Kapitel 14
Ich werde Hicks auf ein Date fragen.
Dazu hatte ich mich fest entschlossen. Ich war mir mittlerweile sicher, dass diese Gefühle nicht nur einseitig waren. Es gab zu viele Anzeichen, als dass es Zufälle sein könnten. Das Lächeln, was er nur mir schenkte, seine Art mir näher zu sein als er müsste, wie er zwischendurch leicht meine Hand berührte. Ich merkte, dass er sich nicht zu einhundert Prozent sicher war, aber ob das nun daran lag, dass er seine eigenen Gefühle nicht genau kannte oder nicht wusste, ob ich ihn ebenfalls mochte, hatte ich noch nicht herausgefunden. Daher werde ich ihn darauf ansprechen, um das Thema endlich zur Sprache zu bringen.
Außerdem hatte ich in der Mittagspause am Mittwoch gesehen, dass die Fotos, die wir letzten Samstag auf der Halloweenparty gemacht haben, in seinem Favoriten Ordner waren. Gott segne Elsa, die am Tag nach der Party direkt eine Gruppe mit Jack, Hicks und mir erstellt und die Bilder dann reingeschickt hat. Seitdem wurden da nur Memes und Infos zu unseren Kursen geschickt.
Auch die Sache mit der Couch hatte dazu beigetragen, dass ich mir sicher war. Niemand konnte mir erzählen, dass er sich nicht mit Absicht direkt neben mich gesetzt hat. Es war sehr offensichtlich, dass er so nah wie möglich bei mir sein wollte. Genauso wie bei der Party, er hatte meine Seite nicht einmal verlassen, obwohl Stacy im selben Haus und oft im selben Raum war. Vielleicht war er endlich dazu bereit sie hinter sich zu lassen.
Das alles machte mich so euphorisch, dass ich mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht meine Kreise auf dem Eis lief und die kleinen Sprünge übte, an die ich mich zurzeit herantraute. Wenn meine Muskeln bereits schmerzten, da ich bestimmt schon seit Stunden hier war, bemerkte ich es nicht. Dieses Glücksgefühl, dass der Typ, in den ich unheimlich verschossen war, mich ebenfalls mochte, blendete alles andere aus. Es war wundervoll.
Daher merkte ich auch nicht, als besagter Typ die Halle betrat und die Stufen zum Eisring hinabkam. Die Musik, die durch meine Kopfhörer dröhnte, steuerte dazu bei, dass ich vor Schreck zusammenzuckte und auf der Stelle stoppte, als ich ihn sichtete, wie er mich interessiert beobachtete. Wenigstens fiel ich nicht hin, das wäre absolut peinlich gewesen.
Er stand lächelnd am Törchen, das zwischen den Glaswänden auf das Eis führte. Er trug seine gefütterte dunkelbraune Lederjacke und sah absolut sexy darin aus. Sexy? Das war neu. Mittlerweile hatte ich aber aufgegeben, gegen meine Gedanken anzukämpfen. Ich fand ihn attraktiv und wahr verliebt, ich durfte denken, dass er sexy ist.
Ich schlitterte zu ihm rüber, wobei ich meine Kopfhörer aus den Ohren nahm und sie ins Case steckte. »Was machst du denn hier?«, fragte ich ihn, als ich vor ihm anhielt.
»Es ist zwei Uhr«, war seine einfache Antwort. Er behielt dabei sein süßes Lächeln auf den Lippen.
Verdammt. Wir hatten nämlich ausgemacht, dass wir heute erst um zwei Uhr lernten, damit ich vorher noch trainieren konnte. Ich hatte durch meine vertieften Gedanken total vergessen, die Uhrzeit im Blick zu behalten. Als ich mein Handy aus meiner Jackentasche zog, sah ich, dass er mir bereits vor über einer halben Stunde geschrieben hat.
13:16 Uhr
Bist du noch in der Eishalle?
