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Ein Teufel zu Weihnachten

Ein kalter Wind fegte um die Hausecke, neben der Daniel saß. Langsam zog sich Frost über die übrig gebliebenen Bepflanzungen. Es hatte die Zeit des Jahres begonnen, in der es überlebenswichtig wurde sich einen Unterschlupf zu suchen.

Müde blickte der junge Mann auf die wenigen schmutzigen Münzen in seinem Becher. Davon konnte er sich nicht einmal eine Fertigsuppe kaufen. Als ein erneuter Hauch eiskalter Luft ihn frieren ließ, zog er sich den zerschlissenen Schal enger um den Hals.

Keiner der vorbeilaufenden beachtete ihn, oder zumindest gaben sie sich die aller größte Mühe es nicht zu tun. Oft schämte Daniel sich dafür, was aus ihm geworden war, aber dadurch änderte sich auch nicht viel an seiner Situation.

Er arbeitete jeden Tag aufs Neue an sich selbst, an seiner Einstellung zum Leben. Er wollte wieder weg von der Straße, ehrliches Geld verdienen und eine eigene Wohnung haben. Aber wo fängt man da an? Oder besser gesagt, wo hört man auf, um anzufangen?

Daniel hatte schon vor einigen Monaten begonnen, gegen seine Spielsucht anzukämpfen. Das war einfacher gesagt als getan, vor allem ohne einen Freund im Rücken, der einem beistand. Manchmal wünschte er sich, wenigstens ein Zeichen zu bekommen, dass seine ganzen Mühen einen Sinn hatten. Dass er es nicht umsonst tat, weil er seinem Ziel tatsächlich näher kommen würde. Wenn es eine höhere Macht gab, dann konnte sie sich doch wenigstens dafür seiner erbarmen.

Daniel wusste nicht woran es lag, viel leicht waren seine Gebete nun endlich erhört worden. Oder vielleicht war dem Allerheiligsten langweilig gewesen, da oben auf seinem Thron. Egal woran es lag, als diese Frau langsam mit hängenden Schultern auf ihn zukam, wusste der junge Mann, dass sein Leben sich nun verändern würde.

Ihr langes dunkles Haar hing schlaff wie ein Vorhang vor ihrem Gesicht, sie war dünn, vielleicht ein bisschen zu dünn. Sie hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben. Ihr Gang war schlurfend und unschlüssig, fast als wäre sie in Gedanken in einer anderen Welt.

Aber es war etwas anderes, das Daniel an ihr sofort auffiel. Es war eine Aura, die sie umgab, eine dunkle Macht, die nur bestimmten Gruppen anhing und zu denen er den Kontakt bisher vermieden hatte. Dämonen, nannte man sie, sie brachten Unglück, Leid und Hass.

Nur wenige Menschen wussten, dass diese Dämonen, tatsächlich wirklich keine Menschen waren. Es waren Höllenwesen, dunkle Engel, nannten sie sich selbst. Sie hatten sich einst vor Jahrhunderten unter die Menschen begeben. Zum Zeitvertreib sagte man, ein sehr grausamer wenn man bedachte, wie viele Kriege sie entfachten und Hass sie schürten.

Auf Daniels Armen breitete sich eine Gänsehaut aus. Stockend blieb die junge Frau vor ihm stehen und hob langsam ihren Kopf. Man wollte fast meinen, sie wäre von einem Dämon besessen anstatt selbst einer zu sein. Leblose Augen blickten ihm entgegen. In einem so hellen blau, dass es beinahe schon weiß war.

Sie schob ihre schmale Hand in die weite Hosentasche ihrer Cargohose und kramte darin herum. Daniel wusste nicht, ob er fliehen oder diesem Gefühl nach baldiger Veränderung in seinem Leben, das ihn umgab, vertrauen sollte. Doch woher sollte er wissen, dass es eine gute sein würde?

Endlich kam die graue Hand wieder zum Vorschein. Sie umklammerte ein schmales Portmonaie. Als sie es aufklappte, konnte Daniel einen Blick auf die gähnende Leere in seinem Inneren erhaschen. Dennoch schaffte sie es aus seinen Tiefen einen knittrigen Zwanziger heraus zu ziehen. Verwirrt sah Daniel ihr wieder in die Augen. Etwas, das Traurigkeit ziemlich nah kam, schwirrte darin herum. Er runzelte die Stirn. Was war dieser Frau nur passiert?

"Wer bist du?", flüsterte Daniel, ohne überhaupt die Zeit zu haben darüber nachzudenken, ob das so eine gute Idee war. Die Frau blinzelte und streckte ihm ihre Hand mit dem Schein entgegen.
"Nimm das", sagte sie. "Es ist mein letzter Besitz. Ich brauche es nicht mehr."

