Einführungsritual
Manchmal spüre ich es noch immer. Das lauwarme, dickflüssige Allerlei, in welches man mich "gehalten" hat. Eine Beatmungsmaske, die mich am Leben gehalten hat, wenn die Männer in Weiß mit ihren Forschungsarbeiten fertig geworden sind. Dieses Stechen, wenn die Luft in meine Atemwege gepresst worden ist. Jene grellen Lichtstrahlen der Laborlampen, welche wiederholt in meinen empfindlichen Augen gestochen haben. Ich habe nie sagen können, ob ich lieber in dem Tank, oder bei den Versuchen gewesen bin. Im Tank ist es jedes Mal herrlich warm gewesen. So wohlig angenehm. Aber die intensiven Geräusche meines eigenen Körpers haben jedes Mal in meinen Ohren geschmerzt, wenn ich wieder in den Tank gehen musste. Andererseits ist es immer schön, wenn ich bei den Versuchen Gespräche mit den Forschern geführt habe. Besonders mit der einzigen Frau dort, die mir zu meiner Zeit in der Einrichtung immer wieder begegnet ist. Ich habe ihren Namen nie erfahren. Generell haben sich die Forscher dort nie benannt. Sie hat mir dauernd Kekse mitgebracht. Solche mit kleinen Schokoladenstückchen. Manchmal fühle ich noch den süßen Geschmack auf meiner Zunge. Die Krümel in meinem Mund. Doch so schön es auch gewesen ist, Kontakt zu den Forschern zu haben, so unangenehm sind die Versuche gewesen. Bis heute begreife ich nicht genau, warum ich dort gewesen bin. Ich soll angeblich von besonderen Eltern abstammen, aber an mir ist nichts anders. Und gefunden haben sie auch nichts. Egal ob sie mich unter Strom gesetzt, bestimmte Punkte meines Körpers mittels Akupunktur-Nadeln „aktiviert" haben oder mir Filmszenen grauenhafter Natur gezeigt haben. Hervorgerufen hat es einzig und allein meine Angst vor den Versuchen. Jedes Mal hat meine Furcht neue Höhen erreicht. Allein diese wundervolle Frau hat sie mich kurzzeitig vergessen lassen.
Ich erinnere mich an einen Streit, den diese Frau mit einem der strengsten Forscher gehabt hat. Es ist um die Versuche mit mir gegangen. Bevor ich es aber geschafft habe mehr zu hören, bin ich in meinen Tank gesperrt worden. Diese gewaltige Angst, jene wunderbare Frau nie wiedersehen zu können hat mein Herz zerfressen. Ich erinnere mich an die bitteren Tränen, die ich geweint habe.
Dann ist die eine Nacht gefolgt, die meine Zukunft bestimmt hat. Das Licht hat wie immer in meine Augen gestochen, doch dieses Mal habe ich keinen der üblichen Forscher gesehen, sondern die Frau. Sie hat keine Fragen zugelassen. Nur ihre Worte: „Ich hole dich hier raus"
Wie sie mir einen Mantel übergezogen und an die Hand genommen. Ab hier an sind die Erinnerungen brüchiger. Einige Wachen, die die Frau erst ausgefragt und sie dann mit mir haben herausgehen lassen. Eines dieser „Autos", in welchem wir weggefahren sind. Mein Herz, das vor Aufregung, Freude sowie Nervosität gleichermaßen zu eskalieren gedroht hat. Laternenlichter, die monoton an meinem Beifahrerfenster vorbeigezogen sind. Hat etwas Hypnotisches gehabt.
Auto hat angehalten. Stimmen. Aufgeregt. Böse. Man zieht mich aus dem Auto. Sehe diese Unterkunft vor mir. Sie sieht hässlich aus. Heruntergekommen. Da sind Menschen mit Waffen, wie sie die Wachen in meinem Zuhause gehabt haben.
Die Frau steht bei einem großen breiten Mann ohne Haare. Sie unterhalten sich. Er reicht ihr bunte Scheine. Sie schaut zu mir. Lächelt kurz. Geht zurück zu ihrem Auto. Alles ist so schnell gegangen. Ehe ich dazu imstande gewesen bin, etwas zu sagen, haben mich zwei Männer in diese Hütte geschliffen. Ich habe nicht verstanden, was passiert ist. Warum die wundervolle Frau, die mich befreit hat, nun hier allein lässt. Sie haben mir gesagt, dass dies hier fortan mein neues Leben sein würde.
