Kapitel 6
Jisungs POV
Wie oft soll ich mir eigentlich noch einreden, dass es irgendwann besser wird? Ich sollte langsam eingestehen, dass meine Angst nie besser wird. Irgendwie muss ich damit klar kommen, doch es ist so schwer. So schwer zu akzeptieren, dass ich ich mich mit kaum jemand unterhalten kann. Ich wollte meine Eltern allerdings nicht enttäuschen, wenn ich ihnen sage, dass die Therapie nichts brachte, sie hatten so gehofft dass Frau Bang mir endlich helfen kann, gegen diese Bastardkrankheit anzukämpfen. Es waren Bemühungen für nichts. Ich seufzte und versuchte mein selbstzerstörerischen Gedanken abzustellen, doch wie so oft konnte ich sie nicht abstellen. Sie machten einfach ihr eigenes Ding. Egal, wie oft ich in meinem Kopf 'Stop' sagte. Was soll's.
Frau Bang und die anderen Patienten waren schon da und sofort fühlte ich mich wieder den Wölfen ausgeliefert. Wenn ich doch nur nach Hause könnte. „Hallo Jisung. Ich bin stolz, dass du gekommen bist", meinte Frau Bang und ich setzte mich hin. Stolz fühlte ich überhaupt nicht, nur Angst und Selbstzweifel. Die nächsten 45 Minuten lies ich über mich ergehen, spielte so gut es ging die Teamspiele mit, während ich zittere und kalter Angstschweiß über meinen Rücken lief. Dann endlich schaffte ich die Therapiesitzung hinter mich zu bringen. Heute mal ohne auf die Toilette zu rennen. Ich sah zu wie die anderen aus den Raum strömten. Das wollte ich auch tun, als mich Frau Bang bat kurz bei ihr zu bleiben. „Ich bin wirklich froh, dass du die letzten Wochen gekommen bist. Du siehst es nicht, aber du hast schon Fortschritte zu machen." Ihre Worte machten mich emotional und ich spürte den dicken Kloß im Hals, während meine Augen brannten. Zeichen, dass ich gleich weinen werde. Wie ich es hasse. Ich hasste meine kleinen Gefühlsausbrüche so sehr. Mir kann man dann nicht nur ansehen, dass ich Angst habe, sondern auch meine dünne Stimme verriet es.
Sobald ich kurz vor dem Weinen war, nahm meine Stimme eine andere Tonlage an und ich hasse es. Ich hasse es so extrem, dass ich meine Gefühle nicht unter Griff bekomme. „Danke...", meinte ich und wollte nicht mehr reden als nötig. Ich will nicht vor Frau Bang weinen. Ich bin fast erwachsen und ich weine wie ein kleines Kind. Ich hasse mich dafür. „Komm gut nach Hause", meinte sie und lächelte mich an. Nur bloß raus hier. Ich musste mich beruhigen. Mein Körper wollte weinen und ich spürte die ersten Tränen aus meinem Augen kullern. Ich hasse es. Ich hasse es, dass ich so schnell weine. Ich hasse meine verdammten Gefühlsausbrüche und ich hasse mich selbst. Draußen im Flur, konnte ich mich nicht mehr zurück halten und weinte dann richtig. Lieber ich verschwand wieder in die Toilette, damit niemand sah, dass ich weinte. Es wäre so leicht gewesen, wenn nicht eine gewisse Person vor der Toilette aufkreuzte.
Chan.
Wieso wusste er, dass ich immer auf die Toilette renne, wenn es mir zu viel wurde? War ich so leicht zu durchschauen? Kein Wunder, bei so jemanden wie ich. Ich konnte nicht einmal hier sein ohne zu weinen. Das hat er sicher mitbekommen und lauert auf mich. Was er genau von mir, weiß ich nicht. Er kreuzt auf, sieht mich mit diesen gefährlichen Blick und redet kurz, bevor ich von ihm wegrenne. Auch heute sah er mich wie ein leckeren Happen an. „Hey, Jisung", meinte er und grinste mich an. Er verpasste mir nicht nur Angst, weil er mich so ansah, sondern weil er so nah war. Niemand außer meiner Familie kam mir so nah und ich wusste nicht, was ich machen soll. „Bitte, lass mich endlich alleine", schluchzte ich. Toll, jetzt weinte ich auch noch vor Chan. Der wird mich sicher auslachen und mich eine Heulsuse nennen. Ich fühle mich so aufgeschmissen und schwach. „Ich kann dich nicht alleine lassen, weißt du", raunte er und legte seine Hand an meine Taille. Sofort zuckte ich zusammen. Dort hat mich noch nie berührt und es fühlte sich schrecklich an. Chan verpasste mir noch mehr Angst. Sie lähmte mich ihm zu sagen, dass er seine Hand zurück ziehen sollte.
Auf einmal horchte Chan auf und drückte seinen Oberkörper an meinen. Ich wollte was erwidern, als er seine Hand auf meinen Mund legte. „Shhh, ganz leise", flüsterte Chan und hörte auf sich zu bewegen.. Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Gesicht, seine braunen Augen waren jetzt so nah. Sogar sein Herz konnte ich an meinem spüren. Seins schlug nicht so vor Angst wie meins. Vorsichtig lugte Chan zur Seite und sah seine Schwester aus dem Therapieraum herauslaufen und die Tür zuschließen, bevor sie die Praxis verließ und alles dort zuschloss. Hatte sie uns gerade hier eingeschlossen? Panik machte sich breit. Ich wollte nach ihr schreien, doch meine Stimmbänder waren vor Angst wie gelähmt. Meine Hilflosigkeit brachte mich gleich nochmal zum Weinen. Was kann ich überhaupt? Ich schluchzte, was wegen Chans Hand auf meiner Hand gedämpft klang. Chan lies langsam seine Hand auf meinem Mund los, hielt mich dennoch fest. Noch mehr Tränen rannen über meine Wangen. Ich war so hilflos.
Chan beugte sich zu mir runter und küsste meine Tränen weg. Seine Lippen lösten wahnsinnige Angst in mir aus, die mich fast bewusstlos machen könnte. So viel Angst vertrug mein Herz nicht. Chans Lippen wanderten zu meinem Mundwinkel, den er sanft küsste. Wieso konnte ich mich nicht wehren? Wieso konnte ich nichts anderes als heftig zu weinen, während alles in mir nach Panik schrie? Chan nutzte sicher meine Angst aus, damit er sich über mich herfallen konnte. Seine Lippen fanden meine.
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