Kapitel 12
Teenager liebten Partys. Saufen bis zum Umfallen, 7 Minuten im Himmel spielen als Ausrede, um mit dem Schwarm rumzuknutschen und die ein oder andere Prügelei. Eben das, was pubertierende, dumme junge Menschen an ihrem Wochenende so machten. Das wird noch gesteigert, wenn ein Feiertag oder ein Motto dazu kommt und sie sich alle wie verrückt verkleiden dürfen. Die Kreativität hat dabei keinerlei Grenzen, trotzdem sieht man am meisten die derzeit beliebtesten Seriencharaktere. So wie das eine Jahr, als The Suicide Squad rauskam und jedes zweite Mädchen wie Harley Quinn herumlief. Trends eben.
Gehörte ich zu dieser Gruppe Teenager? Scheiße, nein. Ich hasste Partys. Zu laute Musik und zu viele Menschen, vor allem besoffene. Von den Rumknutschenden wollte ich gar nicht erst anfangen. Mit Brandon war es akzeptabel gewesen, weil ich mich mit seinen Freunden damals noch verstanden habe und er auf eine andere Schule ging, was hieß, dass ich die Leute aus meinem Jahrgang nicht sehen musste. Jetzt war es anders.
Jetzt hatte Elsa mich überredet, zu Olivia Johnsons Halloweenparty mit ihr, Jack und Hicks zu gehen, wo unsere halbe Schule sein wird. Deshalb liefen wir seit fast einer Stunde durch die Mall und suchten nach einem Kostüm für uns. Wie genervt ich war, ließ ich sie nur zu gerne wissen.
»Du weißt doch noch gar nicht, wie es sein wird«, sagte sie mir zum hundertsten Mal. »Es wird dir bestimmt Spaß machen.«
»Nein«, gab ich nur zurück und folgte ihr in einen weiteren Laden, der im Schaufenster für Halloween warb.
Ich bemühte mich nicht großartig, mich durch die Ständer zu wühlen und jedes Kostüm anzusehen, die meisten gefielen mir sowieso nicht. Ab und zu schaute ich zu Elsa hinüber, wenn ich sie laut aufatmen hörte, was bedeutete, dass ihr etwas ins Auge gefallen war. Meist murmelte sie dann nur etwas vor sich hin und hängte es zurück.
»Müssen wir uns denn verkleiden?«, sagte ich, nachdem ich die ganze Wand entlang gegangen war und nichts Gutes gefunden habe.
Sie schaute mich strafend an. »Natürlich müssen wir das, es ist immerhin Halloween.«
»Ich kann mir auch einfach einen roten Hoodie anziehen und eine braune Perücke aufsetzen, dann bin ich Marco aus Star vs. the Forces of Evil.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ganz bestimmt nicht. Du ziehst etwas cooleres an.«
Ich stöhnte zum keine Ahnung wie vielten Mal genervt auf, was sie ignorierte. Sie ging weiter durch die Reihen, während ich ihr wie ein verlorener Welpe hinterherlief. Sie schaute sich die Prinzessinnenkleider an, aber mit einem Blick meinerseits waren sie sofort vergessen. Mich bekommen keine zehn Pferde in so ein pompöses Kleid.
Es folgten die sexy Ausgaben verschiedener Berufe, wobei mir die Bauarbeiterin neu war, an denen Elsa aber selbst mit einem missbilligenden Blick vorbeiging. Zu guter Letzt fand sie etwas für mich.
»Das!«, sagte sie mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen, was ihre weißen Zähne zeigte, und drehte die Vorderseite zu mir um, sodass ich sehen konnte, was sie in der Hand hielt.
Ich muss sagen, es war wirklich nicht schlecht. Es war ein Piratinnenkostüm, wenigstens ohne Augenklappe und nicht die sexy Ausgabe. Eine schwarze Lederhose, eine weiße schulterfreie Bluse mit Trompetenärmeln, ein braunes Lederkorsett, was noch über den Hintern ging, für darüber und ein Gürtel für um die Taille waren der Inhalt. Ich würde auf keinen Fall die schwarzen Lederkneeboots dazu anziehen, wie das Model auf dem Umschlag, aber an sich gefiel mir das Kostüm sogar.
»Und?«, sagte Elsa, bereits einen wohlwissenden Gesichtsausdruck aufgelegt. »Es gefällt dir, habe ich recht?«
Ich verkniff mir ein Grinsen. »Es ist nicht schlecht. Da wir aber bisher nichts besseres gefunden haben, sollten wir wohl das hier nehmen.«
»Klar, das ist der Grund.« Sie zwinkerte mir zu, woraufhin ich nur mit den Augen rollte.
Wir gingen zur Kasse und erst, als wir aus dem Laden raus waren, fiel mir auf, dass Elsa sich gar nichts geholt hatte. Sie hatte auch nicht wirklich für sich gesucht, sondern die ganze Zeit für mich.
