Kapitel 26
Da meine liebe Freundin maddy1345 halb am durchdrehen ist, dass ich nur einmal in der Woche update, gibt es heute noch ein zweites Kapitel als Bonus ☺️
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Stellt sich heraus, dass ich ein Angsthase bin.
Anstatt wie die letzten Monate am Eingang zur Schule auf die anderen zu warten, ging ich direkt ins Gebäude. Ich konnte Hicks nicht unter die Augen treten. Wir würden uns peinlich ansehen und anschweigen, dabei vor Jack und Elsa so tun, als wäre nichts, obwohl sie wissen, was passiert ist. Ich wusste auch gar nicht, ob sie mit Hicks darüber gesprochen haben. Vielleicht hatte er keine Ahnung, dass ich es ihnen erzählt habe, vielleicht aber waren sie gestern zu ihm nach Hause gegangen und haben ihn zur Rede gestellt. Es war das reinste Chaos.
Ich holte mein Biologiebuch aus dem Spind, wobei mir ein Gedanke kam: Ich saß in jedem Fach an jedem Tag neben Hicks. Es ließ mich wortwörtlich inne halten. Scheiße, was soll ich jetzt machen? Weiterhin dort zu sitzen kam nicht in Frage, auf gar keinen Fall. Wir wären uns viel zu nah, das würde mein Körper nicht mitmachen. Hicks wird es bestimmt auch nicht wollen, für ihn war die Situation immerhin genauso unangenehm.
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hatte ich bereits mein Handy in der Hand und schrieb Jack an.
09:19Uhr
Hey, äh, ist es in Ordnung,
wenn wir Plätze tauschen?
Ich kann nicht neben Hicks
sitzen
Er antwortete mir sofort.
09:20 Uhr
Natürlich, kein Problem
09:20 Uhr
Wir sind übrigens gleich da
09:20 Uhr
Ich bin im Bioraum
Sie kamen zehn Minuten später zur Tür hineinspaziert. Durch die Musik und den wirklich interessanten Collegeblock, der vor mir auf meinem Tisch lag, hatte ich sie fast gar nicht bemerkt. Erst als Elsa ihre Hand auf meine Schulter legte, blickte ich auf. Sie schaute mich traurig lächelnd an und begann ihre vier Schichten auszuziehen; Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe. Ich stoppte derweil meine Playlist und packte meine Kopfhörer ins Case. Elsa setzte sich neben mich.
»Hicks war richtig niedergeschlagen, als Jack ihm gesagt hat, dass ihr die Plätze tauscht«, flüsterte sie, während sie ihr Mäppchen rauskramte.
Ich hob eine Augenbraue. »Wirklich?«
Sie nickte. »Er sieht immer noch nicht sehr glücklich darüber aus.« Sie warf ihm einen Blick zu.
Meine Neugier siegte, ich drehte meinen Kopf langsam in seine Richtung. Er sah Jack an, der ihm gerade irgendwas erzählte, doch seine Augen schienen halb durch ihn hindurchzusehen, als könnte er sich nicht gänzlich auf ihn konzentrieren. Seine Mundwinkel waren ein wenig hinuntergezogen und er hatte leichte Augenringe. Seine gesamte Ausstrahlung schrie förmlich, dass es ihm beschissen ging. So hatte ich ihn bisher nie gesehen. Es ließ mein Herz schmerzen, aber mein Gehirn erinnerte mich daran, dass er hauptsächlich an dieser Situation schuld war. Er hätte längst mit Stacy reden können, er hätte so oft Schluss machen können, er hätte aufhören können mit mir zu flirten, aber er hat nichts davon getan und mein besoffener Kopf hatte die Schnauze voll gehabt. Er kann es immer noch retten und ich hoffte, dass er es wollte.
Als hätte er mein Starren bemerkt, huschte sein Blick zu mir hinüber. Sofort ließ ich von ihm ab und schaute wieder auf meinen Collegeblock. Mein Herz schlug mir bis in den Hals. Es war nur eine Millisekunde gewesen, in der seine Augen in meine geblickt hatten, aber es war genug, um mein Inneres durchdrehen zu lassen. Ich wollte ihn, noch mehr jetzt, wo ich weiß, wie es sich anfühlt, aber ich konnte ihn nicht haben. Nicht, so lange er und Stacy ein Paar waren. Er muss mit ihr Schluss machen, vorher würde ich ihm nicht mehr nahe kommen. Am besten wäre es, wenn ich nicht einmal mehr mit ihm reden würde.
