8 | Chance
»Mo?«
Ich schüttle mit dem Kopf. Sie soll es bloß lassen. Nichts kann sie daran ändern. Es ist, wie es ist und so ist es nun mal. Ihre Worte haben es mir mal wieder ganz klar gezeigt. Ich gehöre nirgends dazu. Wenn andere mit mir im Kontakt sind, dann nur, weil sie mir Hilfe geben ... geben müssen, meistens. Das will ich nicht mehr.
»Mo, es tut mir leid.«
Was soll ihr denn leidtun? Sie hat doch recht. Das arme Moglilein braucht immerzu Hilfe und bekommt nichts alleine auf die Reihe. So sehen mich doch alle. Ist es nicht auch so? Was habe ich denn je hinbekommen? Obwohl Mister Baggy hätte ich schon meine Meinung geigen können.
»Es sollte nur ein Spaß sein«, äußert sie ... sehr ... hm ... bedacht. »Aber das war es nicht. Offensichtlich«, redet sie weiter. Im Augenwinkel nehme ich Bewegungen wahr. Ihre? Da ich meine Augen weiterhin starr geöffnet halte, verschwimmt mittlerweile mehr oder weniger alles Mögliche um mich herum. »Ich ... ähm ... wollte dir nicht ... zu nahe treten«, stammelt sie jetzt eher. »Falls das so war.«
Wider meines Willens klappen meine Lider zu. Ich atme tief durch, versuche mich weiterhin zu beruhigen, bloß nicht anzufangen zu heulen ...
Balou hört auf zu reden. Einerseits ist mir das sehr willkommen, andererseits irritiert mich das genauso wie zu Beginn mit ihrem Redeschwall. Daher öffne ich meine Augen und zucke zusammen. Verwirrt stelle ich fest, dass sie nicht mehr an der Theke steht und ich ihre Schritte gar nicht gehört habe. Sie ist viel näher an mich heran gekommen. Uns trennt nur noch eine geringe Distanz. Gerade groß genug, um mich nicht angegriffen zu fühlen.
Immerzu streift sie über ihren Nasenring, was mich schon beinahe dazu veranlasst, ihr die Hand runterzuhauen. »Können wir noch mal von vorne beginnen?«, fragt sie hoffnungsvoll, wie mir scheint, nach einer Weile.
»Noch mal von vorne?«, wiederhole ich ihre Frage, als wäre ich vollkommen dämlich.
»Okay«, ist ihre Antwort. Warte, was? Ich habe doch nur ihre Worte wiederholt ... Doch sie beginnt bereits: »Wie heißt du?«, fragt sie mich daher dann auch schon.
»Mo.«
»Mo?«
»Ja. Mo.«
Sie schaut mich abwartend an, doch ich bin noch zu durcheinander, um glänzend und strahlend ein Gespräch zu wiederholen, was wir bereits geführt haben. Zudem komme ich mir total bescheuert vor. Mittels Seitenblicken versuche ich sogar herauszufinden, ob ich mich in irgendeiner Freakshow befinde. Leider nein. Mit verknoteten Fingern und verlorener Coolness – ob ich die je wiederfinde? – stehe ich verkrampfend da.
»Okay. Hey Mo. Schöner Name. Ich bin Balou«, macht sie dann weiter.
»Balou oder Balu?«, frage ich dümmlich. Diese Frage weiß ich wohl schon noch.
»Ja, Balou – mit ›ou‹ übrigens. Warum?« Na, dann habe ich mir wenigstens eine Sache mal richtig gedacht. Aufgrund meiner Schweißproduktion flutscht mir einer meiner Finger aus meinen Verhakungen ... Hoffentlich ist diese Sache hier bald durch ...
Jetzt sind wir jedoch erst einmal an den Punkt angekommen, an den ich ungern wieder gelangen wollte. Sie schaut mich auffordernd an. Daher ringe ich mir »Erinnert mich an etwas« ab.
»An was denn?« Sie spielt ihre Rolle wirklich gut, doch ich komme mir dabei immer blöder vor.
Ich atme tief ein und aus, wappne mich und doch ... »Ach egal«, entscheide ich mich zu sagen. Ich kann das nicht.
Eine Pause entsteht. Wieder einmal fühle ich mich schuldig dafür. Weil ich es nicht gebacken bekomme. Gleichzeitig verstehe ich nicht, was das hier bringen soll und warum sie sich das antut.
»Mo?«, hakt Balou geduldig nach.
»Ja?«
»Sag schon«, bittet sie mich, es klingt ehrlich.
Ich schaue sie an, sie nickt mir zu. Mein Gefühl will mir sagen, dass ich es einfach machen soll. Was kann noch Schlimmeres passieren? Sie weiß es doch eh schon. Also los. »An Balu, den Bären«, quetsche ich heraus.
»Echt?«
»Ja.«
»Und soll ich dir nun ein Ständchen singen?«
»Musste nicht.«
»Muss nicht, heißt nicht nein.« Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Das Gespräch scheint zu Ende, damit auch die Qual, die damit einhergegangen ist. »Danke«, sagt sie dann sogar noch.
»Wofür?«, frage ich perplex nach, wobei ich kurz meine Haltung vergesse und hochschaue.
»Dass du das noch einmal mit mir durchgegangen bist.«
»Wozu das alles?« Langsam werde ich ruhiger, auch mein Körper entspannt sich. Aber warum ausgerechnet sie sich bei mir bedankt? Das verstehe ich nicht.
»Ich wollte es für mich richtig biegen. Und gleichzeitig auch dir die Chance geben ...« Sie lässt den Rest der Worte unausgesprochen.
»Mir die Chance geben?«
»Magst du Balus Lied?«, lenkt sie wieder um. Erneut der Nasenring zwischen ihren Fingern.
»Ja.« Sehr sogar. Ich liebe es.
Sie nimmt die Fernbedienung in die Hand, wodurch mir erst jetzt auffällt, dass die Musik nicht mehr läuft. Frech grinsend schaut sie zu mir und wartet wohl ein Go meinerseits ab. Leicht nicke ich ihr zu.
Völlig ungewohnt breitet sich in mir ein Kribbeln aus. Ist es das, von dem so viele sprechen; was so viele meinen? Schmetterlinge, Insekten, irgendwelche anderen Viecher, die in einem herumkrabbeln und einen wahnsinnig machen? Aber auf gute Weise? Ist es das? Weil Freude sich so anfühlt? Wirklich? Mit meinen Fingern betaste ich so unauffällig, wie es mir möglich ist, mein Gesicht in der Nähe meiner Lippen. Ich scheine wirklich richtig breit zu grinsen. Meine Fresse.
Und kurz darauf – ich habe es ja eigentlich gewusst, aber leise Zweifel bleiben irgendwie immer – ertönt wirklich Probiers mal mit Gemütlichkeit.
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