flehen und wurde deshalb von Malfoys peinlichem Aussetzer abgelenkt. „Im Rezept steht, dass es dickflüssig sein muss, aber es ist total dünn.", moserte er weiter, worauf Harry seufzte und sich das Problem genauer ansah.
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Sie saß an einem der Tische im Gemeinschaftsraum und ließ ihren Blick aus dem Fenster, über die Ländereien, gleiten. Die grüne, hügelige Landschaft wirkte sich beruhigend auf ihre Gedanken aus, die seit ihrer Rückkehr in das Schloss nicht stillstanden. Inzwischen war es einen Monat her und irgendetwas verwirrte sie zunehmend. Alles kam ihr bekannt, aber gleichzeitig fremd vor. Und daran, dass sie jemals ein ähnliches verwirrendes Gefühl empfand, erinnerte sie sich nicht. Ihre Kiefer pressten sich aufeinander, während sie ihre Stirn runzelte und den Regen an der Scheibe musterte. Was war es? Woher kam es? Und welchen-
„Hermine!", rief Harry, der mit Ron am Schlepptau aus den Schlafsälen der Jungen kam und neben ihr hielt. „Hör auf zu lernen!", ordnete er aufgeregt an und schlug das Buch lautstark zu, das vor ihr neben dem Pergament lag, welches sie gerade beschrieb.
„Und warum?", misstrauisch besah sie die viel zu gute Laune ihrer besten Freunde. „Es regnet."
Ron rollte mit seinen Augen: „Jaaah es regnet, aber weißt du was heute noch ist?"
Unwissend zuckte sie ihre Achseln, mit gehobenen Augenbrauen wartete sie auf die erlösende Antwort, die Harry ihr geben wollte: „Auswahlspiele für die Slytherin Quidditch Mannschaft! Wir müssen die Konkurrenz ausspionieren, kommst du mit?", ein wenig versteifte sie sich. Seit der Zaubertrankstunde in der ersten Schulwoche hatte sie nicht mehr mit Malfoy gesprochen, spürte aber hin und wieder seinen Blick auf sich ruhen. Es irritierte sie, sie hatte das Gefühl, dass er vorher nie Interesse oder etwas ähnliches an ihr gezeigt hatte... oder?
„Hermine?", unterbrach Ron ihre aufkommenden Gedanken. Die Aussicht darauf, im strömenden Regen den mehr oder weniger talentierten Quidditchangebern zuzusehen, dämpfte ihre Stimmung. Andererseits konnte sie sich dann dem Anstarren des blonden Suchers hingeben und Zeit mit ihren Freunden verbringen.
Sie seufzte. „Na gut."
Nur fünf Minuten später waren sie in Umhänge gehüllt, sprachen einen wasserabweisenden Zauber darauf und stampften durch das nasse Gras zum Spielfeld. Erstaunt stellte Hermine die Vielzahl von Schülern fest, die sich bei diesem Wetter in das Stadion verlief. Auch sie nahmen auf den üblichen Plätzen der Gryffindors Platz und beobachteten gespannt die vielen wartenden Schüler, die einige Meter unter ihnen auf dem Rasen standen und sich entweder mit ihren Besen ärgerten, still am Rand warteten oder lachend in Pfützen sprangen, um andere nass zu spritzen.
„Sieh dir das an! Malfoy ist wieder da, um Sucher zu werden... und Bletchley steht auch wieder dabei.", murrte Ron wenig begeistert. „Dieser Typ ist ein Fels, jeder Klatscher prallt einfach an ihm ab.", unzufrieden dachte er dabei an das Spiel im letzten Jahr, wobei Bletchley den Klatscher mit seinem bloßen Schienbein in die Menge trat und seine Schwester Ginny beinahe vom Besen gestoßen hatte.
„Ist das da... ein Mädchen?", ungläubig lehnte sich die Brünette gegen die Brüstung, blinzelte gegen den Regen, der ihr ins Gesicht tropft, weil ihre Kapuze verrutschte.
„Nicht dein Ernst! In der Slytherin Mannschaft war noch nie ein Mädchen!", auch Harry lehnte sich völlig von den Socken nach vorn. „Wir sollten sie anfeuern, schließlich ist das eine einmalige Chance. Sieht aus, als würde sie Treiberin sein wollen."
Rons Blick war fest auf die blonde Person gerichtet: „Krass."
