Happy Birthday, Hinata!
"Drei...zwei...eins...Happy Birthday, Hinata!", schallte es durch die Sporthalle des Karasuno Volleyballclubs und ein lautes Klatschen vieler Hände folgte gleich darauf. Es war das erste mal, dass sie es geschafft hatten, einem ihrer Teamkameraden gesammelt zum Geburtstag zu gratulieren und das sogar noch am richtigen Tag. Suga würde sich später noch dafür auf die Schulter klopfen, dass er alle rechtzeitig eingeweiht hatte und es nicht wieder im Chaos geendet war, wie das letzte mal bei Tsukishima, als sie ihm eine Woche zu spät gratuliert hatten.
Das Geburtstagskind schaute erst etwas verwirrt drein, strahlte dann aber übers ganze Gesicht und machte der Sonne damit ersthaft Konkurrenz. Ihre Überraschung war allen Anschein nach ein voller Erfolg gewesen.
"Wow, ihr habt wirklich alle daran gedacht? Das ist so lieb von euch, danke!", freute sich Hinata und hüpfte aufgeregt auf der Stelle. Das übliche Volleyballtraining hatte noch nicht begonnen und Hinata war wie immer voller Energie und Tatendrang, doch erst einmal musste jeder von ihnen seine persönlichen Glückwünsche äußern, so wie sie es geplant hatten. Das war etwas, wovor Suga sich ein wenig fürchtete.
Zumindest fürchtete er sich vor den Glückwünschen, die Kageyama seinem Volleyballpartner überbringen würde. Kageyama war nicht gerade bekannt dafür, besonders nett zu Hinata zu sein, auch nicht an seinen besseren Tagen. Das Schlimmste daran war, dass er es scheinbar selbst gar nicht merkte, wenn er gerade einmal wieder etwas Gemeines zu ihm gesagt oder ihn übermäßig kritisiert hatte und sich dann wunderte, wenn Hinata beleidigt reagierte. Oft endete die Situation dann in einem dusseligen Streit und soetwas durfte an einem Geburstag nun wirklich nicht sein.
Also hatte er Kageyama schon am vorherigen Tag die Leviten gelesen und ihm eingetrichtert, dass er wenigstens an diesem einen Tag versuchen sollte, freundlich zu Hinata zu sein. Es war immerhin sein Geburtstag und Hinata, auch wenn er manchmal selbst ein kleiner Satansbraten war, verdiente es nicht, an diesem besonderen Tag wahlweise als Idiot, Trottel oder Arsch bezeichnet zu werden. "Sag einfach etwas Nettes zu ihm.", hatte Suga zu ihrem Stammzuspieler gesagt, "Sag einfach das Netteste, was du dir vorstellen kannst! Etwas, worüber er sich wirklich freuen könnte. Und bitte diesmal ohne Beleidigungen." Er hoffte sehr, dass seine deutlichen Worte bei ihrem Volleyballidioten Nummer zwei angekommen waren, aber der leere Blick, den er ihm am gestrigen Tag nach seiner Rede zugeworfen hatte, verstärkte nicht unbedingt seine Zuversicht.
Gerade waren Tanaka und Nishinoya dabei, ihrem Kohai abwechseld auf die Schulter zu klopfen und ihm alle möglichen und unmöglichen Dinge zu wünschen, irgendetwas von "Jetzt bist du ein alter Sack." und "In ein paar Jahren darfst du Alkohol trinken. Geil!" Hinata schien sich daran jedoch nicht zu stören und grinste weiter wie ein kleines Kind über beide Ohren. Tsukishima konnte sich natürlich einen Kommentar über Hinatas Körpergröße nicht verkneifen und auch der Rest seiner Glückwünsche triefte vor offensichtlichem Sarkasmus, aber Hinata war leichtgläubig und gut gelaunt genug, um es nicht zu merken. Er genoss einfach die viele Aufmerksamkeit, die er von seinen Teamkameraden erhielt.
"Hey, Kageyama! Du hast Hinata noch gar nicht gratuliert!", rief Noya so laut durch die Halle, dass die Hälfte des Teams zusammenzuckte und Tsukishima sich die Ohren zuhielt. Tatsächlich stand ihr Zuspieler unbeholfen, mit einem Volleyball in den Händen, in einer Ecke der Sporthalle herum, und schien in Gedanken versunken zu sein. Doch als er und Hinatas Blicke sich trafen, gab er sich einen Ruck und bewegte sich mit steifen Schritten auf seinen Freund zu, sein Gesicht zu einer gruseligen Grimasse verzogen.
