Kapitel 10
Während die Tage in Spinner's End dahin trieben, verdichtete sich Harrys Einsamkeit zu einer fast greifbaren Präsenz. Seit knapp vier Wochen war er nun schon bei Snape. Er sprach kaum noch, aß nur das Nötigste, und seine Interaktionen mit seinem Vater waren auf ein Minimum reduziert. Snape selbst schien Harrys Zustand kaum zu beachten, vertieft in seine eigenen Sorgen und Verpflichtungen, was die Kluft zwischen ihnen nur noch vertiefte. In diesen trüben Tagen fand er jedoch Trost in der unerwarteten Freundschaft mit Orpheus. Der Rabe, der anfangs nur zögerlich Harrys Gesellschaft gesucht hatte, war nun zu einem ständigen Begleiter geworden, besonders wenn Harry im Garten arbeitete. Der Rabe saß dann oft stundenlang auf Harrys Schulter, sein federleichtes Gewicht und das gelegentliche sanfte Krächzen waren zu einem vertrauten Trost geworden. Diese Verbindung zwischen Harry und dem Vogel entging Severus Snape nicht. Er nahm die wachsende Bindung zwischen dem Jungen und dem Tier sehr missbilligend zur Kenntnis. Eines Tages, als Harry wieder einmal mit Orpheus auf der Schulter ins Haus kam, sprach Snape ihn direkt darauf an.
»Potter, ich hoffe, du verschwendest nicht deine gesamte Zeit mit meinem Raben. Es gibt produktivere Weisen, deine Zeit zu nutzen«, Harry, der Orpheus sanft von seiner Schulter streifen ließ, antwortete leise: »Orpheus ist mein Freund, Sir«, Snape betrachtete Harry mit einem Blick, der schwer zu deuten war, bevor er spöttisch erwiderte: »Ein Rabe als Freund. Ich hätte erwartet, dass deine Ansprüche an Gesellschaft etwas höher wären, Potter«, trotz Snapes Missbilligung konnte Harry nicht leugnen, wie viel Orpheus' Gesellschaft ihm bedeutete. Der Rabe war ein Lichtblick in seinem sonst so düsteren Alltag geworden, ein ständiger Begleiter, der ihm das Gefühl gab, nicht vollkommen allein zu sein.
An Abend vor Harrys zwölften Geburtstag, der wie so viele zuvor in der bedrückenden Stille von Spinner's End versank, ging es Harry besonders schlecht. Beim Abendessen saß er schweigend da, spielte mit dem Essen auf seinem Teller, ohne auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen. Severus Snape, der Harrys Appetitlosigkeit mit zunehmendem Unmut beobachtete, hielt eine strenge Ermahnung nicht zurück.
»Potter, wenn du weiterhin deine Mahlzeiten verschmähst, sollte es dich nicht wundern, dass du kaum auf den Beinen stehen kannst«, sagte er mit einer Kälte, die keinen Raum für Widerspruch ließ. Harry antwortete nicht. Er fühlte sich zu schwach, um sich zu verteidigen, und seine Gedanken waren zu trübe, um eine sinnvolle Antwort zu formulieren. Er starte auf den Teller mit dem altbekannten Reis, den Bohnen und heute auch einem kleinen Stück Hühnchen. Snape sprach weiter, aber Harry hörte es nicht. Bald darauf erhob er sich leise und murmelte eine hastige Entschuldigung, bevor er sich in sein Zimmer zurückzog. Er ging ins Badezimmer, entledigte er sich seiner Kleidung und der Spiegel offenbarte die erschreckende Wahrheit: Er war deutlich abgemagert, seine Haut spannte sich straff über die Knochen. Er versuchte, seine Zähne zu putzen, doch seine Hände zitterten und die Kälte, die ihn durchdrang, machte jede Bewegung zur Qual. Kopfschmerzen pulsierten in seinem Schädel, ein unerbittlicher Rhythmus, der es schwer machte, auch nur klare Gedanken zu fassen. Schnell gab er auf, schlüpfte unter die dünne Decke seines Bettes und versank trotz des Unbehagens und der Schmerzen bald in einen unruhigen Schlaf.
