3 - Füchse sind schrecklich
Adlerschwinge machte einen Satz nach hinten und prallte mit dem Rücken schmerzhaft gegen die Höhlenwand. Spitze Steinchen bohrten sich in ihre Flanke, die sich schnell hob und senkte. Überhaupt schienen die Wände auf sie zuzukommen und sich zu verengen, genau wie der rostrote Fuchs, der sich aus der Dunkelheit schälte.
Seine großen, weißen Ohren hatte er leicht angelegt, und er fletschte die langen Zähne. Ein schleifendes Geräusch hallte durch den stickigen Bau, und Adlerschwinge presste sich an die Felsenwand. All ihre Instinkte schrien ihr zu, wegzulaufen, aber da war kein Weg nach draußen mehr. Der Fuchs versperrte ihn. Ihre Muskeln spannten sich so sehr an, dass es schmerzte. Fieberhaft überlegte sie, aber der natürliche Instinkt, zu kämpfen oder wegzulaufen, störte ihre Konzentration enorm. Sie konnte kaum noch klar denken.
Ein weiterer Donner ließ die Felsen erbeben. Staub fiel von der Decke.
Wenn ich nicht von dem Fuchs getötet werde, komme ich wohl in dieser zusammenstürzenden Höhle um, erkannte Adlerschwinge mutlos.
Dann bemerkte sie, was das Geräusch verursacht hatte: Der Fuchs hinkte. Er wurde wohl vor wenigen Monden angeschossen, denn er zog eines seiner Hinterbeine nutzlos hinter sich her.
Das gab Adlerschwinge den Mut, den sie brauchte. Sie breitete die Schwingen aus, krümmte den Rücken, legte die Ohren an und fauchte mit gebleckten Zähnen. Ihr Schweif war vor Wut und Angst fast so buschig wie der eines Eichhörnchens, als er über den Boden peitschte. Ihr Fell stellte sich auf, sodass sie viel größer wirkte. Drohend schnappte sie nach dem Fuchs.
Aber das war egal. Der Fuchs war riesig, und er war wütend, weil sie in seinen Bau eingedrungen war. Er knurrte, ganz anders als eine Katze, und stürzte auf sie zu.
Adlerschwinge schlug die Fänge in seine riesenhafte Pranke. Der Fuchs heulte, und ein Stückchen Zahn von Adlerschwinge fiel zu Boden, denn er brach ihr fast den Kiefer, als er sich losriss. Adlerschwinge stolperte nach hinten und presste sich gegen die kalten Felsen. Sie duckte sich und sprang.
Der Fuchs jedoch sah ihren Angriff kommen, und während sie versuchte, in seinem Gesicht zu landen, um ihn mit den Hinterpfoten zu bearbeiten, krallte er mit dornenscharfen Klauen nach ihr und verbiss sich in ihrem rechtem Flügel. Adlerschwinge kreischte vor Schmerz und verlor das Gleichgewicht. Sie hing kurz über dem Boden, während der Fuchs ihr Federn ausriss und ihren Flügel beinahe zermalmte. Heulend biss sie dem Fuchs in das Halsfell, und endlich ließ er sie los. Sie fiel zu Boden.
Blut strömte aus den Wunden in ihrem Flügel, und selbst nach einem nur kurzem Blick darauf wurde ihr schwindelig. Schnell wandte sie sich wieder dem Fuchs zu, der sie abschätzend musterte. Adlerschwinge stolperte mehr bei dem Versuch, eine Kampfhaltung einzunehmen, als sich ordentlich und stolz hinzustellen, und sie hörte in Gedanken schon wieder Habichtsterns Stimme.
Selbst zum Kämpfen zu tollpatschig, tut mir leid, Abendklaue, aber ich muss sie im Auge behalten, und-
Sie war fast dankbar, als der Fuchs wieder angriff. Ein kräftiger Hieb von der Seite ließ sie Sterne sehen, und sie taumelte. Der Fuchs riss sie von den Pfoten. Ein stechender Schmerz leuchtete in ihrem vernebeltem Sichtfeld auf. Eine riesige Klaue fuhr auf sie zu, bereit, ihr ein Auge auszustechen. Adlerschwinge wich instinktiv aus. Schon zierte ein tiefer Kratzer ihre Schulter.
Als der Fuchs sie am linken Flügel packte und gegen die Wand schleuderte, war sie kaum noch bei Bewusstsein. Größere Steine polterten herab, einer von ihnen klemmte ihr den Schweif ein, weitere zerkratzten ihr die Flanken.
Ihre Instinkte übernahmen ihren Körper, und sie wich, kaum bei Bewusstsein, aus, als der Fuchs wieder auf sie zuschoss und ihre Ohrspitze tief einkerbte. Dann trugen ihre Pfoten sie nicht mehr. Sie kroch mit flammenden Wunden und staubbedeckt über den Boden, während der Gestank von Blut die Höhle erfüllte. Der Fuchs schloss seine Fänge um ihr Genick und hob sie hoch. Kraftlos hingen ihre Pfoten herab, nutzlos wie die zerfetzten Flügel.
Adlerschwinge schloss die Augen und machte sich bereit für den stechenden Schmerz, der das letzte sein sollte, das sie spüren würde.
Aber dazu kam es nicht. Plötzlich war ihr Genick frei, sie fiel zu Boden und hörte den Fuchs wütend jaulen. Erschöpft öffnete sie die Augen, und was sie sah, war sonderbar: Der Fuchs schien mit der Dunkelheit zu kämpfen. Immer wieder knurrte er und stürzte auf etwas zu, dass sich Adlerschwinges Augen entziehen zu schien. Pfoten scharrten über den Boden.
Donner rumpelte, und wieder fiel die Decke herunter und stürzte auf Adlerschwinge zu, und als sie nach oben sah, bemerkte sie, dass nicht die Decke sich bewegte, sondern die ganze Höhle. Alles drehte sich und drehte sich und wieder wurde es dunkel.
Als sie das nächste Mal zu sich kam, schien keine Zeit vergangen zu sein. Sie konnte den Fuchs hören, und sie konnte ihn schemenhaft erkennen. Dann erzitterte die Höhle in einem gewaltigem Geheul, als der Fuchs sich aufbäumte und dann umkippte. Einfach so.
Verwundert riss Adlerschwinge die Augen weiter auf und endlich wurde ihre Sicht ein wenig klarer. Blut sprudelte aus der aufgerissenen Kehle des Fuchses und befleckte den Boden. Auch vor ihr war Blut, überall war Blut, und dann kam die Stimme.
"Ist alles in Ordnung?"
Adlerschwinge fuhr herum - ihr Nacken protestierte schmerzhaft - und hielt erschrocken den Atem an. Grüne Augen blitzten in der Dunkelheit, nur zwei intensiv funkelnde, grüne Augen, ohne irgendetwas, und sie dachte, dass es doch ein Wunder sein müsste.
Beinahe hätte sie in ihrer Verwirrung aufgelacht, als sich ein Bild vor ihr inneres Auge schob: Ihre Mutter, ihre blitzenden, grünen Augen, als sie sie zur zweiten Anführerin ernannt hatte. Oder vorhin in ihrem Bau, was schon Blattwechsel her zu sein schien.
Das waren die Augen von Habichstern.
"Das kann nicht sein!" japste sie, dann stürzte die Dunkelheit wieder auf sie zu und verschlang ihr Bewusstsein.
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