„Das ist Daphne Greengrass, oder?", Hermine kam nicht umhin ungläubig mit ihrem Kopf zu rucken. „Ich wusste gar nicht, dass sie sich für Quidditch interessiert."
Es war ihr tatsächlich neu, dass die Slytherin Mädchen sich überhaupt für etwas anderes als Lesen und Heimchen-Dasein begeistern konnten. Normalerweise waren eher reiche Familien in diesem Haus, daher wunderte es sie umso mehr. Sie presste ihre Lippen aufeinander und sah zu Malfoy, der neben ihr stand und sich mit ihr unterhielt. Greengrass lächelte ihn ihrerseits hinreißend an, obwohl sie wie ein begossener Pudel aussah.
Der Starkregen mäßigte sich, bis es sich nur noch um einen Nieselregen handelte. Kälte steckte in ihren Knochen, saßen sie doch bereits seit einer Stunde in der Nässe und verfolgten ihre fliegenden Mitschüler.
„Daphne Greengrass!", rief Urquhart, der Kapitän, aus. Zögerlich ging die Angesprochene ein paar Schritte auf ihn zu. „Malfoy, du hilfst mir. Ich muss sehen, ob sie eine geeignete Treiberin abgibt.", der Blonde nickte dem massigen und groben Kapitän zu, der seinerseits einen Schläger vom Boden hob und ihn dem Mädchen zuwarf. Auf seinen Pfiff stießen sie sich mit ihren Besen vom Boden ab und schwebten in der Mitte des Stadions. Harper lies die Klatscher frei, Malfoy katapultierte ihn mit einem gezielten Schlag in Greengrass' Richtung, die sich fahrig an den Stiel klammerte und duckte.
„Das sieht nicht gut aus.", murmelte Harry gefasst. Er hatte recht. In den folgenden Minuten wich sie dem Ballhagel der anderen beiden aus, duckte sich, verlor beinahe den Schläger. Unerbittlich jagten Malfoy und sein Kapitän die Klatscher hinter ihr her, während sie verängstigt flüchtete.
„GREENGRASS! SCHLAG SCHON ZU!", herrschte Urquhart und leitete den Klatscher wieder zu ihr. Versteinert starrte sie auf den Ball, holte aus-
Sie verfehlte ihn, der Klatscher schlug ungebremst auf ihrem Unterarm auf, vornübergebeugt umfasste sie mit einer Hand ihren Besen, um nicht zu fallen, wie es ihr Schläger gerade tat. Den anderen Arm presste sie mit schmerzverzerrtem Gesicht an ihre Brust. Malfoy schlug den Klatscher in Richtung Erdboden, damit Harper ihn einfangen konnte, während er sich um die Blonde kümmerte. Hermine sah, wie er auf sie einredete und dafür sorgte, dass sie einigermaßen wohlbehalten die Erdoberfläche erreichte.
„Du musstest es ja wieder übertreiben.", maulte Malfoy zu Urquhart, der nur mit seinen Schultern zuckte und sich dem nächsten Anwärter widmete. Malfoy begleitete die Greengrass unterdessen zurück ins Schloss, vermutlich bis in den Krankenflügel.
„Sie wird es nicht geschafft haben.", Ron hob eine Augenbraue und winkte ab. „Wobei Goyle momentan der Einzige ist, der sich als Treiber bewirbt, vielleicht bekommt sie die Position trotzdem."
„Mhm. Es sind zumindest nicht mehr viele Bewerber übrig.", gab Harry zu bedenken und damit war das Thema vorerst abgehandelt. Nachdenklich musterte Hermine den Kapitän der Schlangen, der seinen Spielern offenbar einiges zumutete, damit er sie als geeignet einstufte. Dann schüttelte sie ihren Kopf und beschloss, dass sie genug gesehen hatte.
„Jungs, ich gehe zurück. Mir ist kalt und es ist sowieso gleich vorbei."
Die beiden nickten ihr zu, ließen sich jedoch nicht von dem Bällehagel ablenken, den Goyle nun überleben musste.
Ihre Hände in den Taschen ihres Umhangs vergraben, marschierte sie auf dem Weg Richtung Schloss entlang. Sie spürte, dass selbst ihre Hosenbeine nass waren, die kurz über ihren Schuhen endeten. Im Korridor angekommen, hallten ihre Schritte an den Wänden wider. Nur wenige Schüler waren momentan unterwegs, weil die Auswahl noch nicht vorbei, grauenhaftes Wetter und Wochenende war. Nachdem sie das erste Stockwerk erreichte, haderte sie einen Moment damit, ob sie nach Greengrass sehen sollte. Aber warum sollte sie das schon tun? Sie hatten nie miteinander gesprochen oder waren gar befreundet gewesen. Zudem war da ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend, dass ihr einflüsterte, sich lieber nicht da hin zu begeben.
