II.
Das kleine Mädchen kniff die Augen fest zusammen und presste sich die Hände auf die Ohren. Jaro handelte sofort. Er legte seine Hände schützend über ihre, bis es vorbei war. Erst dann ließ er los.
Er atmete schwer. "Du kannst mich sehen und das hören?"
Sie nickte, das Gesicht vor Furcht verzogen. "Was ist das?", flüsterte sie.
Jaros Blick wanderte in den Himmel. Über ihnen tanzten die Nordlichter zu einer unsichtbaren Symphonie. Sie wiegten auf und ab, wie seichte Wellen am Meer. Vor und zurück, und doch kamen sie niemals vom Fleck, bis sie irgendwann verblassen und verschwinden würden. Genauso fühlte Jaro sich manchmal. Wehmütig schloss er die Augen und umklammerte die Pipette mit dem Nordlicht, als wäre es sein letzter Halt. Vor und zurück - nie hatte eine seiner Lichtproben Wirkung erzielt. Seit Jahrhunderten reiste er durch die Galaxien - ohne Erfolg. Bloß würde sein Planet nicht nur verblassen und verschwinden, wenn er es nicht bald schaffte ...
Die Zeit rannte, doch er kam nicht vorwärts, egal wie viel er sich bewegte.
Wie von selbst langte Jaro nach seiner Karte. Das Papier fühlte sich rau unter seinen Fingern an, als er es aufrollte. Ein heller Lichtpunkt leuchtete dort - genau hier in Finnland, auf der Erde. Deshalb war er hergekommen. Die Karte hatte ihn zur nächsten Lichtquelle geführt, zu den Nordlichtern.
Nun interessierte ihn hauptsächlich eine andere Sache. "Siehst du den dunklen schwarzen Fleck am anderen Ende der Galaxie?", fragte er. "Das hast du gerade gehört. Das schwarze Loch ist aufgewacht."
Er war sich nicht sicher, warum er ihr das erzählte. Aber nachdem er stets unsichtbar gewesen war - ungesehen und ungehört - fühlte es sich gut an, mit jemandem zu sprechen.
"Es sieht aus wie ..."
"Eine gigantische Schildkröte, ich weiß. Das ist es auch. Sieh her, jetzt schwimmt sie weiter."
Das hungrige Maul kannte nur ein Ziel: Den nächsten Planeten, den es verschlingen konnte.
Das Mädchen tippte auf den kleinen Punkt in der Nähe vom Maul des schwarzen Loches, den sie wahrscheinlich zurecht als nächste Mahlzeit erkannte. "Was ist das?"
"Planea", sprach Jaro. "Mein Heimatplanet."
"Oh." Sie biss sich auf die Lippe. "Du bist kein Feuerfuchs, oder?"
Jaro seufzte. "Ich wünschte, ich wäre es."
Aber er konnte nicht einfach über den Himmel rennen und so ein Licht entfachen. Das Einzige, was er konnte, war mithilfe der Karte Galaxiesprünge zu machen.
Das würde er auch jetzt tun. Jaro platzierte seinen Ring über der Karte, genau auf Planea. Sofort spürte er den Sog der anstehenden Reise. Sein Ring wurde warm. Sein Körper genauso, er spürte das aufregende Kribbeln in jeder Zelle.
In den letzten Sekunden vor dem Absprung sah er zum Mädchen. Es war ein spontaner Impuls, gefüllt mit Neugier. Vielleicht war es auch das Wissen, dass er ihr helfen musste, oder dass sie ihm helfen konnte - bevor Jaro weiter darüber nachdenken konnte, hatte er seine Hand schon ausgestreckt. "Du willst mitkommen?"
"Ja." Sie ergriff seine Hand. Jaro wurde heiß und kalt zugleich, wie gerade, als er das Nordlicht genommen hatte. Die Welt verschwamm und der Sog des Ringes nahm Überhand. Gemeinsam tauchten sie kopfüber ein. Der Schnee und die kalte Nacht Finnlands rückten in weite Ferne, als würde eine Schleuder sie loslassen und ihnen einen Moment Schwerelosigkeit schenken. Ein Ruck - ein Sprung. Auch wenn nur Licht mit Lichtgeschwindigkeit reisen konnte, fühlte es sich jedes Mal so an, als könnte Jaro es auch.
Freiheit. Fliegen. Fallen.
Jaro hielt die Luft an, als seine Füße auf Planea landeten. Wie immer brauchte er eine Sekunde, um sein Gleichgewicht zu finden, während er das schwankende Mädchen festhielt.
Erst dann schlug Jaro die Augen auf.
Statt einem Mond schwebten zwei gigantische Augen neben dem Planeten. Sie waren offen, jetzt, da die Schildkröte erwacht war, und starrten ihn direkt an. Jaro wich zurück. Augenblicklich hatte er einen Kloß im Hals, der so groß wie ein Meteorit war. Er konnte kaum atmen. Statt dem sternenbedeckten Himmel ragte der tiefschwarze Panzer über ihnen auf und verdunkelte seine Welt, wie ein Krümel im Schatten.
"Ahh!" Das Mädchen wich zurück und versteckte sich hinter seinen Beinen. So wie sie sich an ihm festklammerte, fragte Jaro sich, was in ihn gefahren war, dass er sie hergebracht hatte. Ihm selbst wurde jedes Mal schwummrig und eine Welle der Hilflosigkeit drohte ihn zu übermannen, wenn er die großen Augen und das noch größere Maul als schwarzes Loch sah.
Also drehte er der schwarzen Schildkröte den Rücken zu und sorgte dafür, dass das Mädchen ihm gleichtat. "Wie heißt du?"
"Swea", antwortete sie.
"Ich bin Jaro. Willkommen auf Planea, dem schönsten Planeten der ganzen Galaxie - oder zumindest dem, was davon noch übrig ist."
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