Ich habe nicht vergessen, wie „Schwächlinge", so haben sie ihre Opfer genannt, dort wie Vieh gehalten und zum Zwecke des Vergnügens bis zum Tod gefoltert worden sind. Meine Aufgabe ist es gewesen, Blut und menschliche Überreste von ihren „Spielzimmern" zu entfernen und in Giftfässer zu entsorgen. Habe ich nicht gespurt oder Fragen gestellt, bin ich verprügelt worden. Mit grünem Schlamm aus den Fässern beträufelt worden. Oder Schlimmeres. Dieser Schlamm hat mich körperlich ausgezehrt. Für sehr lange Zeit.
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich dort gewesen bin. Fenster hat es dort keine gegeben. Die Außenwelt habe ich nur gesehen, wenn sie mich den Müll haben rausbringen lassen. Jedes Mal ist die frische Luft eine Wohltat gewesen. Geschlafen habe ich auf dem Boden, auf einer dünnen Decke. Die Frau habe ich an dem Tag gesehen, als er in mein Leben getreten ist.
Ich habe gerade den Boden gesäubert, als sie die Tür hereingekommen ist. Ihr Gesichtsausdruck, oh ich erinnere mich noch gut. Die Frau hat Angst gehabt, als sie „Sie haben uns gefunden!" gerufen hat.
Als einer der Männer nachfragt, erwidert sie mit Panik in den Augen: „Das Syndikat"
Auch hier ist alles so schnell gegangen. Kaum einige Augenblicke danach ist metaphorisch die Hölle über diesen Ort hereingebrochen. Schüsse verwandeln das Haus in eine durchlöcherte Grabkammer. Einer der Männer rennt an mir vorbei. Stößt mich beiseite. Ich verliere den Halt und knalle unsanft gegen eines der Giftfässer, welches umkippt. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist eine Dimension des Schmerzes, den ich sowohl zuvor, als danach nie wieder gespürt habe. Der Inhalt des Fasses hat sich über mich ergossen. Von der Schießerei selbst habe ich in dem Moment nichts mehr wahrgenommen. Nur noch den Schmerz, den ich versucht habe, mir von der Seele zu schreien. Ich bin schwächer geworden. Habe nur noch sterben wollen. Dem Schmerz erliegen. So ist mir entgangen, dass der scheinbar sehr einseitige Schusswechsel längst ein jähes Ende genommen hat. Vor mich tritt ein dunkles Schuhpaar. Das und das Ende violetten Stoffes ist das Erste gewesen, was ich von ihm gesehen habe. Mit aller Kraft habe ich zuckend und ächzend versucht hochzuschauen. Noch im Versuch greift die Person mit seinen behandschuhten Hände unter meinen Körper und eine Leichtigkeit, die ich noch nie gespürt habe, hat sich über mich gelegt. Ich sehe noch das sanft lächelnde Gesicht eines blonden Mannes mit schwarzer Augenklappe, ehe ich ohnmächtig geworden bin. Das ist der Tag gewesen, an dem ich Einauge begegnet bin.
In der Gegenwart
„
Und genau darum habt ihr Beiden das auch so super glorreich verkackt! Ihr solltet das Ganze wie ein ausländisches Attentat aussehen lassen"
„Nur weil ich mit Linda einmal deutsch geredet ha-"
„Ja! Genau deswegen! Wie sollen die Überlebenden glauben, dass das Attentäter von außerhalb waren, wenn ihr im perfekten Deutsch labert", erwidere ich und streiche mir entnervt Daumen & Zeigefinger über meinen Augenbereich.
„Einauge. Ich denke, dass die Geiseln so verängstigt waren, dass es ein Wunder wäre, wenn sie diesen Fakt so direkt mitgeschnitten haben", gibt mein Vize, Vögelchen, zu Bedenken. Während ich hinter meinem breiten Schreibtisch auf dem Lederdrehstuhl sitze, steht die junge Frau zu meiner Rechten. Ihr Gesicht, wie immer, hinter der weißen Vogelmaske verborgen und die Kapuze tief über den Kopf gezogen. Ich seufze schwer.
