23. Slide
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu den Rutschen. Bunte, verschlungene Röhren aber auch offene, gerade Rutschen befinden sich im hinteren Teil des Schwimmbads. Es sind so viele, dass man nicht einmal mehr den Überblick hat, welche man bereits gerutscht ist und welche man noch ausprobieren möchte. Es ist wie ein riesiges Labyrinth, welches viel Spaß verspricht.
Umso näher wir kommen, desto mehr hört man das Rauschen des Wassers, welches die Röhren herunter gleitet. Es ist irgendwie beeindruckend, dass alles noch funktioniert. Selbst nach mehr als einer Woche ohne Menschen gibt es noch astreines, fließendes Wasser, Strom und Gas. Das Einzige, was nicht mehr funktioniert ist alles, was mit unseren Handys zu tun hat. Wir können keine Anrufe tätigen und auch das Internet funktioniert nicht mehr. Deswegen musste auch unsere Notlösung mit den Walkie-Talkies her.
Voller Aufregung steigen wir im Entenmarsch die Treppen nach oben. Dann teilt sich die Gruppe auf; einige wählen die gerade, schnelle Bahn und andere, mich eingeschlossen, wählen für den Anfang erstmal eine kurvige Rutsche, die nicht so steil und gefährlich aussieht.
Zwei Rutschen des gleichen Bautyps sehen sehr einladend aus. Im Verlauf der Strecke kreuzen sie sich einige Male.
„Ich wette, ich bin schneller unten als du!", ruft Felix, bevor er sich in eine der beiden stürzt.
„Das glaube ich aber nicht!", antworte ich lachend und folge ihm, in dem ich mich mit Schwung in die andere Röhre befördere.
Die Rutsche ist ein Wirbel aus Farben und Wasser, und für einen Moment fühle ich mich wie ein Kind, begeistert von den Farben und dem Spaß, welcher das Leben zu bieten hat. Das Lachen und die Schreie von Felix hallen so laut, dass ich ihn selbst in meiner Rutsche hören kann. Als ich unten ankomme, sehe ich, dass Felix mich tatsächlich geschlagen hat.
„Na, was habe ich gesagt?", triumphiert er, während er mir die Hand reicht, um mir aus dem Becken zu helfen.
„Das war nur Glück!", erwidere ich grinsend.
Minho kommt kurz nach uns unten an. So wie es aussieht, ist er die steile Rutsche gerutscht, was mich etwas überrasch, da ich ja weiß, dass er mit dem Schwimmen ein paar Probleme hat. Aber wahrscheinlich hat Chan ihm im Laufe der Zeit ein bisschen seines Könnens auf den Weg gegeben. Obwohl Minho nicht direkt mit mir spricht, sehe ich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. „Noch eine Runde?", fragt er, und ich bin überrascht, dass er tatsächlich auf mich zugeht.
„Klar, warum nicht", antworte ich, bemüht, die Gelegenheit zu nutzen, um die Spannung zwischen uns abzubauen. Das könnte wirklich ein perfekter Moment sein, um unsere Situation zu entspannen und uns wenigstens auf einer neutralen Ebene gegenüber zu stehen.
Wieder oben angekommen sehe ich eine Regenbogenrutsche mit 7 identischen Wegen nach unten. Felix und Minho setzen sich neben mich und ich rufe ihnen zu, um das Rauschen zu übertönen: „Dieses Mal werde ich schneller sein!"
„Das werden wir ja sehen.", antwortet zu meiner Überraschung Minho und für einen Moment scheint die Feindseligkeit zwischen uns zu verschwinden und gegen eine freudige Konkurrenz ausgetauscht zu sein.
Zu dritt zählen wir von drei runter und stürzen uns dann in die Tiefe. Felix hat seine Startschwierigkeiten, weswegen das hier nur noch ein Rennen zwischen mir und Minho ist. Gerade denke ich, dass ich gewinne, doch da holt Minho irgendwie Schwung und schafft es gleichzeitig mit mir in das Auffangbecken zu rutschen.
Wir tauchen gleichzeitig aus dem Wasser auf und ich kann nicht anders als zu lachen. Diese Interaktion ist wirklich nicht viel, aber es ist ein Anfang. „Das war ein klares unentschieden!", sage ich und strecke ihm meine Hand entgegen.
Er blickt ungläubig runter zu meiner Hand und anschließend wieder in mein Gesicht. „Ganz so weit sind wir noch nicht." Er dreht sich um und geht ein paar Schritte von mir weg. Dann fügt er hinzu: „Und meine Füße haben als erstes das Wasser des Ausganges berührt."
Ich seufze aber gebe ihm den Sieg, wenn er ihn unbedingt haben will. „Aber dafür ich will eine Revanche!"
„Es gibt manchmal nur eine Chance im Leben, Jisung. Du hattest deine gerade und ich habe gewonnen."
