sechsundzwanzig.
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KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
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Es war von Beginn an klar gewesen, dass sich dieses Schuljahr von allen anderen unterscheiden würde. Hogwarts hatte sich verändert. Aus dem heimischen, geselligen Ort, an dem man sich beschützt fühlte, war eine Schule geworden, an der Angst und Misstrauen herrschte.
Selbst die Schüler, die man vorher als vertrauenswürdig empfunden hatte, verrieten nun ihre Freunde, um ihre eigene Haut zu retten und Pluspunkte bei bestimmten Lehrern zu sammeln - es war schier unmöglich geworden, über alles zu reden, was in einem vorging.
Doch es war die richtige Zeit, die DA wieder ins Leben zu rufen. Ginny, Neville und Luna hatten immer mehr Mitschüler gefunden, die sie unterstützten und sich gegen Snapes Regime und die Methoden der Carrow-Geschwister zur Wehr setzten. Es hatte nicht viel Zeit gebraucht, um sie so sehr zu reizen, dass sie regelmäßig ihren Strafen ausgesetzt waren.
Ginny fühlte sich wie ausgelaugt, aber sie würde nicht nachgeben und weiterhin das verteidigen, woran sie glaubte.
„Miss Weasley." Die eisige Stimme fuhr ihr durch Mark und Bein und sie drehte sich langsam um, nur um zu sehen, wie Professor Carrow mit emotionslosem Gesichtsausdruck auf sie zukam. Sie musterte den Lehrer für das neue Fach der dunklen Künste, den sie schneller zu hassen gelernt hatte, als sie es für möglich gehalten hatte.
„Professor." erwiderte sie ebenso kalt und hielt förmlich die Luft an, als er vor ihr zum Stehen kam.
„Wohin des Weges, Miss Weasley?"
„Zur Bibliothek." antwortete sie, obwohl sie sich eigentlich auf dem Weg zum Raum der Wünsche machen wollte.
Die Augen des Professors verengten sich, während ein süffisantes Lächeln auf seinem Gesicht erschien. „Ein ziemlicher Umweg, den Sie machen."
„Ich bin nicht von meinem Gemeinschaftsraum aus losgegangen." entgegnete sie und hoffte, dass ihre Lüge genauso glaubhaft ankam, wie sie es annahm.
„Es ist bedauerlich, wie Sie ihr Potenzial verschwenden. Wissen Sie, die Weasleys waren zur Zeit Ihrer Großeltern noch eine angesehene reinblütige Familie. Sie müssen nicht für die Fehler Ihrer schwachen Vorfahren bezahlen, Miss Weasley. Wenn Sie einsehen, dass es richtig ist, für was wir stehen, können Ihnen Ihre Fehler vergeben werden."
Ginny war für einen Moment wie erstarrt, als sie den Professor ansah. Er glaubte doch nicht ernsthaft, dass er sie für seine Sache bekehren könne? Wie könnte sie jemals seine Ansichten teilen? Ein verächtliches Schnauben entwich ihr, das sie nicht hatte zurückhalten können. „Ich werde ganz sicher niemals wie Sie werden und das hier gutheißen. Und nun entschuldigen Sie mich, ich-"
Ehe sie sich versah, spürte sie mit einem Knall, wie sich ein brennender Schmerz in ihrer Wange ausbreitete und sah nach einer kurzen Sekunde des Schrecks fest in die kalten Augen ihres Professors. „Wenn Sie schon auf der falschen Seite stehen, sollten Sie wenigstens Respekt zeigen. Gehen Sie besser - und bereiten Sie sich auf den nächsten Unterricht vor. Es wird Zeit den zweiten der unverzeihlichen Flüche zu üben." Ein sadistisches Lächeln legte sich auf sein Gesicht und Ginny schluckte, um ihre Anspannung nicht zu zeigen. Daran, dass er üben wörtlich meinte, hatte sie keine Sekunde lang einen Zweifel.
