Kapitel 8
„Das kommt für dich wahrscheinlich sehr unerwartet, aber ich denke, dass ich dir bei deiner Angst helfen kann. Ich bin nicht so schlimm...wie du von mir denkst", meinte er. Chan wollte mit helfen? Dann wird er scheitern werden. Bisher schaffte kein Mensch, dass es mir besser ging. Wenn ich nicht so ängstlich im Moment wäre, dann würde ich sauer auf ihn sein. „Kannst du...nicht einfach die Tür aufmachen...?" Chan sagte nichts mehr, sondern lief in den Flur und dann zu der Tür. Er steckte den Dietrich in das Schloss und konzentrierte sich die Tür aufzubekommen. Nach einer Weile klickte das Schloss und die Tür ging auf. Als ich sah, dass mein Fluchtweg wieder offen war, rannte ich schnell an Chan vorbei und hastete die Treppe nach unten. Erst als die Tür zum Treppenhaus hinter meinen Rücken ins Schloss fiel, blieb ich stehen, um mich zu beruhigen. Mein Hand legte ich auf mein rasendes Herz. Der Auslöser davon entweder die Angst vor dem Eingesperrtsein oder Chans Geständnis.
Ich machte mich sofort auf den Weg nach Hause. Da meine Angst heute so überstrapaziert wurde, spürte ich die Blicke der anderen im Bus noch mehr. Leider wohnte ich zu weit weg um nach Hause zu laufen und meine Eltern konnten mich nicht abholen, also blieb mir nichts anderes als den blöden Bus zu nehmen, wo ganz viele Leute zusammen saßen. Das half nicht sonderlich mich zu beruhigen. Ich fühlte mich ausgelaugt und müde, hatte das Gefühl, dass ich bei jeder kleinsten Berührung von irgendjemand zusammenzuckte. Ich wollte jetzt unbedingt allein sein. Zuhause verkroch ich in mein Bett und blieb dort, während ich mir Musik anhörte und nachdachte, was für ein hoffnungsloser Fall ich war. Hunger verspürte ich keinen, als meine Eltern mich zum Essen riefen und so blieb ich einfach weiter in meinem Bett und versuchte mich zu beruhigen. Es funktionierte allerdings nicht. Vor allem wegen Chans Geständnis nicht. Es hallte in meinem Kopf. An Schlafen war deswegen nicht zu denken. Zu anstrengend war es meine Lider zu schließen und so starrte ich auf die Decke meines Zimmers, während meine angstverseuchten Gedanken immer wieder Chans Geständnis abspielen ließen.
Nach einer grauenvollen Nacht, saß ich am Tisch und sah mein Essen an. Wegen Chans Liebesgeständnis verspürte ich immer noch keinen Hunger, musste mich eher dazu zwingen, damit meine Eltern nicht besorgt wurden. Ich aß also ein bisschen und bereute es. Mir wurde übel. Nicht übel im physischen Sinne, sondern psychisch. Ich zwang mich weiter zu essen und legte die Essstäbchen dann bei Seite. Wegen der Angst vor Chans Liebesgeständnis nahm ich meine Umgebung anders war. Ich zuckte bei lauten Geräuschen auf wie das Klirren von den Tellern, die meine Mutter zusammen räumte, oder das Türschließen, als mein Vater zur Arbeit aufbrach. Ich fühle mich wie ein aufgeschrecktes Reh. Am besten ich sollte mir Tipps geben lassen, wie ich mit so einer Situation klar kam und meine Mutter bot sich da gut an. Allerdings wird sie es nicht so verstehen können, wie es versuchte auszudrücken, sie würde mir nicht wirklich helfen können. Deswegen überlegte ich Frau Bang um Rat zu fragen. Sie kannte sich viel besser aus. Wenn die Schule aus war, dann würde ich sie anrufen.
Das war auch so eine Sache. Telefonieren. Ich verstand nicht, wie manche Menschen sowas lieben. Für mich war es die Hölle auf Erden. Die ganze Zeit dachte ich darüber nach, als ich in der Schule saß. Schon jetzt spürte ich diese Nervosität in mir, spielte das Szenario immer wieder ab, obwohl ich es nicht wollte. Es machte mir noch mehr Angst, doch mein Kopf hörte nicht auf mich, sondern auf die Angst in mir. Das muss ein Ende geben. Ich blätterte zu einer freien Seite meines Collegeblocks und fing an ein potentielles Gespräch aufzuschreiben, wie es ablaufen könnte. Mit dem vollgeschrieben Zettel stand ich am Nachmittag am Telefon und atmete tief durch. Als ich mit der Hand den Telefonhörer umschlang, sah ich, wie sehr ich zitterte. Immer wieder redete ich mir ein, dass ich das schaffe, trotzdem zögerte ich beim Eintippen der Nummer meiner Therapeutin. Ich hielt den Hörer an mein Ohr. Innerlich betete ich, dass sie nicht da war und ich so nicht telefonieren würde, dann wäre ich der Paniksituation nicht mehr ausgesetzt. Leider hörte ich ihre Stimme. „Hier ist...Jisung..und zwar..brauche ich einen Rat...haben Sie Zeit für mich?" Das erste wäre geschafft. Frau Bang nannte mir einen Termin für morgen. „Danke...", sagte ich leise. „Jisung! Ich bin so stolz auf dich. Du hast mich angerufen!", meinte sie dann zum Schluss. Wie immer konnte ich nicht stolz auf mich sein und legte nach dem Anruf an. Wenigstens das. Jetzt konnte ich mir mein Problem von der Seele reden. Hoffentlich hatte Frau Bang irgendwelche Ratschläge für mich bereit.
Wer hasst telefonieren auch so sehr wie ich?
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