Blödsinn
03. Dezember 1821
Indischer Ozean
„Einem gewitzten Munde zu folgen, reichen zwei Ohren oft sehr selten aus."
~ Martin Gerhard Reisenberg
Calico Jack
Ihren Geschmack noch immer auf der Zunge ließ er sich auf dem dunkelgrünen Teppich nieder und legte sein Bein erhöht auf einem der Stühle ab. Er entknotete den Bund seiner Hose erneut und befreite sein linkes Bein vom Stoff, ehe er damit begann die gerötete Haut mit einem Öl einzureiben, um dem Narbengewebe beim Heilen zu helfen und die Elastizität der Haut zu erhalten. Es duftete nach Blumen und Erde.
Es tat gut, den Muskeln bisweilen Entlastung zuzugestehen und Jack ließ seine Gedanken kreisen. Der gefälschte Kaperbrief lag schwer auf seinem Gewissen und nagte fast so sehr an ihm wie Cherletons Aufmüpfigkeit. Er wollte den Quartiermeister loswerden und das so schnell wie möglich. Dabei war es vollkommen unverhältnismäßig.
Und dann Annes Gutherzigkeit. Er seufzte. Ihr Plan war gut. Mit ein bisschen Hilfe seinerseits würde er funktionieren. Er musste nur die Nachtschicht am Steuer mit Jonah tauschen.
Ein banaler Teil von ihm verachtete sich selbst dafür, dass er Anne mit Freuden für etwas davonkommen ließ, für das er Ben einst zwei Wochen Küchenarbeit aufgezwungen hatte. Doch einem bedeutend größeren Teil war es egal.
Er fuhr damit fort seinen Oberschenkel zu massieren, als es an der Tür klopfte.
Read schien es wahrhaft eilig zu haben.
Sie stürmte schon fast in seine Kajüte, nachdem er ihr Einlass gewährt hatte.
"Ihr Arzt ist ein ignoranter, wichtigtuerischer, unbelehrbarer, alter, weißer Mann!", begann sie, spuckte das Wort Mann mit so einer Verachtung über ihre Lippen, dass Jack ein Grinsen nicht unterdrücken konnte. Unbeeindruckt fuhr er mit seiner Massage fort.
"Ich weiß."
"Sie wissen gar nichts. Es ist ein Wunder, dass sie nicht längst zu einem Geisterschiff geworden sind, mit so einem blinden Alkoholiker an Bord."
"Was denken Sie, warum ich Sie mitgenommen habe, Read?"
Ihr entfuhr ein abfälliges Geräusch.
"Mit Sicherheit nicht, damit ich diesen alten Kampf der Geschlechter hier in ihrem Krankenlager ausfechte! Das können Sie vergessen! Niemand schenkt einer Frau wie mir hier mehr Gehör, als dass er mich auch nur angeekelt anschaut. Gestern hat jemand vor mir auf den Boden gespuckt und hat sich danach dreimal in Kreis gedreht, als würde meine Anwesenheit ihn ängstigen."
Jack brachte seine Hose zurück an Ort und Stelle und setzte sich langsam auf.
"Eine Frau an Bord bringt Unglück, so sagt man."
"An diesen Blödsinn glauben Sie ja wohl offenbar nicht."
"Sehe ich für Sie aus, als würde Fortuna mich küssen?" Genervt räusperte er sich. "Worum geht es?"
"Sie haben den Tod an Bord! Und Custerly spielt es hinunter, als wäre es nur eine harmlose Grippe."
Jack hob zweifelnd die Augenbrauen.
"Die Pocken?"
Read schüttelte den Kopf.
"Schlimmer. Syphilis!"
Er biss sich auf die Lippe, erhob sich langsam.
"Wie können Sie sich so sicher sein?"
Genervt warf sie die Hände in die Luft.
"Ich befasse mich seit über zehn Jahren mit den Zuständen in indischen Bordellen, ich habe alles gesehen, was der menschliche Verstand sich nur vorstellen kann! Es fängt harmlos an mit ein wenig Fieber und einem winzigen unschuldigen Ausschlag im Genitalbereich oder in und um die Mundhöhle." Sie griff nach einer Zigarette, die er ihr anbot. "Der erste Schub verebbt meist harmlos, aber die Flüssigkeit, die aus dem Ausschlag austritt, ist höchst ansteckend. Sie sollten die Betroffenen isolieren. Und ihren Arzt gleich noch dazu. Niemand sollte die Männer berühren, die über Symptome klagen."
