7. Kapitel
Elenya
Dieser Mann lügt. Lucifer ist zwar nicht wie ihr Vater, herzlich und gütig. Er regiert sein Land streng und konsequent. Doch das muss er auch. Unzählige Geschöpfe leben in Zandoria. Er muss einigen Einhalt bieten, damit die Ordnung bestehen bleibt.
Elenya hat ihn nie persönlich getroffen, nur von ihm gehört. Doch ihr Vater vertraut ihm, daher tat sie es ebenfalls.
Amara steht immer noch mit verschränkten Armen vor ihr.
„Nun gut. Ich zeige dir das Portal in deine Welt." Sie keucht. Hat sie gerade richtig gehört? „Und wenn du dann dort bist, frag Lucifer nach Aschera. Dann siehst du seinen Verrat." Elenya zieht abermals die Augenbrauen zusammen. Aschera? Irgendwie kommt ihr der Name bekannt vor. Doch nur woher.
Kopfschüttelnd wendet sie sich Amara zu. Sie will nach Hause. Egal wie.
„Gut. Zeig mir wo es sich befindet." Amara lächelt kalt, nickt ihr aber zu.
„Im Central Park steht eine mächtige alte Eiche." Eine Eiche. Warum ist Elenya nicht eher darauf gekommen. Sie ist dem Häschen durch eine gefolgt und kam in diese Welt. Logisch wäre nur, wenn sie jener Baum wieder zurückbringen würde. "Aber denke daran. Unheil wird über Zandoria kommen, der Krieg ist bald beendet." Sie versteht seine Worte nicht. Was ist daran Unheil, wenn dieser schreckliche Krieg endet?
„Was soll das bedeuten?" Andrew taucht neben ihr auf und blickt Amara immer noch wütend an. Dieser jedoch lächelt nur, ohne ihm eine Antwort zu geben. Aber das ist für Elenya nicht mehr wichtig. Er hat ihnen verraten, wo es ein Portal in ihre Heimat gibt. Sie wollte nur noch zurück.
„Andrew. Lass uns gehen." Sie vermeidet, ihn auf seiner nackten Haut zu berühren und fasst ihn an der Schulter. „Wir wissen doch jetzt, wie ich nach Hause komme." Andrew hält seinen grimmigen Blick Sekunden auf Amara stand, bevor er sich nickend ihr zuwendet.
„Okay. Lass uns hier verschwinden." Damit verlassen die beiden die alte, viel zu kleine Wohnung. Hinter sich hört sie Amara lachen und ein eiskalter Schauer jagt ihr über den Rücken.
Stundenlang sind sie im Park umhergeirrt, auf der Suche nach einem alten großen Baum. Ihre Beine tun ihr weh und sie vermisst ihre Flügel, die diese etwas entlasten würden.
„Der Park ist so groß. Wir finden diese alte Eiche niemals." Stöhnt Elenya nun zum zehnten Mal. Andrew hat die meiste Zeit der Suche wenig geredet, was nicht sonderlich seltsam für den jungen Mann ist. Auch wenn sie ihn erst vor kurzem kennengelernt hat, mag sie ihn irgendwie. Als sie wieder ihren Blick über sein Gesicht gleiten lässt, kann sie nur abermals feststellen, wie attraktiv er ist. Das markante Kiefer ist mit einem leichten Bart schatten versehen. Die wunderschön geschwungen Lippen und diese faszinierend dunklen Augen.
„Eine alte große Eiche?" Elenya erschreckt sich, als hinter ihr eine männliche Stimme ertönt. Auch Andrew zuckt zusammen. Als sie sich umdrehen, steht ein älterer Mann auf einem Stock gestützt, vor ihnen und lächelt. „Dort hinten ist eine mächtige Eiche." Er deutet in Richtung Westen, an der gerade die Sonne am Untergehen ist. Orangene und rötliche Lichter tauchen den Himmel in etwas Magisches. Und da eindeckt Elenya sie. Groß und mächtig ragt ein Baum in den schönen Himmel empor. Sie steht verlassen mitten auf der Wiese im Park.
„Andrew. Da ist sie." Bringt Elenya quietschend heraus. Ihr Weg nach Hause.
„Danke freundlicher Mann." Sie verneigt sich vor dem älteren Herrn, der noch breiter lächelt und seinen unsichtbaren Hut zückt. Anschließend sprintet sie barfuß über die noch leicht feuchte Wiese, auf die alte Eiche zu. Hinter ihr hört sie Andrew, ebenfalls rennen.
