13. Kapitel
Sonntag, 10.2.2018, 9:47 Uhr, bei Mrs Hudson und ihrer Cousine Audrey, Audreys Ferienhaus, Glasgow
»Hach, dieser Urlaub tut mir mal wieder richtig gut. Mit meinen Jungs ist es zwar schön, aber immer so chaotisch und laut. Besonders wenn sie Streit haben«, beschwerte sich Mrs Hudson resigniert und nippte an ihrem Tee. Sie und ihre Cousine hatten es sich zum Frühstück in Audreys Wintergarten gemütlich gemacht und genossen nun den Anblick auf Garten und Felder, obgleich es draußen noch sehr kalt war.
»Das, meine Liebe, ist wohl so, wenn du an junge Leute vermietest. Besonders bei zwei Männern, die auch noch zusammen sind - bei Charles und Christian, die um die Ecke wohnen, ist es ja genau das Gleiche. Immer diese Dramatik ... Aber Geschmack in Sachen Einrichtung haben sie schon, das muss man ihnen lassen.«
Audrey seufzte und überschlug ihre Beine, die trotz ihres voranschreitenden Alters noch gut in Form waren. Auch ihre schwarzen, langen Haare waren völlig frei von grauen Strähnen, die Nägel sorgsam manikürt und ihre Haut zart und fein, wie porzellan. Im jungen Alter hatte Mrs Hudson ihre Cousine immer für das tadellose Aussehen beneidet, doch inzwischen zählte es auch nicht mehr - schließlich waren da keine gutaussehende, charmanten Männer mehr, die es sich auszuspannen galt. Oder in Audreys Fall eben manchmal auch Frauen, wie ihre verstorbene Ehefrau Caroline. Sie beide bedauerten es sehr, dieses gutmütige, wohlgesonnene Mädchen verloren zu haben, egal in welchem Sinne.
»Ach naja, von Geschmack kannst du bei meinen beiden ja nicht sprechen, Audrey«, stimmte Mrs Hudson nun erneut ein.
»Sie sind unaufgeräumt, bequemlich und nichtmal in der Lage, sich etwas anständiges zu essen zu machen. Außerdem leugnen sie die ganze Zeit ihre Beziehung - als würden sie denken, mich würde das stören! Also wirklich, manchmal will ich sie in der Luft zerreißen ...«
»Sei lieber froh, dass bei dir in unserem Alter überhaupt noch etwas los ist. Ich langweile mich hier zu Tode!«
Audrey kicherte.
»Hast du ihnen überhaupt bescheid gesagt, dass du weggefahren bist? Am Ende verhungern sie noch, so ohne dich.«
Die Schwarzhaarige griff nach ihrem Crossiant und biss herzhaft hinein. Mrs Hudson seufzte.
»Nein, aber sie werden es wohl überleben - ich habe etwas Tiefkühlkost und einen Zettel im Kühlschrank hinterlassen, sie werden das schon schaffen.«
»Bist du dir da sicher?«, nuschelte Audrey mmit hochgezogenen Augenbrauen. Sie wusste schließlich ausnahmslos alles, was bisher in der Bakerstreet passiert war und war zurecht nicht gerade überzeugt von der Lebensfähigkeit des dynamischen Duos. Mrs Hudson schüttelte bloß den Kopf.
»Du hast Recht, bei den beiden kann man sich nie sicher sein.«
Sonntag, 10.2.2018, 10:13 Uhr, bei Greg und John in der Küche, Berghütte
Das Frühstück war vergleichbar zum letzten Tag ruhig verlaufen, dennoch war von Sherlock keine Spur - so grübelte John abermals, als er zusammen mit Greg das benutzte Geschirr abwusch. Moriarty, Sebastian und Mycroft hatten sich währenddessen schon ins Wohnzimmer verkrochen und diskutierten wild über einen Weg hier rauszukommen (und natürlich immer noch über die »verloren gegangen« Kekse). Ab und an hörte man ein paar Schreie, ansonsten war es allerdings weitestgehend still, obgleich niemand wusste, ob das nun ein gutes oder ein weniger gutes Zeichen war. Den Detektiv lockte es jedenfalls nicht nach unten, genauso wenig wie frischer Kaffee und ein paar Scheiben Toast. Was war nur mit ihm los? Seit gestern Abend war John in der Hinsicht noch verwirrter als je zuvor, so wenig verstand er Sherlocks Gefühle. Obwohl »Launen« es da wahrscheinlich besser traf. Wären die anderen hier doch nur nicht so neugierig, das kam ja noch dazu und machte alles nur noch verworrener und nerviger. Der Detektiv hatte ihn geküsst, Punkt. Aber er wusste nicht, wieso. Daran zu denken, dass Sherlock vielleicht so etwas wie Liebe empfand, das konnte er wohl gleich ausschließen. Selbst wenn er damit hätte nur seinen Bruder ärgern wollen - der hatte die Szenerie ja nicht mal gesehen, genau wie alle anderen. Es war aussichtslos, diese Rätsel konnte er allein nicht lösen. Nicht ohne Sherlock, wie jedes Mal.