Er schaute zwischen ihrem Gesicht und dem Geld hin und her. Verzweifelt versuchte Daniel zu verstehen. Wer gab denn das Letzte, das man hatte? Egal was es war?
Ihre Augen verdunkelten sich, als er keine Anstalten machte, ihr den Schein abzunhmen.
"Nun nimm ihn schon! Ich habe meine Beziehung versaut, den Job verloren und eine Wohnung werde ich wohl bald auch nicht mehr haben. Gib mir wenigstens die Chance auf eine letzte gute Tat."

Erschrocken von ihrer Ehrlichkeit rutschte Daniel näher an die harte Hauswand hinter ihm. Das genaue Gegenteil von dem, was sie von ihm wollte.

Die junge Frau seufzte genervt auf und stopfte den Schein zurück in das Portmonaie. Dann warf sie es ihm mit Schwung in den Schoß. Bei der ruckartigen Bewegung ihres Handgelenks löste sich etwas Glitzerndes von ihrem Arm und flog ihm entgegen. Sie bemerkte es nicht, hatte sie sich doch in der Bewegung bereits zum Gehen gewandt. Hastig steckte er das Portmonaie in die Tasche seiner fadenscheinigen Jacke und kramte dann zwischen seinen Decken und Kartons nach dem Gegenstand, den sie verloren hatte. Als er ihn endlich fand, war sie bereits in den Menschenmengen verschwunden.

Es war ein zierliches silbernes Armband. Ein einzelner Anhänger in Form einer Mondsichel schmückte es. Daniel hielt es ein Stück von sich weg. Der Mond war ebenfalls Silbern, wirkte aber wie von einer dunklen Wolke umgeben. Von ihm ging die gleiche Macht aus wie von seiner traurigen Besitzerin.

Daniel starrte auf den kleinen glanzlosen Mond. Er musste sehr leicht sein, denn er wurde vom Wind nach vorn geweht. Daniels Stirn legte sich in Falten. Der Mond bewegte sich. Aber es war schon seit einigen Minuten windstill in der Straße. Die letzten vertrockneten Pflanzen in den Kübeln hielten still als wären sie schon eingefroren. Auch Daniels dünne Jacke musste er nicht um sich ziehen, damit sie an Ort und Stelle blieb.

Entsetzt ließ der junge Obdachlose das Armband fallen, als ihn die Erkenntnis traf. Die Frau war eindeutig eine Dämonin gewesen, doch das hatte er nur so genau spüren können, weil sie ihren Talisman nicht fest genug bei sich trug. Die Ösen der Kette mussten sich schon lange bevor sie bei ihm stand gelöst haben.

Daniel schluckte schwer. Ein Kloß hing ihm im Hals und Gänsehaut überzog seinen ganzen Körper, die sicherlich nicht von der beißenden Kälte kam. Das Armband war ein Teufelstalisman. Ein Schmuckstück, das den Dämonen half in ihrem erwählten Körper zu bleiben und menschliche Emotionen zu fühlen. Ein magischer Gegenstand, der ihnen eine Art Moralverständnis gab, ohne das sie gnadenlos jedes lebende Wesen in ihrer Nähe einfach töten würden.

Hastig sprang Daniel auf und blickte sich in der Menschenmenge um. Doch die Frau war verschwunden. Ängstlich biss er sich auf die rissige Unterlippe. Wenn sie ihren Talisman nicht zurück bekam, wer weiß was dann Schreckliches geschehen würde. Er musste sie finden und ihn ihr zurückbringen. Koste es, was es wolle. Sie hatte ihm ihr letztes Geld gegeben. Sie hatte scheinbar alles in ihrem Leben verloren. Auch wenn sie nur zufällig Daniel für ihre gute Tat erwählt hatte, so hieß das nicht, dass er sie ihr nicht zurückzahlen brauchte.

Es ging hier nicht nur um ihn oder sie. Es ging hier wahrscheinlich um weit mehr potentiell tote Leute.

Hektisch packte Daniel seine wenigen Besitztümer in seinen Rucksack und griff mit klammen Fingern nach dem silbernen Band, das immer noch auf dem Boden lag. Er hielt es vor sein Gesicht und betrachtete den Anhänger. 

Die Dunkelheit um ihn verdichtete sich langsam. Ein leichtes Vibrieren ging von ihm aus und führte durch das Band bis in Daniels kalte Hand. Der Mond wollte ihm eine Richtung weisen, da war Daniel sich sicher. Er bewegte sich mit stetig stärkerer Kraft weg von ihm.

Daniel nahm einen zittrigen Atemzug. Dann verstaute er das Armband in einer intakten Tasche seiner Jacke und machte sich auf den Weg. Weit konnte sie noch nicht gekommen sein.

°°°

Kälte zog sich durch ihre Gliedmaßen hindurch. Ihr Kopf schmerzte, drohte zu zerspringen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog Mia ihren Mantel enger um ihre schmalen Schultern. Ihr stockender Atem sammelte sich in feuchten Wolken vor ihrem Gesicht. Verwirrt berührte sie ihre Schläfe mit ihren klammen Fingern.

Was war nur los? Weshalb hatte sie plötzlich diese Schmerzen? Auch die Kälte schien sich immer weiter in ihrem Körper vorzuarbeiten. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Langsam bewegte Mia sich weiter durch die Menschenmengen und begab sich in eine etwas ruhigere Seitenstraße.