Am Stamm angekommen blickt sie ins Blätterdach empor. Sie ist ebenfalls so groß wie die auf der Wiese in Zandoria. Der Stamm ist dick und die Rinde rau. Elenya legt ihre Handflächen darauf und spürt die Energie des Baumes.
„Wow. Der ist ja mal mächtig." Andrew ist neben ihr aufgetaucht und blickt ebenfalls andächtig nach oben. Lächelnd umrundet Elenya den Stamm, ohne ihre Hände von der rauen Rinde zu nehmen. Bis ein kleiner Spalt im Baum vor ihr auftaucht. Groß genug, um sich hindurch zu pressen. Das Portal. Ihr Weg nach Hause.
„Hier ist es." Sie wendet sich Andrew zu, der den Spalt begutachtet.
„Okay. Sagst du jetzt eine Zauberformel auf, oder so etwas?" Er lächelt sie an und Elenya muss ebenfalls kichern.
„Nein. Ich muss nur dort hinein." Sie blickt in den Spalt, doch im inneren ist alles finster.
„Dann ist es jetzt soweit." Andrew klingt nervös, daher blickt ihn Elenya wieder an. Er fährt sich durch die schwarzen Haare und bringt sie damit durcheinander. „Dann sollten wir nun Abschied nehmen." Ihr lächeln verschwindet. Daran hat sie gar nicht gedacht. Andrew ist ein Mensch. Er wird nicht mitgehen. Dies ist ein Abschied.
Langsam streckt sie ihre Hand nach ihm aus und Andrew ergreift sie. Eine Wärme durchströmt sie an der Stelle, wo ihre nackte Haut sich berührt. Doch dieses Mal entzieht sie ihm nicht die Hand. Zu schön ist dieses Gefühl, ihn zu berühren. „Pass auf dich auf, Elenya." Er tritt einen Schritt auf sie zu und verringert ihren Abstand zueinander. So viele Wörter stecken in ihrem Hals, doch keines möchte ihre Lippen verlassen. „Auch wenn du die Warnung von Amara nicht für voll nimmst, ich tue es. Also versprich mir, dass du auf dich aufpasst." Elenya schluckt die Tränen hinunter und nickt vorsichtig.
„Ich verspreche es." Bringt sie brüchig heraus. Und dann macht sie etwas, für das sie nie den Mut aufgebracht hätte, wäre dies kein Abschied gewesen. Elenya stemmt sich auf ihre Zehenspitzen und drückt ihre Lippen auf die von Andrew. Sein Geruch und sein Geschmack dringen in ihre Sinnesorgane und lassen sie seufzen. Federleicht und zärtlich vereinen sich ihre Lippen und Andrew zieht sie näher an sich. Sein Hand greift in ihr Haar und drückt seine Lippen fester auf ihre. Noch nie zuvor hat sie so einen Mann berührt. Hitze breitet sich in ihrem Körper aus, als würde sie in Flammen stehen. Eine Träne löst sich aus ihren Augenwinkel, bevor sie schwerfällig von ihm ablässt.
„Es wird Zeit." Flüstert Elenya, während Andrew immer noch seine Hand in ihrem Haar hat. Er zieht sie abermals zu sich und haucht ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Vergiss mich nicht, Elenya. Denn ich werde dich nie vergessen." Sie keucht von seinen Worten. Langsam löst sie sich aus seinem Griff.
„Ich werde dich nie vergessen Andrew. Das kann ich gar nicht mehr." Ein letztes Mal blickt sie ihn an, bevor sie sich durch den Spalt quetscht und die Dunkelheit betritt. Wie damals, taucht ein warmes Licht vor ihr auf. Schnell geht sie darauf zu, nur dieses Mal lässt sie ihre Augen offen.
Ihr Kopf dreht sich und kurz verschwimmt alles vor ihrem Blickfeld.
Als ihre Sicht wieder schärfer wird, erblickt sie eine Wiese vor sich. Ihr Herz rast, als sie sich im Kreis dreht und den Wind in ihren Flügeln spürt. Lachend und weinen greift sie sich an die Ohren und kann die Spitze dieser fühlen.
„Ich bin wieder zurück." Kichert sie und blickt sich um. Unweit von hier erkennt sie ihr Dorf und freudig läuft sie darauf zu. Sie muss unbedingt zu ihrem Vater. Er wird ihr niemals glauben, wo sie gewesen war.
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