Während der Fahrt zur Schule starrte ich hauptsächlich aus dem Fenster. Es war endlich Frühling geworden. Es war allerdings auch erst der 6. März, dass es da nicht besonders warm war, war dann doch keine Seltenheit. In letzter Zeit hatte ich mich immer wieder mit Luna getroffen, sie war nur ein paar Tage jünger als ich. In letzter Zeit hatte sie sich irgendwie ein wenig verändert, aber was es war konnte ich nicht erklären. Es war nur eine Art Eindruck, körperlich nicht wirklich. Ihr Charakter hatte sich nicht wirklich verändert, nur mich beschlich ein leichter Verdacht. Bis zur 11. Klasse hatte ich einen Mitschüler gehabt, der schon von klein auf als Trans geoutet war. Irgendwie sah ich da ziemliche Ähnlichkeiten.
Der Mitschüler hatte Lukas geheißen, nach der 10. Klasse hatte er die Schule verlassen. Soweit ich wusste machte er mittlerweile eine Ausbildung zum Schreiner. Er war noch in unserer alten Klassengruppe, in der noch ab und zu geschrieben wurde. Seit er 14 war nahm er Testosteron und seine Veränderungen erinnerten mich irgendwie daran. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Luna danach zu fragen, war mir dann doch zu unhöflich. Aber wenn überhaupt war sie wohl eh trans in die andere Richtung. Sonst würde sie sich nicht Luna freiwillig nennen und in einer Wohngruppe leben, die da sicher so etwas nicht verbieten würden. Es ging ja auch um den psychischen Schutz von Kindern und Jugendlichen. Ich hatte keine Ahnung, wie sie in der Wohngruppe gelandet war.
Im Endeffekt ging es mich aber auch nichts an, ob sie es war oder nicht. Wobei ich mir schon eingestehen musste, dass ich mich ein wenig in sie verliebt hatte. Dafür wäre es mir egal, ob sie nun wirklich trans war oder nicht. Ich war fest lesbisch, was die Person zwischen den Beinen hatte war mir egal. Zumindest so lange sie sich als weiblich oder nicht-binär identifizierte. Es gab nichts was mich daran hinderte. Nicht einmal mein Vater, der LGBTQ+ hasste konnte es verhindern. Aber ob meine Gefühle erwidert wurden, wusste ich nicht. Ich wollte ihr auch nicht einfach schreiben und sie danach fragen, es wäre mir zu unhöflich. Aber vielleicht ergab sich irgendwann mal eine Chance es erkennen, wer sie interessierte.
Kurz vor meiner Ankunft warf ich noch einen Blick auf mein Handy. Ich hatte keine neuen Benachrichtigungen. Aber Luna hatte etwas Neues in ihren Status gestellt, ein Selfie von ihr im T-Shirt. Viel Oberweite hatte sie nicht, ich hatte sie aber nie wirklich ohne einen weiten Hoodie gesehen, der die Brüste bei ihr unsichtbar machte. Jetzt sah man zumindest ein bisschen was. Ich blinzelte als das Statusbild wegging. Ich hatte sie ernsthaft die ganze Zeit angestarrt, bis die Meldung weggegangen war. Ich schüttelte den Kopf unwillig, um das Foto wieder aus meinen Gedanken loszuwerden. Zu meinem Glück wurde jetzt meine Haltestelle durchgesagt. Ich steckte mein Handy in meine Hosentasche und schnappte mir meine Schultasche. Schule würde meine Gedanken hoffentlich in eine andere Richtung lenken.
Montagmorgen, erster Block Latein, da konnte ich auch direkt wieder ins Bett fallen, allein schon der Gedanke daran machte mich müde. Immerhin musste ich Luna so nicht sehen, Latein hatte ich nur mit Sera. Sera hasste Latein genauso sehr wie ich, aber wir beide hassten Englisch auch, also mussten wir durch Latein. Ich ließ mich auf meinen Platz neben Sera fallen und legte den Kopf auf den Tisch. „Müde?" Sie wuschelte mir durch die Haare und ich schüttelte den Kopf: „Nur keine Lust auf Latein." „Ich auch nicht", Sera bearbeitete meine Haare hartnäckig. Ich hatte sie heute Morgen zu einem losen Pferdeschwanz gebunden, obwohl ich wusste, dass Sera den an mir hasste. Sie fand, dass der meine Haarschönheit versteckte, weil er ihr zu lässig aussah.
Dazu hatte ich mir heute selbst einen oversized Hoodie mit Regenbogen vorne drauf angezogen. In meinem Jahrgang wussten eh die meisten, dass ich auf Frauen stand. Vorallem war ich aber auch nicht die Einzige, einer meiner ehemaligen Klassenkameraden war schwul und noch jemand nicht-binär. Es war für uns in der Klassengemeinschaft auch einfach kein Problem. Wir hatten viele Atheisten im Jahrgang und viele, die es einfach nicht juckte. Durch die Unterstützung waren vermutlich auch, die die es juckte, still. War aus meiner Sicht besser für uns alle, so war unser Jahrgang friedlich. Der Jahrgang unter uns sorgte schon für genug Ärger an der gesamten Schule. Sie hatten schon genug scheiße fürs gesamte Leben von uns gebaut. Immerhin mussten wir sie nur noch etwas mehr als ein Jahr ertragen.