Sein Fenster stand offen, eine kleine Erleichterung in der drückenden Sommerhitze, und ließ die Geräusche der Nacht und eine leichte Brise ins Zimmer. In den späten Nachtstunden, als das Haus in Dunkelheit und Stille gehüllt war, erschien Orpheus am Fenster. Der Rabe schlief häufig bei Harry in der letzten Zeit und auch daher hatte es sich dieser zur Gewohnheit gemacht das Fenster offenzulassen. Orpheus spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Mit schnellen Bewegungen hüpfte er zu Harrys Bett und stupste den Jungen sanft an, doch Harry rührte sich nicht, gefangen in einem tiefen, erschöpften Schlaf, während das Fieber durch seinen Körper jagte. Mit einem kräftigen Flügelschlag erhob Orpheus sich in die Luft und flog aus dem Fenster, umrundete das Haus in der Hoffnung, auf irgendeine Weise seinen Herren zu wecken und auf Harrys Zustand aufmerksam zu machen.
Severus Snape wurde durch ein beharrliches Klopfen an seinem Fenster aus dem Schlaf gerissen. Genervt und irritiert erhob er sich, um nach der Ursache des Lärms zu sehen. Zu seiner Überraschung fand er Orpheus vor, der mit seinem Schnabel gegen das Glas klopfte. Mit einem Seufzen der Resignation öffnete Snape das Fenster und ließ den Raben hinein.
»Bei Salazar Orpheus was soll das? Du siehst nicht aus, als hättest du einen Brief, also?«, Orpheus, ohne einen Moment zu zögern, hüpfte zielstrebig zur Schlafzimmertür und begann, ungeduldig gegen sie zu klopfen. Snape, nun vollends verwirrt über das seltsame Verhalten des Vogels, folgte dem Drängen von Orpheus und ließ ihn aus dem Raum. Der Rabe führte ihn direkt zu Harrys Zimmertür. Mit einem Anflug von Sorge, der ihn selbst überraschte, öffnete Snape vorsichtig die Tür und trat in das dunkle Zimmer ein. Das schwache Mondlicht, das durch das offene Fenster fiel, offenbarte Harrys Gestalt unter der Decke. Snape trat näher, seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und schnell wurde ihm klar, dass mit Harry etwas nicht stimmte. Er kniete sich vor die Matratze und berührte das Kind sacht an der Stirn. Harry fieberte. Snape seufzte und als er die Decke zurückzog, enthüllte sich ihm der erschreckende Anblick von Harrys abgemagerter Gestalt. Der Junge trug wohl wegen der Hitze nur eine Unterhose. Für einen Moment war Snape von einem tiefen Gefühl des Mitleids ergriffen, schockiert über das Ausmaß von Harrys Verfassung. Doch er drängte diese Regung schnell beiseite und ließ seinen medizinischen Instinkt die Oberhand gewinnen. Er erkannte die Symptome einer Sommergrippe, gepaart mit den offensichtlichen Zeichen der Vernachlässigung seiner körperlichen Bedürfnisse. Schnell ging Snape zu seinem privaten Vorrat an Tränken, bereitete eine Mischung vor, die sowohl die Symptome der Grippe lindern als auch Harrys geschwächten Körper stärken sollte. Als er zurück in das Zimmer kam, verabreichte er ihm sorgfältig den Trank. Harry seufzte tief im Schlaf und drehte sich auf die Seite. Severus legte wieder die Decke über das Kind und sogleich kam Orpheus angeflattert und ließ sich auf dem Kissen des Jungen nieder, schmiegte sich an ihn. Snape erhob sich und versuchte, seine widersprüchlichen Gefühle wegzudrücken. Was war es, dass er empfand Mitleid, Schuld, Reue, Liebe? Er wusste es nicht und wenn er ehrlich war, wollte er es nicht herausfinden. Er drehte sich um, schloss die Tür und legte einen Alarmzauber auf den Raum, ehe er selbst wieder ins Bett ging.
Am nächsten Morgen, als Harry sich deutlich besser fühlte, bereitete Severus Snape ein großes Frühstück für ihn vor. Auf dem Tisch standen mehr Speisen, als Harry in den letzten Wochen zu sich genommen hatte, und Snape wies ihn mit Nachdruck an, zu essen. Zögerlich begann Harry, den Anweisungen zu folgen, noch immer überrascht von Snapes ungewohnter Fürsorge. Er wusste nicht genau, was in der Nacht geschehen war, aber offenbar war er krank geworden und Snape hatte ihn versorgt. Am Morgen war Orpheus bei ihm gewesen und Snape hatte ihn, als er in die Küche kam das Frühstück vorgesetzt und nichts weiter gesagt. Bis jetzt.
