06| Licht
𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟔
𝒅𝒂𝒅𝒅𝒚 𝒊𝒔𝒔𝒖𝒆𝒔 - 𝒕𝒉𝒆 𝒏𝒆𝒊𝒈𝒉𝒃𝒐𝒖𝒓𝒉𝒐𝒐𝒅
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Ich hatte die Augen geschlossen, spürte den sanften, frischen Wind auf meiner Haut und lauschte den Geräuschen in der Umgebung.
Auch wenn ich die Welt um mich nicht sehen konnte, wusste ich, dass vor mir das weite Kornfeld war, der Ort, an dem Eden und ich uns jeden Morgen trafen.
Der Weizen, der dort im Sommer das gesamte Feld füllte, bestand nun nur noch aus trockenen, hellbraunen Halmen, die hier und da aus dem Boden ragten und sich im Wind leicht neigten.
Es war so wunderschön, hier zu stehen und für ein paar Minuten einfach alles vergessen zu können.
Als wäre ich in einer anderen, besseren Welt, in der nichts weiter existierte, als Eden und ich.
Eden.
Ich hörte, wie seine Schritte sich mir nähern, wie sie lauter wurden, je weiter er sich in meine Richtung bewegte. Den Klang seiner Schritte würde ich überall wiedererkennen.
In meiner zweiten Welt ging die Sonne auf, als ich seinen warmen Atem auf meinem Nacken spüren konnte und er seine Hände vor meine Augen hielt.
Ziemlich sinnlos eigentlich, da ich meine Augen ja ohnehin schon geschlossen hatte.
Doch Eden war niemand, der in allen Dingen einen Sinn suchte.
Er lebte im Hier und Jetzt.
"Na, wer bin ich?", hörte ich seine raue Stimme fragen.
Ich kicherte und befreite mich von seinem Händen, die noch immer meine Augen verdeckten.
"Ein Idiot!", entgegnete ich lachend und sah in seine tiefblauen Augen, die wie zwei Saphire auf seiner hellen Haut hervorstachen.
"Ich bin also ein Idiot, ja?"
Er schlang seine Arme um mich und zog mich fester zu sich heran, sodass ich seine Wärme spüren konnte.
"Der schönste, den es auf Erden gibt.", sagte ich träumerisch und es war, als würde mein Herz Feuer fangen, als Eden sich ein kleines Stück zu mir herunterbeugte, seine Stirn an meine legte und mir tief in die Augen sah.
"Und du, Kate Kassidy, bist mein Licht."
Seine Lippen, die meine berührten, seine reine Anwesenheit, ließen mich jedes Mal glauben, das Leben wäre doch nicht so schlimm, wie alle immer sagten.
Als wäre es nur ein Spiel und wenn es richtig spielte, dann könnte man glücklich werden.
"Wir sollten los, sonst kommen wir noch zu spät.", murmelte ich lächelnd und schob ihn ein Stück von mir weg.
Eden sah davon zwar nicht so begeistert aus, nickte aber und griff nach meiner Hand.
"Na dann komm, Prinzessin."
Die Diskussion mit meinen Eltern vom gestrigen Abend machte mir noch immer Gedanken, doch Edens Hand, die meine sanft hielt, während unsere Finger sich eben in diesem Moment verschränken, versichert mir, dass es die richtige Entscheidung war, sich von dem Plan abzuwenden.
"Woran denkst du gerade?", fragte Eden, jedoch ohne mich anzusehen, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Oder er hatte einfach nur gespürt, dass etwas nicht stimmte.
"Meine Eltern sind gestern wieder nach Hause gekommen.", erzählte ich.
"Mom und ich hatten eine kleine Diskussion wegen der Liste."
"Ich versteh schon.", sagte Eden.
Er kannte die Liste.
Ich hatte sie ihm gezeigt, als er das erste Mal bei mir gewesen war.
Nunja, eigentlich hatte er sie entdeckt und auch wenn wir uns damals noch nicht lange kannten, war ihm aufgefallen, dass das kleine Mädchen, dass damals die Liste geschrieben hatte, nicht das selbe war, dass er vor sich sah.