„Ja, Professor." erwiderte sie, übertrieben höflich und machte sich eilig auf den Weg, mit dem Gedanken einfach nur davonzukommen.
Was sie nicht wusste, war die Tatsache, dass Blaise hinter der nächsten Ecke stehen geblieben war, als er die Stimme von Professor Carrow und Ginny gehört hatte. Kaum hatte sie das Wort erhoben, war er automatisch stehen geblieben und hatte kaum Zeit mehr darüber nachzudenken, da der Lehrer sie offensichtlich geohrfeigt hatte.
Es machte Blaise krank dabei zuhören zu müssen. Auch Pansy war seit dem Beginn der Sommerferien ruhiger geworden. Er wusste, dass es etwas mit Hermine zu tun haben musste, doch seit der Ermordung Dumbledores hatte er nie darüber gesprochen, obwohl er glaubte, dass wesentlich mehr zwischen ihnen vorgefallen war, als es den Anschein hatte.
Sie war nicht mehr dieselbe - und ihm war klar, dass es ihm nicht anders ging. Jahrelang hatten sie geglaubt, es wäre das Beste, wenn alles so kommen würde, wie ihre Eltern es vorhersagten, doch nun, wo es eingetreten war, wollten sie nichts anderes, als diesem Chaos zu entkommen.
Ginny kam so hastig um die Ecke gebogen, dass sie ihn erst nicht bemerkte, bis sie knapp vor ihm erschrocken zum Stehen kam. Sie sah zu ihm auf und versuchte offensichtlich den verletzten Ausdruck in ihren Augen zu verbergen. Ihre linke Wange war deutlich gerötet und Blaise konnte es nicht verhindern, Wut auf Carrow zu verspüren.
„Ich mache ihn fertig." murmelte er und der amüsierte Ausdruck in ihren Augen zeigte ihm, dass sie es sowieso nicht glaubte.
„Wärst du bereit auch den Preis dafür zu zahlen?"
Blaise schwieg. Es wäre richtig, etwas zu tun und sich offen gegen das, was momentan in Hogwarts geschah, auszusprechen. Doch es war so viel leichter, nichts zu tun - alles blieb so wie es war und er würde nicht von den Menschen verstoßen werden, die er als seine Freunde bezeichnete. Richtig oder leicht? Wie sollte er wählen, wie er sich verhielt, ohne alleine dazustehen? Sicherlich würden Ginnys Freunde ihm genauso wenig vertrauen, wie seine es tun würden, wenn er sich für das „Richtige" entschied. Und vielleicht war für ihn etwas anderes richtig als für sie.
„Das habe ich mir gedacht." murmelte sie und ging wortlos an ihm vorbei. Und dieses Mal hielt Blaise sie nicht zurück.
⭒⭒⭒
Pansy hatte es nicht darauf angelegt, mit einem der DA-Mitglieder zu sprechen, doch jetzt, wo sie Neville Longbottom nur noch mit Finnigan und Thomas im Klassenraum stehen sah, nahm sie all ihren Mut zusammen und beschloss, dass es Zeit war, das zu tun, was sie Hermine versprochen hatte: Für das „Gute" einzustehen.
Doch es ging schon lange nicht mehr nur um Hermine. Sie hatte ihr vielleicht gezeigt, was richtig war, aber Pansy hatte sich entschieden diesen Weg zu gehen. Den besseren Weg.
„Longbottom, hey, warte mal!" Pansy lehnte sich lässig gegen den Tisch in der zweiten Reihe und sah, wie sich der Angesprochene mit befremdlichem Blick zu ihr umdrehte. Seine zwei Freunde sahen ihn so fragend an, dass sie beinahe gelacht hätte. Wie süß.
„Was?" fragte er und Pansy erkannte, dass das wesentlich schwerer werden würde, als gedacht - sie hatte ihn nie sonderlich freundlich behandelt.