Sie rang gerade mit sich, als Malfoy um die Ecke bog und sie verloren auf dem Korridor stehen sah. Unbeirrt blieb er einen Meter neben ihr stehen und ließ seine Augen über sie wandern: „Was machst du hier?"
Völlig neutral und wertfrei stellte er diese, durchaus berechtigte, Frage. Sie schluckte. Sie würde ihm wohl lieber nicht sagen, dass sie momentan überlegte, die Greengrass zu besuchen. „Mir war kalt, also bin ich gegangen. Ich bin auf dem Weg in den Gryffindorturm.", erklärte sie und deutete mit ihrem Daumen auf die Treppe, die in den nächsthöheren Stock führte.
„Okay.", er nickte und erwiderte ihren Blick auf eine unergründliche Art.
Sie dachte, wenn sie nun einmal mit ihm sprach, konnte sie ihn direkt fragen: „Ist alles okay... bei ihr?"
Wieder ein Nicken. „Sie hat sich das Handgelenk verstaucht. Wird bald wieder gut sein."
„Schade, dass das passiert ist. Es wäre eine echte Premiere eine Frau in eurem Team zu sehen.", ein schiefes Lächeln stahl sich in ihr Gesicht, welches er unbeachtet ließ.
Seufzend antwortete er: „Ja, wäre gut gewesen. Ich habe ihr in den letzten Wochen oft geholfen."
„Mhm.", er war merkwürdig normal. Aus irgendwelchen bisher unbekannten Gründen hatte sie angenommen er wäre anders. „Nett von dir."
„Schon. Ich helfe auch nicht jedem, ihr hätte ich es gewünscht. Aber egal. Ich muss los, sonst schließt mich Urquhart aus Prinzip aus.", mit diesem letzten Worten hob er eine Hand und stürmte an ihr vorbei die Treppen nach unten. Wie immer konnte sie sich keinen Reim aus ihm machen. Er wirkte nicht besonders offen mit seinen Gedanken, oder redselig. Dennoch zog sie etwas an ihm an und stieß sie gleichzeitig ab. Weshalb das so war, war ihr nach wie vor schleierhaft.
(...)
Sonntagabend war es, als die brünette Gryffindor sich in die Schulbibliothek begab, um sich ihren Hausaufgaben für alte Runen zu widmen. Harry und Ron schienen vom gestrigen Auswahlspiel angeschlagen zu sein und verkrochen sich daher vor dem Kaminfeuer.
Sie legte ihre Hand auf das glatte Holz der Flügeltür, die in ihren liebsten Raum im Schloss führte und schob sie an, damit sie eintreten konnte. Augenblicklich strömte ihr der Duft von Pergamenten, Stoffeinbänden und Staub in die Nase, der dazu führte, dass sie von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl durchströmt wurde. Leicht lächelnd ging sie den Gang zwischen den Meterhohen Regalen entlang und stoppte schließlich in der Abteilung, welche die Bücher des Fachgebiets altgermanischer Schriftzeichen beheimatete und wollte sich nach rechts wenden, denn da würde sie die gewünschten Bücher zum älteren Futhark finden. Allerdings stockte sie in ihrer Bewegung. Malfoy saß am hintersten Tisch dieser Abteilung und arbeitete offenbar ebenfalls an diesen Hausaugaben, die sie gerade zu lösen beginnen wollte.
Sie tat, als würde seine Anwesenheit keinen Einfluss auf sie haben, ging auf ihn zu und legte ihre Tasche auf einem der Stühle am Tisch, der zu seinem angrenzte, ab. Perplex wandte er sich von seinen Aufzeichnungen ab, nur um zu ihr aufzusehen.
„Ist hier frei?", zischte sie leise, damit Madame Pince sie nicht ermahnte, worauf er nickte und eine Seite in seinem Buch umblätterte. Seelenruhig packte sie Zaubermanns Silbentabelle, Pergament, Feder aus und suchte im Regal, dass sich in ihrem Rücken befand, nach zusätzlicher, passender Lektüre.
