27. Crazy
Ich lasse die anderen für einen kurzen Moment in der Sauna zurück, unter dem Vorwand, dass ich frische Luft brauche und das alles noch einmal sacken lassen muss. Die Stille im Flur scheint mich zu umarmen, und obwohl ich sie vorhin noch beängstigend fand, fühlt sie sich gerade beruhigend an. Doch als ich mich auf den Rückweg mache, höre ich drinnen gedämpfte Stimmen und auch meinen Namen... sie scheinen über mich zu reden. Sofort halte ich inne und lehne mich so an die Wand, dass ich sie hören, aber keiner mich von der Sauna aus sehen kann.
Felix' Stimme klingt etwas besorgt. „Ich muss ehrlich sagen, ich mache mir ein bisschen Sorgen um Ji. Habt ihr gesehen, wie blass er eben war? Er sah wirklich ernsthaft verschreckt aus, eben als ob er wirklich einen Geist gesehen hätte..."
„Ja, schon.", stimmt Seungmin ihm zu. „Er wirkte wirklich durch den Wind. Aber einen Geist? Das ist wirklich ein wenig unglaubwürdig"
Chan seufzt. „Vielleicht war's doch ein bisschen viel für ihn. Wir wissen doch alle, dass er seit der Sache in der Stadt noch nervöser geworden ist."
Ich fühle mich etwas schlecht, dass ich sie belausche aber in inneren macht es mich auch etwas glücklich, dass sie besorgt um mich sind, obwohl es ja eigentlich keinen Grund gibt. Aber dieses Gefühl der Glücklichkeit wird ganz schnell von einem Minho zerstört.
„Der Typ dreht doch am Rad. So was Lächerliches; Klopfen, Geister, 'ne Nachricht an der Wand? Ich mein, glaubt er wirklich, dass wir ihm das abkaufen?" Seine Stimme klingt hart und hallt durch den Saunaraum.
„Min, das ist jetzt wirklich etwas übertrieben!", wirft Chan zurück, obwohl ich ein leichtes Zögern in seiner Stimme vernehmen kann. Selbst Chan kann wohl ein bisschen Wahrheit an Minhos Worten finden. „Vielleicht ist ja wirklich etwas dran und wir können es einfach nicht verstehen?"
Minho lacht. „Oder er will einfach Aufmerksamkeit. Das wäre nicht das erste Mal. Seit dieser Sache in der Stadt ist er doch ständig auf Kante. Er soll sich einfach zusammenreißen."
Ein Stich trifft mich, als ich das Minho sagen höre. Für ihn scheint alles wie ein schlechter Witz zu sein. Und das, nachdem ich dachte in der Rutsche hätte sich etwas geändert. Es ist fast so, als ob er vor den anderen groß und stark wirken möchte und wenn dann doch mal keiner hin sieht, knickt er ein und wird zu einem anderen Menschen.
Felix versucht beschwichtigend zu wirken. „Er ist unser Freund, okay? Vielleicht hat er sich wirklich einfach nur erschrocken, Minho. Und ich gebe zu, das Ganze klingt seltsam, aber vielleicht... keine Ahnung. Es könnte ja echt sein."
„Selbst wenn. Soll er erstmal lernen, sich wie ein Erwachsener zu verhalten.", entgegnet Minho. „Wir sind hierhergekommen, um zu entspannen und er macht alles unglaublich kompliziert. Soll er seine Geister woanders suchen."
„Das sind wirklich sehr harsche Worte. Stell dir doch mal vor, dass du so etwas erlebst und es dir keiner glaubt. Du fühlst dich wahrscheinlich schon verloren alleine nur von diesem mysteriösen Ereignis und wenn dir dann gar niemand glaubt, gehst du doch daran kaputt. Anstatt zu überlegen ob Jisung die Wahrheit erzählt, sollten wir ihm vielleicht mehr Unterstützung geben, damit solche Dinge gar nicht erst passieren.", sagt der Älteste und ich fühle mich sehr dankbar, dass er mich noch nicht komplett aufgegeben hat.
„Irgendwie hast du ja recht, aber so etwas kann halt unsere Gruppe sehr runter ziehen.", würft Minho ein und ich bin sehr überrascht wegen seiner plötzlichen Einsicht. Chans Worte scheinen Wunder bewirkt zu haben.
Chan atmet erleichtert auf und die Atmosphäre lockert sich ein wenig auf. „Deswegen finde ich auch, dass wir zusammen bleiben sollten. Mindestens in Gruppen von zwei Personen, damit wir gegenseitig ein Auge aufeinander haben können. Niemand wird mehr alleine gelassen und auch keiner verschwindet mehr alleine irgendwo hin.", stellt der Leader die neuen Regeln auf. „Wenn jemand irgendetwas komisches sieht, hört, oder sonst was, es wird immer als erstes die Gruppe informiert, damit solche Vorfälle nicht mehr passieren können."
Da ein paar Sekunden der Pause entstehen, sehe ich das als mein Zeichen, wieder einzutreten. Alle Blicke richten sich auf mich, und für einen Moment fühlt sich die Luft schwer und bedrückend an.
Chan räuspert sich und kommt ein paar Schritte auf mich zu, sein Ausdruck ist freundlich. „Hey, Jisung", beginnt er vorsichtig, als ob ich bei jedem Wort zusammenbrechen könnte. „Wir haben uns überlegt, dass es besser wäre, wenn wir... alle zusammenbleiben, weißt du, nur für die Sicherheit natürlich. Niemand wird mehr alleine durch die Gänge laufen oder irgendwohin verschwinden." Er spricht ruhig, als würde er mich beruhigen wollen. Jedoch spüre ich, wie sich eine kleine Unruhe in mir regt.
Natürlich verstehe ich den Grund hinter der neuen Regel sofort, vor allem durch das Gespräch, welches ich belauscht habe. Er will sicherstellen, dass keiner von uns sich mehr in die gleiche, missliche Lage bringt. Aber es fühlt sich viel mehr so an, oder vielleicht ist es auch so, dass die neue Regel nicht für alle, sondern besonders für mich gedacht ist.
Felix nickt, schiebt sich die Haare aus der Stirn und schaut mich mit einem aufmunternden Lächeln an. „Genau, und so hat immer jemand ein Auge auf den anderen. Wenn irgendwas... komisches passiert, ist wenigstens jemand dabei, der's bezeugen kann. Ist so bestimmt für alle besser."
Ich nicke langsam, aber meine Gedanken rasen. Ich frage mich, ob sie wirklich glauben, dass es nur ein allgemeiner Vorsichtsplan ist, oder ob sie insgeheim an meiner Geschichte zweifeln und so vermeiden wollen, dass ich in irgendeinen „Wahn" verfalle, wie Minho es vielleicht nennen würde.
Ich weiß, was ich gesehen habe. Egal, wie oft sie mich ansehen, als würde ich Gespenster sehen... ich weiß, dass ich nicht verrückt bin!
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Spoiler: Es gibt keinen Geist.
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