Jack zog die Augenbrauen zusammen.
"Ich werde keine kranken Männer einsperren."
"Sie sollen sie nicht einsperren. Aber es muss eine Kontaktbeschränkung geben, damit sich nicht ihre gesamte Mannschaft infiziert. Syphilis endet überwiegend tödlich. Haben Sie je das Endstadium der Krankheit gesehen? Die Menschen haben Löcher in der Haut, überall im Gesicht, bis Sie ihnen bis ins Hirn blicken können. Es ist, als würden Sie ihnen beim Verwesen zusehen."
Wenn das wahr war, dann waren sie verloren.
"Was ist, wenn Sie sich irren?", griff er nach einem Halm im Sturm. "Wenn ich meinem Arzt diesen Grad von Inkompetenz unterstelle, wird er keinen kleinen Finger mehr rühren. Dann sind Sie vollkommen auf sich allein gestellt. Und ich bezweifle, dass die Crew Ihnen mehr Vertrauen entgegenbringen wird, als Custerly. Sie werden sich nicht von ihnen isolieren lassen."
"Ich irre mich nicht." Read verschränkte die Arme vor der Brust. "Sehen Sie zu, dass Ihr Arzt seine Meinung ändert!"
"Wollen Sie mich verscheißern?"
"Wohl kaum."
"Sie stehen da unten mit dem Mann. Es ist Ihre Aufgabe, ihn davon zu überzeugen oder ihn auf Ihre Seite zu ziehen", fauchte er. "Ich kann nichts für Sie tun."
Glaubte er ihr? Ein Teil von ihm fürchtete sich vor ihrer Wahrheit. Ein anderer Teil beobachtete sie misstrauisch. War sie es bereits Leid, Custerly untergeben zu sein und entwarf damit ein Szenario, das es so nicht gab, damit er sie in eine höhere Stellung erhob?
"Das ist nicht Ihr Ernst."
"Ist es. Ich werde mit Custerly sprechen und um seine Einschätzung der Situation bitten. Womöglich werde ich meine Entscheidung danach überdenken." Mit verschränkten Armen lehnte er sich gegen seinen Schreibtisch.
Ermattet ließ sie ihren Kopf hängen, als würde sie begreifen, dass es nichts bringen würde, diese Schlacht zu diesem Zeitpunkt weiterzuschlagen.
"Wenn Sie da hinuntergehen, geben Sie Acht, dass Sie nichts anfassen, Jack!" Ihr Blick glitt wachsam über sein Bein. "Wie geht es Ihrer Verletzung?", fragte sie mit einem Mal milder.
"Mit jedem Tag besser, Miss Read."
Ihr Fokus wanderte weiter, bohrte sich in seinen und focht ein stummes Duell von dem er nicht genau wusste, ob es eines wahr oder sie nach etwas suchte, das sie nicht fand.
"Sie haben das Opium nicht angerührt, das ich Ihnen für ihr Bein gegeben habe", stellte sie fest.
Er seufzte.
"Einmal." Er legte zwei Finger an seine Schläfe. "Aber ich brauche einen klaren Kopf, um dem Haufen an Narren vor dieser Tür Herr zu werden und eine Katastrophe nach der anderen zu verhindern. Ich kann es mir nicht leisten Tagelang zu schlafen oder keinen vollständigen Satz aussprechen zu können!"
Er beobachtete, wie sie sich auf ihre volle Lippe biss. Als wäre da noch etwas, das sie sagen wollte, es aber nicht wagte auszusprechen. Wusste sie von den beiden blinden Passagieren, die Anne versteckte? Wahrscheinlich nicht. Er war dennoch gespannt, ob sie die zwei zukünftigen Schiffbrüchigen erkennen würde.
"Aye." In ihrem Wort lag Ohnmacht und Frustration.
Sie wollte sich bereits zum Gehen wenden, als ihm noch etwas anderes einfiel, das er sie schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen in Bombay hatte fragen wollen. "Miss Read, wie ist es Ihnen als Frau eines britischen Gouverneurs gelungen, an einen Kaperbrief der spanischen Krone zu kommen?"
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich an die Höhepunkte ihrer einstigen Macht erinnerte.
"Es bedurfte einer weitaus längeren Bearbeitungszeit, als bei Ihnen, Mr. Calico. Aber ich pflegte eine enge Freundschaft und Verbindung mit Señora Gobenador Rizal in Manila auf den Philippinen. Sie ist die Frau des dortigen Verwaltungsoberhaupts."
