25| so zerstörerisch wie Hagelkörner
𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟐𝟓
𝒉𝒆𝒂𝒓𝒊𝒏𝒈 𝒅𝒂𝒎𝒂𝒈𝒆 - 𝒕𝒉𝒐𝒎 𝒚𝒐𝒓𝒌𝒆
♡
Von Weitem betrachtet ließ sich an Edens Gesichtsausdruck nicht eine einzige Regung erkennen. Kein Zucken, kein verlorener Blick, nichts, was auch nur im Geringsten auf den gestrigen Abend hindeutete. Wenn ich eins aus unserem Streit gelernt hatte, dann, dass Eden gut darin war, über längere Zeit hinweg seine Emotionen zu verstecken.
Seine orange-roten Haare standen verwuschelt zu allen Seiten ab. Zu gern hätte ich meine Hand in ihnen vergraben, in Edens haselnussbraune Augen geschaut und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebte.
Doch an diesem grauen, frühwinterlichen Morgen, an dem der Boden gefroren und die verdorrten Gräser mit Raureif übersät waren, erschien mir Eden so unerreichbar wie damals, als ich ihn kaum gekannt hatte.
Ich zog an der Zigarette, die in meiner Hand vor sich hin glühte und beobachtete, wie Eden in eben diesem Moment das gleiche tat.
Er unterhielt sich mit einigen seiner Freunde, Luis und James oder wie sie auch hießen.
"Vergiss ihn bitte endlich, Kate!", mahnte Piper mich erneut mit genervtem Ton.
Ich hatte ihr erzählt, dass Eden und ich uns gestritten hatten, hatte die Ursache jedoch unerwähnt gelassen.
So sauer ich auf Eden im Moment auch war, respektierte ich dennoch seine Privatsphäre.
"Das sagst du so einfach, dir geht ja sowieso jeder Typ am Arsch vorbei.", entgegnete ich schnippisch, warf die Zigarette auf den Betonboden und zertrat sie mit der Fußspitze.
Piper zog sichtlich gereizt eine Augenbraue hoch.
"Autsch."
"Tut mir leid, Piper, ich-...", begann ich, doch Piper unterbrach mich mit einer Handbewegung, bei der sie mir beinahe ihre Zigarette ins Gesicht hielt.
"Alles gut, ich versteh schon. Du bist gereizt und dir zum dritten mal zu sagen, dass du einfach nicht an ihn denken sollst, ist keine große Hilfe."
Ich nickte zustimmend.
"Aber es bringt dir genauso wenig, dir jetzt den ganzen Tag den Kopf darüber zu zerbrechen.", erklärte sie und warf ihre blonden Haare über die Schultern.
Leichter Nieselregen viel auf uns herab, benässte den Beton des Pausenhofs und die bereits verdorrten Gräser auf den Feldern, die uns umgaben. Auch in Pipers Haaren blieben die feinen Tröpfchen hängen, Tröpfchen so klein wie die Sorgen, die wir als Kinder hatten und aus denen die Sorgen von heute wurden, so groß, hart und zerstörerisch wie Hagelkörner.
Ein seltsamer Vergleich, doch es war ein passender. Mit sieben Jahren war es meine einzige Sorge gewesen, meine Haare zu kämmen, oder lange Spaziergänge zu machen, während welcher sich die Zeit immer zu dehnen schien.
Heute war es meine Sorge, dass mein Freund Alkohol trank, um seine Gefühle zu überdecken, seine Angst und seinen Hass auf seinen Vater, der ihn und seinen Bruder schlug.
Genau in dem Moment, in dem ich die kleinen Regentropfen in Pipers Haaren bestaunte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel Eden's Blick zu mir. Ich wusste, dass er ihn zu verbergen versuchte, doch ich konnte es immer spüren, wenn seine Augen auf mir lagen.
Seine braunen Augen, in denen dieser durchbohrende, forschende Ausdruck lag, der einem fast einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, Piper dabei zuzuhören, wie sehr sie sich auf den Ball freute, obwohl sie sich nicht mehr sicher im Bezug auf ihren Ballpartner war.
Doch Piper hätte jeden haben können und genau deshalb war es ihr vermutlich auch so egal.
Eine einfache Handbewegung, ein verlogenes Lächeln, ein verwunschener Augenaufschlag und ihre zarten Finger, die gedankenlos mit einer Haarsträhne spielten - mehr brauchte es nicht, um einen Typen zu beeindrucken.
Während Piper so von ihrem Kleid schwärmte, von den Schuhen und der Vorstellung daran, wie eine Prinzessin zum Ball zu gehen und dann wie eine betrunkenes Schulmädchen wieder nach Hause zurück zu kehren, dachte ich an Eden.
Daran, dass ich nicht genau wusste, wie sich die Dinge im Moment zwischen uns verhielten. Dieser Gedanke machte mich unsicher. Sonst war Eden immer der konstanteste Punkt in meinem Leben gewesen und nun war er auf einmal der unsicherste.
Der Tag zog sich noch mehr, als er sich sonst zog. Der leichte Regen hörte nicht auf, doch der Nebel von heute morgen war verblasst und gab die Sicht auf den grauen Beton frei, der unsere Schule bildete.
Ich hatte Geographie in der letzten Stunde und fragte mich erneut, wieso ich dieses Fach behalten hatte.
Mein Lehrer, Mr. Huxley, ein gesetzter Mann am Ende seiner Fünfziger, zeigte mit dem Zollstock auf die alte, ausgeblichene Karte Europas und erklärte in seiner monotonen, aber dennoch angenehmen Stimme die Vegetation Russlands.
Ich malte kleine Blumen und Gesichter an den Rand meiner Notizen, als mich endlich die schrille Schulklingel erlöste.
Ich packte meine Sachen eilig in meine Tasche und hörte nur noch leise, wie Mr. Huxley gegen den allgemeinen Lärm im Klassenzimmer, der nach der Klingel eingetreten war, seine Ausführungen zu beenden versuchte.
Ich schob meinen Stuhl zurück, drängte mich an meinen Mitschülern vorbei und verließ das Klassenzimmer.
Der Gang war bereits voller Schüler und mit einem Mal fühlte ich mich so eingeengt und erstickt von der Masse der Leute, dass ich erst einmal tief Luft holen musste, als ich das Schulhaus verließ.
Ich schloss die Augen, atmete die kühle Luft ein und erlaubte mir für einen Moment zu vergessen, was der gestrige Tag für mich gebracht hatte.
Ich hatte ihn zuerst nicht bemerkt. Als wäre seine Anwesenheit für diesen einen Augenblick nicht existent.
Doch sobald ich die Augen öffnete, spürte ich seinen Blick auf mir liegen.
Ich spürte die Verzweiflung und Reue, die in diesem mitschwang, ohne ihn auch nur anzusehen.
Noch einmal atmete ich ruhig ein und wieder aus, ehe ich mich nach links drehte und Edens Blick erwiderte.
Seine rehbraunen Augen wirkten trüb, die Haut von der Kälte leicht gerötet und seine Statur erschien ein wenig eingefallen.
"Wir müssen reden, Kate", sagte er ernst und in diesem Augenblick wurde die Tür hinter uns geöffnet und Schüler strömten eilig heraus.
end of chapter twenty-five.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro