21| Allein im Regen
𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟐𝟏
𝒔𝒍𝒆𝒆𝒑 𝒂𝒑𝒏𝒆𝒂 - 𝒃𝒆𝒂𝒄𝒉 𝒇𝒐𝒔𝒔𝒊𝒍𝒔
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Am nächsten Tag kam Eden nicht zur Schule. Besser gesagt: Er kam nicht zum Feld.
Ich wartete und wartete in dem kalten Sprühregen, der die Sicht trübte und die streunenden Katzen der Bewohner ins Innere der Häuser trieb.
Ich wartete zitternd und starrte stumm in die Richtung, in der Eden jeden Moment auftauchen sollte. Ich suchte seine feuerroten Locken im Nebel. Seine hochgewachsene, etwas schlaksige Statur. Ich wartete so lange, bis ich schon zehn Minuten zu spät zum Unterricht kommen würde und verdammt, ich hätte noch länger gewartet, hätte in diesem Moment nicht der Regenschauer eingesetzt, der für den Tag angesagt war.
Den matschigen Waldweg lief ich heute allein, ohne Eden und ich hatte keinen blassen Schimmer, wo er blieb.
Er schrieb mir immer vorher, wenn er krank war oder zu spät kommen würde, weil Dawn sich mal wieder nicht von ihm trennen konnte.
Doch heute herrschte Funkstille und das machte mich misstrauisch, aber auch irgendwie wütend. Eden hätte mich nie im Regen stehen gelassen, doch in letzter Zeit war er anders gewesen und ich wusste langsam nicht mehr, was ich denken sollte.
"Ich hab für dich gelogen.", sagte Milo, als er den Schulhof betrat, den ich eine Viertelstunde eher erreicht hatte. Ich hatte beschlossen, dass es sinnlos wäre, jetzt noch zum Unterricht zu gehen und hatte stattdessen eine geraucht.
"Ich hab gesagt, du wärst beim Arzt.", ergänzte Milo, während er sich eine Zigarette zwischen die Lippen steckte und sein Feuerzeug aus der Tasche zog.
"Danke.", entgegnete ich matt.
Milo zog eine Augenbraue hoch.
"Ist irgendwas?", fragte er. Ich schüttelte nur mit dem Kopf und sah weg. Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen und einige Schüler der Unterstufe rannten laut schreiend quer über den Hof.
Susane tauchte neben mir auf. Sie hatte den gleichen unmotivierten Blick drauf
wie immer.
"Wo ist Eden?", fragte sie und ich glaube, dass es sie tatsächlich interessierte.
Aber ich wusste es selbst nicht und das passte mir gar nicht.
"Krank.", entgegnete ich nur. Ich wollte das Thema nicht noch weiter ausführen und war froh, dass sich Susane mit dieser Antwort zufrieden gab.
Sie zündete sich eine Zigarette an, die am Ende orange aufglühte.
"Mir ist kalt.", sagte ich, denn ich brauchte eine Ausrede, um allein sein zu können. Susane erwiderte nichts und Milo zuckte nur den Schultern, weshalb ich nichts weiter sagend die beiden auf dem Hof stehen ließ.
Sobald ich die Tür des Schulhauses geöffnet hatte, kramte ich eilig mein Handy aus der Tasche und rief Eden an.
Es wählte. Es wählte lange und der sich immer wiederholende Ton, der in gleichmäßigen Abständen an mein Ohr drang, fühlte sich an wie die Unendlichkeit.
Eden ging nicht ran.
Ich versuchte es an diesem Tag immer wieder, doch Eden blieb stumm.
Ich lief allein nach Hause.
Es hatte aufgeklart, Sonnenstrahlen fielen auf die Regentropfen und brachten die Natur zum Leuchten. Ich zog meine Jacke weiter zu und sah kurz auf meine Hände, die von der Kälte immer röter wurden.
Aus den kleinen Schornsteinen der alten Häuser in Lewes stieg wie immer der Rauch auf und als ich an dem Punkt war, an dem Eden in die eine Richtung und ich in die andere lief, blieb ich zweifelnd stehen.