***
Vollmond inmitten des weiten Ozeans war wundervoll. Das Wasser sah aus wie ein mit Diamanten übersäter, samtener Teppich und war voller Leben. Das zusätzliche Licht bedeutete mehr Sicht für nachtaktive Räuber und Beutetiere und das nicht nur an Riffen und Korallenbänken, sondern auch hier draußen mitten auf dem Meer. Der Wind kam stetig von schräg backbords, die Strömung verhielt sich ruhig.
Jack zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, trank den bitteren Rest seines inzwischen kalt gewordenen Kaffees in einem Zuge aus und vertäute das Steuerrad in einer festen Position, ehe er sich auf das Deck zu den Vorschotern hinunter begab.
"Mr. Cox, Mr. Dove."
Sie nickten ihm im gleichen Atemzug zu. "Käpt'n."
Das warme Licht der Öllampen erhellte ihre zerfurchten Gesichter.
Jack ließ sich bei Ihnen nieder, wie er es des Öfteren tat, wenn die Witterung es erlaubte. Cox holte ein verblichenes Kartenspiel heraus und sie spielten zwei Runden, die er beide verlor. Eine ging an Cox, eine an Dove.
"Ist wohl nicht Ihr Tag, Käpt'n."
"Wohl eher nicht meine Nacht." Er rieb sich über das Kinn. "Ehe ich Sie dazu einlade mich ein weiteres Mal zu schlagen, will ich von Ihnen beiden wissen, welches Ihr liebstes Seemannslied ist." Auffordernd sah er von Dove zu Cox und wieder zurück.
Dove zuckte mit den Schultern. Doch Cox begann zu strahlen, entblößte mit seinem Lächeln seine fünf verbliebenen Zähne. "Der drunken Sailor natürlich, Käpt'n."
"Geben Sie uns eine kleine Kostprobe", wies Jack ihn an und der ältere Mann begann ohne zu zögern zu singen. Das leise Tapsen von Schritten hinter ihm drang an sein Ohr und Jack stimmte mit ein, um jedes verräterische Geräusch zu ersticken.
Sie spielten eine weitere Runde, ehe er sich wieder an seinen Posten begab. Versteckt im Schatten des Ruders sah er Grayson kauern. Hinter ihm die halb verhungert aussehenden Gesichter der beiden Huren aus Ratnagiri.
"Keiner hat euch gesehen?", fragte er leise, obwohl die Antwort offensichtlich war. Die drei Bengel würden andernfalls wohl kaum hier sein.
Sein Küchenjunge schüttelte zur Bestätigung den Kopf.
"Dann ab über die Reling mit euch. Ihr müsst ins Heckwasser springen", erklärte er flüsternd. "Es wird keine Geräusche verursachen, wenn ihr auf der Oberfläche aufkommt. Der Wind steht günstig, sodass keiner euch hören wird. Wartet eine Minute, ehe ihr nach uns ruft. Habt keine Furcht, wenn es fünf Minuten dauern wird, ehe wir beidrehen. Es ist beängstigend, wenn ihr uns zuerst wegsegeln seht, aber ihr habt mein Wort, dass wir euch aufsammeln werden!"
Die Geschwister wechselten zunächst unsichere Blicke miteinander, bevor die junge Frau die Hand an den Unterarm ihres Bruders legte. Dieser nickte daraufhin.
Jack beobachtete die beiden, wie sie seiner Aufforderung nachkamen und nur Herzschläge später waren sie vom Deck der Searose verschwunden.
"Ich hoffe, du bist dir sicher, dass die beiden dieses Risiko wert sind", richtete er das Wort an seinen Küchenjungen.
„Jeder Mensch sollte dieses Risiko wert sein", entgegnete dieser ruhig. Die Sterne reflektierten in seinen Augen und das Mondlicht malte die Konturen seines Gesichtes nach, liebkoste seine schmalen Lippen.
Ein Stich von Neid fuhr in sein Herz. Auf das Licht, das diese weiche Haut einfach immerzu berühren konnte, wann immer es ihm gefiel. Das nicht an die Heimlichkeit des Geheimnisses gebunden war. Er beneidete den Atem, der sich in jeder Sekunde über die Lippen wand. Sein Blick blieb an dem leicht geöffneten Mund hängen und er wollte sich zu Anne hinabbeugen, um ihr die Schatten aus dem Gesicht zu küssen, als ein Schrei durch den Wind zu ihnen hinüber drang.