»Meine Antwort ist Ja«, sagte ich zu ihm, was ihm ein Lachen entlockte. »Tut mir wirklich leid, ich war mal wieder in meiner eigenen Welt.«
»Ist doch nicht schlimm. Dein Vater hat mich hergeschickt«, sagte er und öffnete das Törchen für mich. »Die Figuren sahen übrigens sehr gut aus. Zumindest in den Augen eines Nichtkenners.«
Daraufhin musste ich lachen, als ich mich auf die vorderste Bank setzte, wo ich vorhin den Rucksack mit meinen Sachen platziert hatte. »Danke. Das sind immer noch die kleinen Sprünge, die konnte ich früher mit geschlossenen Augen. Heute muss ich aufpassen, dass ich mir keine blauen Flecke hole.«
»Du bist erst seit einer Woche wieder auf dem Eis«, sagte er, während ich meine Schlittschuhe aufband. »Es ist nach einer Jahre langen Pause verständlich, dass du ein wenig Zeit brauchst, um wieder auf dein früheres Niveau zu kommen. Dafür übt man.«
Ich seufzte innerlich. Er war so verständnisvoll und lieb und lächelte immer so süß dabei, wie konnte man sich da nicht verlieben? Ich schenkte ihm ein kurzes Lächeln, bevor ich aus den Schlittschuhen schlüpfte und meine schwarzen Knöchelstiefel hervorholte. Er beobachtete mich dabei, als wäre ich das interessanteste der Welt. Wäre das ein guter Moment, um ihn wegen des Dates anzusprechen? Nein, natürlich nicht. Ich starrte immerhin gerade meine Füße an. Für sowas sollte man dem anderen in die Augen schauen oder zumindest ins Gesicht. Außerdem mussten wir uns gleich auf das Lernen konzentrieren, denn, was wäre, wenn ich total daneben liege und es dann komisch zwischen uns ist? Wenn er die Gefühle doch nicht erwidert? Ich würde damit unsere Freundschaft zerstören, was ich auf keinen Fall wollte. Lieber hätte ich ihn weiterhin nur als Freund als gar nicht in meinem Leben.
»Hallo, Erde an Astrid, bist du noch da?«, drang seine Stimme zu mir durch. Ich blickte auf.
»Wie, was?«, stammelte ich, woraufhin er schmunzelte.
»Du hast einfach mittendrin aufgehört deinen Schuh zu binden.«
Ich schaute auf meine Hände, die die zwei Schnürsenkelenden hielten. »Oh, ja, ähm ... ich war anscheinend kurz ...«
»Total in Gedanken versunken?«, schlug er vor.
»Ja«, sagte ich nickend und lachend. »Total in Gedanken versunken.« Er lachte auch und ich machte endlich eine Schlaufe. So wie immer, funktionierte mein Körper in seiner Nähe einfach nicht.
Ich packte die Schlittschuhe ein, schulterte meinen Rucksack und lief mit ihm los zum Ausgang. Dabei streiften seine Fingerknöchel wieder meine und ich musste alles daran setzen, normal zu atmen. Zur Not hätte ich es noch auf die vielen Stufen schieben können, die wir erklimmen mussten. Ob er mir das als Sportlerin glaubte, war ein Gedanke für einen anderen Tag.
Draußen schien zwar die Sonne, aber durch den Herbst gab sie nicht mehr so viel Wärme ab. Die Straßen waren gesäumt von roten und gelben Baumkronen, die nach und nach ihre Blätter fallen ließen. Ein Wind wehte, weshalb ich meine Hände in meinen Ärmeln vergrub.
»Mein Vater hat dich nicht zufällig hierhingefahren?«, fragte ich hoffnungsvoll, als wir die Treppe zum Bürgersteig hinunterliefen.
Er schüttelte den Kopf. »Nope, ich bin mit dem Bus gekommen.«
Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Dann warst du aber vor zwei Uhr bei uns.«
Er nickte. »Da du nicht auf meine Nachricht geantwortet hast, konnte ich mir denken, dass du es verpeilen wirst, also bin ich früher los, um pünktlich hier zu sein.«
Ich schüttelte lachend den Kopf. »Du und dein Pünktlichkeitssyndrom. Man kann auch mal zehn Minuten zu spät sein.«
»Nicht in meiner Welt.«
Wir lachten und liefen plaudernd zur Bushaltestelle, die um die Ecke war. Es dauerte ein paar Minuten, bis der nächste Bus in Richtung meiner Wohnsiedlung kam, in den wir dann einstiegen und uns auf einen Zweierplatz setzten. Somit saßen wir die ganze Fahrt aneinander gedrückt, seine Hand direkt an meine, und keiner von uns beiden bewegte sich auch nur einen Millimeter.
❁
»Da seid ihr ja«, sagte mein Vater aus der Küche, als wir zur Tür hineinspazierten. Das Haus roch herrlich nach Gewürzen, sodass mein leerer Magen zu knurren begann. »Ich habe Chili con Carne mit Reis gemacht. Kommt und holt euch euren Teller.«
Hicks, der gerade seine Schuhe neben meine stellte, schaute verwundert auf. »Ich auch?«, rief er in die Küche.