Sie hob ihre Hände an ihr Gesicht und blies hinein, in der Hoffnung ihr heißer Atem würde sie ein wenig wärmen. Doch ihr Atem war eiskalt. Erschrocken zuckte sie zusammen. Irgendetwas ging hier vor sich. Ein Schauer überkam sie, eine dunkle Vorahnung. Ihr Blick verschleierte sich. Sie streckte die Hände aus, um sich an der bröckelnden Wand neben sich abzustützen.

Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie blinzelte sie weg und starrte auf einen Punkt zwischen ihren Händen, um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Ihre Fingerspitzen begannen bereits eine blaue Färbung anzunehmen. 

Desorientiert runzelte Mia die Stirn. Etwas stimmte nicht. Ein Gefühl der Unvollständigkeit machte sich in ihrem Herzen bemerkbar. Als sich ihr Blick endlich wieder aufklarte, bemerkte sie auch, was dieses Gefühl verursacht hatte. Ihr Armband war verschwunden. Kein silberner Glanz schmückte ihr dünnes Handgelenk mehr. Hektisch nahm sie die Hände von der kühlen Wand und schob ihren Ärmel nach oben, doch da war es auch nicht.

Hatte sie es in den Taschen ihres Mantels verloren? Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn, als sie jede vorhandene Tasche ihrer Kleidung absuchte. Doch nichts. Sie vergrub ihre Finger nervös in ihrem dunklen Haar. Schwer atmend blickte sie sich um. Wie ein verschrecktes Tier fühlte sie sich. In die Ecke gedrängt. Zum Leiden verurteilt. 

Kein Wunder hatte sich diese eigenartige Kälte in ihr breit gemacht. Diese Kälte, die nun beinahe bis an ihr Herz gelangt war. Auch die heiße Panik, die sie nun befiehl konnte sie nicht zurück drängen. Ihre Brust zog sich zusammen. Der Schmerz in ihrem Kopf hämmerte gegen ihre Stirn. Unerträglich laut. Unaufhörlich.

Wo war es bloß? Sie musste dieses Armband finden! Ihren Talisman, der sie vor der dunklen Macht in ihrer Seele schützte. Doch wo sollte sie ihn suchen? Er konnte überall sein. Sie war weit gelaufen. Sie konnte nicht einmal sagen, wann diese eigenartige Verwandlung begonnen hatte. Seit heute morgen wurde sie schon von der Erschöpfung in ihren Knochen und der Traurigkeit in ihrem Kopf verfolgt. Wohin sie auch lief, die Verzweiflung folgte ihr.

Sie hatte bisher keinen neuen Job gefunden und heute morgen hatte sie festgestellt, dass ihre Ersparnisse für die nächste Miete nicht mehr ausreichen würden. Also hatte sie sich aus ihrem Deckenlager, in dem sie seit ihrer Trennung vor drei Wochen lag, heraus gequält und sich entschlossen eine Runde spazieren zu gehen.

Doch weder die vielen Eindrücke der Stadt, die in frische Herbstluft gehüllt war, noch die Anstrengung, die ihre müden Beine nach einigen Stunden nicht mehr ertragen wollten, half ihr zu vergessen. Als ihr die Verzweiflung am frühen Nachmittag über den Kopf wuchs, gab sie ihr letztes Geld an diesen jungen Mann an der Straßenecke. Wenn sie schon so elend enden sollte, dann wenigstens mit einer letzten guten Tat.

Bei diesem Gedanken erstarrte Mia plötzlich. Das Geld. Ihr Portmonaie auf seinem Schoß. Ihre Bewegungen waren ruckartig gewesen. Aufgrund der Wut, die sie verspürt hatte, als er ihr Geld nicht annehmen wollte. Konnte es sein? Hatte sie ihren Talisman dort verloren? Hatte er ihn womöglich gefunden? Und wenn ja, was würde er dann damit tun? Würde er ihn behalten? Verpfänden? Verkaufen?

Ihr Atem beschleunigte sich. Kalte Luft brannte sich durch ihre Lungen. Ihre Knie zitterten. Sie musste sich erneut an der Wand abstützen. Dunkelheit ließ sie nach Atem ringen. Ihre Finger verkrampften sich, krallten sich tief in das lose Gemäuer. Der Wind biss ihr in die aufgeschürfte Haut. 

Wenn sie ihre Seele nicht hier in dieser engen Seitenstraße an die schwarze Macht, die in ihr schlumerte, verlieren wollte, musste sie handeln. Und zwar sofort. Keuchend richtete Mia sich auf. Langsam, stolpernd ging sie auf die Allee zu, von der sie gekommen war. Sie musste nur den Weg zurück gehen. Ein Schritt vor den anderen. Erst der rechte Fuß. Dann der linke. Angestrengt hob sie ihre eiskalten, in schwere Stiefel gehüllten Füße.