Sie machte auf meine Frage hin eine wegwerfende Geste. »Ich habe meines bereits zu Hause liegen. Das hier war nur für dich, aber ich wusste, wenn ich dir das sage, würdest du nicht mitkommen.« Wieder grinste sie mich an und ich konnte nur lachend den Kopf schütteln.
Fühlte es sich so an, eine beste Freundin zu haben? Wenn ja, dann sollte es bitte niemals enden. Ich war lange nicht mehr so glücklich gewesen, wie als ich mit ihr die Läden abgeklappert und Pommes gegessen habe, wobei wir uns allerlei Geschichten aus unseren Leben erzählt haben. Ich hatte nie eine beste Freundin, mit Brandons Freunden war es immer die gesamte Gruppe und keiner wollte mich alleine mehr kennenlernen. Dieses Gefühl, dass ich mich Elsa anvertrauen, dass ich ihr von den schlimmen Tagen im Krankenhaus erzählen konnte und keine Angst haben musste, dass sie es gegen mich verwendet, ließ mich lächeln.
❁
Der Oktober flog davon, meine Gefühle für Hicks nicht. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Mittlerweile war nicht einmal mehr die Schüssel zwischen uns beim Fernsehen, denn irgendwo in Staffel drei von Stranger Things hatte er sie einfach auf seinen Schoß genommen und sich direkt neben mich gesetzt. Mit vollem Körperkontakt.
»Ich will auch endlich meine Füße hochlegen können«, war seine Erklärung auf meinen fragenden Blick hin gewesen. »Auf den Tisch gehört sich nicht und sonst ist auf der Couch kein Platz, also musst du ab sofort mit mir kuscheln.«
Also hatten wir seitdem miteinander gekuschelt. Nicht im Sinne von aneinander anlehnen und Händchen halten, sondern meine komplette rechte Seite berührte seine komplette linke Seite. Und das verkraftete mein Herz so gar nicht. Es spielte in diesen Momenten absolut verrückt, wusste nicht, ob es aufhören soll zu schlagen oder doppelt so schnell. Wie Hicks meine Verknalltheit bis jetzt nicht bemerken konnte, war mir ein Rätsel. Vielleicht wollte er es aber auch nicht, oder er war viel zu sehr in die Serie investiert.
»Wie viele Eddie Munsons wohl heute da sein werden?«, fragte ich Elsa, die mit mir in meinem Badezimmer stand, um sich für die Halloweenparty fertig zu machen. Wie ich zu diesem Gedanken gekommen war, wollte ich ihr gar nicht erst erklären. Meine geröteten Wangen sprachen für sich.
Sie lachte auf. »Eine Menge, wette ich. Der Hype um ihn ist immer noch auf Hochtouren.«
»Er ist auch einer der besten Charaktere.«
Sie nickte anerkennend, legte weiterhin ihren Liedschatten auf. »Nicht einmal Angus Young legt so ein gutes Gitarrensolo hin.«
Ich zog scharf die Luft ein. »Beleidige ja nicht den Gitarristen, der das Highway to Hell Solo gespielt hat.«
Sie zog ihre Augenbrauen hoch und sah mich durch den Spiegel an. »Oho, ich wusste gar nicht, dass du AC/DC hörst.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht intensiv, meist nur die berühmten Songs, aber trotzdem ist das Gitarrensolo richtig cool.« Sie grinste mich an und kümmerte sich nun um ihre Wimpern.
Sie hatte sich als die Schneekönigin verkleidet. Ihr enges weißes Kleid, das mit Schneeflocken gemustert war, ging bis zum Knöchel, war am linken Bein aber geschlitzt, wodurch sie mehr Lauffreiheit hatte. Ihre Schultern lagen frei, so wie meine, und die glitzernden durchsichtigen Ärmel gingen ihr bis zum Handgelenk. Der blaue Liedschatten untermalte den eiskalten Touch, sowie ihre blauen Augen. Sie sah umwerfend aus.
Sie war auch so lieb gewesen und hatte meine Haare zu zwei Zöpfen geflochten, die am Haaransatz anfingen, da ich das nicht konnte. Alles unter dem Ohr war ein Kinderspiel für mich, alles darüber eine Katastrophe. Sie hatte mich ebenso überredet, ein wenig goldenen Liedschatten aufzutragen, meine Wimpern zu tuschen und rosanen Lipgloss auf meine Lippen zu schmieren. Die Astrid im Spiegel sah ganz anders aus als die, die ich schon so lange kannte. Sie sah glücklicher aus, hübscher, gesünder.
Elsa malte ihre Lippen dunkelrot an. »Jack liebt diese Farbe«, sagte sie mit einem Grinsen, der eindeutig Hintergedanken andeutete.
»Er passt zu dir«, sagte ich und betrachtete ihr Gesicht. »Gibt einen schönen Kontrast zu deiner hellen Haut. Du bist wirklich die geborene Schneekönigin.«
Sie lächelte mich an. »Dankeschön. Du siehst auch super aus. Das Make-Up macht irgendwas mit deinem Gesicht, dass es heller aussieht. Leuchtender, irgendwie.« Sie schaute mich an, als sei ich ein Ausstellungsstück im Kunstmuseum. »Deine Augen! Das ist es, was den Unterschied macht. Das Blau kommt jetzt richtig zur Geltung.«
Wir beendeten unsere Session im Badezimmer, holten unsere vollgestopften Umhängetaschen aus meinem Zimmer und gingen hinunter, um unsere Schuhe und Jacken anzuziehen. Mein Vater, der heute Abend unser Fahrer war, wartete bereits auf uns.
