22. Dezember: Unvorhergesehene Gefahr
Der nächste Morgen begann friedlich – zu friedlich, wie Harry später feststellen sollte. Nach der unerwartet angenehmen Zeit, die er und Draco im geheimen Kaminraum verbracht hatten, fühlte er sich seltsam entspannt. Vielleicht ein bisschen zu entspannt, denn er bemerkte die Blicke nicht, die Draco ihm während des Frühstücks zuwarf, und verpasste beinahe die Ankündigung von Professor McGonagall.
„Die nächste Aufgabe des Adventskalenders findet in der alten Halle statt.", verkündete sie. „Alle Teilnehmer werden erwartet, sobald sie mit dem Frühstück fertig sind."
Harry sah auf und bemerkte, dass Draco ihn bereits erwartungsvoll ansah. „Bereit?", fragte Draco leichthin, doch in seiner Stimme schwang ein Hauch von Nervosität mit.
„Natürlich.", antwortete Harry und schob seinen Teller weg. „Was könnte schon schiefgehen?"
Die alte Halle war ein Teil von Hogwarts, der normalerweise unzugänglich war. Die hohen Decken waren von Spinnweben durchzogen, und das Licht der Fackeln warf lange, flackernde Schatten auf die Wände. Harry und Draco waren die Ersten, die eintrafen, was ihnen ein paar Augenblicke gab, die Umgebung zu inspizieren.
„Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl bei der Sache.," murmelte Harry, während er eine zerfallene Säule betrachtete. „Warum nutzen wir nicht die große Halle für diese Aufgabe?"
Draco zuckte mit den Schultern. „Vielleicht, weil sie wollen, dass wir ein bisschen Spannung erleben?"
„Oder, weil sie uns testen wollen.", sagte Harry grimmig.
Bevor Draco antworten konnte, erschienen Hermine und Ron, dicht gefolgt von Professor McGonagall. Sie hielt eine alte, verblasste Schriftrolle in der Hand, die aussah, als würde sie sich jeden Moment in Staub auflösen.
„Ah, gut, dass ihr alle hier seid.", begann sie und rollte die Pergamentrolle vorsichtig auf. „Die heutige Aufgabe ist etwas... anspruchsvoller. Ihr werdet zusammenarbeiten müssen, um ein seltenes magisches Artefakt zu bergen, das irgendwo in diesem Raum verborgen ist."
Harry und Draco tauschten einen schnellen Blick. Nicht schon wieder ein magisches Artefakt.
Die Aufgabe begann harmlos genug. Harry und Draco durchsuchten den Raum, durchstöberten alte Truhen und verstaubte Regale, während sie sich gegenseitig mit spitzen Bemerkungen herausforderten.
„Du könntest wenigstens so tun, als ob du dich anstrengst.", sagte Draco, als Harry sich auf eine Kiste lehnte und ihn grinsend ansah.
„Ich lasse dir nur den Vortritt.", erwiderte Harry. „Du scheinst so viel Spaß dabei zu haben, durch den Dreck zu wühlen."
Draco verdrehte die Augen und murmelte etwas, das wie „unmöglicher Gryffindor" klang, bevor er seinen Zauberstab hob und eine Truhe mit einem Summen öffnete.
Plötzlich erklang ein lautes Krachen. Die Truhe explodierte, und eine Welle magischer Energie fegte durch den Raum. Harry wurde zurückgeschleudert, landete hart auf dem Boden und spürte, wie die Luft aus seinen Lungen entwich.
„Was war das?", keuchte er und sah auf, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Draco inmitten eines wirbelnden Nebels stand. Die magische Energie schien sich um ihn zu sammeln, wie eine unsichtbare Kraft, die ihn in die Luft hob.
Draco versuchte, sich zu befreien, doch seine Bewegungen wurden immer langsamer, als ob etwas ihn festhielt. „Harry!", rief er, seine Stimme voller Panik.
Harry reagierte instinktiv. Er griff nach seinem Zauberstab und stürzte sich vorwärts, ohne wirklich zu wissen, was er tun sollte.
„Draco, bleib ruhig!", rief Harry und hob seinen Zauberstab. Er murmelte einen Entzauberungszauber, doch die magische Energie war zu stark. Der Nebel wirbelte weiter um Draco, zog ihn höher in die Luft und ließ Funken fliegen.
„Das funktioniert nicht!", rief Draco, seine Stimme zitterte vor Anstrengung. „Potter, denk dir was aus!"
Harrys Gedanken rasten. Er konnte Draco nicht einfach in diesem magischen Sturm lassen. Mit einem mutigen Sprung packte er Dracos Arm und zog mit aller Kraft. Der Kontakt schien die magische Energie zu beeinflussen – der Nebel wurde schwächer, doch die Funken begannen sich um sie beide zu wickeln.
„Du bist ein Idiot.", murmelte Draco, doch seine Worte klangen mehr erleichtert als verärgert.
„Danke für die freundlichen Worte.", erwiderte Harry, während er weiter an Draco zog.
Schließlich gab der Nebel nach, und beide landeten schwer auf dem Boden, direkt neben der immer noch rauchenden Truhe.
Für einen Moment lagen sie keuchend nebeneinander, unfähig, ein Wort zu sagen. Schließlich drehte sich Draco zu Harry und sah ihn mit einem Blick an, den Harry nicht deuten konnte.
„Warum hast du das getan?", fragte Draco schließlich, seine Stimme leise.
„Was meinst du?"
„Du hättest mich dort lassen können. Es war gefährlich, und du hättest dich verletzen können."
Harry setzte sich langsam auf und sah Draco in die Augen. „Ich hätte dich niemals dort lassen können. Nicht, wenn ich etwas dagegen tun kann."
Draco schnaubte leise, doch in seinen Augen glitzerte etwas, das wie Dankbarkeit aussah. „Du bist wirklich der perfekte Gryffindor, nicht wahr?"
Harry grinste schwach. „Ich nehme das als Kompliment."
Draco erwiderte das Grinsen, und für einen Moment war der Raum erfüllt von einer stillen, unausgesprochenen Verbindung zwischen ihnen.
In diesem Augenblick wurde beiden klar, dass sie einander viel mehr bedeuteten, als sie bisher zugeben wollten – und dass dieses Abenteuer weit mehr war, als nur ein Spiel.
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