Jeder Schritt sandte einen stechenden Schmerz ihre Knochen entlang. Über die Wirbelsäule bis hinter ihre Schläfen. Sie biss die Zähne zusammen. Leckte sich über die spröden Lippen. Mia schmeckte ihr eigenes Blut. Wie ein Blitz durchzuckte sie dieser Geschmack. Entsetzt blieb sie stehen. Rutschte beinahe auf dem gefrorenen Kopfsteinpflaster aus.

Das Eis in ihr hatte sich ganz plötzlich schneller ausgebreitet. Es saß nun nur noch eine Handbreit von ihrem Herz entfernt. Sie konnte nicht mehr klar denken. Ihr Beine bewegten sich wie von selbst. Ihre Hände waren eingefroren. Für Außenstehende musste sie wie eine Betrunkene wirken. Sie torkelte durch die Straßen. Vorbei an geschmückten Schaufenstern. Lachende Menschen. Rennende.

Der erste Weinachtsbaum. Er läuchtete sie an. Fast wie Hohn blinkten ihr die blutroten Kugeln ins Gesicht.

Langsam blieb Mia stehen. Starrte die roten Kugeln an. Sie verschwammen, bildeten eine Pfütze aus Blut. Trennten sich wieder und wurden zu einzelnen Tropfen des Lebenssafts. Ein aufkommender Sind wiegt die spitzen Nadeln der Tanne sanft hin und her. Sie lächelten sie an. Man könnte sich so leicht an ihnen stechen. Sein Blut neben den Weihnachtskugeln verteilen. Die verschiedenen Rottöne sich vermischen lassen.

Langsam hob Mia ihre Hände. Ließ ihre unbeweglichen Finger über die Äste des so tödlich schönen Baumes gleiten. Ihre Finger verwoben sich mit den Zweigen. Nahmen ihre dunkle Färbung an. Sie blinzelte. Zog ihre Hand ruckartig zurück. Starrte sie an. Tatsächlich. Sie irrte sich nicht. Ihre Finger wurden langsam, von den Nägeln beginnend von einer schwarzen Färbung überzogen.

Halluzinierte sie bereits? Starben ihre Gliedmaßen durch diese ungewöhnliche Kälte?

Nein. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Ihr dunkles Haar flog um sie herum. Zog die Kopfschmerzen mit sich. Wirbelte sie herum und verstärkte sie. Ihr Kopf hämmerte immer lauter. Als wären fünf überbesetzte Orchester in ihr zu Gange.

Sie hielt sich die Ohren zu. Ging in die Knie. Hockte sich vor den Weihnachtsbaum. Tränen rannen ihr die Wangen hinab, gefroren zu winzigen Eisperlen, überzogen ihr Gesicht mit einer gefrorenen Maske.

Mia betete. Sie schrie. Es möge aufhören! Es solle sie in Frieden lassen! Diese Macht, die ihre Seele fraß, sollte fortgehen! Sollte sie allein hier sitzen lassen mit ihrer Verzweiflung.

Sie raufte sich die Haare, einzelne fielen zu Boden. Mia saß nun auf ihren Knien, spürte die Eiseskälte des Bodens nicht. Sah nicht mehr die blutroten Kugeln, als sie ihre hämmernde Stirn auf das Pflaster sinken ließ.

Doch jäh endete der Schmerz wieder. Alles wurde still. Der Wind hatte sich wieder gelegt. Kein Mensch bewegte sich. Die Tränen waren versiegt. Das Eis verschwunden. Langsam löste sie ihre Hände aus ihrem Haar. Unter ihren Nägeln hatte sich Blut von ihrer Kopfhaut gesmmelt. Wie versteinert fixierte sie es. Ihr Blick schärfte sich.

Sie hob ihren Kopf. Die Kugeln blickten ihr entgegen. Sie öffnete den Mund. Atmete tief ein. Kühle Luft strömte durch ihre verkrampften Lungen. Öffnete sie und ließ sie erleichtert die Augen schließen. Sie entspannte sich. Jetzt war sie frei. Endlich befreit von diesen goldenen Fesseln.

°°°

Es war bereits kurz vor Mitternacht. Daniel hatte die junge Frau mit den hängenden Schultern nicht finden können. Er wollte bereits aufgeben, doch da sandte ihm der Allerheiligste erneut eine Botschaft. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Daniel hätte da bereits ahnen sollen, dass er einen eigensinnigen Humor hatte. Doch so schnell lernte er dann doch nicht aus seinen Fehlern.

Die Sonne war unter gegangen. Die Straßenlaternen spendeten ihr warmes gelbes Licht. Daniel suchte sich gerade eine windgeschützte Stelle in einem breiten Hauseingang, in dem er die Nacht verbringen wollte. Da hörte er eilige Schritte auf sich zukommen. Hastig, straff liefen fünf hochgewachsene, bedrohlich wirkende Personen an seinem Versteck vorbei.