»Warum hast du in letzter Zeit so wenig gegessen, Potter?«, fragte der Mann nun mit einer Strenge in seiner Stimme, die Harry dazu brachte, nervös mit den Schultern zu zucken.
»I-ich weiß nicht, Sir«, antwortete Harry leise, unfähig, seine wachsende Nervosität zu verbergen. Snapes Geduld schien zu schwinden, und seine Stimme wurde lauter.
»Das ist keine akzeptable Antwort! Du setzt deine Gesundheit aufs Spiel. Ist dir das völlig egal?«, Harry blickte auf seinen nun fast leeren Teller, unfähig, Snape in die Augen zu sehen, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
»Es tut mir leid, Sir. I-ich hatte einfach keinen Appetit«, Snapes Augen funkelten vor Wut, und für einen Moment ließ er seinen Gefühlen freien Lauf.
»Keinen Appetit? Potter, das ist kein Spiel! Du kannst nicht einfach aufhören, zu essen und erwarten, dass—«, plötzlich hielt er inne, als ihm bewusst wurde, wie laut und aufgebracht er geworden war. Ein Ausdruck des Bedauerns huschte über sein Gesicht, und mit einem tiefen Seufzen verließ er den Raum, um sich zu beruhigen und Harry einen Moment allein zu lassen. Zurückgelassen vor dem Teller, begannen Tränen über Harrys Wangen zu rinnen. Er fühlte sich überwältigt und verloren. In diesem Moment hüpfte Orpheus zu ihm und begann sanft, seinen Kopf gegen Harrys zu reiben, ein stummer Versuch, Trost zu spenden.
Severus trat in das Wohnzimmer, mehrmals lief er auf und ab, um sich zu beruhigen, als sein Blick zufällig auf den Kalender an der Wand fiel. Heute war der 31. Juli – Harrys Geburtstag. Ein Seufzen entwich ihm, gemischt mit einem seltenen Gefühl des Bedauerns über sein vorheriges Verhalten. Als er zurück zu dem Jungen kam, war seine Haltung weicher, seine Stimme ruhiger. So ruhig wie wahrscheinlich noch nie in Harrys Gegenwart.
»Potter, ich ... es tut mir leid, dass ich die Beherrschung verloren habe. U-und ja, alles Gute zum Geburtstag«, Harry blickte überrascht auf, nicht erwartend, solche Worte von Snape zu hören.
»Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?«, fragte der Lehrer dann, obwohl sein Widerwille gegen diese Geste spürbar war. Nach einem Moment des Zögerns, mit einem Hauch von Hoffnung in der Stimme, sagte Harry: »I-ich würde gerne zu Adam und Taylor«, sagte er, während immer noch Tränen über seinen Wangen liefen. Severus Snape seufzte tief, eine Geste, die sowohl Resignation als auch eine Spur von Verständnis zeigte. Er hob den Zauberstab und ließ Pergament und Feder erscheinen.
»Schreib ihnen, dass sie dich morgen hier abholen können«, sagte er, und Harrys Augen weiteten sich überrascht.
»Wirklich, Sir?« Harrys Stimme war voller ungläubiger Hoffnung.
»Ja, wirklich. Mach schon«, erwiderte Snape knapp, seine Augen verbargen nicht ganz den inneren Konflikt, den diese Entscheidung in ihm auslöste.
»A-Aber Professor Dumbledore?«
»Was ist mit ihm?«, wollte Snape scharf wissen.
»Er sagte, ich darf nur die letzten zwei Wochen zu ihnen und ...«
»Ich kläre das und nun schreib schon, ehe ich es mir anders überlege«, sagte der Mann und legte Pergament und Feder vor Harry. Dieser nickte eilig und begann, mit zittrigen Händen einen Brief zu schreiben. Sobald er fertig war, reichte er das Papier an Orpheus, der aufmerksam gewartet hatte. Mit einem kräftigen Flügelschlag verschwand der Rabe durch das offene Fenster, um die Nachricht zu überbringen. Als Harry schließlich wieder anfing zu essen, konnte Snape nicht verbergen, dass es ihm einen Stich versetzte zu sehen, wie sehr der Junge sich danach sehnte, von ihm wegzukommen. Es war ein komplexes Gefühl, eine Mischung aus Erleichterung und einer unerwarteten Regung von Verlust. Am Nachmittag kam die Antwort von Adam und Taylor. Sie bestätigten, dass sie Harry am nächsten Tag abholen würden. Die Nachricht brachte eine Welle der Erleichterung über Harry, gepaart mit einer unerklärlichen Nervosität.