Ms. Martinez betrat den Raum, begrüßte uns und startete den Biounterricht, womit sie mich aus meine Gedanken riss.
❁
Er ignorierte mich genauso, wie ich ihn. In den Pausen war ich in der Schulbibliothek, er in der Cafeteria mit Stacy, was ich von Jack und Elsa wusste. Dabei sah er jedoch aus, als wäre er in dem Moment lieber überall anstatt dort. Warum er nicht ging, verstanden wir drei nicht. Unsere Nachhilfestunden fielen komplett ins Wasser, er tauchte nicht bei mir auf. Mein Vater hatte mich am Dienstag direkt danach gefragt, aber nachdem er meinen Gesichtsausdruck gesehen hatte, nahm er mich in den Arm und küsste mich einmal auf den Kopf. Ich musste ihm nicht die ganze Geschichte erzählen, er verstand, dass etwas passiert war, worüber ich noch nicht reden wollte. Ich wollte abwarten, was Hicks tun wird, dann würde ich es ihm erzählen.
Somit hatte ich an einem Samstagmorgen nichts besseres zu tun, als wieder in der Eishalle zu sein und meine Pirouetten, Sprünge und Figuren zu üben. In den letzten Wochen hatte ich einige Fortschritte gemacht. Das Aufkommen nach dem Springen hatte ich wieder drauf, bei den Pirouetten wurde mir nicht mehr schwindelig und ich schaffte einen Spagat sowie meinen Fuß an meinen Hinterkopf zu heben. Meine Lieblingsfiguren konnte ich größtenteils auch wieder, was meine Stimmung ein wenig anhob.
Heute hatte ich mir vorgenommen, einen der schwereren Sprünge auszuprobieren. Er beinhaltete eine halbe Drehung vor dem Absprung, weitere in der Luft und nachdem man gelandet war, streckte man das rechte Bein nach hinten. Daran hatte ich gearbeitet, bevor ich vor über zwei Jahren aufgehört habe zu trainieren. Damals hatte meine Mutter mir immer wieder zugesprochen, dass es irgendwann klappen würde, weshalb ich nie aufgegeben habe. Jetzt stand ich hier wieder, ohne meine Mutter, und versuchte mir ihre Worte ins Gedächtnis zu rufen.
»Siehst du, du hast es fast hinbekommen«, hatte sie gesagt, nachdem ich wieder auf dem Hintern gelandet war. »Du hast nur ein wenig zur Seite geneigt, aber das ist kein großes Hindernis für dich. Probier es noch einmal, dann schaffst du es.«
Ich hatte es nicht geschafft, aber ich habe es immer und immer wieder versucht. Für sie, für mich, damit ihre Worte nicht unnütz waren. Sie konnte einen in den schlimmsten Situationen aufmuntern. Daher legte ich eine Hand auf mein Herz, hoffte, dass sie bei mir war und gab mir den nötigen Ruck. Ich stellte mein Handy am Rand auf, damit es meine Versuche filmen konnte. So würde ich später schauen können, was ich falsch gemacht habe und wo ich mich bessern müsste. Dann schlitterte ich los.
Beim ersten Mal knickte ich mit dem Fuß um und landete auf der Seite. Beim zweiten Mal schaffte ich die Drehung vorher nicht, verlor mein Gleichgewicht und fiel auf mein Gesicht. Der dritte Versuch begann wie gewollt, endete aber auf meinem Hintern, da ich erneut mein Gleichgewicht verlor. Das vierte Mal knallte ich aus Versehen gegen die Wand und beim fünften knickte ich wieder um.