„Gut. Letzten Endes habt ihr den Auftrag ausgeführt. Gehalt wie immer. Jetzt geht und gönnt euch ein paar Tage Ruhe. Ach ja", ich überreiche der kahlgeschorenen Problemlöserin „Linda" ein offizielles Dokument. Sie besieht ihn sich und reicht es ihrem leicht gestrickten Partner „Balls", welcher sich durch seinen struppigen Vollbart streicht.
„Gebt das unserem Lagerfutzi. Der gibt euch dann jeweils eure Belohnung", erkläre ich lächelnd und lehne mich etwas zurück. Beide schauen sich einen Moment lang verdutzt an, ehe sie sich von ihren Plätzen erheben und dankend mein Büro verlassen.
Ich atme hörbar laut aus und streiche mir angespannt über meinen stoppeligen Bart. Ich wende meinen Blick auf die junge Vögelchen, deren klar grüne Augen hinter der kalkweißen Vogelmaske hervorstechen.
„Setz dich, kleines"
„Danke, Einauge", erwidert Vögelchen, schiebt einen der Stühle direkt neben meinen und nimmt auf diesem platz. Ich schaue eine Rotweinflasche samt zwei passender Gläser an, die sich in einem offenen Regal an der rechten Wandseite meines sonst ziemlich leeren Büros befindet. Innerhalb einer fließenden, wischenden Bewegung, hebe ich meine linke Hand und senke sie wieder. Die Flasche Rotwein und die beiden Gläser schweben langsam auf uns zu, nur um von mir aus der Luft genommen zu werden. Schweigend reiche ich Vögelchen eines der beiden großbäuchigen Rotweingläser. Dankend nimmt sie ihn mir ab und ich beginne ihr die kräftig rote Flüssigkeit einzuschenken.
„Das ist ein Chateau Margaux 2012er Jahrgang. Subtile Aromanote von Rosenblättern. Zwar trocken, doch sehr sanft in seiner Stärke. Leicht erdige Note im Abgang", erkläre ich lächelnd, während ich mir selbst bereits am einschenken bin.
„Der war sicher nicht günstig"
„Absolut nicht. Aber irrelevant. Lass ihn uns genießen. Der Wiederaufbau läuft super. Die Welt schuldet uns mehr, als sie zurückgeben kann. Das Syndikat ist durch Worse stärker geworden, als zuvor. Die Logen werden von Anfragen überhäuft"
„Was ist mit den anderen Organisationen?", fragt mein Vize interessiert, setzt das Rotweinglas an und nippt sanft. Ich lächele etwas.
„Sie existieren", erwidere ich süffisant und genehmige mir ebenfalls einen Schluck des roten Goldes. Bitter-fruchtiger Geschmack breitet sich in meinem Mund aus. Warmes Alkoholgefühl rinnt durch meine Kehle.
„Bedeutet?"
„Was ich gesagt habe. Sie sind da. Versuchen auch ein Stück des Kuchens abzubekommen. In einigen Teilen Europas ist das auch durchaus erfolgreich. Aber sie sind keine Konkurrenz für uns und das wissen die auch. Die Meisten versuchen auch ein Teil von uns zu werden", erkläre ich, mein verbliebenes Auge auf den durch meine schwenkende Bewegung, sich leicht drehende Rotwein gerichtet.
„Und die anderen?", hakt Vögelchen nach.
„Landen als Auftrag auf meinem Schreibtisch", grinse ich in der Antwort. Die Maskierte kichert leicht und prostet mir zu.
Vögelchen ist schon eine Weile im Syndikat tätig. Eigentlich ist sie die meiste Zeit als „Zivilistin" bei der Sonnenloge zugegen gewesen. Dort ist sie mehr oder weniger aufgewachsen, nachdem ich sie aus den Fängen dubioser Wissenschafts-Kinder-Drogen-Junky-Fotzen befreit habe. Das ist zu der Zeit zwar nicht mein Ziel gewesen, aber sie lag halt da. Sterbend. Ganzer Körper übersät mit giftigem Scheiß. Wäre fast gestorben. Hab sie zu unseren besten Ärzten gebracht. Auf sie aufgepasst. Sie hat mir leidgetan. Bin wohl doch nicht so ein herzloser Wichser. Als dieser ganze Mist mit Dheunos abgelaufen ist, hat mir das Syndikat Vögelchen auf eigenen Wunsch als neuen Vize zur Seite gestellt. Für gewöhnlich ist das nicht möglich, doch aufgrund unserer gemeinsamen Vergangenheit und ihrer Talente, gehört sie eindeutig zu mir. Die Talente habe ich noch nicht überprüfen können. Ich lächele etwas.
