Kapitel 25 | Claire
»Ich war gerade mit dem Wirtschaftsstudium fertig geworden, als mein Vater, Gott hab ihn selig, mich in das Geheimnis unserer Familie einweihte. Er erzählte mir eine haarsträubende Geschichte von Rittern und einer Verschwörung und von einem Schatz, einer Wahrheit, die unsere Familie seit Generationen hütete.
Ich hielt es zunächst für einen Scherz, eine Art Test, ob ich den Mund halten konnte, wenn er es sagte. Vielleicht wollte er auch wissen, ob ich auf eigene Faust losziehen und Erkundungen machen würde, was den Schatz betrifft. Er erzählte mir von jahrhundertealten Artefakten, von Schmuckstücken, Gold und Pergamentrollen. Aber ich hab ihm nicht geglaubt.
Also habe ich das Ganze auf sich beruhen lassen und irgendwann habe ich es vergessen. Die Jahre vergingen und mein Vater bekam Alzheimer. Er war oft verwirrt und wusste nicht, wer er war, oder wer mein Bruder oder ich war.
In der Zeit redete er jedoch immer öfter von einem verborgenen Geheimnis, das nicht verloren gehen darf und das irgendwann der Menschheit zurückgegeben werden soll. Wenn die Zeit reif ist. Ich hielt es für das Gefasel eines alten kranken Mannes und hielt ihn von euch Kindern fern, damit er euch keine Flausen in den Kopf setzte.
Ich glaubte nicht daran, bis er mir den Ring zeigte. Einen Siegelring, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Xander, du wirst dich kaum an ihn erinnern können. Du hast als kleiner Junge immer damit gespielt und ich habe ihn schließlich weggepackt. Zu deiner eigenen Sicherheit, bevor du anfängst Fragen darüber zu stellen. Denn ich hatte mir vorgenommen, dich besser vorzubereiten als mein Vater es bei mir getan hatte.
Als er starb und mir nur den Ring und ein paar alte Dokumente hinterlassen hatte, haben dein Onkel und ich angefangen nachzuforschen. Ich wusste, dass ich allein nicht weit kommen würde, also zog ich ihn ins Vertrauen.
Normalerweise wird das Vermächtnis nur zu einem Nachkommen weitergegeben. Das hält den Kreis derer, die darüber Bescheid wissen klein. Veit sollte schon das Familienbusiness übernehmen und wurde seit seiner Kindheit darauf vorbereitet.
Du warst für diese Rolle wie geschaffen. Darum habe ich dir Geschichten vom Templerorden erzählt und Veit nicht. Ich wollte dich Stück für Stück auf diese Aufgabe vorbereiten und forschte währenddessen immer noch weiter. Meine Arbeit bot das perfekte Alibi. Es wunderte kaum jemanden, wenn Ennio und ich für ein, zwei Tage oder gar eine Woche verschwanden.
Schließlich erfuhren wir, dass es nicht nur den Ring gibt. Eine Frau tauchte in Hathersage Hall auf und stellte merkwürdige Fragen. Sie besaß eine Kette, auf der das gleiche Symbol zu sehen war wie auf dem Ring. Das Tatzenkreuz der Templer. Sie hatte durch einen Zettel, den sie in einer Brücke in Paris gefunden hatte, von Hathersage Hall gehört.
Wir konnten uns nicht erklären, wie er dorthin gekommen war. Vor allem, weil sie das Versteck mit dem Anhänger ihrer Kette geöffnet hatte. Unsere Vorfahren mussten schon einmal miteinander zu tun gehabt haben.
Jedenfalls, der Name dieser Frau war Abigail Lancaster. Auch sie hatte eine ähnliche Geschichte wie ich vorzuweisen. Sie erfuhr ebenfalls von ihrem Vater über den Templerschatz, als sie noch jung war. Zusammen mit ihrer älteren Schwester, deiner Mutter, Claire.
Zunächst war es deine Mutter, die in das Geheimnis ihrer Familie eingeweiht wurde, doch als sie krank wurde und wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, weihte sie Abigail ein.
Als Schatzjägerin war sie natürlich Feuer und Flamme, doch mit der Zeit erkannte sie, dass sie hier in Berührung eines Schatzes kam, dem sie nicht gewachsen war. Um dennoch weiter nachforschen zu können, setzte sie sich zur Ruhe und tauchte schließlich sogar unter, aus Angst vor Verfolgern.