»Ja klar«, ertönte es zurück, als ich meine Jacke aufhängte. »Du bist unser Gast, natürlich bekommst du auch etwas zu essen.«
Wir taten wie geheißen und mir lief beim Anblick des Essens wortwörtlich die Spucke im Mund zusammen. Hicks bedankte sich, dass er mitessen durfte und mein Vater meinte, dass das für ihn selbstverständlich ist. Wir setzten uns an unsere Plätze im Esszimmer, das Radio lief leise im Hintergrund, während ich meinem Vater vom Training erzählte.
»Das hört sich super an, mein Schatz«, sagte er mit dem aufrichtigsten Lächeln auf den Lippen. »Du wirst im Nu die Kunststücke wieder beherrschen.«
Ich schluckte den Reis hinunter, den ich noch gekaut hatte. »Hoffentlich.«
»Hicks, machst du einen Sport?«, fragte mein Vater ihn dann und trank einen Schluck von seiner Sprite.
Der Angesprochene schüttelte nur seinen Kopf. »Ich bin eher ein Leser, man findet mich am meisten im Bett oder auf der Couch.« Daraufhin lachte mein Vater und wir aßen in Schweigen weiter.
Als wir fertig waren, räumte mein Vater für uns die Teller und Gläser weg, damit wir mit dem Lernen beginnen konnten, immerhin war es bereits fast vier Uhr und Hicks hatte sich am Abend mit Jack und ein paar Jungs aus dem Football Team verabredet.
»Was macht ihr dann so?«, fragte ich ihn, während ich meinen Ordner öffnete, um das nächste Thema in Geschichte rauszusuchen.
Er zuckte mit den Schultern. »Wir spielen hauptsächlich Kartenspiele und reden dabei. Meistens bringen sie noch Alkohol mit.«
»Also ein ruhiger Besauf-Abend?«, sagte ich und blätterte weiter.
Er lachte kurz. »So ungefähr.«
»Du schaffst es aber sicher nach Hause, oder?«
»Ja, habe ich bis jetzt immer, keine Sorge. Und falls ich zu viel trinke, lässt mich Jack bei sich übernachten.«
Ich schaute zu ihm. »Gut, nicht, dass ich um ein Uhr nachts einen Anruf bekomme, weil du dich verlaufen hast.«
Er grinste mich an. »Die Möglichkeit würde ich jetzt nicht ausschließen.«
Ich verdrehte die Augen und blätterte noch einmal um. Dort fand ich das erste Arbeitsblatt zu den Goldenen 1920er Jahren, genau das, was ich gesucht habe. Hicks öffnete derweil mein Geschichtsbuch auf der richtigen Seite für mich, sodass ich mich in die Thematik reinlesen kann. Er beantwortete mir meine Fragen und ließ mich das Arbeitsblatt von ihm abschreiben, da ich es damals nicht ausgefüllt habe. Als ich damit fertig war, war es bereits ein paar Minuten vor sechs Uhr und wir beschlossen, für heute aufzuhören.
»Lies dir die Vokabeln von Unidad tres durch«, sagte Hicks, während er eine Schlaufe band. »Wir schreiben nächste Woche einen Test.«
Ich salutierte. »Jawohl, Herr Nachhilfelehrer.«
Er schulterte seinen Rucksack und ein Grinsen schob sich auf sein Gesicht. »Ich dachte, es heißt optimistischer Nachhilfelehrer?« Ich rollte mit den Augen, was sein Grinsen nur noch vergrößerte.
War dies der Moment? Sollte ich ihn jetzt fragen? Immerhin schauten wir uns gerade blöd grinsend in die Augen, obwohl er schon fast zu spät dran war, was ihm gar nicht ähnlich sah. Mein Magen fuhr bei dem Gedanken, dass er vielleicht lieber bei mir bleiben wollte, wieder Achterbahn. Das war aber nur Wunschdenken. Wenn er sich verabredete, hielt er das ein.
Also räusperte ich mich und unterbrach den Augenkontakt. »Also, ähm ... ich wollte, ich ... hmm, weißt du ...« Bei Gott, was stammelte ich mir hier gerade zurecht?