In dieser Nacht fiel es Harry schwer, einzuschlafen, seine Gedanken wirbelten zwischen Vorfreude und Sorge. Die letzten Wochen hatten Spuren hinterlassen, sowohl physisch als auch emotional, und die bevorstehende Wiedervereinigung mit seinen Freunden markierte das Ende einer besonders dunklen Phase seines Lebens. Am Morgen packte er seine Sachen in den Koffer und zog ihn in das Untergeschoss. Snape saß bei einer Tasse Tee in der Küche und blickte kurz vom Tagespropheten auf.
»Sir? W-Würden Sie ... könnten Sie den Koffer verkleinern«, bat Harry. Seufzend ließ der Mann die Zeitung sinken, hob den Zauberstab und schon war der Koffer winzig klein.
»Iss«, kam es dann als Aufforderung und Harry setzte sich an den Küchentisch. Zögernd griff er nach dem Toast und aß das Rührei.
»D-Danke«, sagte er irgendwann so leise, dass man es nur verstand, wenn man genau hin hörte. Snape hatte dies getan und sah zu dem Jungen, der nicht wagte aufzusehen.
»Wofür?«, fragte der Mann tonlos.
»F-für alles und dass, ... dass Sie mich gehen lassen«, nun hob Harry den Blick. Snape atmete tief durch.
»Natürlich«, sagte er knapp, als es an der Tür klopfte. Harrys Herz sprang in die Höhe. Snape war aufgestanden und ging zur Haustür, um zu öffnen, während Harry ihm in den Flur folgte. Augenblicke später kamen Adam und Taylor herein und ohne zu zögern, warf Harry sich in die Arme seiner Freunde, von Emotionen überwältigt. Adam drückte ihn fest an sich, doch als er sich zurückzog, lag ein Ausdruck des Schocks auf seinem Gesicht.
»Kleiner, du bist furchtbar dünn. Ist alles in Ordnung mit dir?«, Harry versuchte zu lächeln, obwohl es eher gezwungen wirkte.
»Ja, alles gut«, sagte er und ließ sich nun von Taylor umarmen.
»Alles Gute noch nachträglich«, sagte dieser und Harry nickte dankbar. In diesem Moment trat Severus Snape näher, seine Miene so undurchdringlich wie immer. Adam und Taylor wandten sich ihm zu, ihre Gesichter zeigten eine Mischung aus Höflichkeit und Vorsicht.
»Professor Snape, wir möchten uns bedanken, dass Sie Harry schon früher zu uns kommen lassen«, begann Adam, seine Stimme fest, doch respektvoll.
»Sicher. Sorgen Sie dafür, dass Sie sich um alle Hogwartseinkäufe kümmern, und Mr. Potter wird am 1. September pünktlich am Zug sein«, sagte er streng.
»Natürlich«, sagte Adam und ein Anflug von Wut klang in der Stimme nach, aber Taylor legte ihm sacht eine Hand auf die Schulter.
»Wo ist dein Gepäck?«, fragte dieser dann und Harry hielt ihm den verkleinerten Koffer hin.
»Okay gut. Wir sollten dann. Professor, auf Wiedersehen«, sagte Taylor und griff nach Harrys Hand. Dieser blickte nun zu seinem Vater.
»Wir sehen uns in der Schule und sagen Sie Orpheus auf Wiedersehen von mir«, sagte er. Snape nickte lediglich. Taylor drehte sich um und führte Harry aus dem Haus.
»Auch wenn es Ihnen sicher egal sein wird, aber ... wir passen gut auf ihn auf«, sagte Adam dann an Snape gewandt, ehe er sich umdrehte und seinem Freund samt Harry folgte. Zurück blieb der Lehrer, der nicht wusste, was er fühlen sollte.