Ich interessierte mich für Kunst und nicht für Jura.
Mir war die Liebe wichtiger als ein guter Beruf und zwei Badezimmer zu haben empfand ich mittlerweile auch nicht mehr als notwendig.
"Und wie war's bei dir? Ich dachte, du rufst mich abends noch an.", sagte ich.
Edens leichtes Lächeln verschwand und mit diesem auch die kleinen Grübchen, die sich an seinen Wangen gebildet hatten und die ich so liebte.
Er schaute erst auf den Boden, dann nach vorn, wo das kleine Waldstück lag, dem wir und mit jedem Schritt näherten.
"Wie erwartet.",sagte er nur.
"Dad war natürlich wütend, weil ich ihn solange mit Dawn alleine gelassen habe."
"Aber mehr ist nicht passiert?", fragte ich besorgt.
"Nein."
Eden zog mich näher an sich heran und legte einen Arm um meine Taille, während wir den Waldweg entlangliefen.
Der Boden war gefroren.
Ein Vorbote für den Winter, der in den nächsten Monaten über unsere Kleinstadt einbrechen würde.
Ich hasste den Winter, denn den Morgengrauen, den ich so liebte, würde ich dann nur noch von einem stickigen Klassenzimmer aus sehen können.
"Na, ihr?"
Pipers Stimme erschreckte mich leicht, denn erst jetzt realisierte ich, dass wir bereits auf dem Schulhof standen.
"Was geht ab, Piper?", fragte Eden lässig und ließ zu meinem Bedauern meine Hüfte los, um meine beste Freundin zu umarmen.
Piper und Eden hatten sich früher nie wirklich leiden können, weil sie den jeweils anderen für arrogant hielten.
Piper war anfangs dagegen, dass ich mich auf ihn einlassen sollte und Eden fand ihre Sorgen einfach übertrieben.
Mittlerweile hatten sie verstanden, dass sie beide nur das Beste für mich wollten und ihre Streitigkeiten beiseite gelassen.
"Bryce hat mich nach einem Date gefragt!", platze es aus hier heraus.
Ihre Stimme klang hoch und aufgeregt, aber wohl eher mehr, weil sie das Abenteuer liebte und nicht wegen Bryce.
Eden lachte nur und schüttelte den Kopf.
"Du und Bryce? Der ist doch nicht einmal dein Typ."
Er zog eine Augenbrauen hoch, doch Piper grinste nur, als hätte man ihr gerade einen Hundewelpen geschenkt.
"Wir können uns Kate auch gerne teilen.", schlug sie vor und lachte.
Manchmal wünschte ich, Pipers Leben zu haben.
Sie war immer fröhlich, frech und hatte an allem ihren Spaß.
Ihre Mom hatte einen kleinen Second-Hand Laden in der Innenstadt von Lewes, den Piper und ich fast regelmäßig durchstöberten.
Ihr Vater war Zahnarzt und behandelte eigentlich jeden in der Stadt.
Es war, als wäre ihre ganze Familie nur glücklich und zufrieden und als gäbe es kein Unheil, dem sie nicht trotzen könnten.
"Na komm schon, Kate."
Piper zog mich unsanft hinter sich her. Eden hatte meine Hand bereits losgelassen und war schon vorgegangen.
Mir blühte nun erstmal der Französischunterricht bei Madame Simon.
Eine kleine, rundliche Frau, die sogar über einen französischen Akzent verfügte, der jedoch alles andere als schön war. Sie war schon etwas älter und trug eine Brille mit runden Gläsern, die ihr aber immer wieder von der Nase rutschte.
Ich mochte Französisch, doch gerade, als ich das Schulhaus betrat, breitete sich ein unwohles Gefühl in mir aus, das aber so schnell wieder verflog, wie es gekommen war.
"Ich weiß nicht recht. Ich halte nichts von Schicksal oder so einem Esoterik-Quatsch, aber wer weiß, vielleicht war es ja doch eine Vorahnung."
end of chapter six
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