»Ihr seht toll aus!«, sagte er, als er uns erblickte und strahlte uns an.
»Es ist nichts besonderes«, sagte ich und holte meine schwarzen Knöchelstiefel aus dem Schuhschrank, die perfekt zum Kostüm passten.
»Nichts besonderes? Das letzte Mal, als ich dich verkleidet gesehen habe, war an Karneval als du sieben warst. Dass du dich überhaupt bereit erklärt hast, dorthin zu gehen, ist schon besonders. Es freut mich, dass du wieder etwas unternimmst.« Sein Lächeln war so warm und sanft, dass ich ihn umarmte und einmal fest drückte. Er küsste mich auf den Kopf.
»So ist es, wenn man gute Freunde hat«, sagte Elsa lächelnd, nachdem ich ihn losgelassen habe.
Er lächelte sie ebenso an und holte dann sein Handy raus. »Stellt euch an die Tür, meine Mutter möchte ein Foto von euch beiden.«
»Du hast es Grandma erzählt?«, sagte ich, tat aber wie geheißen.
Er grinste auf sein Handy, als er es einstellte. »Natürlich. Sie war begeistert davon zu hören, dass du dich unter Menschen wagst. Bitte Lächeln!«
Er knipste ein paar Fotos, hochkant und quer, weil eines anscheinend nicht reichte. Wir standen die ganze Zeit nur Arm in Arm da und ließen ihm seinen Spaß.
Zwanzig Minuten später erreichten wir Olivias Haus, oder eher gesagt ihre Villa, denn verdammte Scheiße war dieses Grundstück groß. Es war sogar von einem hohen Eisenzaun umrandet, das große Tor an der Einfahrt war aber geöffnet.
»Ihre Eltern sind CEOs irgendeiner Firma«, erklärte Elsa uns, da mein Vater und ich nur mit offenem Mund da saßen und aus dem Fenster starrten. »Das heißt sie haben viel Geld.«
»Was du nicht sagst«, murmelte mein Vater, als ich meinen Gurt öffnete. Elsa und ich stiegen aus, mein Vater ließ das Beifahrerfenster hinunter. »Passt auf euch auf. Und wenn etwas ist, ruf mich an.«
»Mach ich«, sagte ich und winkte ihm. »Bis später.« Elsa winkte ebenfalls und er fuhr davon.
»Jack und Hicks sind schon drin«, sagte Elsa nach einem Blick auf ihr Handy. »Sie warten im Wohnzimmer auf uns.«
Die Bude war rappelvoll. Bereits im Vorhof sammelten sich kleine Gruppen oder Paare, die meisten mit roten Plastikbechern in der Hand. Der stetige Rhythmus der Musik drang zu uns nach draußen und je näher wir kamen, desto mehr verstanden wir vom Text. Ich hoffte nur, dass man sich drinnen nicht anschreien musste.
Am Eingang gab es links eine breite Treppe, die nach oben führte, auf der aber jede Menge Jacken drauf lagen, die den Weg versperrten. Unsere landeten dort ebenfalls. Ob wir die später wieder bekamen, stand in den Sternen. Elsa schien es aber nicht zu kümmern, sie kannte sich damit wohl aus, denn sie lief unbeirrt weiter, also tat ich es auch. Jetzt gerade war sie der einzige Mensch, dem ich hier vertraute und ich wollte sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Sie schien zu merken, dass ich ein paar Schritte hinter ihr war, denn sie drehte sich zu mir um und nahm meine Hand, um mich mitzuziehen, wie sie es so gerne tat.
Sie führte mich durch den vollen Flur, an einem Raum vorbei, der wie ein Wohnzimmer aussah, es aber anscheinend nicht war. Rechts kam irgendwann die Küche, wo der Alkohol an einer Theke aufgereiht war und sich jede Menge gestapelter Plastikbecher befanden. Letztendlich liefen wir durch einen offenen Torbogen ins vermeintliche Wohnzimmer, wo die Musik auch nicht mehr allzu laut war. Hier summten eher die Gespräche der Leute.
Elsa reckte sich und zeigte dann links in die Ecke. »Da ist mein weißhaariges Leuchtsignal.« Ich lachte auf und sie zog mich wieder mit.
Jack redete mit jemandem, den ich aber wegen der Menschen vor uns noch nicht sehen konnte. Erst, als wir an der Gruppe vorbei waren, konnte ich Hicks erkennen, aber ...
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Ich weiß, das ist gemein, aber sonst wäre das Kapitel zu lang geworden 👀
Dafür ist das nächste ein wenig länger und hat einen schönen Inhalt ;)
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