"Hilfe! Hilfe!"
Wie auf Kommando stürzte Grayson sogleich an die Reling und lehnte sich über sie, um einen Blick ins dunkle Wasser zu werfen.
Als hätte er zuvor nicht mit Jack gesprochen, wandte er sich ihm zu und rief: „Da sind zwei Personen, Käpt'n! Scheinbar Schiffbrüchige!"
"Aye, Parker, das sehe ich!", seufzte er leise. Dann brachte er den Befehlston zurück in seine Stimme.
"Mann über Bord! Klar machen zur Halse über Backbord!"
Es dauerte tatsächlich einige Minuten, bis die Searose ihren Kurs soweit angepasst hatte, dass sie einen guten Blick auf die beiden Personen hatten. Der Mond spielte ihnen in die Karten. Auf dem funkelnden, schwarzen Ozean hoben sich ihre Gestalten deutlich vom Wasser ab.
Und noch länger dauerte es, bis sie das Manöver bei dem Wendekreis der Fregatte beendet hatten. Zum Glück hatte das Wasser um sie herum durch die Nähe zum Äquator eine überaus angenehme Temperatur, sodass man ohne Probleme mehrere Stunden darin ausharren konnte, ohne zu unterkühlen.
Die Segel flatterten hilflos im Wind. Das Schiff stand still. Unmittelbar neben ihnen im Wasser befanden sich die Schiffbrüchigen. Jack freute sich im stillen. Seine Navigation war auf den Punkt gewesen.
Ein paar Bereitschaft habende Männer gesellten sich ob der ungewöhnlichen Kommandos zu ihnen an Deck und spendeten ihnen mit weiteren Öllampen ausreichend Licht.
Sie ließen ein paar zu Schlingen geknotete Taue hinab, an denen sich die Schiffbrüchigen festhalten konnten und Grayson und zwei andere Männer machten sich sofort daran den beiden aus dem Ozean zu helfen.
Die junge Frau zitterte am ganzen Leib und schlang ihre dürren Arme um ihren Bruder, als wäre jener ihr Rettungsanker.
Jack fragte sich unweigerlich, ob sie womöglich auch niemals gelernt hatte zu schwimmen, so wie Parker. Wenn dem so war, dann waren die beiden ehemaligen Huren bereit ihr Leben zu geben, um ein Stückchen Freiheit zu erlangen. Etwas, bei dem Jack sich unsicher war, ob er es bewundern oder für wahnsinnig halten sollte.
Er entschied sich für wahnsinnig.
"Sieh an. Was im Namen aller Ozeane hat uns das Meer heute Nacht vor den Bug gespült?", fragte er mit einem gefährlichen Lächeln in der Stimme. Ein raues Lachen der Männer an Deck begleitete seine Worte, das die beiden ehemaligen Huren schreckhaft zurückweichen ließ. "Sie hatten Glück, dass wir Sie in der Dunkelheit der Nacht nicht übersehen haben."
Die Augen des jungen Mannes wanderten unauffällig für die anderen Umstehenden, aber auffällig genug für Jack zu Grayson hinüber, als ob er mit einem Mal daran zweifeln würde, dass er und seine Schwester wirklich sicher waren.
Im Zuge dessen schob er sie hinter sich, um sie von den gierigen Blicken der Piraten abzuschirmen. „Wir bitten um Erlaubnis auf diesem Schiff zu bleiben, Sir. Meine Schwester kann in der Küche helfen und ich habe äußerst gute Augen. Wir werden uns nützlich machen, das schwöre ich auf das Meer, das unsere Leben verschont hat."
Jack schnalzte missbiligend mit der Zunge.
"Aye, natürlich bitten Sie darum. Die Alternative würde bedeuten innerhalb von ein paar Stunden ihr nasses Grab in Kalypsos Armen zu finden", sprach er laut. Einer der Männer zog das Mädchen an einem Arm aus der schützenden Nähe ihres Bruders hervor, sodass sie einen kreischenden Schrei von sich gab, ehe jener ihr grob die Hand auf den Mund legte.
"Fassen Sie sie nicht zu hart an, Mr. Dove. Ich will, dass das Mädchen mir später noch zur Verfügung stehen kann!", herrschte er ihn an und sofort ließ der Mann seine Hand sinken.
"Aye, Sir."