„Können wir vielleicht alleine reden?" versuchte sie es vorsichtig und rollte leicht die Augen, als Longbottom die Arme verschränkte und zu Finnigan sah. „Oh bitte, ich plane nicht euren Mord. Zumindest nicht, wenn ihr aufhört, mich so anzusehen."
„Und worüber willst du bitte reden, Parkinson?" meldete sich Dean Thomas skeptisch zu Wort und Pansy beschloss, mit der Sprache herauszurücken, auch wenn es ihr schwerfiel gerade mit diesen Gryffindors darüber zu reden. Sie musste sich wirklich daran gewöhnen.
„Es geht um eure kleine Gruppe... Die DA." Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, trat ein alarmierter Ausdruck in Longbottoms Augen und Pansy merkte deutlich, dass sie jetzt keine dummen Späße machen sollte. „Hermine hat mir davon erzählt. Und dass das D für Dumbledore steht, obwohl es euch doch hätte klar sein müssen, dass das sofort auf ihn zurückfä-"
„Hermine hat dir davon erzählt?" Er wusste nicht, was er davon halten sollte, so viel war klar, und auch Pansy hätte sich selbst nicht geglaubt, wenn sie an seiner Stelle wäre. Es war wohl Zeit, alles daran zu setzen, dass die drei davon überzeugt wurden, dass sie ihnen wirklich helfen wollte und nicht nur so tat, um sie auszuspionieren.
„Was hast du mit Hermine zu tun?" fragte der andere, Finnigan, dessen Name Pansy nur wusste, weil die Lehrer seinen Nachnamen äußerst oft benutzten, wenn er etwas zum Explodieren brachte. Was er immer anstellte, konnte sie sich nicht erklären, aber es war der falsche Moment sich über seine fraglichen Talente Gedanken zu machen.
„Sie ist meine Freundin." entgegnete Pansy und konnte kaum vermeiden, dass Stolz in ihrer Stimme mitschwang. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie immer noch nichts von ihr gehört hatte und hoffte, dass sie sie nicht für Ewigkeiten im Dunkeln lassen würde. Wer wusste schon, wie lange es noch so weiterging... und Hermine war als Muggelstämmige (und beste Freundin von Harry Potter) nicht gerade sicher.
„Hermine ist lesbisch?"
„Ihr seid zusammen?!"
Während die beiden Gryffindors förmlich aus allen Wolken fielen, schwieg Longbottom nachdenklich und musterte sie, während sie begann mit Seamus und Dean zu diskutieren.
„Ein Problem damit?" fragte sie und während Dean den Kopf schüttelte, schnaubte Seamus. „Ich habe mir gedacht, dass hauptsächlich enttäuschte Reaktionen kommen, wenn jemand erfährt, dass Jungs keine Chance bei mir haben, aber-"
„Komm auf den Boden, Parkinson. Selbst, wenn ich eine Chance bei dir hätte, würde ich sie nicht nutzen." entgegnete Dean und Pansy hob herausfordernd eine Augenbraue.
„Und ich interessiere mich generell nicht für Mädchen." sagte Seamus und Pansy bemerkte, wie er zu Dean sah, der seinen Blick betroffen mied. Für einen kurzen Moment interessierte sie es tatsächlich, was es damit auf sich hatte, doch ihre Gedanken wurden von Longbottom unterbrochen.
„Dean, Seamus, es ist schon okay. Ich komme gleich nach." meinte er und Pansy lächelte leicht, als die beiden mit einem skeptischen Blick nach ihren Taschen griffen.
„Danke." antwortete sie und Neville nickte langsam, als könnte er es immer noch nicht glauben, dass das gerade wirklich geschah.
„Du willst also der DA beitreten?" fragte er noch einmal nach und Pansy nickte. „Und woher soll ich wissen, dass die Carrows oder Snape nicht plötzlich Bescheid über uns wissen?"
Pansy setzte zu einer Antwort an, wurde sich jedoch plötzlich bewusst, dass es keine unberechtigte Frage war, die er da stellte. „Hermine hat doch..."