„Wie ist er?", frage ich, schwenke das Rotweinglas und genehmige mir einen weiteren Schluck. Sie tut es mir gleich und blickt eine kurze Zeit lang die tiefrote Flüssigkeit an.
„Ich finde nicht die richtigen Worte dafür. Aber er schmeckt mir echt gut", antwortet Vögelchen zögerlich. Ich lache und nicke ihr zu. So sitzen wir größtenteils schweigend noch eine ganze Weile in meinem Büro und genießen den Roten, ehe ich ihr offenbare, was meinem Vize noch bevorsteht.
„Dir ist sicherlich schon aufgefallen, dass du noch nicht getestet worden bist", beginne ich und erhebe mich von meinem Platz. Die Maskierte tut es mir gleich.
„Es ist Tradition in der Mondloge, dass Neulinge im Sparring geprüft werden. Gegen andere Problemlöser", erklärt sie perfekt, was auf sie zukommen wird. Ich nicke überrascht und begebe mich gemächlichen Schrittes zu meiner Bürotür. Es sind keine Worte notwendig, damit Vögelchen mir folgt. Wir durchqueren einen der belebten, durch knisterndes Kaminfeuer beheizten, Aufenthaltsbereiche und grüßen diverse Problemlöser & Problemlöserinnen. Ein lächelndes „Probezeit" reicht, damit die Meisten von ihnen aufspringen und uns folgen. Wenn die Männer und Frauen der Loge eines lieben, dann die Kämpfe, die hier ausgetragen werden. Einige Eckgänge später, vorbei an den Schlafquartieren, betreten wir alle eine irrwitzig große Sporthalle. Sie ist ungefähr so groß wie ein ganzes Fußballfeld und wird von diversen länglichen Deckenbeleuchtungen weiß erhellt. An den Wänden entlang verteilen sich hölzerne Tribünen, auf denen die Mitglieder unserer Loge Platz genommen haben. Fußballtore und Basketballkörbe befinden sich an den gegensätzlichen Enden der Halle.
Ich breite grinsend meine Arme aus.
„Liebe Mondloge. Wie ihr alle wisst, beehrt uns seit geraumer Zeit ein neuer Vize. Ihr kennt sie und vorgestellt wurde die Kleine auch schon. Doch eine Sache", kurz pausierend hebe ich zur Verdeutlichung meinen linken Zeigefinger in die Höhe, bevor ich fortfahre: „haben wir noch nicht zelebriert. Unseren üblichen Sparringkampf. Euer Vize wird gegen jemanden aus der Mondloge in einem Kampf antreten, um ihre Fähigkeiten zu präsentieren" Die Worte lösen wilde Jubelschreie seitens der zuschauenden Problemlöser aus. Mit breitem Grinsen im Gesicht bewege ich mich einige Schritte nach links und wieder nach rechts. Mein Blick richtet sich auf Vögelchen.
„Heute, meine Liebe, wirst du nicht gegen irgendeinen unserer Männer und Frauen antreten. Sondern gegen mich", eröffne ich der Kleinen. Sie kichert sanft.
„Das habe ich mir fast schon gedacht. Ich nehme an", sagt Vögelchen nickend und zieht ihre dunkle Gewandkapuze zurück, sodass strohblonde, kurze Haare zum Vorschein kommen.
„Die Regeln sind wie immer. Der Kampf dauert an, bis einer aufgibt oder jemand von uns nicht mehr weiterkämpfen kann. Das hier geht nicht bis zum Tod. Bist du bereit, Vizeanführerin der Mondloge?"
„Natürlich", erwidert sie und wir begeben uns in die Mitte der Turnhalle. Stehen uns gegenüber.