Irgendwann hörte ich auf zu zählen, aber nicht es zu versuchen. Jedes Mal scheiterte ich und wahrscheinlich würde mein Körper am nächsten Tag von blauen Flecken übersät sein, aber das war es mir wert. Das zeigte, dass ich Kampfgeist besaß und nicht aufgab, bis ich es schaffte, auch wenn nur einmal. Immerhin könnte das hier meine Zukunft werden, wie es auch für meine Mutter war. Ich könnte meine eigenen Pokale und Medaillen gewinnen, sie unter die Nasen von Luna, Sol und Stella halten. Wenn ich so darüber nachdachte, wäre es recht witzig, aber so gehässig war ich nicht.
Ich schlitterte zu meinem Handy hinüber und speicherte das neue zehn Minuten Video. Mittlerweile hatte ich drei davon. Mir entkam ein Seufzer. Ich hatte ganz vergessen, wie anstrengend hartes Training sein kann, aber das gehörte zu einer Karriere dazu. Darum nahm ich meinen restlichen Willen zusammen, startete ein neues Video, stellte mein Handy wieder in Position und begab mich zurück zur Mitte des Eisringes. Erneut legte ich eine Hand auf mein Herz. Dieses Mal, Mama, dieses Mal. Für dich.
Und wie es der Zufall so wollte, klappte es tatsächlich. Ich sprang ab, wirbelte in der Luft, landete auf meinen Füßen und hob mein Bein zur Figur hoch, wodurch ich rückwärts weiterschlitterte. Ich drehte mich halb, um mein Bein wieder abzusetzen und schaute mit großen Augen und dem wahrscheinlich überraschtesten und glücklichsten Gesichtsausdruck, den es jemals gegeben hat, in meine Kamera. Es hatte funktioniert, ich habe den Sprung, die Drehung und anschließende Figur wirklich geschafft.
»Oh mein Gott!«, rief ich erfreut und bewegte mich in Richtung meines Handys. Sofort speicherte ich das Video ab. Das würde ich meinem Vater zeigen, sobald ich zu Hause war. Er wird sich mega freuen, vielleicht geht er mit mir sogar auswärts essen, darauf hätte ich irgendwie Lust.
Nach meinem Erfolg merkte ich, wie erschöpft mein Körper war. Meine Arme fühlten sich auf einmal schwer wie Blei an, meine Füße heulten in den Schlittschuhen und meine Beine waren kalt wie Eisklötze. Deshalb schlitterte ich zum Tor hinüber und zog mir meine Schuhe an. Mein Hintern dankte mir, dass ich mich endlich hinsetzte und meine Füße, dass ich sie befreite. Ich packte meine Sachen zusammen und begab mich nach Hause.
❁
Mein Vater hatte zugestimmt, mit mir in unsere Lieblingspizzeria zu gehen, nachdem er sich mit mir zehn Minuten darüber gefreut hat, dass ich den Sprung geschafft habe. Danach war ich ins Badezimmer gegangen, um mich schön warm abzuduschen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich wirklich mit blauen Flecken übersät sein würde, denn die bildeten sich bereits. Der morgige Tag würde also spaßig werden, Muskelkater bis zum Umfallen und immer wenn man sich auch nur einen Millimeter bewegt, zieht es durch den gesamten Körper. Ich seufzte, aber darauf hatte ich mich freiwillig eingelassen.
Um kurz vor fünf Uhr saßen wir in der Pizzeria an unserem Lieblingstisch und bissen in das erste Stück. Obwohl sich meine angespannten Muskeln bereits bemerkbar machten, ließ ich es mir nicht entgehen, mit meinem Vater lachend den Abend zu genießen. Leider blieb mir das wortwörtlich im Hals stecken, als Hicks eine Viertelstunde später eintrat.
Mein Vater hob die Augenbrauen hoch und folgte meinem Blick. »Ah«, machte er nur und biss ein weiteres Stück seiner Pizza ab. Er nahm das mit dem Warten-bis-sie-bereit-ist wirklich ernst, wofür ich sehr dankbar war.