Dann trat er nahe an den Jungen heran, sodass dieser vor ihm zurückwich, bis er mit dem Rücken in einen der Vorschoter hinein lief. Mr. Cox griff nach seinem dünnen Arm und hielt ihn an Ort und Stelle fest. Jack beugte sich zu ihm hinab "Haben Sie nur den Hauch einer Ahnung, wer Sie aus dem Wasser gezogen hat? Sie befinden sich auf einem verfluchten Piratenschiff!" Er breitete seine Arme aus. "Es ist nicht so einfach, Teil der Crew zu werden! Vor allem dann nicht, wenn Sie unter so zweifelhaften Umständen an Bord gelangt sind." Er machte einen Schritt zurück, begutachtete den Jungen von oben bis unten.
"Wir hieß das Schiff auf dem Sie unterwegs gewesen sind?"
„Ich ...", setzte Jaspal an, warf einen weiteren unsicheren Blick in Richtung Parkers.
„Unser Schiff ist nicht untergegangen. Meine Schwester war zu übermütig und beugte sich zu weit über die Reling und da sie nicht schwimmen kann, sprang ich ihr nach. Die Wellen verschluckten unsere Hilferufe, niemand an Deck bemerkte uns und so fuhr die Sunshara Sooraj davon und der Ozean trug uns in eine andere Richtung fort ..."
Lügen konnte der Bursche, das musste Jack im lassen. Und dank des Aufenthalts in der Bilge, dem fehlenden Sonnenlicht und des mageren Essens musste er eine tiefe Erschöpfung nicht einmal vorspielen. Man sah ihm an, wie entkräftet er war. Ihm und seiner Schwester, der er nun das Gesicht zuwandte. Ihre Augen schimmerten feucht und leise Schluchzer drangen zu ihnen hinüber. „Bitte, lasst sie los."
"Aye, das werden wir. Nachdem Sie mir eine letzte Frage beantwortet haben." Jack warf ihm einen ungerührten Blick zu. "Ziehen Sie es vor, umgehend Teil der Mannschaft zu werden, Ihrem Käpt'n die Treue zu schwören und all die harten Arbeiten zu verrichten, die dies mit sich bringt oder bevorzugen Sie ein paar weitere Tage Bedenkzeit in der Zelle, damit Sie sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen können?" Auch wenn seine Worte für die Crew klingen mussten, als wären sie voll von schmutziger Ironie, meinte er sie doch vollkommen ernst. Ein paar Tage Ruhe mit drei regelmäßigen Mahlzeiten würden den Indern gut tun. Und danach konnten sie sie als vollwertige Crewmitglieder aufnehmen.
„Diese Zelle ...", antworte der Junge zögerlich. „ ... ist sie an einem Ort, den das Tageslicht erreicht?"
"Drei Mal dürfen Sie raten! Brauchen Sie etwa Sonne in ihrer Residenz?"
„Ich ... ich kann nicht wieder ...", setzte das Mädchen an und hätte ihr Schauspiel wohl verraten, hätte ihr Bruder sie nicht unterbrochen.
„Wir werden uns drei Tage Bedenkzeit nehmen. Nur bitte, lasst uns zumindest ein paar Lampen. Meine Schwester hat Angst in der Dunkelheit."
Er fuhr sich durch das dunkle Haar, das wegen des silbrigeren Mondlichts schimmerte wie schwarze Tinte.
"Aye, drei Tage sollen Sie bekommen. Sie beginnen morgen früh." Seine gebündelte Aufmerksamkeit richtete sich auf Desna, die unter seinem Blick wimmerte.
"Bis dahin dürfen Sie sich in meiner Kajüte aufhalten und so lange dort auf mich warten, bis ich meine Schicht beendet habe. Ich will mir die Schönheit Ihrer lieblichen Schwester aus der Nähe ansehen." Jaspal erbleichte, als sich ein verdorbenes Grinsen auf Jacks Lippen schlich und die Männer in seinem Rücken gehässig auflachten.
"Mr. Parker wird Ihnen Gesellschaft leisten und darauf achten, dass Sie auf keine dummen Ideen kommen!"
Jacks Blick richtete sich auf Grayson, dessen Augenbrauen sich zweifelnd immer weiter zusammenzogen. Bei allen Göttern, wieso machte es ihm nur so viel Spaß, den Jungen herauszufordern und zu ärgern? Vielleicht weil sie damit begonnen hatten einen Großteil ihrer Uneinigkeiten im Bett auszutragen.
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