Er hob fragend eine Augenbraue, wobei er weiterhin meinen Blick suchte. »Ja?«
Meine Hände fummelten an meinem Shirt herum, weshalb ich sie hinter meinem Rücken versteckte. »Ich ... Ich glaube, du bist spät dran.« Natürlich war das das Erste, was mir einfiel.
Er schaute auf die Uhr, die neben dem Spiegel an der Wand im Flur hing. »Oh, ja, du hast recht. Dann gehe ich wohl besser.« Sein Grinsen war verschwunden, stattdessen versuchte er sich an einem kleinen Lächeln, bevor er zur Tür ging.
Ich folgte ihm. »Bis Montag«, sagte ich, als er die drei Stufen runtergegangen war.
Er drehte sich zu mir und lief rückwärts weiter. »Bis Montag.« Danach drehte er sich wieder zurück und ging ohne ein weiteres Wort, Lächeln oder einen kurzen Augenkontakt die Einfahrt entlang zum Bürgersteig. Ich schloss die Tür und ließ mich mit dem Rücken daran hinuntergleiten.
Das lief ja super ..., dachte ich mir und vergrub das Gesicht in meinen Händen. So fragt man auf jeden Fall niemanden auf ein Date. Erst das Gestotter und dann Ich glaube, du bist spät dran. Sehr gut, Astrid, wirklich sehr gut. Für einen kurzen Moment sah er sogar verletzt aus, als hätte der nicht so gewollte Rausschmiss an ihm gezerrt. Ich seufzte. Das mit Hicks würde nie etwas werden.
❁
Ich werde es heute tun. Ich werde es heute tun.
Das redete ich mir ein, seitdem ich von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich hatte mich Samstagabend nach dem kleinen Fiasko bei uns im Flur so sehr bemitleidet, dass ich Pretty Woman geschaut habe, wodurch ich mich wieder besser gefühlt habe. Daher habe ich den ganzen Sonntag nach positiven Aspekten gesucht, weshalb ich mich trauen soll und war nun davon überzeugt, Hicks zu fragen. Ich konnte es schaffen, es war ja gar nicht so schlimm. Das Horrorszenario war natürlich, dass er anfing zu lachen und mir sagte, dass ich absolut daneben lag und er nicht glauben kann, dass ich wirklich dachte, er würde mit mir ausgehen. Okay, vielleicht war es doch schlimm, aber wenn ich ihn nicht fragte, würde ich die Antwort nie erfahren. Außerdem war Hicks kein gehässiger Mensch, er würde mir nett erklären, warum er mich nicht auf diese Weise mag.
Als wir uns dann um halb zehn vor dem Schulgebäude getroffen haben, war ich noch nicht bereit, vor allem weil Jack und Elsa dabei waren, und bis jetzt hatte ich es auch noch nicht geschafft. Deshalb stand ich vor dem Spiegel in der Mädchentoilette und redete mir in Gedanken selbst ein, dass ich es tun kann. Ich musste nur durch die Tür, die Treppe hinunter, in den rechten Gang und zu seinem Spind, wo er jetzt sein würde, da es gerade erst zur Mittagspause geklingelt hat. Ich nickte mir einmal zu und verließ das Badezimmer.
Meine Hände schwitzten, mein Herz klopfte wie bescheuert gegen meinen Brustkorb und alles in mir schrie Tu es nicht!, aber ich musste es tun. Sonst würde es in meinem Kopf keine Ruhe geben.
Die Treppe hatte ich geschafft und der Gang war nicht überfüllt, weshalb ich ihn schnell sichten sollte. Meine Augen suchten die linke Seite nach ihm ab und fanden ihn schließlich ein gutes Stück entfernt von mir an seinem Spind. Er war geöffnet und Hicks legte gerade ein Buch hinein, als ein dunkelblonder Schopf in meinem Tunnelblick erschien und mich abrupt stehen bleiben ließ.
Oh nein, bitte nicht. Bitte bitte nicht, das durfte jetzt nicht wahr sein.
Sie tippte ihm auf die Schulter. Er schaute hinunter, lächelte und bückte sich das letzte Stück, um Stacy zu küssen.
Du willst mich doch wohl verarschen.
Im nächsten Moment bekam ich eine Tür ins Gesicht geknallt.
———
Da ist er, der Moment, den keiner haben wollte 👀
Habt ihr es geahnt? Oder dachtet ihr, Hicks und Astrid werden jetzt bald endlich zusammenkommen? Wir werden ja sehen, was als nächstes passiert 😌
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