Schauen uns an. Mein Grinsen wird etwas breiter und mit einem Mal stehe ich mittels Teleportation direkt vor ihr. Linke Faust trifft volles Karacho ihre Magengrube. Sie krümmt sich. Keucht erschrocken auf. Da knallt ihr mein Knie auch schon mit Schmackes ins Gesicht. Beißender Schmerz durchstößt mein Bein. Das Knie ist von ihrer Vogelknochenmaske abgeblockt worden. Überraschter Schmerzenslaut meinerseits. Sie ist schnell. Ehe ich mich versehe, landet sie mehrere Handkantentreffer in verschiedene Bereiche meines Körpers. Mir bleibt für einen Moment die Luft weg. Reagiere schnell und teleportiere mich einige Meter in Sicherheit. Dadurch schaffe ich es, mich zu fangen und tief durchatmend wieder zu Luft zu kommen. Vögelchen sprintet bereits auf mich los. Sie ist super schnell. Springt im Sprint auf mich zu. Ist in der perfekten Bahn, um mich im Sprung zu treffen. Grinse und bewege mich etwas zur Seite, um Vögelchen von der Seite wegzutreten. Irgendetwas läuft schief. Sie kann sich selbst in der Luft so bewegen, dass ihr Schlag perfekt sitzend, mein Gesicht trifft. Ich taumele etwas nach hinten. Da treffen mich weitere Handkanten im Gesicht. Vereinzelt blitzen kleine Lichter vor mir auf. Nach dem vierten Schlag teleportiere ich mich wieder in Sicherheit. Langsam reicht es mir. Wäre Asmodi noch hier, dann würde er mich dafür anbrüllen, dass ich meine Gegnerin unterschätzt habe.
„Jetzt reicht's", murre ich und werfe meine Robe zur Seite. Von den Tribunen aus höre ich laute Jubelrufe. Hauptsache meine Leute sehen, wie ihr Boss auch mal aufs Maul bekommt. Ich knacke mit meinen Knöcheln, während Vögelchen wieder auf mich zugesprintet kommt. Respekt. Die Kleine hat eine heftige Ausdauer. Ich öffne meinen Mund und stoße einen markerschütternden Schrei aus, jene Kraft, welche ich von der ehemaligen Anführerin der Mondloge, Melissa, kopiert habe. Vögelchen kommt schlitternd zum Stehen. Mit einer flinken Bewegung meiner rechten Hand wird mein Vize in die Luft gehoben und beginnt sich zuckend zu verkrampfen. Der Schall der Schreikraft wird von mir so manipuliert, dass er Vögelchen in die Luft reißt und von allen Seiten auf die Maskierten einprasselt. Wäre sie eine Feindin, würde ich den Schall dafür nutzen, sie im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft zu zerreißen. Das einzig Positive, das mein ehemaliger Vize, Paleo hinterlassen hat, ist diese Schallfähigkeit. Ich lasse Vögelchen sanft zu Boden und den Schall vergehen. Ihr Körper entspannt sich augenblicklich. Erstaunlicherweise kann sie sich noch auf den Beinen halten. Im nächsten Augenblick stehe ich vor ihr. Lege der fähigen Kontrahentin meine behandschuhten Hände auf die Schultern. Schwer atmend hebt sie ihren Kopf. Das stechende Grün ihrer Augen blitzt aus der weißen Vogelmaske hervor.
„Der Kampf ist vorbei", sage ich mit kratziger Stimme. Ein Nebeneffekt der Stimmkraft. Ich hasse es die zu benutzen. Das fickt jedes verdammte Mal meine Stimmbänder auseinander. Vögelchen nickt. Vorsichtig lasse ich meine Hände von ihren Schultern sinken, nehme einen ihrer Arme und reiße ihn in die Luft.
„War das mal ein geiler Kampf!?", rufe ich durch die Halle. Grölender Beifall brennt auf. Sie haben es geliebt.
„Wie oft bekommt man es schon zu sehen, dass der eigene Logenboss so richtig hart auf die Fresse bekommt?"
Einer aus der Menge ruft: „Bruder, dir hat ein Mädchen voll auf den Sack gegeben!" Von jemand anderem kommt: „Also die ist mal heftig drauf" Ich lache laut auf.
„Und nun, Männer und Frauen der Mondloge. Wir, die wir Mörder, Söldner, Attentäter und Berserker, oder besser gesagt: Die übelsten Ficker des Syndikats sind: Erkennen wir Lisa alias. Vögelchen als meinen Vize und blutgeiles Stück Menschenfleisch an!?", brülle ich aus voller Kehle, setze noch ein wenig von der Kraft Melissas ein, um den Bass der Stimme zu verstärken. Einstimmiges „Ja!", schallt zurück, gefolgt von wildem Trampeln von Füße auf hartem Untergrund.