Sie trugen allesamt dunkle Ledermonturen. Ihre Kleidung und ihr Haar war mit filigranen silbernen Ketten und Anhängern geschmückt. Als Daniel ihnen hinterher sah, bemerkte er lange Messer und Speere auf ihren Rücken. Auch sie waren mit silbernem Schmuck verziert.

Daniel schluckte schwer. Das viele Silber. Die dunkle Kleidung. Das waren Dämonenjäger. An der Straßenecke vor ihm blieben sie stehen und sahen sich um. Leise ging Daniel auf die Knie. Vorsichtig, bloß kein Laut, schlich er sich hinter sie und hockte sich hinter einen einbetonierten Mülleimer.

"Weit wird sie nicht sein",  vermutete einer von ihnen mit rauer Stimme.
"Team drei und fünf haben Leichen in den engen Gassen im Norden und Osten gemeldet", erwiderte eine stramm stehende Frau. Ihr Haar war zu einem straffen Knoten geflochten. "Sie wird sich am vom Hauptmarktplatz bis zum äußeren Rand der Stadt vorarbeiten. Dämonen gehen strukturiert vor. Ich habe noch nie erlebt, dass sie keinen bestimmten Weg auf ihrem Feldzug zurückgelegt haben."
Der Mann mit der rauen Stimme nickte zustimmend. "Sie arbeiten sich immer in Kreisbewegungen vorwärts. Da wir uns im Südosten befinden, wird es nicht lange dauern bis sie hier auftaucht."
"Hoffen wir, dass um diese Uhrzeit nur noch wenige unterwegs sind."

Die fünf Jäger sahen sich ein letztes Mal um, bevor sie nach links verschwanden. Mit vor Angst geweiteten Augen ließ sich Daniel an dem Müllbehälter herabrutschen. Das war sie. Das musste sie sein! Er hatte zu lange gebraucht. Jetzt war es zu spät. Die Jäger würden sie töten, weil sie tötete. Und wenn sie sich hier hinbegab, würde sie auch ihn ins Visier nehmen. Denn zu dieser Jahreszeit waren um Mitternacht nur noch Obdachlose und Feiernde außerhalb ihrer schönen warmen Wohnungen. Und Dämonen hatten einen unstillbaren Hunger nach Tot, nach Blut und Schmerzensschreien.

Schlitternd rannte Daniel zurück in seinen Hauseingang. Lieber würde er die ganze Nacht davonlaufen und kein Auge zu tun als hier zu warten, bis sie ihn fand. Eilig sammelte er sein Hab und Gut ein, als ihm das silberne Band entgegenleuchtete. Der Mond bewegte sich stärker als davor. Sie musste tatsächlich ganz in der Nähe sein. Zitternd hob Daniel das Armband vom Boden auf.

War es richtig von ihm einfach so zu verschwinden? Er hatte ihren Talisman. War es möglich, dass er sie aufhalten konnte? Vielleicht sollte er das Band an die Jäger übergeben, dann war er es los und konnte verschwinden.

Nein. Daniel schüttelte den Kopf und packte es entschlossen zurück in seine Tasche. Die Jäger würden sie niemals retten, sie wollten sie eliminieren, um jeden zukünftigen Schaden, der von ihr ausging, vorzubeugen.

Doch er konnte es tun. Er musste es sogar. Sie hatte ihm ihr letztes Geld gegeben. Ihre letzte gute Tat hatte sie ihm geschenkt. Er war es ihr schuldig. Wenn er sie nicht versuchte zu retten, dann würde es niemand tun.

Ein tiefer Atemzug. Und ein weiterer. Zitternd schloss Daniel für einen Moment die Augen. Die Angst hatte ihn gepackt, doch sie würde ihn nicht kontrollieren. Er wollte ein besserer Mensch werden. Er wollte einen Nutzen für die Gesellschaft haben. Er wollte es wert sein zu leben.

Das hier würde seine gute Tat werden. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Er schulterte seinen Rucksack, hielt ihn fest an den Trägern und ging entschlossen auf das Ende der Straße zu. In die Richtung, in die die Jäger unterwegs waren. Sie würden die Frau sicherlich eher aufspüren als er. Und wenn sie sie hatten, musste er nur noch so schnell wie möglich handeln. Zwischen sie gehen und ihr das Band geben.

Bestimmt würde es nicht so einfach werden, doch er klammerte sich an diese letzte Hoffnung, um die Panik zu unterdrücken, die drohte Besitz von ihm zu ergreifen.

Fast einen eisglatten Kilometer weiter, an heruntergekommenen Häusern und einem wasserlosen Brunnen vorbei hörte er es plötzlich.

Ein Schrei, entfesselt aus dem brennenden Herzen der Hölle. Ein zweiter folgte, so angsterfüllt, dass ihm die Tränen in die Augen schossen. Gänsehaut rannte Daniels Rücken hinab.

Als er um eine Ecke bog, sah er sie. Eine dunkle Kreatur, die der unglücklichen Frau keinen Hauch ähnelte. War sie das? Sollte sie wirklich dieses Monster sein?