»Sie sollten vielleicht mit ihm reden«, sagte da plötzlich Greg, ganz sanft, und hielt ihm einen Teller mit Toast und Brotaufstrich vor die Nase.
»Sherlock ist manchmal echt ... komisch, aber ich bin sicher, Sie kriegen das wieder hin, wenn Sie es nochmal versuchen.«
John griff nach dem Teller und lächelte leicht; er war wirklich gerührt von Lestrades Bemühungen, besonders aber von seinem Taktgefühl. Es machte John etwas Mut, schließlich hatten Sherlock und er schon vieles überstanden, da würden sie auch das überstehen. Irgendwie zumindest.
»Danke, ich weiß das zu schätzen«, meinte der Arzt also selbstsicher und verließ schnellstens die Küche - dabei war es gar nicht so einfach, an Moriarty vorbei zukommen, der es mal wieder auf Mycroft abgesehen hatte und nur mühevoll von einem völlig überforderten Sebastian zurückgehalten wurde. Nun ja, um diese Streithähne musste sich wohl Greg kümmern, bevor noch jemand (die britische Regierung) mit einem Sofakissen erstickt wurde.
Sonntag, 10.2.2018, 10:24 Uhr, bei Sherlock, zweites Schlafzimmer von rechts
Es brannte dem Detektiv regelrecht in den Fingern und er ärgerte sich, seine Violine zu Hause gelassen zu haben. Jetzt hätte er sie endlich mal gebraucht, um sich diese ganzen lästigen Gefühle von der Seele zu spielen, die ihn seit der Ankunft so nervten. Ja, er hatte eben nicht viel zutun mit diesen ganzen Sachen. Schmerz, weil sein Bruder ihn angelogen hatte (obwohl er es ja sowieso schon geahnt hatte). Wut, über Moriartys aufreibendes Gehabe. Und dann war da ja noch John ... Dem hatte er nicht nur wehgetan, er konnte ihm auch nicht sagen, was überhaupt los war. Dieser Kuss zwischen ihnen - er hatte nicht viel darüber nachgedacht, konnte es sich im Nachhinein nicht mal selbst erklären. Er wusste nur noch was er in diesem Moment gedacht: Wenn Mycroft das mit jemandem machte, wieso er nicht auch? Aber es war unnötig gewesen, sogar sehr. Und Sherlock wusste, dass es langsam Zeit wurde, etwas wirklich beschähmendes zutun: sich zu entschuldigen.
Samstag, 9.2.2018, 18:54 Uhr, bei Sally Donovan, vor der 221b Bakerstreet, London
Das Team war wirklich schnell gekommen und hatte buchstäblich das Haus auf den Kopf gestellt, obwohl es ja nichtmal einen richtigen Durchsuchungsbeschluss gegeben hatte. Anderson hatte wahrscheinlich veranlasst, es als kurzfristige »Drogenfahndung« auf Tipp eines Fehlinformanten zu den Akten zu legen, aber jeder würde wissen, dass die Wahrheit schlimmer war. Dass inzwischen fünf Leute verschwunden waren, wenn man Mrs Hudson mitrechnete. Aber war das alles wirklich Moriartys Schuld? Wie Sally hier so stand, in Sherlock und Johns Wohnung, nagten langsam Zweifel an ihr. Selbst wenn Moriarty sie alle gekidnappt hatte, warum waren dann DNA-Spuren von Mycroft Holmes im Schlafzimmer ihres Chefs? Bestimmt hätte Moriarty sie doch getrennt gefangen und vor allen Dingen nicht in einer hellhörigen Plattenbau-Wohnung eingesperrt. Dennoch, das Blut in der Küche sprach für einen Kampf, wenn auch nicht für einen heftigen. Sally ließ ihren Blick über die Polizisten schweifen, die ohne Rücksicht das Wohnzimmer durchwühlten. Anderson selbst war noch nicht gekommen. Verdammt, was hätte sie jetzt alles für eine Ziggarrette und den Gedanken gegeben, dass alles gut war. In all ihrer Hibbeligkeit wanderte sie schließlich durch den Raum, in dem überall Papiere, Bücher und anderes Zeug auf dem Boden lagen. Wertlos ohne den Besitzer. Dabei hätte Sherlock ihr jetzt sicher sagen können, was die Verbindung zwischen Mycroft Holmes und Gregory Lestrade war, wie ihre mutmaßliche Entführung von statten gegangen war. Tjah, jetzt musste sie eben selbst denken, wie Sherlock. Denken wie Sherlock. Als wäre sie vom Blitz getroffen worden, blieb sie vor dem Tisch in der Ecke stehen, über den eine beachtlich große Europa-Karte an die Wand gepinnt war. Eine rotköpfige Stecknadel makierte etwas in Österreich, eine Stadt. Innsbruck. Sofort war Sally klar, was das hieß: Sherlock hatte ihnen einen Hinweis hinterlassen.
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~die Autorin
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