In der gemütlichen Wohnung mitten in London, die Adam und Taylor bewohnten, fühlte sich Harry zum ersten Mal seit Wochen wieder wohl und sicher. Sie hatten die Couch liebevoll für ihn bezogen und aus dem Fenster konnte man auf die Themse sehen.
»Komm, setz dich zu uns«, bat Adam dann und Harry setzte sich zu Taylor und ihm an den Tisch, der vor der offenen Küche stand.
»Also, was bei Snape passiert ist?«, begann Adam vorsichtig. Taylor nickte zustimmend.
»Wir haben uns wirklich große Sorgen gemacht. Als du nicht geantwortet hast ...«, fügte er hinzu, seine Stirn in Falten gelegt.
»Wir waren so erleichtert, als Draco schrieb«, Harry spürte die Wärme und das Interesse seiner Freunde, die ehrliche Sorge um sein Wohlergehen. Es löste etwas in ihm, eine Flut von Emotionen, die er so lange unterdrückt hatte. Harry holte tief Luft, die Augen auf den Tisch gerichtet, bevor er begann, seine Geschichte zu erzählen.
»Es begann am Bahnhof«, sagte er leise, »die Dursleys kamen nicht, um mich abzuholen. Ich war völlig verloren, wusste nicht, was ich tun sollte«, er machte eine kurze Pause, die Erinnerung schmerzhaft frisch. »Dann traf ich Alice eine Hexe, die im Mungo's arbeitet. Sie fand mich dort, ganz allein. Sie und ihr Mann nahmen mich auf für dich Nacht und schrieben Dumbledore. Am nächsten Morgen kam Snape, um mich abzuholen. Die Zeit bei ihm war ... hart. Es war einsam«, fuhr Harry fort, seine Stimme zitterte leicht. »Ich verbrachte Tage allein in meinem Zimmer, fühlte mich wie eingesperrt. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Er sprach kaum mit mir. Essen fiel mir immer schwerer«, seine Freunde hörten schweigend zu, ihre Gesichter voller Mitgefühl.
»An einem Tag haben wir dann Draco besucht. Snape ist sein Pate. Als ich da war, sah ich, wie anders es sein könnte. Alle waren sehr nett und wäre am liebsten dageblieben. Wenig später durfte ich dann in den Garten bei Snape. Und dann war da Orpheus, der Rabe. Er gehört Snape und war am Anfang nicht sehr nett, aber er wurde ... er wurde irgendwie ein Freund«, Harrys Stimme brach fast, als er von seiner Krankheit erzählte.
»Vorgestern Abend dann ging es mir wirklich schlecht. Snape versorgte mich nachts und morgens ... er hat mich angeschrien, weil ich nicht essen wollte. Aber später, ich glaube, ihm tat es leid. Er hat sich entschuldigt, mir zum Geburtstag gratuliert und dann erlaubte er mir, zu euch zu kommen«, er sah auf, seine Augen suchten die seiner Freunde.
»Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, er könnte vielleicht doch irgendwo in sich ... ich weiß nicht, Mitgefühl haben?«, Harry lehnte sich zurück, erschöpft von der Last seiner Worte und dann ohne Vorwarnung begann Tränen seine Wangen hinabzulaufen. Sofort war Adam da und zog ihn an sich.
»Warum kann er mich nicht lieben?«, schluchzte Harry, zusammengekauert in den Armen des anderen. Der Schmerz in seiner Stimme war herzzerreißend, eine tiefe, ungelöste Sehnsucht nach einer Familie, nach Zugehörigkeit, nach Liebe. Adam hielt Harry fest, sein Herz schwer bei den Worten seines Freundes. Er wusste, dass es darauf keine einfache Antwort gab.
»Ich weiß es nicht, Kleiner«, flüsterte er, seine eigene Stimme belegt von Emotion. »Aber du bist nicht allein, okay? Wir sind jetzt bei dir«, Taylor legte seine Hand unterstützend auf Harrys Schulter, ein stummes Versprechen, dass sie für ihn da sein würden, egal was kam.
Nachdem sich Harry beruhigt hatte, wechselte Adam das Thema, als wollte er die Schwere des Moments mit etwas Leichterem, Hoffnungsvollem vertreiben.