Es war riesig. Sein von Reißzähnen gespicktes Gesicht befand sich auf Höhe der dritten Etage des Einfamilienhauses neben ihm. Augen, bösartiger als es ein Mensch je sein konnte, funkelten zu ihm herab. Mit ihren langen Klauen hielt sie einen blutigen Fleischklumpen umklammert. Das musste der leblose Körper desjenigen sein, zu dem der zweite Schrei gehört hatte.

Um die krallenbesetzten Füße des Dämons hatten sich nicht nur die fünf Jäger von vorhin aufgestellt, es waren dutzende die ihn mit Schwertern und Lanzen versuchten in Schach zu halten.
Ihre dunklen Anzügen verschmolzen geradezu mit der Dunkelheit, die durch die zerschmetterten Laternen am Rand des kreisrunden Platzes entstanden war. Doch sie waren nichts gegen diese allumfassende Schwärze des Monsters. Seine Haut schien das Licht praktisch einzusaugen. Es war wahrhaftig ein Diener des Teufels.

Mit einem Fauchen, das Daniel durch Mark und Bein ging, holte es aus und warf den zerfetzten Körper seines Opfers nach den Jägern, die ihm am nächsten standen. Blut spritzte. Drei hochgewachsene Gestalten gingen zu Boden. Wie sollte Daniel bei dieser Übermacht je nah genug an sie heran kommen?

Er zitterte wie Espenlaub, während er sich hinter dieser letzten Mauer versteckt hielt, die ihn gerade so vor dem Unheil vor seinen Augen schützte. Wie konnte er nur jemals denken, dass es gut war, das Richtige zu tun? Dass er dazu im Stande war, es zu tun? Er war ein Nichts, ein Niemand. Er war weder mit einem starken Körper, noch mit einem starken Geist gesegnet. Und doch saß er hier. Auf den kalten Steinen hinter einer niedrigen Mauer und hoffte nicht gefressen zu werden. Nur weil er ein besserer Mensch sein wollte.

Genau das war es. Dies sollte der Anfang eines neuen Lebensabschnitts für ihn werden. Und die junge Frau mit den traurigen Augen hatte etwas besseres verdient als den Tod durch das blanke Metall, mit dem ihr die Jäger nun wieder näher kamen. Es war seine Bestimmung sie zu retten.

Wieder fauchte sie. Doch diesmal glaubte Daniel, tatsächlich einen Hauch von Angst in ihrer Stimme zu erkennen. Sie war noch da drin. In diesem Monster. Er war sich ganz sicher.

Drei Frauen mit langen, schweren Schwertern traten Schulter an Schulter auf sie zu. Sie schlug nach ihnen mit ihren langen, blutigen Klauen, doch sie griffen sie zuerst an. Ihre Klingen schlugen in ihr schwarzes Fleisch. Von ihren Armen tropfte Dunkelheit auf sie herab. Ein schrecklicher, panischer Schrei und eines ihrer Beine knickte ein. Zwei weitere Jäger hatten ihre Speere in ihrer Wade versenkt.

Angsterfüllt starrte Daniel zu ihr auf. In ihr furchtbar entstelltes Gesicht, so furchteinflößend und doch, dort hinter diesen glühenden, hasserfüllten Augen musste sie irgendwo sein.

Blut spritzte. Der Körper eines schwarz gekleideteten Mannes wurde gegen Daniels Mauer geschleudert. Schmerzerfüllt stöhnte dieser auf und bewegte sich dann nicht mehr. Um den Dämon herum stiegen nun dunkle Wolken auf. Waberten um ihn herum und hüllten den gesamten Platz ein. Es roch nach Asche und der beißende Gestank verbrannter Haut stieg Daniel in die Nase. Entsetzt duckte er sich und suchte in seinem Rucksack nach einem Stück Stoff, das er sich über Mund und Nase binden konnte.

Hustend und keuchend flohen die Jäger vor der Macht ihres Gegners. Doch sie folgte ihnen mit riesigen Schritten. Ihre Krallen kratzten über das Kopfsteinpflaster, zogen Furchen durch den Stein. Sie hatte die Leiche einer Frau mit langen dunklem Zopf fest im Griff. Aus ihrem Maul tropfte ihr Blut. Immer näher kam sie Daniels Versteck. Doch die übrigen Jäger positionierten sich neu. Stellten sich ihr erneut entgegen mit allem, was sie hatten.

Sie streckte ihre langen Finger nach ihnen aus, wollte sie sich einfach packen und zerquetschen. Ihre Haut war ledrig, an einigen Stellen schon verfault. Die Finger knochig, als wäre sie schon seit Jahrhunderten auf dieser Welt. Ein widerlicher Gestank ging von ihnen aus, Fäulnis und Tod. Die scharfen Krallen blitzten auf. 

Doch plötzlich schreckte sie zurück. Ihr Rücken krümte sich unnatürlich nach hinten, sie schrie und ihre lange gespaltene Zunge schoss aus ihrem Maul. Ihre wütenden Augen verdrehten sich nach hinten, als sie in die Knie ging und den Körper der Frau fallen ließ. Blut tropfte auf den Boden, dunkel, fast schwarz.