Latein brachte mich tatsächlich fast zum Einschlafen aber zum Glück nur fast. Die nächste Klausur war nicht mehr allzu weit weg. Nur noch eine Woche bis sie angesetzt war, dann hieß es übersetzen was die Römer reimten. Zu meinem und Seras Pech leider ohne Frag Cäsar und Google Translate. Ich wusste zu gut, dass Schummeln in Prüfungen einfach nur dumm war. Ich hatte schon zwei Mal in meiner Schulzeit erlebt was dann passierte. Beide meiner Mitschüler hatten dafür eine Sechs und eine Klassenkonferenz bekommen. Beide hatten nämlich mit dem Handy geschummelt, das war in der kompletten Unterstufe für alle verboten. Nicht einmal in den Pausen durfte man hier bis zur 11. Klasse das Handy nutzen. Ich hatte fast nie mein Handy mit zur Schule gebracht.
Mit Sera im Schlepptau machte ich mich auf den Weg zu unserer üblichen Bank. Mabel thronte schon im Schneidersitz darauf und schob sie Apfelspelten in den Mund. Ich ließ mich neben sie auf die Bank sinken und Sera plumpste zu mir. „Na wie war Englisch?" Wollte sie von der Braunhaarigen wissen, die mit dem Verschluss ihrer Brotdose spielte. Mabel zuckte mit den Schulter und nahm noch eine Apfelspelte aus der Dose: „Normal und Latein?" „Ein Traum zum Einschlafen", seufzte ich und nahm meine Brotdose aus meiner Tasche. Mabel schnaubte als Sera zu lachen begann: „Würde der Lehrer nicht so laut reden, würden wir schlafen." „Ich weiß", Mabel lachte dreckig: „Das erzählt ihr mir berechtigterweise jeden Montag nach Latein, der Lehrer ist Mist."
Während die anderen beiden über die Vorzüge von Englisch zankten wanderte mein Blick über den Schulhof. Er blieb schließlich an Luna hängen, die auf einer anderen Bank saß und ein Buch las. Sie sah irgendwie einsam aus, in ihrer mittelblauen Jacke und der schwarzen Mütze, aus der hinten ihr Flechtzopf ragte. Irgendwie ließ sie das niedlicher wirken, als sie tatsächlich war. Für mich machte sie das aber irgendwie auch attraktiver als sonst. Ich schüttelte den Gedanken wieder aus meinem Kopf und ließ den Blick wieder über den Schulhof gleiten, eigentlich war hier alles wie sonst in einer normalen Hofpause an dieser Schule. Ein paar jüngere Schüler spielten Fußball auf der aufgeweichten Wiese vor der Sporthalle. Der ganz normale Wahnsinn an dieser Schule den ich seit acht Jahren kannte.
Naja zumindest normal, bis ich nach der achten Stunde mit Sera zur Bushaltestelle lief. Mein Blick fiel zufällig auf ein Mädchen mit dunklen Haaren, dass zwischen den Fahrradständern kniete. „Geh schonmal vor", wandte ich mich an Sera und näherte mich dem Mädchen vorsichtig. Ihre waren gelockt, sie trug eine dunkelviolette Jacke und Jeans. Die Haare reichten ihr nur bis zu den Schultern und sie bastelte an der Luftkappe herum. „Hey, kann ich dir helfen?" Ich trat an das Fahrrad heran, das ganz offensichtlich mal mindestens vorne einen Platten hatte. Doch kaum hatte mich das Mädchen mich bemerkt, sprang sie auf und rannte über den Hof weg. Ich kniete mich neben das Fahrrad und untersuchte den Hinterreifen. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte was passiert war.
Dem Mädchen gehörte das Fahrrad nicht. Sie hatte die Reifen vermutlich mit einem Messer zerstochen, um jemandem zu schaden. Das war eine Sachbeschädigung und ich musste wohl besser die Polizei rufen. Mein Vater hatte, als er noch hier gewohnt hatte, oft solche Fälle gehabt. Ich zog mein Handy aus der Tasche und tippte die 110 in mein Handy ein. Der Bildschirm färbte sich rot, als mein Handy den Notruf wählte. In knappen Worten erklärte ich dem Polizisten was passiert war und er beauftragte mich damit, dort zu warten, bis die Besitzerin und die Polizei kamen. Ich schrieb Sera eine kurze Nachricht, wo ich ihr erklärte, was passiert war. Alles gut, halt die Ohren steif, schrieb Sera mir zurück und ich schrieb Danke zurück.
Wenig später stand auch schon die Besitzerin des Damenrads vor mir. Zu meiner Überraschung war es niemand geringeres als Luna. Aber was hatte ich mir auch bei einem 28 Zoll Damenrad mit hohem Sattel gedacht. Nicht viele Frauen waren so groß, Luna war über 1,80 m schätzte ich. Ihre blaugrünen Augen wurden groß, als sie sah, was mit ihrem Fahrrad passiert war. „Ich wars nicht", ich öffnete meine Jacke, um ihr zu zeigen, dass ich nichts dabei hatte. „Hätte ich auch nicht gedacht", Luna schloss das Fahrrad auf und zog es aus dem Ständer. „Ich hab eine Luftpumpe dabei, aber ich glaub nicht, dass das was bringt." „Ich auch nicht", ich zeigte auf den aufgerissenen Mantel des Vorderrads: „Die Polizei kommt schon."
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