20. Dezember
Es ist so viel kälter auf der Straße geworden, seit ich zum ersten Mal ein Zuhause hatte. Oder bin ich die Kälte nur nicht mehr gewöhnt? Wo soll ich jetzt überhaupt hingehen, wo schlafen, wo essen?
Ich sitze im Schnee mitten auf dem Gehweg, um mich herum hunderte Menschen, von denen niemand zu mir sieht. So fühlt es sich also an, wirklich allein zu sein.
Ich versuche es beim Imbissladen. Auf dem Weihnachtsmarkt hatte ich schließlich wenig Glück, brauchbare Mahlzeiten zu finden. Der bäuchige Mann von damals arbeitet eine lange Schlange Kundschaft ab. Jeder hier will etwas zu essen haben.
Weit weg vom Trubel setze ich mich in eine Ecke, sehe dem Mann zu, wie er ein Päckchen um Päckchen über die Theke reicht. So lecker wie die Häppchen der Kinder wird sein Mahl wohl nicht. Ob ich jemals wieder etwas so Köstliches essen werde?
Vermutlich nicht.
Als der Mann seine Schlange abgearbeitet hat, stehe ich auf und strecke mich. Sein Blick huscht sofort zu mir und betrachtet mich mitleidig. Er wischt sich mit einem Tuch über das verschwitzte Gesicht und füllt mir eine magere Mahlzeit ab.
Wie, war das alles, was ich damals gegessen habe?
Ich esse zwar, aber es schmeckt scheußlich und satt werde ich auch nicht. Trotzdem bedanke ich mich, bevor ich flüchtend weiterziehe.
Es war ein Fehler, mich auf die Kinder eingelassen zu haben.
Jetzt weiß ich, was ich nie hatte. Jetzt kann ich es vermissen. Wie soll ich so in mein altes Leben zurückfinden?
Auf dem Weihnachtsmarkt herrscht ein solches Gedränge, dass selbst für meine zarte Figur kaum noch Platz ist. Überall quetschen sich Menschen aneinander, gehen vorwärts als seien sie in einem zähflüssigen Strom gefangen.
Es ist laut, es stinkt und es ist voll.
Ich halte mir die Ohren zu, widerstehe dem Drang, das widerliche Essen wieder hochzuwürgen und verstecke mich hinter einem Stand. Kein Wunder, dass ich die Bratwürste damals nicht vertragen habe.
Und trotzdem suche ich genau diesen Stand wieder auf. Allein der Wärme wegen. Inzwischen sollten mich die Besitzer vergessen haben, also ist es einen Versuch wert, mich eine Zeit lang bei ihnen aufzuwärmen.
Der riesige Andrang hilft mir, unbemerkt ins Innere des Standes zu gelangen. Hier suche ich mir meinen alten Platz unterm Grill und lege mich auf das harte, ungemütliche Holz. Wirklich schlafen kann ich bei dem Lärm und meiner Angst, entdeckt zu werden, nicht, aber zumindest ist mir zum ersten Mal an diesem Tag warm.
Als der Grill abgeschaltet wird, bin ich tatsächlich doch ein wenig weggedöst. Ich genieße die letzte Wärme und bleibe, bis alle Mitarbeiter gegangen sind. Dann mache ich mich zu einer letzten Runde auf, meinen knurrenden Magen mit verfetteten Speiseresten zu füllen.
Die Nacht liege ich auf unbarmherzigem Holz, frierend, hungernd, völlig übermüdet, aber wenigstens vor Schnee geschützt.
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