Ich spielte mit dem Gedanken, zu Eden zu gehen, um zu fragen, wo er gewesen war. Doch etwas hielt mich zurück. Eden war mein Freund, meine einzige Liebe und wenn er mit mir über etwas reden wollte, würde er es tun, wenn er dazu bereit war. Sowas nannte man Vertrauen und wir hatten dieses Vertrauen. Oder zumindest hoffte ich das.
Die Luft roch nach Kaffee, als ich den Flur unseres Hauses betrat und aus der Küche hörte ich leise Geräusche.
Ich zog meine Jacke aus, hängte sie an den Haken an der Wand und streifte anschließend meine Schuhe von den Füßen, indem ich mit dem einen Fuß an die Hacke des anderen trat.
In der Küche entdeckte ich meine Mum.
Sonnenlicht fiel durch die großen Fensterscheiben herein und ließ ihre Haare strahlen und die kleinen Staubkörner in der Luft sichtbar werden.
"Hallo, mein Schatz.", begrüßte sie mich, ohne aufzusehen.
Mit ruhigen Händen schälte sie Kartoffeln, mit so einer Vorsicht, als hätte sie eine Porzellanvase in ihren Händen.
"Hallo."
Ich trat näher an sie heran und fragte mich, ob sie wohl spüren würde, dass in mir ein Orkan tobte. Mütter spürten sowas doch.
"Brauchst du Hilfe?", fragte ich und deutete mit der Hand auf die noch ungeschälten Kartoffeln.
Mum drehte sich leicht und meine Richtung und blickte mich an.
"Warum nicht?", entgegnete sie und zuckte mit den Schultern.
Ich nahm mir ein Messer aus einer der Schubladen, wusch mir die Hände und begann, die kleine Kartoffel in meinen Händen zu schälen.
"Ich dachte, wir essen heute Abend mal alle zusammen.", erklärte meine Mum, als hätte ich sie gefragt, warum sie kochte. Sie kochte sonst nur selten, zu Feiertagen beispielsweise.
Aber sonst war es immer Dad, der für ein warmes Essen am Tag sorgte.
"Okay.", gab ich zurück und legte die fertige Kartoffel in den Topf.
Es war beruhigend, über etwas anderes nachzudenken, als über Eden und warum er heute nicht in der Schule gewesen war.
So langsam kam ich mir auch ganz schön paranoid vor. Er war bestimmt nur krank und hatte den ganzen Tag geschlafen.
Oder sein Dad hatte ihn zu einem dieser Ärzte in der nächsten Stadt gefahren, weil er unseren nicht sonderlich gut gestimmt war und Eden hatte einfach nur sein Telefon vergessen.
Nachdem ich Mum geholfen hatte und sie allein alles andere für das Essen vorbereitete, versuchte ich es ein letztes mal bei Eden.
Es wählte erneut und wieder lange und ich war kurz davor, aufzulegen, als Eden sich mit einem matten "Hey" meldete.
Mein Herz machte einen Satz. Wenn es springen könnte, hätte es dies sicher getan.
"Wo warst du, Eden?", fragte ich augenblicklich und es dauerte eine Weile, bis ich eine knappe Antwort bekam.
"Ich war krank.", beruhigte mich Eden. Meine Stimme hatte wohl etwas aufgeregt geklungen.
"Alles in Ordnung?", erkundigte ich mich besorgt und Eden versicherte mir, dass es ihm gut ginge.
"Es ist nichts schlimmes, aber ich werde erst in ein paar Tagen wieder zur Schule kommen."
Ich nickte verständnisvoll, auch wenn er es nicht sehen konnte.
"Ich hab dich lieb, Prinzessin", raunte Eden, "aber mich muss auflegen."
"Okay", sagte ich mit erneuten Nicken und mein Blick fiel aus dem Fenster. Ein Vogel hüpfte munter auf dem Ast der großen Weide in unserem Garten herum, ehe er, von etwas aufgeschreckt, davon flatterte.
"Ich liebe dich auch.", murmelte ich leise, doch Eden hatte bereits aufgelegt.
end of chapter twenty-one.
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