Als sie fündig wurde, setzte sie sich neben ihn und begann damit, die Rolle Pergament entsprechend zu beschriften und die notwendigen Runen abzuschreiben. Malfoy blätterte derweil unablässig in den drei Büchern herum, die vor ihm aufgeschlagen lagen. In ihrem Augenwinkel sah Hermine, dass bereits etwas Tinte auf sein Blatt getropft war, weil er seine Feder so fest zwischen seinen Fingern hielt und kein Wort niederschrieb.
Ein unzufriedenes Zischen seinerseits lenkte sie endgültig ab. Leicht genervt drehte sie sich zu ihm: „Brauchst du Hilfe?"
Seine Stirn runzelte sich aufgrund ihrer unerwarteten Worte. Unschlüssig sah er erst sein Blatt, dann die Bücher an. „Ich glaube schon. Dieser Satz hier ergibt keinen Sinn.", er schob ihr den Beispieltext zu, den Professor Babbling ihnen ausgeteilt hatte. „Diese Rune da, das ist doch wunjo, oder nicht?"
Kurz wanderte ihr analysierender Blick über die Runen, dann ihre Silbentabelle. „Nein, thurizas. Es war mir erst auch nicht ganz klar, aber im Kontext der anderen Runen ergibt es Sinn, und da es sich um die Inschrift eines Grabsteins handelt... es heißt: Gormr kunungr gœrði kumbl þøssi œft þuruī, konu sīna. König Gormr machte diese Grabhügel nach þurui, seiner Frau."
Seine Finger strichen über sein Kinn, während er die Zeilen überflog und ihr zustimmen musste. „Ja, du hast recht. Danke."
„Kein Problem.", entgegnete sie abwinkend. „Du kannst mich immer Fragen."
„Ich bin, bezüglich meiner Noten, nah an dir dran, also wiege dich ja nicht in Sicherheit, Granger.", murmelte er, wieder vertieft in seine Aufzeichnungen.
Das was ihr durchaus bewusst: „Na dann."
Im stillen Einklang arbeiteten sie nebeneinander her, bis auch Hermine nicht weiterkam. Sie zögerte. Es gäbe zwei Möglichkeiten, wie sie nun verfahren konnte: erstens, sie starrte diese Zeile weiterhin unschlüssig an oder zweitens, sie fragte Malfoy, der beinahe fertig war und dann gehen würde, ohne dass sie eine Lösung für ihr Problem fand. Hermine kaute auf ihrer Unterlippe herum, drehte den Federkiel zwischen den Fingern. Er begann damit die Bücher zu schließen und im Bücherregal einzusortieren, packte seine Tasche. Gerade wollte er sie schultern und sich abwenden, also drehte sie sich, viel zu ruckartig, zu ihm und sah ihn von unten her an. Überrascht starrte er zurück, wirkte als hätte ihn ihre übertriebene Bewegung aus dem Konzept gebracht.
„Kannst du mir auch kurz helfen?"
Ein prüfender Blick zum Mittelgang, ehe er nickte. Das Adrenalin in ihren Gefäßen erhöhte ihren Herzschlag, den sie bewusst spürte, als er sich erneut neben ihr niederließ. „Wobei?"
„Diese Zeile hier...", sie richtete ihren Zeigefinger auf die fragliche Stelle, „...ist Teil einer Inschrift auf einem Schnallenträger, da steht Aigil andi Ailrun Iltahū gasōkun. Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Bericht über die Träger selbst ist, oder ob es sich um eine Sage handelt."
„Ich dachte, es würde sich um die Erzählung zweier Heldenfiguren handeln, die eine kritische Situation erfolgreich bestritten haben. Es heißt ja Wörtlich: Wie einst Aigil und Ailrun gesiegt haben, so jetzt."
„Also erhofft sich der Träger der Schnallen davon, dass sich die Wirkung auf ihn überträgt?"
„So ist es. Denke ich zumindest.", wieder kaute sie auf ihrer Unterlippe und konnte seine Worte einfach nicht infrage stellen. Sie wusste, dass er recht hatte und sie bewunderte ihn gewissermaßen dafür. „Wenn du nachschlagen willst, ich habe es in diesem Buch-", er erhob sich zügig, fischte ein dickes Buch in einem dunkelblauen Einband aus dem Regal und legte es auf den Tisch, „-gefunden. Kapitel 6."