Ich erkenne, dass er aus dem Augenwinkel zu mir schaut und auch, dass er ein Lächeln auf seinem Gesicht trägt. Es macht ihm anscheinend Spaß mich zu ärgern. Aber dieser Minho ist mir viel lieber als den, den ich über die letzten Tage kennengelernt habe.
Noch einige Rutschen probiere ich alleine aus, manchmal auch mit Felix oder Changbin, bis ich mich in den anderen Rutschen-Bereich traue. Hier sind die langen Rutschen. Der Startpunkt ist einiges höher, das ist aber so ziemlich der einzige ersichtliche Unterschied.
Oben angekommen muss ich erst kurz verschnaufen. Diese vielen Treppen machen einen echt zu schaffen, obwohl ich durch meine Lebenszeit in Seoul eigentlich schon an das viele Treppensteigen gewöhnt sein sollte. Ich bewege mich heute mehr, als ich es die ganze letzte Woche zusammen getan habe. Eine Rutsche fällt mir ins Auge. Sie sieht nicht sonderlich steil aus und die Röhre ist auch nicht so eng wie andere auf dieser Etage.
Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das kaum erwarten kann, die glitzernde Röhre hinunter zu sausen. Hinter mir höre ich die lauten Rufe und das Lachen der anderen, doch schnell wird das von den Wassergeräuschen übertönt. Ich lasse mich entspannt in die Öffnung der Rutsche gleiten.
Sie ist sogar einiges schneller als erwartet, aber es macht trotzdem Spaß. Plötzlich spüre ich, wie das Wasser sich wie in einem kleinen Stau sammelt und etwas langsamer abfließt als normalerweise. Natürlich weiß ich genau, was das zu bedeuten hat. Jemand befindet sich in der Rutsche. Wenn ich nicht schnell anhalte, dann kollidiere ich in voller Geschwindigkeit mit dieser Person und das wird für keinen von uns ein angenehmes Erlebnis.
Mit aller Kraft drücke ich meine Hände an die rutschigen Innenwände, und auch meine Füße stelle ich auf in Vorbereitung, sofort mit jemandem zu kollidieren. Ich werde mit jeder vergehenden Sekunde nervöser. All meine Versuche bewirken nur das Minimalste und ich rufe laut „Achtung!", um die zweite Person in dieser Rutsche vorzuwarnen. Als ich mit Vollgeschwindigkeit um die nächste Kurve sause, taucht plötzlich Minho vor mir auf. So wie es aussieht, scheint seine Badehose nicht sonderlich gut auf diesem Untergrund zu rutschen, weswegen er so einiges langsamer ist als ich.
In diesem Moment ist alles wie in Zeitlupe. Ich versuche weiterhin meine Geschwindigkeit zu drosseln indem ich meine Arme und Beine wie wild in der Gegend herumwedele. Doch es ist zu spät. Mit voll Karacho rutsche ich direkt in ihn hinein. Mit einem dumpfen Geräusch pralle ich gegen seinen Rücken und wir landen beide schnell in einem Wirrwarr aus Armen und Beinen.
Der ältere schreit überrascht auf, da er wahrscheinlich nicht erwartet hat, dass ich so schnell angerutscht komme, doch der Laut geht im Rauschen des Wassers unter. Einige Meter kullern wir in der Rutsche weiter und werden von der kleinen Wasserströmung mitgerissen.
Es ist wie eine Achterbahnfahrt. Man wird immer wieder hin und her gewirbelt und jede Kurve, die uns weiter in den Abgrund katapultiert lässt uns noch mehr verheddern. „Wir müssen stehen bleiben!", rufe ich, aber das ist leichter gesagt als getan, wenn man gleichzeitig versucht, Minhos Ellenbogen aus dem Gesicht zu bekommen. Zusätzlich sitzt meine Badehose gefährlich tief und sobald ich meine Arme in dem ganzen Chaos wiederfinde muss ich sie dringend wieder richten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir doch zum Stehen und ich habe die Möglichkeit alles wieder in die richtige Position zu bringen. Ich strample mich frei und drehe mich um, um Minho aus dem Wirrwarr von Gliedmaßen zu befreien. Er hat ein paar Wasserspritzer im Gesicht und sieht komischerweise nicht wie erwartet wütend aus, sondern trägt einen amüsierten Gesichtsausdruck. Seine nächsten Worte passen so gar nicht zu dem, was sein Gesicht ausstrahlt: „Pass doch auf!", schnauzt er.
„Sorry, ich konnte nicht mehr anhalten" murmele ich und versuche etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Doch die Rutsche ist zu zweit so eng, dass es mir kaum möglich ist. Durch eine unüberlegte Bewegung von mir landen wir in einer noch unangenehmeren Position.
Nun liegt Minho halb auf mir, seine Arme stützen ihn leicht auf beiden Seiten von mir ab, doch unsere nasse Haut ist eng aneinandergepresst und das Schlimmste; sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt...
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