「Leere」
Wochen sind seither vergangen.
Wochen, in denen ich mich in Arbeit und Sport vergraben habe, um nicht an Sie denken zu müssen. Oder an die Dinge die geschehen sind.
Nachts wache ich schweiß gebadet auf, habe immer die selben Träume - Kindheitserinnerungen. Ein Trauma, welches seine Pfeile tief in meine Eingeweide bohrt - und dem ich kaum entrinnen kann.
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Dad sitzt mir gegenüber und bespricht mit mir die Pläne für das kommende Großprojekt.
Ihm ist nicht entgangen das ich weniger konzentriert bin, doch seine Fragen blocke ich ab. Ich schiebe es auf die Arbeit.
"Es wird eine Party Location. Der Besitzer will daher absolute Sicherheit und zahlt gut dafür.", sagt er und zeigt auf ein Foto der Yacht, das mit über 200 Metern Länge das bisher größte Schiff ist, das je gebaut wurde.
"Wir haben mehrere Ein - beziehungsweise Ausgänge. Das bedeutet wir brauchen zusätzlich, solange das Schiff hier anlegt, Sicherheitskräfte. Mit den Kameras alleine kannst du das gesamte Areal nicht abdecken."
Ein schwimmender Club, wie Dad naserümpfend kommentiert, soll den Tourismus weiter ankurbeln - da ist ein bißchen Eigenwerbung durchaus sinnvoll.
Ich nicke nur. Das meiste von dem was er erzählt habe ich binnen weniger Sekunden schon wieder vergessen, weshalb ich froh bin das Hector auch anwesend ist und schweigend in der Ecke steht. Er ist immer fokussiert und hilft mir in den letzten Wochen einige Patzer, die unfreiwillig geschehen, auszubügeln.
"Okay, Dad. Ich übernehme ab hier. Ich werde den Besitzer kontaktieren und mit ihm die Feinheiten besprechen, nachdem ich ihm das Konzept vorgelegt habe. Zuvor muss ich mir aber die Yacht anschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Tote Winkel können wir uns nicht leisten, selbst wenn wir das beste vom besten installieren und genügend Männer an Bord haben."
Zufrieden über meine Antwort nickt er und steht auf. Seit dem Krebs Tod von Mum hat er sich in Arbeiten gestürzt, die nicht mal seinem Fachgebiet entsprechen - aber ich war bisher immer dankbar für jede Art der Hilfe.
Sobald er mein Büro verlässt löse ich die Krawatte, die mir schon die ganze Zeit viel zu eng erscheint. Hector wartet einen Moment - seinen Augen entgeht nichts - bis er sich schließlich vor meinen Schreibtisch auf einen Stuhl setzt.
"Sir."
Ich sehe ihn an.
"Ich kann die Begehung übernehmen. Dank der Infos die wir haben sollten 10 Systeme genügen - die 360° Modelle, versteht sich. Aber wie viele Männer wir benötigen sollte ich abklären."
Ich bestehe darauf mit zu kommen, schließlich ist das mein Unternehmen und die Professionalität dient ebenso wie ich als Aushängeschild.
"Sir... Mit Verlaub... Sie wirken die letzte Zeit nicht wirklich so, als seien sie bei der Sache. Heute morgen hat sie beinahe ein Taxifahrer angefahren, weil sie bei rot über die Straße gelaufen sind. Vielleicht sollten sie sich einen Tag Auszeit nehmen und mir die Begehung überlassen."
Ich will protestieren aber er hat Recht. Was auch immer ich tue, ich bin nie wirklich ganz bei der Sache. Mir unterlaufen Fehler, die sonst nie geschehen weil ich routiniert arbeite. Manchmal ist es so, als hätte ich einen Blackout - als wüsste ich nicht was ich tun muss oder was der nächste Schritt ist. Es ist schrecklich das unter meiner Laune meine Arbeit und auch meine Mitarbeiter leiden müssen.
Ich beschließe ihm die volle Befugnis zu erteilen und statt der Yacht einen Besuch abzustatten werde ich ein paar Trainingseinheiten absolvieren.
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Die Jungs im Studio sind allesamt aus der selben Sparte wie ich - reich durch eigene Unternehmen oder seit Geburt an, manche Banker, andere Anwälte.
Ich habe nicht wirklich Lust mit ihnen zu reden als ich das Studio betrete, trotzdem nicke ich ihnen freundlich zu.
Bei den Jungs dreht sich alles um Geld und Frauen, was ich ihnen nicht mal verübeln kann. Trotzdem nervt es nach einer Weile immer den selben Mist zu hören - die neuste Eroberung, die es nie schafft lange genug im Gedächtnis zu bleiben wird bereits morgen von einer anderen ersetzt.
Ich greife nach den Hanteln, drücke mir Musik aufs Ohr und stelle mich vor den bodenhohen Spiegel um mich zu fokussieren. Mir entgehen aber die Fetzen ihres Gesprächs nicht. Innerlich schüttele ich den Kopf über sie, doch dann fällt ein Name.
Mary.