„Danke.", brachte sie geradeso hervor und legte gedankenverloren eine Hand auf den Einband des Buches. Was tat er nur mir ihr? Warum fühlte sie sich in seiner Gegenwart wie ein dummes, kleines Mädchen?
„Bis später.", verabschiedete er sich leise und verschwand geräuschlos. Ihr Blick verfolgte ihn, bis er links abgebogen und aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Zurück blieb ein Kribbeln unter ihren Fingerspitzen.
(...)
Mit beendeten Hausaufgaben machte sie sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Auch, wenn sie am heutigen Abend einen Kontrollrundgang machen musste, wollte sie wenigstens vorher ihre Tasche ablegen. Vor dem Kaminfeuer traf sie auf Harry und Ron, die sich einer Partie Zauberschach widmeten. Für einen Moment musste sie ihre Nase rümpfen, versuchte dann jedoch ein unbeteiligtes Gesicht zu machen und setzte sich neben die beiden auf den Boden, vor das Sofa.
Erschöpft seufzte sie, lehnte ihren Kopf an und schloss einen Moment lang ihre Augen. „Musst du dann nicht noch einen Kontrollrundgang machen?", wurde sie erinnert.
„Ja, muss ich.", gab sie zurück, ohne ihre Lider zu heben.
„Weißt du schon mit wem?", fragte Harry beiläufig. „Turm A4 nach C4."
Sie konnte hören, wie sich die Figur verschob. „Nein, keine Ahnung.", wie immer Harry, dachte sie.
„Dann erwischst du hoffentlich nicht Parkinson.", kicherte Ron, sodass sie ihn nun doch ansah und eine Augenbraue anhob.
„Wieso?"
Kopfschüttelnd wandte er sich vom Schachbrett ab, stützte seine Hand auf sein Knie. „Hast du nichts davon gehört? Sie wird nach ihrem Abschluss sofort mit jemandem verheiratet, den ihre Eltern ausgesucht haben. Ihre Stimmung soll unerträglich sein."
„Eine Zwangsehe? Ich dachte gar nicht, dass so etwas noch legal ist.", geschockt sah sie die beiden an. Es erschien ihr unmöglich, dass man sein Kind zu derartigem zwingen konnte. Ihre eigenen Eltern würden sie niemals dazu zwingen jemanden zum Mann zu nehmen, den sie nicht liebte. Zum Glück lebte sie in einer normalen Familie und nicht in einer ... das Wort wollte ihr nicht einfallen. Reichen Familie? Und im gleichen Atemzug dachte sie zwar irgendwie an ihre Eltern, oder ihre Familie, aber ihr wollten partout keine Gesichter dazu einfallen. Angestrengt senkten sich ihre Augenbrauen, während sie auf die Spielfiguren fixierte.
„Ha! Schachmatt!", jubelte Ron, der Harry sowieso in zwei Dritteln aller Spiele, die sie spielten, besiegte. Harry stöhnte und bettete sein Gesicht in seinen Händen, während Rons Läufer Harrys König niederschlug und vom Brett schleifte.
(...)
Kurz nach der Sperrstunde war es so weit, dass Hermine mit einem anderen Vertrauensschüler die Gänge kontrollieren musste. Daher fand sie sich, wie in den Jahren davor, vor der großen Halle ein, bei der Professor Sprout als Hauslehrerein von Hufflepuff wartete und die Schüler um sich scharte. Bisher war Hermine mit fast jedem der Vertrauensschüler einmal durch die Gänge patrouilliert. Daher konnte sie Rons Bemerkung zu Pansy nicht verstehen und das obwohl sie sich kaum mit ihr unterhielt, als sie in der zweiten Woche gemeinsam unterwegs waren. Die Planung der Paare erfolgte folgendermaßen: es gab vierundzwanzig Vertrauensschüler, jeweils zwölf waren an einem Tag gleichzeitig in Paaren unterwegs. Zusätzlich wurden die Paare rotiert, sodass neue Bekannt- und Freundschaften entstehen konnten und die Schüler zusammenarbeiteten. Seit dem Schulbeginn war sie bereits mit einigen anderen durch das Schloss gegangen, nur war Malfoy bisher nicht dabei und deshalb war sie umso nervöser. Dean war bereits vor ihr angekommem und begann ein Gespräch mit ihr zu führen.
