5. Kapitel
Samstag, 9.2.2018, 15:26 Uhr, bei allen, im Wohnzimmer
Sebastian Moran, seines Zeichens knallharter Auftragskiller, hatte es geschafft, sich beim Versuch das verschneite und vereiste Fenster zu öffnen, die Stange mit den Vorhängen dermaßen gegen den Kopf zu donnern, dass er bewustlos geworden war und jetzt eine dicke, fette Platzwunde an der Stirn hatte. Und alles nur, weil er Jims Wunsch doch Folge leisten wollte und versucht hatte, sie da raus zu holen. Kein Wunder, dass die derzeitige Situation im Wohnzimmer ein totales Chaos war; John versuchte verzweifelt Sebastian wach zu kriegen, während Jim sich aus irgendeinem Grund auf Mycroft stürzte und rumbrüllte, Gregory versuchte unter Einsatz seines Lebens, die beiden auseinander zu kriegen und Sherlock - der gerade irgendwie zum pyromanischen Soziopathen mutierte - starrte weiter in dieses hell loderne Kaminfeuer, ohne sich um die anderen auch nur ein kleines bisschen zu schehren. Selbst das sein Bruder gerade dem Erdboden gleich gemacht wurde, schien ihn nicht zu kümmern.
»Jetzt alle mal Stop!«, schrie Gregory schließlich ohne jedem Erfolg und sank frustriert und vollkommen erledigt auf einen Sessel zurück. Jim hatte auch ihn völlig zerkratzt, weshalb sich rote Risse auf Gesicht, Hals und Armen abzeichneten.
»Wir müssen alle mal ruhig bleiben!«
»Ruhig?«
Jim musterte den Polizisten aus zusammengekniffenen Augen und ließ den armen Politiker wirklich los.
»Mein Freund liegt bewusstlos auf dem Boden, nur weil Sie nicht aufpassen konnten!«
Er deutete wütend auf Mycroft, der vollkommen traumatisiert und mit Biss- und Kratzspuren überhäuft auf dem Teplpich kauerte und seine Augen glühten vor Wut.
»Hätten Sie auf ihn aufgepasst, hätte er nicht so etwas dummes machen können!«
»Hey!«
Greg stand auf und packte den Psychopathen an der Schulter; er konnte es partout nicht ab, wenn jemand schlecht über die Menschen redete, die er so sehr mochte.
»Mycroft trifft ja wohl keine Schuld! Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, sich um ihn zu kümmern. Aber nein, Sie mussten ja einen Selbstmordversuch starten, um ihn noch mehr fertig zu machen. Kapieren Sie doch: er hat das nur gemacht, damit Sie ihm verzeihen - obwohl er nichtmal was falsch gemacht hat! Sie sind ein egoistischer Idiot und verletzen ständig die, die Sie lieben!«
Das hatte gesessen. Einen Moment herrschte Stille und sogar Sherlock drehte sich skeptisch von seinem Platz aus um, mit hoch gezogener Augenbraue; Jim hatte die Hände zu Fäusten geballt und kochte vor Wut. Gleich würde irgendetwas passieren, so viel war sicher …
Samstag, 9.2.2018, 16:02 Uhr, erster Stock, Schlafzimmer links, bei Sebastian und John
»Hm …«
Müde schlug Sebastian die verklebten Augen auf; sein Kopf dröhnte und er fühlte sich dermaßen ausgelaugt, trotzdem kam ihm sofort nur eins in den Sinn: James. Blitzschnell richtete er sich auf und sah sich hektisch im Raum um, den pochenden Schmerz ignorierend, der ihm durch Mark und Bein ging. Was war bloß passiert? Wo war sein kleiner, süßer Jim?!
»Ah, Sie sind aufgewacht«, sagte da eine freundliche Stimme neben ihm. Verwirrt drehte er sich um und blickte verständnislos John an, der mit frohem - oder eher erleichtertem - Gesichtsausdruck vor dem Bett stand und sich um ein Lächeln bemühte.
»Was … Was ist mit Jim?«, fragte der Killer bekommen und massierte sich träge die Schläfen.