Instinktiv drehe ich unauffällig die Lautstärke der Musik herunter, um mehr zu hören. Ich geisele mich damit praktisch selbst, will ich doch nicht mehr als einfach nur vergessen das sie existiert...
"...Tja, was soll ich sagen. Wir hatten erst unser zweites Date, aber diese Nummer die sie abzieht nervt. Als gäbe es Regeln wann ich sie endlich nageln darf."
Edward James - ein schmieriger Gierlappen ohne Hirn, dafür aber mit einem reichen Daddy, spricht über Mary als sei genauso viel wert wie seine Versprechen - nichts. Ich umklammere die Hantel mit aller Kraft.
"... Ich meine, ich kann jede haben. Die Frauen reißen sich um mich. Wenn sie also nicht bald ihre Beine öffnet, bin ich weg."
Sein Kumpel Miles lacht auf.
"Bist du das nicht sowieso? Du bleibst doch nie bei einer Frau. Einmal dreckig f*cken und dann weg mit dem Dreck.", scherzt Miles.
Wie ironisch ist das... Sehe ich mich doch selbst in diesen beiden primitiven Idioten.. Ich schäme mich irgendwie, wenngleich uns auch einiges unterscheidet.
Ich habe Frauen nie schlecht behandelt - nur dafür gesorgt das Gefühle keine Rolle spielen.
Mittlerweile ist den beiden aufgefallen das ich zugehört habe - womöglich liegt es daran das ich sie mit bösem Blick bedenke.
"Was ist mit dir Montgomery? Wie man hört lässt du auch nicht gern etwas anbrennen. Vielleicht kennst du die Kleine ja und kannst mir Tipps geben. Ich hätte schon Lust ihr den hübschen Mund zu stopfen, wenn du verstehst.", lacht Edward und sieht mich herausfordernd an.
Ich lasse seine widerlichen Worte unkommentiert und konzentriere mich auf das was ich vor mir sehe. Mein eigenes Spiegelbild. Ich versuche die aufkommende Wut zu unterdrücken, die seine Worte in mir ausgelöst haben.
Ich kann ihm ja wohl schlecht den Kiefer für seine verbalen Vergehen brechen.
Five Finger Death Punch schreien mir ins Ohr, helfen mir dabei die Idioten auszublenden.
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Nach dem Training laufe ich gemächlich zum Auto. Ich will nur noch nach Hause und duschen, ehe ich mich erneut in die Arbeit stürze.
Edward fängt mich ab.
"Es war absolut unhöflich das du mir nicht geantwortet hast.", beginnt er. "Da merkt man gleich welche Erziehung du genossen hast."
Ignorier es, Dylan.
"Also... Versuchen wir es noch einmal..."
Er stellt mir die gleiche Frage wie zuvor und verweigert mir den Zugriff zur Tür meines Wagens.
Wieder ignoriere ich sie, weise aber auf den Wagen hin.
"Wärst du so freundlich...? Ich will hier keine Wurzeln schlagen.", murmle ich.
Gleich geschafft, Dylan. Halt durch...
Edward sieht keinen Anlass dazu, zur Seite zu gehen und mich gehen zu lassen. Er entscheidet sich für die denkbar schlechteste Option in diesem Szenario.
Seine Worte, die sich beleidigend gegen meinen Vater und meine Mutter richten weiten sich schlussendlich auch auf mich aus.
Das Fass beginnt bedrohlich über zu laufen, als er mich weg stoßen will.
"Ach Montgomery, komm schon! Sei einmal im Leben kein Loser und hilf einem Buddy das Biest zu erlegen. Ich weiß doch das du darin Übung hast!"
Was ich denke darf ich nicht sagen, und trotzdem rutscht mir etwas heraus, das ich gar nicht sagen will.
"Nenn sie nicht so. Nie wieder."
Verdammt.
"Was sagst du? Ohhhh, warte! Natürlich kennst du sie... Du kennst jede Frau im Umkreis von 1000kM! Hast du sie geknackt? Hat sie schön geschnurrt als du sie gef*ckt hast? Denn das wird sie sobald sie meinen Prügelhammer bekommt."
Scheiß drauf. Auf alles.
Meine Faust fliegt und Edward hat keine Chance ihr auszuweichen. Das leichte knacken und das Blut, welches plötzlich in Strömen sein Gesicht hinab läuft lässt ihn aufschreien.
Die Schmerzen zwingen ihn in die Knie und ich tue es ihm gleich.
"Wenn du sie schlecht behandelst oder nochmal so über sie redest, breche ich dir sämtliche Knochen in deinem beschissenen Leib, hast du das verstanden?"
Mein knurren ist bei weitem nicht so gefährlich wie ich selbst... Ich, der große Lust verspürt ihm sämtliche Zähne einzeln zu ziehen.
"Und jetzt verpiss dich von meinem Wagen, bevor ich dir noch eine gebe."
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Auf dem Weg nach Hause rufe ich Hector an. Es hat einen Moment gedauert bis ich realisiert habe, was passiert ist. Ich habe die Leere in meinem inneren mit Hass und Wut gefüllt, vielmehr als sonst. Vielmehr, als gut für mich ist.
Als er abhebt atme ich aus.
"Hector. Ich hab ein Problem."
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