Sie nahm die Worte aus Deans Mund nur beiläufig wahr, nickte und lächelte aber ab und an, während sie Malfoy grübelnd musterte, wie er sich leise mit Parkinson unterhielt. Malfoy strahlte eine Mischung aus Normalität und leichter Arroganz aus, während er eine Hand an seiner Hüfte abstützte und mit der anderen gestikulierte. Sie schluckte.
„Hey.", wurden sie von Padma begrüßt, die neben ihnen erschien.
„Hi! Wie war Wahrsagen?", sie interessierte sich keineswegs für diese Pseudowissenschaft, dachte aber, dass es unauffälliger wäre in einem Gespräch zu sein, als weiterhin den Slytherin zu beobachten.
„So spannend! Wir beschäftigen uns mit der Ovomantie, das Wachtelei, das ich heute aufgeschlagen habe, hat ein aufregendes Schuljahr prophezeit.", ein unerklärliches Schimmern trat in Padmas braune Augen, sie schien diesen Quatsch wirklich zu glauben.
„Bei mir ist das Eidotter sofort ausgelaufen.", brummte Dean, worauf Padma erschüttert die Hand vor den Mund schlug. Hermine musste sich unterdessen wirklich bemühen, um nicht mit ihren Augen zu rollen, aber Professor Sprout kam ihr zuvor und unterband weitere Kommunikation.
„Guten Abend, meine Lieben! Einmal mehr müssen die Gänge kontrolliert werden. ", lächelnd zählte sie die Anwesenden und nickte zufrieden ab, dass sich alle eingefunden hatten. „Also, ich lese jetzt die Paare vor: Padma Patil und Pansy Parkinson, Anthony Goldstein und Heather Mills, Hannah Abbott und Cynthia McCoy, Hermine Granger und Draco Malfoy, Dean Thomas und Colin Creevey und zu guter Letzt Xenobilus Finch und Harvey Dunn.", versteinert starrte sie auf das Blatt Pergament in Professor Sprouts Hand, traute sich nicht den Blick abzuwenden. Heute war es also soweit. „Das waren dann alle."
Hermine sah nun doch zu dem Blonden, der mit verschränkten Armen und gedankenverloren auf den Boden sah und mit den Fingern einer Hand über sein Kinn strich. Während sie von ihm abgelenkt war, teilte Sprout die Schüler den jeweiligen Routen zu und verabschiedete sich dann fröhlich. Die Schülertraube zerstreute sich.
„Bis dann, Hermine.", sagte Dean und winkte ihr zu, was sie erwiderte. Danach drehte sie sich händeringend zu Malfoy, der inzwischen neben ihr stand.
„Läuft was zwischen euch?", fragte er mit erhobener Augenbraue, worauf ihr prompt das Blut in die Wangen schoss. Sein Blick war auf den Rücken des Schwarzhaarigen gerichtet.
Überrumpelt von seiner direkten Frage blinzelte sie: „Zwischen Dean und mir? Nein."
„Hätte ich auch nicht erwartet. Gehen wir?"
Ohne weitere Worte zu verlieren kehrte er um und ging ein paar der Stufen in den ersten Stock nach oben. Die andere folgte ihm zögerlich, sie hatte nicht mitbekommen welcher Route sie zugeteilt worden waren.
Immer zwei Schritte hinter ihm stieg sie Treppe um Treppe empor, schließlich erreichten sie die siebte Etage und begannen damit, die Korridore zu kontrollieren. Bisher schweigend.
Er wollte eigentlich auch nicht wirklich mit ihr sprechen, weil er sich in der letzten Zeit mehr als dämlich in ihrer Gegenwart verhielt und er konnte bei Merlin nicht sagen, weshalb. Normalerweise ignorierte er sie einfach oder band sie in seine Scherze mit ein, die er auf Kosten von Weasley und Potter machte. Unumstritten war außerdem ein seltsam unangenehmes Gefühl in seiner Brust, wenn er sie ansah. Wenn sie ihn ansah. Etwas in ihren Augen versuchte ihn in eine vergangene Erinnerung zu drängen, die schon längt verschwunden war.
„Hey Malfoy?", unterbrach sie die Stille schließlich, worauf er sie mit einem kurzen Seitenblick bedachte. „Ich weiß, dass du gute Noten schreibst, ein Slytherin bist, viel Wert auf deine Familie legst und einen gewissen Standard gewöhnt bist."
„Danke für diese nette Zusammenfassung meiner Person.", erwiderte er skeptisch und kräuselte seine Nase. „Welchen Zweck sollte das haben?"
