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"Das Spiel ist wirklich wichtig für die Mannschaft. Nicht nur bezüglich der zu holenden Punkte. Es geht eher um das Image der Mannschaft. Und ihre Motivation. Ich habe mir ihr letztes Spiel gegen den gleichen Gegner angesehen. Das ist total ausgeartet. Ich frage mich, ob zwischen den Mannschaften persönliche Spannungen herrschen."
Ich ging neben Aaron auf den Mannschaftsbus zu. Seine Aufregung und Freude auf dieses Spiel waren bemerkenswert. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, er sprach mehr mit sich selbst als mit mir. Ich empfand es als sehr beeindruckend, wie ausführlich er sich mit der Fußballmannschaft auseinandergesetzt hatte. Hoffentlich sah Mack das auch und ließ ihn schnellstmöglich mitspielen. Natürlich nur, wenn Aaron auch gut spielte. Das konnte ich nicht beurteilen.
"Was genau bedeutet ausgeartet?", fragte ich nach.
Aaron schaute mich überrascht an, als wäre er nicht davon ausgegangen, dass ich ihm tatsächlich zuhörte.
"Nachdem das Spiel zu Ende war, klatschten die Spieler sich ab. Einer aus dem gegnerischen Team hat dabei etwas gesagt, was dazu geführt hat, dass", er stockte kurz", ich glaube, es war Lloyd, ihm eine reingehauen hat. Also so richtig. Nicht zögerlich, sondern mit voller Wucht. Danach wurde die Aufnahme abgebrochen. Keine Ahnung, ob es bei der einen Faust geblieben ist."
Wir waren beinahe beim Mannschaftsbus angekommen, vor dem Mack stand und scheinbar auf uns wartete. Ich überlegte währenddessen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, ausgerechnet bei diesem Spiel mitzukommen. Insbesondere wenn die Teams bereits eine Vorgeschichte hatten.
Diese erklärte aber wahrscheinlich auch, warum Mack die ganze Woche bereits so angespannt gewesen war und auch jetzt ziemlich gestresst wirkte.
Ein kurzer Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk zeigte mir, dass er nicht unseretwegen derart gereizt schien. Aaron und ich waren sogar fünfzehn Minuten zu früh.
Mack und Aaron grüßten sich, bevor letzterer bereits in den Bus stieg.
Ich lächelte Mack an. "Hallo."
Das Lächeln, das er mir zurückgab, war zwar nicht das größte und breiteste, aber es schien ehrlich. Nur das zählte für mich. "Hallo. Es freut mich sehr, dass du mitkommst. Ich hoffe, dass du es nicht bereuen wirst."
Scheinbar machte er sich die gleichen Gedanken wie ich.
Ich zuckte scheinbar unbeteiligt mit den Schultern. "Was ist das Leben, ohne ein bisschen Anstrengung?"
"Deutlich entspannter. Und ein paar weniger Sorgenfalten im Gesicht."
Ich kicherte und nahm es als gutes Zeichen, dass er Witze machen konnte.
"Ich soll dich übrigens von meinem Dad grüßen. Er drückt euch die Daumen und hat vor, bald zu Besuch zu kommen." Ich hatte gestern mit meinen Eltern telefoniert. Ich hätte schwören können, im Spiegel heute Morgen auch zwei weitere Sorgenfalten in meinem Gesicht bemerkt zu haben. Wenn die nicht von dem Telefonat gekommen waren...
"Danke. Richte ihm aus, er solle sich gefälligst sputen. Er hat sich viel zu lange nicht mehr blicken lassen." Jetzt lächelte Mack breit, als dachte er über die frühere gemeinsame Zeit mit meinem Dad nach.
Ich nahm das als Zeichen, Aaron in den Bus zu folgen. Ich staunte nicht schlecht, als ich realisierte, dass die meisten schon da waren. Aber gute Laune und Partystimmung herrschten im Bus nicht gerade.
Ich fand Aaron, der mir einen Platz freigehalten hatte, etwa in der Mitte des Busses. Vor ihm saßen Asher und Lloyd. Auf den Sitzen auf der anderen Seite des Ganges sah ich William und Pinky.
Während ich mich auf den Weg zu Aaron machte, grüßte ich meine Kommilitonen, an denen ich vorbeikam. Sie wirkten nicht überrascht, mich hier zu sehen. Vielleicht erinnerten sie sich an mein Gesicht vom letzten Spiel, bei dem ich dabei gewesen war. Ich musste zugeben, dass mir die wenigsten bekannt vorkamen. Mit einigen hatte ich Vorlesungen zusammen.