„Wenn das wahr ist, wusste ich bis eben nichts davon. Und vielleicht hat Hermine sich auch geirrt. Verstehst du nicht, dass ich das nicht riskieren kann, Parkinson?"
„Du kannst mich Pansy nennen."
Er wirkte etwas verzweifelt und sah kurz zur Seite, bevor er ihr wieder in die Augen blickte. „Okay, Pansy. Wir helfen hier den Schülern, die schlecht dran sind und ich kann nicht-"
„Dann war es dumm von mir zu fragen." unterbrach sie ihn und fuhr sich durch ihr Haar. „Das willst du mir sagen?"
„Wenn du das wirklich ernst meinst, freut mich das, Pansy. Und zugegeben, es überrascht mich ziemlich."
„Okay, hör zu." meinte Pansy und hielt kurz inne. „Wie war nochmal dein Vorname?"
„Neville." entgegnete er mit einem leichten Schnauben und Pansy nickte.
„Stimmt. Also... Ich werde dir irgendwie beweisen, dass ich es ernst meine und dann helfe ich euch, okay?"
Neville sah sie nachdenklich an und nickte schließlich. „Okay."
⭒⭒⭒
„Dieses Mal wirst du mich nicht so leicht los."
„Ich habe dir zweimal gesagt, dass ich nicht reden möchte."
„Und ich habe dir zweimal gesagt, dass ich dir nicht glaube."
Draco seufzte genervt. Astoria schien wie besessen davon mit ihm über „seine Probleme" reden zu können und akzeptierte im Gegensatz zu Daphne kein einfaches Nein. Ein Teil von ihm fühlte sich ergriffen bei dem Gedanken, dass es tatsächlich jemanden gab, der sich so sehr für die Seite von ihm interessierte, die er verbarg. Doch er brauchte nicht zu reden. Er kam selbst damit klar.
„Was erhoffst du dir daraus?" fragte Draco gereizt und beschloss, dass Angriff wohl die beste Verteidigung war. „Warn mich bitte vor, wenn du dich in mich verknallt hast."
Astoria verschränkte die Arme und rollte mit den Augen. „Oh bitte." erwiderte sie, beinahe amüsiert. „Ich sehe dir an, dass dich etwas beschäftigt und möchte dir helfen."
„Also bin ich jetzt eines deiner Projekte?" fragte er und sie seufzte gereizt.
„Nein, Draco Malfoy, du sturer Esel. Du denkst doch nicht, dass ich es dir glaube, wenn du sagst, das letzte Schuljahr ist spurlos an dir vorbeigegangen? Außerdem hat mir die Maulende Myrthe gesagt, dass du letztes Jahr auf der Toilette immer gewei-"
„Ich bringe diese redselige Nervensäge um." murmelte er verärgert und Astoria sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Sie ist doch schon ein Geist. Merlin, das arme Mädchen. Sie hat sich angehört, als würde sie dich am liebsten heiraten."
Draco sah sie schweigend an und hoffte inständig, dass sie gehen und ihn nicht mit den Dingen weiter konfrontieren würde, über die er nicht einmal nachdenken wollte.
„Okay, gut..." Sie nickte und schnalzte mit der Zunge, bevor sie sich umdrehte und zum Gehen ansetzte.
„Astoria." Draco wusste selbst nicht, warum er sie plötzlich zurückhielt und die braunhaarige Slytherin legte neugierig den Kopf schief. „Du redest mit niemandem oder ich-"
„Hoch und heilig versprochen." unterbrach sie ihn sofort mit einem Lächeln und Draco nickte, immer noch verwirrt darüber, dass er sich tatsächlich in dieser Situation befand. Er hätte sie gehen lassen sollen.
Aber vielleicht hatte sie tatsächlich recht und er hatte nur darauf gewartet, dass es jemanden gab, der hartnäckig genug war, um ihn zum Reden zu bringen.
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