Ein Jäger hatte sich ihr von hinten genähert und ging nun langsam auf sie zu. Er hielt eine silberne Armbrust im Anschlag. Einer seiner Pfeile steckte bereits in ihrem unteren Rücken. Das Monster krümmte sich immer weiter, hatte die Krallen schmerzerfüllt in den Boden gerammt. Das war Daniels Chance, der Schuss war nicht tödlich gewesen, aber vielleciht würde es sie lange genug in Schach halten, um sie zu befreien.

Fest hielt er den glänzenden Talisman umklammert, als er sich vorsichtig aufrichtete. Seine Beine konnten ihn kaum tragen, doch er machte einen Schritt um die Mauer herum auf sie zu. Durch ihren schwarzen Nebel konnte er nicht viel erkennen, also tastete er sich langsam vorwärts, immer näher auf die riesige Gestalt zu, die sich auf dem Boden wand. Er würde es schaffen, er würde ihr helfen und dann würde er rennen, so schnell ihn seine unsicheren Beine tragen würden.

Ihr Atem rasselte, als sie einen tiefen Luftzug ausstieß und mit ihm eine weitere Wolke der Asche, die sie umgab. Stein brach, als sie ihre Krallen mit aller Kraft in den Boden unter sich bohrte und sich ein weiteres Mal aufbäumte. Sie warf ihren Kopf in den Nacken, ihre Augen glühten, die Zähne glänzten von Blut. Sie holte aus, gerade in dem Moment, in dem Daniel in ihre Reichweite kam. Er duckte sich und spürte den Windstoß, als ihre Hand knapp über seinen Kopf hinwegflog.

Schwer atmend hockte er auf den Knien, starrte zu ihr hoch. Sie begann wild um sich zu schlagen. Ihre eigene Asche nahm ihr die Sicht. Daniel schlitterte über die glitschigen Steine, als sie erneut in seine Nähe kam. Auch die Jäger hatten sich wieder gefangen. Sie beobachteten ihn, blieben aber in sicherer Entfernung. Sie mussten denken, er wäre ein Wahnsinniger mit Todessehnsucht. Aber vielleicht war er ja genau das.

In diesem Augenblick hielt sie inne. Sie sah sich um, bis ihr Blick plötzlich ihn fiksierte. Sie hatte ihn entdeckt. Nun gab es kein Entkommen mehr. Zu diesem Schluss musst auch der Jäger mit der Armbrust gekommen sein, denn er legte seine Waffe erneut auf sie an, während ihre Aufmerksamkeit ganz allein Daniel galt. 

Die Panik hielt ihn fest in ihrem eisernen Griff. Er konnte sich keinen Millimeter rühren, als das Monster sich in seine Richtung bewegte. Sie legte den Kopf schief und beugte sich langsam zu ihm hinab. Zu langsam, er hatte Zeit genug, sich jedes Detail ihres schrecklichen Gesichts einzuprägen. Die spitzen Zähne, die so lang waren wie sein ganzer Arm. Sie ragten aus einem lippenlosen Mund hervor, der weit aufgerissen war, bereit zum Zubeißen. Ihre schräg gestellt Augen glänzten wie schwarze Tinte. Er sah sein eigenes durch die Furcht verzerrtes Gesicht in ihnen.

Immer näher kam sie und Daniel konnte nur zittern und sich sonst nicht bewegen. Seine eiskalte Hand umklammerte das silberne Band fester als zuvor. Wenn er sich doch nur hätte rühren können. Die Jäger hatten sich in seiner Nähe aufgeteilt, doch keiner wagte es, diese seltsame Begegnung zwischen zwei Welten zu unterbrechen. Der Dämon war nun so nah, dass er seinen fauligen Atem riechen konnte. Was hatte er nur vor? Würde er ihn wirklich fressen? Sollte sein Leben einfach so vorbei sein?

Nein! Das konnte nicht sein. Was wäre das für ein erbärmliches Ende für sein erbämliches Leben? Er hatte keines seiner Ziele bisher erreicht. Er hatte gerade erst beschlossen, dass er ein besserer Mensch werden wollte. Heute sollte doch der Tag sein, der seinen Neuanfang symbolisierte. Was wäre das für ein sinnloses Ende?

Eine einzelne Träne lief Daniels Wange hinab und brannte sich in seine eiskalte Haut. Zittrig holte er Atem. Einmal. Zweimal. Wäre da nicht die Höllengestalt direkt vor seinem Gesicht, würde er auch noch die Augen schließen, um sich endgültig zu beruhigen. Doch das wagte er nicht. Schließlich, nach dem dritten Atemzug, ging unmerklich ein Ruck durch seinen erstarrten Körper. Der junge Mann hatte einen Entschluss gefasst. Wenn er sich beschlossen hatte sein neues Leben hier zu beginnen, dann sollte es so sein. Und er würde das hier durchziehen. Er würde die Frau in dem Dämon retten. Und er würde hier nicht sterben.