„Herzlich Willkommen in der Mondloge", sage ich etwas leiser zu meinem Vize und lasse unsere Arme sinken. Sie nickt, ehe ich: „Schau dir diese Jungs und Mädels genau an. Und mich. Wir sind die Menschen fürs Grobe. Wenn einer von uns aufkreuzt, ist das Leben der Zielperson meistens bereits verwirkt. Wir sind deine neue Familie. Wir töten für dich und erwarten nichts weniger, als selbiges von dir. Willkommen in deinem Zuhause, meine Kleine", voller Stolz hinzufüge.
Als Vögelchen und ich die Halle als Erste verlassen, höre ich sie hinter mir: „Ich werde jeden töten, der es wagt, sich dir in den Weg zu stellen, mein Retter" Ich lächele etwas. Sowas höre ich gerne. Da durchfährt mich ohne jegliche Vorwarnung ein derart eiskalter Schauer, dass mein gesamter Körper einen Augenblick lang zittert.
„Ich muss mit dir sprechen", spricht die wohlbekannte, majestätisch tiefe Stimme des Genesiswesens „Alpha" zu mir. Es ist lange her, seit ich dessen Stimme das letzte Mal gehört habe. Seit der Halbapokalypse. Wenn der Schöpfer der Informanten, dessen menschlicher Adjutant ich bin mich ruft, dann ist es meine Pflicht dem nachzukommen.
„Vögelchen, in meinem Büro sind noch einige Akten, die ich bearbeiten muss. Sei bitte so gut und lege sie mir auf den Platz. Danach bist du für heute durch", befehle ich meinem Vize freundlich. Ich warte jedoch nicht auf ihre Antwort, sondern teleportiere mich noch im Gehen davon.
Die beinahe stockfinstere Höhle, in welcher ich wieder auftauche, fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Ich kann nur ganz leichte Umrisse der Umgebung erkennen, doch ein irrwitzig riesiger davon hat für mich absoluten Wiedererkennungswert.
„Ich habe deinen Ruf erhalten, Meister", sage ich zum Alpha gerichtet und stelle mich direkt an seine Seite.
„Es ist schön dich zu sehen. Gut, dass du diese unsägliche Situation mit Dheunos heil überstanden hast", begrüßt mich der Alpha und versucht offensichtlich herzlich zu klingen. Ein Stich. Erinnerungen an meinen Verlust.
„Heil überstanden würde ich nicht sagen. Aber ich danke. Wozu hast du mich herbestellt?" Der Alpha schweigt einen Augenblick lang.
„Der Verlust von Asmodi ist äußerst bedauerlich. Wie dem auch sei. Der Verbund hat etwas bedenkliches bemerkt, dass in deine Hände gehört"
Überrascht hebe ich eine Augenbraue. Das klingt mehr als wichtig. Für gewöhnlich regeln der Verbund ihre Angelegenheiten unter sich. Es gibt kaum etwas, das nicht durch den Einsatz der Informanten gelöst werden kann.
„Was kann ich tun?", frage ich neugierig nach.
„Das Syndikat wurde betrogen. Die Formel für eure kräftebringende Flüssigkeit ist entwendet worden und wird derzeit dafür verwendet, um Menschen zu entmenschlichen. Diese Frau will diese armen Individuen dafür nutzen, um die sowieso schon geschwächte Welt weiter in den Abgrund zu reißen. Dein Anführer weiß Bescheid und hat grünes Licht für diese Operation gegeben. Töte diese Frau und alle veränderten Menschen", erklärt der Alpha eindringlich und in seiner charakteristischen Weise, die keine Widerworte duldet. Und selbst wenn, so habe ich innerlich bereits schon bei der Information, dass das Syndikat verraten worden ist, den Auftrag angenommen.
„Niemand verrät das Syndikat", zische ich meine Hände wütend zu Fäusten geballt.
„Wie ist der Name der Zielperson?", füge ich fragend hinzu und schaue in die ungefähre Richtung nach oben.
„Doktor Manuela Wayne"
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