Wir blieben in der Zeit in Kontakt. Sie erzählte mir von ihrer Nichte, die in einem Kinderheim in New York aufwuchs, und wie sehr es sie schmerzte, sie nicht zu sich nehmen zu können. Ich war derjenige, der ihr damals davon abriet und es tut mir aufrichtig leid, dass du dadurch einige Probleme erleiden musstet.
Deine Tante hat mir alle paar Monate Geld geschickt und ich habe es als Spende deinem Kinderheim zukommen lassen. Seht ihr, wir waren uns damals nicht sicher, wer noch hinter dem Schatz her sein könnte. Die Templer sind seit Jahrhunderten gespalten. Die einen, so wie Abigail, deine Mutter, mein Bruder Ennio und ich wollen, dass er wieder der Menschheit zurückgegeben wird. Er ist zu groß, um im Verborgenen zu bleiben. Er könnte die ganze Geschichte in ein anderes Licht rücken.
Die anderen Hüter sehen genau darin die Gefahr. Sie finden, der Schatz ist zu mächtig und die Menschen nicht würdig von ihm zu erfahren. Das Wissen sollte allein ihren Hütern vorbehalten sein. Sie wollen ihn für sich, was auch kommt und die Hinweise, die uns die Templer hinterlassen haben, Stück für Stück vernichten. Beinahe hätten sie es geschafft.
Als längere Zeit nichts mehr geschehen war, fasste Abigail den Entschluss ihre Nichte endlich bei sich aufzunehmen. Sie war glücklicher denn je. Sie schickte mir sogar eine Fotografie deines ersten Wettkampfs, den du gewonnen hast. Krav Maga, richtig? Sie wollte, dass du einen Kampfsport erlernst, damit du auf alle Eventualitäten vorbereitet bist.
Vielleicht ahnte sie schon da, dass es nicht immer so ruhig bleiben würde. Und sie hatte Recht.
Die Templer hatten von der Kette erfahren und waren hinter deiner Tante her. Sie tauchte erneut unter. Dieses Mal hatten wir keinen Kontakt. Vermutlich war es besser so.
Ennio und ich waren immer wieder unterwegs, um so viele Hinweise wie möglich zu bergen und sie vor der Zerstörung der rebellischen Templer zu schützen. So erfuhren wir, dass die Hamiltons ebenfalls Teil des Ordens sind. Das war ungewöhnlich, weil wir uns doch kannten, sogar dem gleichen Beruf folgten, aber die bestehenden Mitglieder kennen sich untereinander nicht oder nur unter falschen Namen. Es ist zu gefährlich.
Unsere Familien mochten sich nicht, weil wir uns seit jeher um die Aufträge stritten. Wenn es ums Geld geht, gibt es keine Freundschaft. Dennoch taten Ennio und ich uns widerwillig mit Anthony Hamilton zusammen, um die verbliebenen Hinweise zu archivieren. Wir hielten es für besser, unsere Zusammenarbeit zu verheimlichen.
Bei einem solchen Einsatz kam Ennio vor ein paar Monaten ums Leben. Ich gab Anthony die Schuld daran. Er behauptete Ennio habe nicht aufgepasst und hätte sie durch sein Handeln alle in Gefahr gebracht. Seitdem gehen wir wieder getrennte Wege.
Ich erzählte euch, dass er bei einem Einsatz für die Agentur umkam und Anthony Hamilton hinter derselben Zielperson her waren. Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Ich werde auch Elijah und Cassiopea die Wahrheit sagen.
Als ich von Abigails Tod erfuhr, war ich sehr betroffen und ich wollte mich bei dir melden. Da war es allerdings schon zu spät. Du warst verschwunden und hast dich dabei ziemlich gut angestellt. Es dauerte Monate, bis ich dich gefunden hatte. Da hatte leider auch Hamilton von dir gehört und setzte sich an deine Fersen.
Ich sorgte dafür, dass deine Spuren verschwammen und Hamilton auf der falschen Fährte war.
Dann schickte ich Xander, weil ich wusste, er würde sich an die Geschichten von damals erinnern. Er würde dir nichts anhaben. Bei Hamilton war ich mir meiner Sache nicht sicher. Er hatte schon öfter über die Stränge geschlagen und ich sah mich dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dir nichts geschah.
Eure Spur verlor sich an der St Pancras Station. Ich ahnte, dass ihr nach Paris fahren würdet und wartete ab. Und hier seid ihr.«
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