Eine heiße, stinkende Atemwolke schlug ihm entgegen. Kalte Augen starrten ihn an. Und er schaute zurück. Er würde nun auf sie zugehen. Und keinen Schritt rückwärts machen. Also stand Daniel auf. Stocksteif stand er da, vor diesem Ungeheuer. Und er ging auf sie zu. Sah sie unverwandt an und ging auf sie zu. Ihr Kopf blieb wo er war. Sie lehnte sich keinen einzigen Millimeter zurück.

Gerade als Daniel dachte, er wäre nun nah genug, um ihr das Band an die ledrige Haut zu halten, veränderte sich ihr Blick. Ihre Augen wurden schmaler. Sie schaute ihm nicht mehr ins Gesicht, sondern hatte sich dem Talisman in seiner Hand zugewandt. Erkennen spiegelte sich in ihr wider. Daniel schluckte im gleichen Moment, in dem er die Krallen auf sich zurasen sah.

Er sah Blut. Verschwommene Gesichter. Er hörte Schreie. Menschliche und dämonische.

Und dann war alles schwarz.

°°°

Keuchen. Rasselnder Atem. Eiskalte Luft.

Asche.

Überall war Asche. Erfüllte die Luft. Ihre Lunge.

Sie keuchte.

Ihre Arme zitterten. Ihr Rücken krümmte sich. Sie würgte. 

Sie kauerte auf dem Boden. Kopfsteinpflaster. Nass. Es regnete. Der Regen wusch die dunklen Wolken um sie herum weg.

Da waren tiefe Spuren im Stein. Unmenschlich. Dämonisch.

Langsam hob sie den Kopf. Ihr Nacken schmerzte. Ihr Haar hing ihr in feuchten Strähnen in die Stirn. Da lag er. Dicht vor ihr. Ein zertrümmerter Körper, die Kleidung von Blut getränkt. Zerfetzt.

Bilder schossen durch ihre Erinnerung. Menschen. Leichen. Schreie, Todesschreie.
Und da. Ein silbernes Band in all der Dunkelheit, die sie umgab. Ein Licht. Mondeslicht.

Sie riss die Augen auf, starrte ihn am. Den Obdachlosen, dem sie ihr letztes Geld gegeben hatte. Sie sprang auf und rutschte mehr, als dass sie lief auf ihn zu, ließ sich vor ihm zu Boden fallen.

Ihre Hände schwebten über seinem leblosen Körper, der vom Regen ganz durchweicht war.

Was war passiert? Was sollte sie tun?
Da plötzlich öffnete er flatternd die Augen. Sein Brustkorb hob sich angestrengt. Seine Atmung war flach. Ein rauer Husten kämpfte sich seine Kehle entlang. Sie schlug die Hände vors Gesicht, als Blut an seinem Mundwinkel hinablief.

Sein Blick klarte auf, er sah sie an. Durch den Regen hindurch. Als würde er sie schon ewig kennen. Sein Blick auf ihr entblößtes Handgelenk. Auch ihre Kleidung war zerrissen, doch da schimmerte es silbern über ihrer Hand. Erstaunt hob sie ihren Arm und betrachtete den wippenden Mond. Ihren Talisman.

Sie hatte ihn doch verloren. Die Kälte hatte sie doch fest in ihrem Griff gehabt. Doch nun fühlte sie sich warm. Ihr Herz schlug und sie zitterte nicht. Sie fühlte sich menschlich.

Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des dunkelhaarigen Mannes, der vor ihr lag. Konnte es sein? Hastig rutschte sie noch näher zu ihm. Sie nahm eine seiner Hände in ihre. Spürte die Wunden an ihnen und hielt sie sanft.

"Hast du es mir zurück gebracht?", fragte sie. "Hast du mich davor bewahrt, ein Unheil zu begehen?"

Er antwortete nicht. Sein Blick schweifte von ihr ab, hinter sie. Als sie sich umdrehte, standen da zehn dunkel gekleidete Personen. Silberner Schmuck glänzte an ihren trainierten Körpern. Sie beachteten sie nicht und bedachten stattdessen ihren Retter mit einem wissenden Blick, dann machten sie auf dem Absatz kehrt und verschwanden in der Schwärze der Nacht.

Mia blickte ihnen nach, bemerkte die blitzenden Waffen auf ihren Rücken. Sie schluckte schwer. Ihr Körper begann erneut zu zittern. Das waren Jäger. Und sie hatten sie verschont. Sie hatten sie am Leben gelassen. Wegen ihm.

Wieder sah sie ihm in die Augen. Augen die sich nun trübten. Sein Atem wurde langsamer, wie der eines Schlafenden. Er blinzelte ein letztes Mal, um sie anzusehen. Dann schloss er die Augen. Seine Hand rutschte aus ihrer. Regentropfen liefen sein fahles Gesicht hinab wie leblose Tränen. Ein verkrampftes Lächeln zierte es, doch er begann sich zu entspannen.

"Ich sterbe als guter Mensch."

°°°
Uinonah

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