»Wir haben da eine kleine Überraschung für dich, quasi unser Geburtstagsgeschenk«, begann Adam, ein Lächeln umspielte seine Lippen. Harry blickte neugierig auf, die Spuren der Tränen noch auf seinen Wangen.
»Eine Überraschung?« Taylor nickte enthusiastisch.
»Genau. Hast du eigentlich schon mal das Meer gesehen, Kleiner?«, Harry schüttelte den Kopf.
»Nein, nie«, seine Stimme war leise, fast ehrfürchtig bei dem Gedanken. Adam lehnte sich vor, seine Augen funkelten vor Vorfreude.
»Nun, das wird sich jetzt ändern. Wir reisen morgen Abend in ein Strandhaus im Süden von England. Es gehört Taylors Eltern.«
»Wir werden dort drei Wochen verbringen, nur wir drei«, fügte Taylor hinzu, ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. »Stell dir vor, Kleiner, Sand zwischen den Zehen, das Rauschen der Wellen ... das wird toll«, Harrys Augen weiteten sich, ein Funke von Begeisterung erhellte sein Gesicht.
»Wirklich? D-das klingt fantastisch.«
»Ja, wirklich«, bestätigte Adam, seine Hand legte sich ermutigend auf Harrys Schulter. »Du hast eine Pause verdient, Kleiner. Eine Chance, einfach mal Kind zu sein, weißt du?«, Harry nickte, ein Lächeln brach sich Bahn durch die Schwere, die ihn noch Momente zuvor umklammert hatte.
In der Stille des Abends, nachdem sie den letzten Koffer für die bevorstehende Reise gepackt hatten, lagen Taylor und Adam nebeneinander im Bett, umgeben von der Dunkelheit, die nur durch das sanfte Leuchten der Straßenlaternen von draußen unterbrochen wurde. Sie sprachen leise über Harry, ihre Sorge um ihn war spürbar. Sie hatten Harrys Sachen in ihre Koffer gepackt, aber die Kleidung des Jungen war vor allem alt, zerschlissen und zu groß. Harry war es sichtlich peinlich, aber Adam und Taylor hatten keine große Sache daraus gemacht.
»Wir kaufen ihm alles neu. So kann er doch nicht rumlaufen«, sagte Taylor entschlossen, die Stirn in Falten gelegt bei dem Gedanken an Harrys abgetragene Kleidung. Adam lachte leise und drehte sich zu seinem Freund, sein Gesicht weich im schummrigen Licht.
»Gut, dass mein Geliebter aus so reichem Haus kommt«, sagte er und küsste den anderen grinsend. Für einen Moment erlaubten sie sich, die Schwere des Tages hinter sich zu lassen. Doch dann wurde Adam wieder ernst, und er zog sich ein wenig zurück, um Taylor direkt anzusehen.
»Aber im Ernst, wir müssen dringend mit Harry reden«, begann er, seine Stimme trug eine Schwere, die sofort Taylors volle Aufmerksamkeit erlangte.
»Ja,« stimmte er zu, sein Grinsen verschwand, und er wurde ebenfalls ernst.
»Ich glaube, er hat über lange Zeit Vernachlässigung erfahren. Mehr als wir uns vorstellen können.«
»Genau das meine ich«, sagte Adam, seine Hand suchte die von Taylor und hielt sie fest.
»Es ist mehr als nur die Sache mit den Kleidern. Es ist, wie er manchmal zusammenzuckt, wenn wir zu schnell auf ihn zugehen, oder wie er sich entschuldigt, wenn er um etwas bittet. Als ob er glaubt, er hätte es nicht verdient«, Taylor nickte, tief betroffen von Adams Worten.
»Wir müssen ihm zeigen, dass er bei uns sicher ist. Dass er es wert ist, geliebt zu werden, genau so, wie er ist.«
»Ja«, flüsterte Adam, und in der Stille ihres Zimmers machten sie sich ein stilles Versprechen, Harry nicht nur neue Kleidung zu kaufen, sondern ihm auch ein neues Gefühl von Selbstwert zu geben, ein Zuhause, in dem er sich nicht nur physisch, sondern auch emotional sicher fühlen konnte – wenigstens für die nächsten vier Wochen.
(Bild: So stell ich mir Adams und Taylors Wohnung vor. Taylor kommt aus sehr wohlhabenden Verhältnissen)
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