Leon
Nun war mir klar, dass diese wandelnden Leichen auf Geräusche reagierten. Das Aufheulen der Motoren, meiner giftgrünen Kawasaki Ninja, würde für sie wie ein Gong zum Mittagessen sein, wenn es denn in der Nähe noch mehr Infizierte geben sollte.
Ich wollte kein Risiko eingehen, also schob ich meine Kawasaki zum Tor und schnappte mir einen großen Ast. Yuna schaute mich verwundert an:,,Was hast du vor?"
Ich stieg auf die Motorhaube von Uzumis Toyota, hob den Ast über meinen Kopf und schlug kräftig auf die Windschutzscheibe ein. Viele kleine Risse verteilten sich über die Scheibe.
Ich holte ein zweites Mal aus. Mein Körper vibrierte. Der zweite Schlag traf die Mitte der Risse, und ließ die Scheibe springen. Sofort heulte die Alarmanlage auf.
Das laute Jaulen hallte durch die Straßen und über das Schulgelände. Ich ließ den Ast in der zersprungenen Scheibe stecken und sprang von der Motorhaube.
„Ich habe für Ablenkung gesorgt.", erwiderte ich lächelnd.
Ich setzte mir meinen schwarz, grünen Helm auf und stieg aufs Motorrad. „Leider habe ich keinen zweiten. Du musst dein Gesicht an meinen Rücken pressen und die Augen schließen, damit es nicht unangenehm wird.", riet ich Yuna und winkte sie zu mir.
Yuna stieg auf und tat genau das, was ich ihr gesagt hatte. Ihre Wohnung lag ca. 5 km von der Schule entfernt, in Richtung Krankenhaus. Ich startete den Motor, schloss das Visier meines Helms und raste los.
Die Straßen waren relativ leer. Einige Autos parkten quer über den Fußwegen. Ich sah wie Menschen eilig ihre Wohnungen und Häuser betraten. Dieses ekelhafte Gefühl machte sich erneut in mir breit. Yuna umarmte mich fester, als ich mehr Gas gab.
Das Heulen der Alarmanlage war noch immer zu hören. Yunas Wohnung lag zwei Straßen von uns entfernt. Wir hielten schließlich am Gehweg vor der Wohnung an, und ich schaltete den Motor ab. Yuna bedankte sich bei mir und stieg ab. Ich schaute ihr nach, als sie zur Eingangstür ging, und betrachtete dann das dreistöckige Haus.
Der Hauseingang lag an der Seite des Hauses. Aus dem zweiten Stock schaute mich eine ältere Dame an und lächelte mir freundlich zu. Hier schien alles in Ordnung zu sein. Der Vorfall in der Schule war wohl ein Einzelfall gewesen.
Die Bilder von Mius Überfall auf Uzumi schossen mir durch den Kopf. Yuna hatte inzwischen die Haustür erreicht. Mich erdrückte dieses ekelhafte Gefühl.
Mein Blick fiel auf das Fenster des Wohnbereiches von Yunas Eltern, im Erdgeschoss. Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Ich entdeckte einen blutigen Handabdruck an der Scheibe.
Im selben Moment schob Yuna vorsichtig die schon geöffnete Tür auf. Bevor ich sie warnen konnte, packte eine dieser wandelnden Leichen Yuna von vorne und schlug die Zähne in ihre Schulter. Yuna schrie auf und schubste den toten Körper mit Schwung von sich.
Yuna hielt inne und betrachtete das Monster. „Nein.", flüsterte sie und sank zu Boden. „Mama..."
Mir fuhr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Das Blut färbte das Oberteil ihrer Schuluniform Stück für Stück in ein dunkles Rot.
„Geh Leon! VERSCHWINDE!", brüllte mir Yuna zu, mit einem Ausdruck von Angst und Verzweiflung im Gesicht. Zögernd startete ich den Motor. Yunas Mutter reagierte darauf nicht, sie wankte weiter auf ihre Tochter zu.
Mit einem unheimlich schlechten Gewissen fuhr ich los. In einer Seitenstraße hielt ich an, schaltete den Motor ab und vergewisserte mich, dass sich niemand in meiner Nähe befand. Ich schob mir den Helm vom Kopf, setzte mich auf den Pflastersteinboden und lehnte mich an eine Backsteinwand.
Aus meiner Motorradtasche holte ich eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug. Nach dem ganzen Schreck brauchte ich erstmal eine Zigarette.
Ist das alles nur ein Albtraum? Oder vielleicht ein grausames Experiment? Wie weit würde es noch gehen, wenn eine Mutter sogar ihr eigenes Kind fraß?
Ich zündete die Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und schaute auf meine Uhr. 14:49. Über eine Stunde war bereits vergangen. Ich schaute dem tanzenden Rauch der Zigarette nach, der immer transparenter wurde.
Tokio war eine Millionenstadt, und vor einer Panik sollte ich sie am besten, so schnell wie möglich, verlassen. Für einen Moment schloss ich die Augen und spielte mit dem Gedanken, mich einfach, von einem dieser Viecher, fressen zu lassen. Wer würde mich schon vermissen?
Die Zigarette knisterte bei meinem nächsten Zug. Ich würde es nicht zurück nach Deutschland schaffen. In meinen Gedanken flogen die blutigen Vorfälle an mir vorbei, und in meinen Ohren hallten die panischen Schreie meiner Mitschüler wider.
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