Hinatas Grinsen verschwand sofort und er ging instinktiv ein paar Schritte auf Abstand, wobei er fast über seine eigenen Füße stolperte. In der Sporthalle war es ganz still geworden und die Luft hätte man in Scheiben schneiden können. Hinata hob abwehrend die Hände vor sein Gesicht und der Rest des Teams schaute gebannt auf das, was sich gleich vor ihren Augen abspielen würde. Sugawara bereitete sich gedanklich schon auf das Schlimmste vor. Das letzte mal hatte Kageyama so ein Gesicht gemacht, als Hinata ihm einen Ball an den Hinterkopf gehauen hatte.
"Hinata!", rief Kageyama laut, als sie sich direkt gegenüberstanden, und sein Blick nahm etwas noch Bedrohlicheres an, "Ich werde dir heute Bälle zuspielen, bist du stirbst!" Ein paar Sekunden Stille folgten, die nur durch Tsukishimas ersticktes Kichern unterbrochen wurden. Sugawara schlug sich nach der Aussage innerlich mit der Hand gegen die Stirn und überlegte, was er nun schon wieder falsch gemacht hatte. Er hätte Kageyama vielleicht vorher sagen sollen, dass Gückwünsche zum Geburtstag normalerweise keine Morddrohungen beinhalteten. Ja, vielleicht wäre das sinnvoll gewesen, aber darauf musste man ja auch erst einmal kommen.
Seine Bedenken stellten sich jedoch als unbegründet heraus, als Hinatas Augen plötzlich heller aufleuchteten, als er es je bei ihm gesehen hatte, und er dem verdutzten Kageyama mit Anlauf und voller Wucht in die Arme sprang, sich an ihm festklammerte und ein Geräusch von sich gab, das man nur als Quietschen bezeichnen konnte.
"Kageyamaaa, das ist echt das beste Geschenk eveer! Lass uns gleich anfangen!", rief er erfreut und Suga stieß einen erleichterten Seufzer aus. Solange sie sich nicht stritten oder noch schlimmer, miteinander rauften, konnte er zufrieden sein. Auch wenn er zugeben musste, dass die beiden ihm mit ihrer Volleyballsucht und ihrer unkonventionellen Art miteinander umzugehen nach wie vor ein Rätsel waren.
"Ist das ihr Ernst? Die wollen die ganze Zeit nur Angriffschläge trainieren? Sind die bescheuert?", fragte Ennoshita skeptisch und sprach damit das aus, was auch der Rest des Teams dachte. Kageyama und Hinata hatten sich jedoch schon den Korb mit den Bällen geschnappt und sich in Richtung Netz begeben. Daichi wollte noch etwas sagen, entschied sich dann aber doch dafür, die beiden einfach in Ruhe zu lassen. Immerhin war heute Hinatas Geburtstag und wenn er seinen Geburtstag damit verbringen wollte, wie im Akkord auf Bälle einzuhämmern, dann sollte man es ihm gönnen.
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Als die Karasuno ihr tägliches Training endlich beendet hatte, war zum Glück keiner von ihnen gestorben, auch wenn ein erschöpfter Hinata ein extrem seltener und fast schon unheimlicher Anblick war. Kageyama sah noch abgekämpfter aus als er und fühlte sich auch so, aber irgendwie hatten es die beiden dann doch geschafft, sich in den Clubraum zu schleppen, auch wenn Tanaka ihnen noch angeboten hatte, sie auf dem Mattenwagen abzutransportieren. Kageyama hatte abgelehnt, aus Angst um den verbliebenen Rest seines körperlichen Wohlbefindens und hatte Hinata auf normalen Wege hinter sich hergeschleift.
Nach dem üblichen Gewusel und Gerede wie nach jedem Spiel leerte sich der Clubraum langsam und einer nach dem anderen verließ den Raum, aber nicht ohne Hinata noch einmal alles Gute zu wünschen und ihn zu fragen, ob er seine Hände überhaupt noch spürte. Sie bekamen keine Antwort. Nachdem Hinata und Kageyama als Bummelletzte und noch in ihren Trainingsklamotten auf der Bank zurückgeblieben waren, entschied sich letzterer dazu, noch etwas Abschließendes zu sagen.