Ich war beinahe erleichtert, als Asher wegen etwas lachte, das Aaron gesagt hatte. Immerhin konnte einer noch lachen. Die Busfahrt wäre sonst sehr unangenehm geworden.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dich lachen zu hören", sagte ich Asher, als ich mich neben Aaron setzte. "Ich habe das Gefühl, wir fahren zu einer Beerdigung und nicht zu einem Spiel."
Asher lächelte schwach. "Ja, wir sind alle etwas angespannt." Er sah von Lloyd zu William. "Manche mehr, manche weniger."
Lloyd, der sich sein schulterlanges Haar gerade im Nacken zusammenband, protestierte: "Hey, ich habe deinen Blick genau gesehen."
"Und du weißt auch ganz genau, warum ich dich so angesehen habe."
Lloyd rollte mit den Augen. "Ich habe mich im Griff."
"Wollen wir's hoffen", murmelte Pinky laut genug, dass wir ihn verstanden. Ohne aufzusehen, grinste er, als wüsste er genau, dass wir ihn anschauten. Er saß am Fenster, in seiner Hand ein Buch, dessen Titel ich leider nicht erkennen konnte.
Williams Augen waren stur auf sein Handy gerichtet. Er hatte auch nicht aufgeschaut, als ich den Bus betreten hatte. Dennoch war ich mir sehr sicher, dass er wusste, dass ich da war.
"Ich bin mir sicher, ihr schafft das", sprach Aaron ihnen gut zu.
"Immerhin einer, der positiv an die Sache rangeht." Man sah Asher an, dass ihm der Zuspruch viel bedeutete. Der Druck, der auf der Mannschaft lag, sei es von ihnen oder von Mack ausgehend, schien riesig zu sein.
Dabei hatte ich vorhin noch mit Aaron gesprochen. Das Spiel entschied nicht zwingend über ihre Position in der Tabelle. Dafür war es noch zu früh in der Saison, um darüber Auskünfte zu machen. Hier ging es rein um die Psyche, vermutete ich. Sie wollten nicht noch einmal gegen diese Mannschaft verlieren. Ich glaubte nicht, dass ich erleben wollte, wie die Stimmung war, wenn sie es doch taten. Ich hätte mir wirklich ein anderes Spiel aussuchen sollen, um zuzusehen.
"Und solltet ihr es nicht schaffen, klappt es beim nächsten Mal."
Lloyd wirkte nicht überzeugt von meiner Aussage. "Ich will aber heute gegen diese Bastarde gewinnen."
"Voll im Griff, was?", äffte Pinky Lloyd nach, was er jedoch gekonnt ignorierte.
"Wir haben noch eine Rechnung offen, die zu begleichen ist", führte er weiter aus.
"Begleich sie woanders und nicht auf dem Spielfeld", riet Asher Lloyd. "Prinzipiell hat Rosalie schließlich recht. Wenn wir uns selbst zu viel Druck machen, geht es garantiert in die Hose."
Ich nickte zustimmend. "Nicht gleich negativ an die Sache rangehen. Und wenn es doch schief läuft, dann kann es beim nächsten Mal nur besser werden."
Ich hätte schwören können, dass ich William leise lachen hörte. Ganz so, als erinnerte er sich auch gerade an unser letztes Gespräch nach unserer Probe.
"Du bist also hier, um uns gut zuzureden, was?" Lloyd grinste mich an. Ich vermutete, dass ich ihn mit meiner Herangehensweise nicht anstecken konnte. Dennoch nahm er meinen Versuch zur Kenntnis.
"Versohlst du uns auch den Hintern, wenn wir es nicht schaffen?", fragte mich einer der Spieler eine Reihe hinter uns, der uns offensichtlich gelauscht hatte.
Ich grinste breit. Eine kurze Welle des Lachens floß über den Bus, die in dem Moment verstummte, in dem Mack den Bus betrat. Sein Blick verriet, dass er den Kommentar des Spielers ebenfalls gehört hatte. Er empfand ihn als nicht so witzig. Dennoch meinte er lediglich: "Ich tue jetzt mal so, als hätte ich das gerade nicht gehört." Er beugte sich kurz zum Fahrer, bevor er sich wieder nach vorne richtete. "Wir sind vollzählig. Lasst uns fahren." Er stockte kurz, als wäre er sich unsicher, ob er noch etwas sagen sollte. Er entschied sich dazu. "Ihr schafft das. Wir machen sie fertig."
Damit setzte er sich. Er hatte es geschafft, mit wenigen Worten den ganzen Bus anzuheizen. Nur einer stimmte nicht mit ein. Ein kurzer Seitenblick zu William zeigte mir, dass er stattdessen den Kiefer zusammen presste und die Hände zu Fäusten ballte.
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