„Das ist alles, was ich von dir weiß. Ich kann über andere Schüler mehr sagen und mit denen habe ich mich nicht einmal unterhalten. Aber mit dir besuche ich seit sieben Jahren die gleiche Klassenstufe und ich habe einfach keinen blassen Schimmer."
Irritiert verblieb er an Ort und Stelle, weshalb sie ebenfalls neben ihm verharrte. Prüfend, aber dennoch seltsam distanziert sah er sie an. „Warum musst du immer alles wissen?"
Ein Kopfschütteln. „Ich muss nicht alles wissen, ich will nur irgendetwas wissen."
„Aber wieso?", er wollte sich nicht damit beschäftigen. Mit diesem Ziehen in seinem Herzen, dass sie provozierte und das er nicht kannte. Wer, bei Salazar, war sie?
„Ich mag es nicht, wenn ich andere nicht einschätzen kann.", gab sie offen zu. Wohin sie dieses Gespräch führen sollte, konnte sie selbst nicht wirklich benennen, aber wenn es dazu beitrug, dass sie mehr als nur Fragezeichen mit ihm in Verbindung brachte, dann war es ihr nur recht.
„Das tut mir leid für dich.", antwortete er ganz und gar nicht mitleidig und setzte seinen Weg fort, der nun noch den Astronomieturm einschloss, damit sie ihre Runde beenden konnten. Hermine atmete angestrengt aus und folgte ihm auf dem Fuß. Vielleicht sollte sie es aufgeben, denn sie konnte ihn einfach nicht lesen.
Auf dem Astronomieturm wehte ein kühler Wind. Er riss an ihren Umhängen und Haaren, zauberte einen rosigen Teint auf ihre Wangen, den man aufgrund der Dunkelheit sowieso nicht sehen konnte. Malfoy ging einmal um die Plattform, stellte sich dann an die Brüstung und ließ seinen Blick über den großen See wandern. Hermine beschloss sich neben ihn zu stellen, also kam sie dazu und umfasste das kalte Eisengeländer. Eine ihrer Hände wanderte in die Innentasche ihres Umhangs und fischte ein kleines Bonbon hervor, dessen Papier knisterte, als sie es auspackte. Kirschgeschmack prickelte auf ihrer Zunge.
Ein leuchtender Halbmond schwebte knapp über dem Horizont, er musste gerade erst aufgegangen sein. Sein Licht erzeugte schimmernde Reflexionen auf der Wasseroberfläche, ließ den Wald jedoch in einem bodenlosen Schwarz stehen. Erst wenn der Mond voll war, erhellte er auch die Baumwipfel.
„Schön, oder?", flüsterte sie. Als er nicht reagierte, setzte sie nach: „Ich verstehe dich nicht."
„Granger-", er wandte sich ihr zu, erschien im Mondlicht blass, aber dennoch irgendwie strahlend, „Ich bin ganz und gar uninteressant. Es gibt keinen Grund dazu, mich zu kennen."
Sie ignorierte seinen Versuch sie loszuwerden gekonnt und wechselte daher das Thema: „Wollen wir uns jede Woche in der Bibliothek treffen und die Hausaufgaben für alte Runen machen? Ich hatte heute das Gefühl, dass du eine große Hilfe warst und ich denke, wir könnten beide davon profitieren."
Seine Augen ruhten auf ihr. Lange. Ohne sich zu regen. Dann zuckte er seine Achseln. „Okay. Aber schieb die Schuld dann nicht auf mich, wenn es dir zu langweilig wird.", Hermine lächelte und nickte.
Sie blieben weitere Minuten, um den Himmel zu betrachten, ehe sie sich auf den Weg nach unten begaben und sich schweigend trennten, als sie das Gemälde der fetten Dame erreichten. Zwangsläufig kamen sie daran vorbei, lag es doch ebenfalls im siebten Stock.
„Gute Nacht.", sagte sie,er war bereits an ihr vorbeigegangen und stieg die Stufen nach unten, aber als er sie hörte, hob er eine Hand zum Gruß, ohne sich umzudrehen. Kopfschüttelnd nannte sie der fetten Dame das Passwort: „Sceptrumobliviscendi".
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A.N.: Ich dachte ich gebe euch mal noch ein zweites Kapitel in dieser Woche. Sonntag wird es trotzdem eins geben. :)
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