"Frohe Weih- ich meine alles gute zum Geburtstag, Hinata.", sagte er und bereute seinen Versuch gleich schon wieder. Es war Sommer, Weihnachten war das mit dem Schnee und dem großen bärtigen Kerl, der kleinen Kindern an die Wäsche ging, oder irgendwie so etwas ähnliches. Er erwartete, dass Hinata ihn jetzt auslachte, doch der schien ihm gar nicht zugehört zu haben und starrte nur mit glasigem Blick ins Leere, ein benebeltes Lächeln auf seinem Gesicht.
"Das war so woooah! Können wir das ab jetzt bei jedem Training so machen?", fragte er nach einer Weile und schaute seinen Freund diesmal direkt ins Gesicht. Seine Augen leuchteten immer noch und Kageyama spürte, wie ihm bei dem Anblick noch wärmer wurde. Er wollte etwas sagen, von wegen, dass es viel wichtiger für ihn wäre, erst einmal an seinen hundsmiserablen Annahmen zu arbeiten, doch dann erinnerte er sich daran, was Suga zu ihm gesagt hatte. Keine Beleidigungen, okay, das bekam er hin. Er hatte ihm versprochen, sich zumindest für einen Tag lang zusammenzureißen und Versprechen gegenüber seinen Senpais sollte man einhalten.
"Das könnte dir so passen.", grummelte er schließlich, doch Hinata lächelte nur dümmlich und ließ seinen Kopf mit einem tiefen Seufzen an Kageyamas Schulter sinken, gefolgt vom Rest seines Körpers, den er scheinbar nicht mehr richtig unter Kontrolle hatte. Kageyama zuckte bei dem unerwarteten Körperkontakt zusammen. Sie waren beide total verschwitzt und ihre Trainingsklamotten klebten an ihnen wie eine zweite Haut. Zudem war es mitten im Hochsommer und sowieso schon warm genug. Aus einem ihm unerklärlichen Grund fühlte es sich aber nicht unangenehm oder eklig an, wie Hinata sich an ihn lehnte und ihn als Kissen missbrauchte. Es hatte etwas seltsam Vertrautes an sich und Kageyama widerstand dem Drang, seinem besten Freund durch die Haare zu wuscheln.
"Du brauchst ne' Dusche.", war das einzig Sinnvolle, was er herausbrachte, doch Hinata nuschelte nur etwas Unverständliches und schaute nach oben an die Decke, als wäre er bereits gedanklich in einer anderen Welt. Kageyama fragte sich ernsthaft, wie er seinen Teamkamerad in diesem Zustand nach Hause kriegen sollte, immerhin wohnte Hinata kilometerweit hinter einem Berg und er sah nicht dazu imstande aus, jetzt noch Fahrrad zu fahren, ohne nach drei Metern umzukippen. Kageyamas Zuhause war hingegen nur wenige Minuten Fußweg entfernt, das wäre gerade noch machbar, auch wenn er bei der Vorstellung dorthin zu laufen schon Wadenkrämpfe bekam. Wenn Hinata jetzt auch noch einschlief war es endgültig vorbei. Vielleicht würde er doch noch auf den Mattenwagen zurückkommen müssen, aber Daichi hatte leider schon den Geräteraum abgeschlossen.
"Kageyama?", nuschelte Hinata schläfrig und zerrte kraftlos am Stoff seines Oberteils, "Kannst du mich tragen?" Kageyama schaute Hinata ins Gesicht um einen Hauch von Spott oder Ironie zu erkennen, doch er fand nur eine ermattete Glückseligkeit vor.
"Das könnte dir so passen.", sagte er zum zweiten mal an diesem Tage, doch als Hinata ihm nicht antwortete und auch keine Anstalten machte, aufzustehen oder sich zumindest zu rühren, wusste er, dass er wohl keine andere Wahl hatte.
Vielleicht galten an Geburtstagen einfach andere Regeln. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wie er Hinata verdammt nochmal unter die Dusche bekommen sollte...
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