Ich versuchte nicht aufzufallen, konnte meine Augen aber auch nicht ganz abwenden. Neben ihm stand ein breitgebauter Mann, der nur ein paar Zentimeter größer war als er. Seine Haare waren dunkelblond und im Nacken zusammengeknotet. Ich konnte über dem Kragen seiner Jacke ein Tattoo hervorlugen sehen, aber nicht erkennen, was es war. Meine gespitzten Ohren konnten ein paar Fetzen ihres Gespräches ausmachen, nur waren die auf Russisch, weshalb ich nichts verstand. War das sein Vater? Er sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Die Haarfarbe war total anders, die Statur, die Gesichtsmerkmale. War es vielleicht doch jemand anderes, ein anderer Teil seiner Familie? Oder hatte er einfach den Großteil von seiner Mutter geerbt?
»Du starrst ihn an«, flüsterte mein Vater mit einem kleinen Grinsen über sein Glas hinweg.
Ich schaute zu ihm. »Tu ich gar nicht.«
»Uh-huh«, machte er und nahm sein letztes Stück Pizza in die Hand.
Ich aß ebenfalls weiter, sah dabei nochmal zu Hicks, der jetzt drei Pizzakartons in den Händen hielt und mit dem Mann den Laden verließ. Er hatte mich nicht bemerkt und ich wusste nicht, ob ich glücklich oder traurig darüber sein sollte.
❁
Später zu Hause, als ich in meinem Bett lag und mir meine Videos vom Training anschaute, schwirrte mir Hicks im Kopf herum. Er wollte immer, dass ich sie ihm schicke, meinte zu mir, er mag es zu sehen, wie ich Fortschritte mache. Würde er das von heute schauen, wenn ich es ihm jetzt schickte? Immerhin war es ein Triumph gewesen, auf den ich sehr stolz bin und um ehrlich zu sein wollte ich hören, was er zu sagen hatte. Das ging zwar gegen mein Vorhaben, nicht mehr mit ihm zu kommunizieren, bis er sich entschieden hat, aber mein Kopf hatte sich bereits festgelegt, weshalb ich unseren Chat öffnete. Ich suchte das Video aus und tippte meine Nachricht ein.
22:14 Uhr
Hey, ich weiß, dass wir
gerade aus ... Gründen nicht
miteinander reden, aber ich
war heute trainieren und habe
mich an einen etwas schweren
Sprung getraut, den ich
am Ende geschafft habe!
Und, na ja, hier ist eben das
Video dazu ... ich dachte,
vielleicht möchtest du es
sehen, so wie die davor :)
Mit zittrigen Fingern, drückte ich nach dreimal durchlesen auf Absenden, schaute zu, wie die Nachricht zwei graue Haken bekam und schloss schnell die App. Oh Gott, das habe ich gerade wirklich getan. Ich hatte ihn angeschrieben, eine Woche, nachdem wir rumgemacht und danach nicht mehr geredet haben. War ich eigentlich komplett bescheuert? Scheiße, das hier war wirklich das reinste Chaos. Nichts aus meinem bisherigen Leben konnte ich damit vergleichen.
Während mein Herzschlag sich in meinem gesamten Körper verbreitete und sich das Grinsen in meinem Gesicht nicht vertreiben ließ, schaute ich durch Instagram, um mich abzulenken. Es dauert nicht lange, da bekam ich eine Pop-Up Nachricht, dass Hicks mir geantwortet hat.
Oh verdammt, dachte ich mir, setzte mich aufrecht hin und öffnete unseren Chat. Mein Gesicht fiel augenblicklich in sich zusammen, mein Herz rutschte mir in die Hose und meine Augen brannten, als sich Tränen darin bildeten.
22:20 Uhr
Schick mir sowas nicht mehr
Das war die komplette Nachricht, nur fünf Wörter, doch sie fühlten sich an, als hätte jemand ein Schwert in meine Brust gerammt. Für einen Moment wusste ich nicht mehr, wie ich atmen soll. Ich schluckte und versuchte zu antworten, auch wenn meine Hände zitterten.
22:22 Uhr
Oh, okay
Mehr schaffte ich nicht. Ich stellte mein Handy in den Standby Modus, legte es auf meinen Nachttisch und machte meine Lampe aus. Heute musste ich mich nicht hundertmal hin und her bewegen, bis ich die richtige Position fand. Ich legte mich einfach auf die Seite und starrte in die Dunkelheit, während mir Tränen das Gesicht entlangliefen und ich mein Herz in tausend Teile zerspringen spürte.
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