»Ich würde sagen, dem geht es sogar zu gut. Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
Der Arzt - der hoffentlich Ahnung von dem hatte, was er tat - reichte Sebastian eine Tablette und ein Glas Wasser, bevor er ihm erklärte, dass es ein schmerzlinderndes Mittel aus dem Medizinschrank im Bad war, was er dort gefunden hatte. Er nahm es und trank dazu das Glas aus; er war plötzlich verdammt durstig. Generell schienen alle seine Sinne wieder geweckt und nach kurzem Zögernd fragte er:
»Wo sind die anderen? Ist alles … ist alles in Ordnung?«
John seufzte einmal, was ihn dezent nervös machte; Was hatten die bloß wieder angestellt?
Samstag, 9.2.2018, 15:40 Uhr, bei allen, im Wohnzimmer der Berghütte
»Mir doch egal!«, blaffte Jim und schubste Greg zur Seite, so dass jener gegen die Wand prallte und vor Schmerz das Gesicht verzog; er war volle Kanne mit den Rippen gegens Beton gekommen. Außerdem überraschte ihn mal wieder, wie viel Kraft der Kriminelle auch nach seinem Selbstmordversuch noch hatte. War das etwa normal?
»So und jetzt tragen Sie endlich meinen Freund hier weg!«
Jim zeigte mit dem Arm auf den immer noch bewusstlosen Sebastian, der neben Mycroft auf dem Boden lag und den gerade niemand beachtet hatte; der Politiker hoffte inständig, nicht zufällig auf seine Hand getreten zu sein.
»Ist ja gut, beruhigen Sie sich.«
John hob abwehrend die Hände.
»Wir sollten uns wirklich erstmal um Mister Moran kümmern. Danach lässt sich immer noch weiter diskutieren.«
Leicht gesagt und schwer getan; Jim weigerte sich ausdrücklich mitzuhelfen, als die anderen (Sherlock, den alle inzwischen vergessen hatten, ausgeschlossen) versuchten, den Killer die Treppen hinauf in eines der Schlafzimmer zu tragen. Greg und John zogen in deshalb voran an den Beinen und Mycroft bildete mit Kopf und Schultern - die er allerdings nur spitz anfasste - das Schlusslicht. Blöd nur, dass der Älteste vom Dienst versehentlich immer kurz los ließ, wobei Sebastians Kopf auf die Treppenstufen knallte … Als auch das geschafft war und Sebastian gut zugedeckt im Schlafzimmer mit dem rosanen Bettzeug lag - ausdrücklich auf Wunsch von Jim - gingen sie wieder nach unten und Greg kochte zur Abwechslung mal Kaffee mit einem Schuss Rum, damit wirklich Ruhe herrschte.
»Meine Herren«, begann Mycroft dann, als alle was zu trinken hatten und nickte Gregory, der sich neben ihn setzte, dankend zu.
»Wir befinden uns in einer auswegslosen Situation.«
»Ach nee!«
Jim klatschte lachend und kopfschüttelnd in die Hände.
»Darauf wäre ich ja nieeee gekommen!«
Alle warfen ihm erstmal einen beleidigten Blick zu, bis er die Klappe hielt und beleidigt an seinem Rum-Kaffee-Gemisch nippte.
»Jedenfalls, wo waren wir noch gleich? Ach ja, die Fenster und Türen sind eingeschneit, so weit man sieht. Telefonverbindung gibt es auch keine. Die Frage ist jetzt, ob es doch einen Weg nach draußen gibt und ob wir jemanden - dem wir vertrauen können - losschicken können, der dann Hilfe holt. Irgendwelche Freiwilligen oder Ideen?«
Schweigen. Dann zögerlich von Gregory:
»Na ja, da wäre der Kaminschacht. Das Feuer brennt noch, also ist die Schneemasse noch nicht so hoch. Mit etwas Glück könnten wir das Feuer löschen und dadurch klettern.«
Samstag, 9.2.2018, 16:13 Uhr, bei Sebastian und John, Schlafzimmer links, in der Berghütte
»Und was machen sie jetzt?«, fragte Sebastian unsicher weiter. Die Idee an sich war ja vielleicht nicht schlecht, aber von diesen Idioten ausgeführt … Wie zur Bestätigung knallte es irgendwo und lautes Stimmengewirr folgte.
»Jetzt geht das schon eine halbe Stunde so und sie kommen zu keinem Ergebnis …«
John seufzte. Montag musste er arbeiten, in der Praxis. Würden sie bis dahin aus dieser Hölle entkommen?
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