Schätze und Rhosgobelkaninchen
,,Nimm' gefälligst den Fuß aus meinem Kreuz", motzte Dwalin einen der anderen Zwerge an. Die Zwerge befreiten sich gegenseitig und halfen einander beim Anziehen. Gandalf und Thorin redeten miteinander und Líli rannte schnell zu Bilbo. Stürmisch umarmte sie den kleinen Hobbit. ,,Geht es dir gut?", fragte sie ihn besorgt. ,,Ja, ja", antwortete Bilbo, immer noch etwas bleich. Líli lobte ihn: ,,Super Idee! Du hast die Trolle hingehalten, bis Gandalf gekommen ist. Ich wusste doch, was in dir steckt, Meisterdieb!" Mit diesen Worten klopfte sie ihm anerkennend auf die schmale Schulter. ,,Danke", meinte Bilbo und lächelte ihr verlegen zu. Líli erwiderte das Lächeln.
Thorin hatte begriffen, dass die Trolle ganz in der Nähe eine Höhle hatte. Und so machte sich die ganze Company auf, um sie zu suchen. Schließlich fanden sie die Höhle und folgten Gandalf hinein. ,,Oh", machte Nori angewidert, ,,was ist das für ein Gestank?" Gandalf antwortete ihm: ,,Es ist ein Trollhort. Pass auf, was ihr anfasst". Die Zwerge husteten und würgten. Líli hielt sich die Hand vor den Mund. Der Trollhort stank schlimmer als Zwerge, die den Waschtag schon seit einigen Wochen vernachlässigten.
Thorin sah sich mit einer Fackel um. Bofur wühlte mit dem Fuß in den Münzen. ,,Wär doch schade, das alles hier rumliegen zu lassen. Dann könnte es jeder mitnehmen". Entschlossen öffnete er eine Kiste, die er mit Nori und Glóin eingrub. Líli überkam ein Verlangen, sich etwas von den vielen Schätzen mitzunehmen. Schließlich gehörten sie ja keinem mehr, oder? Wie jede Zwergin (und auch Zwerge) liebte sie Gold, Silber, Schmuck und Edelsteine. Es war eine Gier, die nie gestillt werden würde.
Hastig schnappte Líli sich ein paar Münzen und ließ sie in ihren Geldbeutel fallen. Wer weiß, vielleicht konnte sie sie ja noch gebrauchen. Dann nahm sie sich noch ein paar Schmuckstücke. Ohrringe, Armreifen, ein paar lange Perlenketten und ein wertvoll aussehndes Diamantencollier. Sie war wie verzaubert von der Schönheit dieser Dinge. Schließlich entdeckte sie noch ein Kettenhemd. Es war relativ klein und vielleicht vor langer Zeit für einen jungen Königssohn geschmiedet wurden. Jedenfalls hatte es genau ihre Maße und sie stopfte es schnell in ihren Rucksack.
Thorin und Gandalf suchten sich zwei Schwerter aus, geschmiedet von den Hochelben des ersten Zeitalters in Gondolin. Das hatte Líli jedenfalls mitbekommen. ,,Nichts wie raus aus diesem widerwärtigen Loch. Kommt, wir sollten gehen. Bofur, Glóin, Nori, Líli!", ordnetete Thorin an. Líli konnte sich nur schwer von den Schätzen losreißen, schaffte es aber schließlich doch noch und verließ die Trollhöhle.
Draußen gesellte sie sich zu Bilbo, der anscheinend gar nicht mitgenommen hatte. Hobbits interrisierten sich wohl nicht für Schätze. ,,Ihr kleinen Leute aus dem Auenland seid schon komische Gestalten", sagte sie mit einem Grinsen zu Bilbo. ,,Ihr Zwerge aus den Bergen seid auch komische Gestalten", erwiderte er. Líli musste lachen. Dann sagte sie ernst: ,,Ich bin echt froh, dass du nicht von den Trollen entzwei gerissen wurdest". ,,Und ich erst", entgegnete der Hobbit. Plötzlich kam Gandalf zu ihnen. In der Hand hielt er ein kleines Schwert. ,,Hier. Es passt zu deiner Größe", sagte der Zauberer zu Bilbo.
Bilbo nahm es, aber erwiderte: ,,Das geht nicht". ,,Warum?", fragte Líli verständnislos, ,,ich verstehe nicht viel von Schwertern aber selbst meine Augen sehen, dass das kleine Ding da ein gutes Schwert ist." ,,Sie hat Recht", sagte Gandalf. ,,Elben haben diese Klinge geschmiedet, was bedeutet, sie leuchtet blau, sobald sich Orks oder Bilwiße in der Nähe befinden."
Der kleine Hobbit seufzte. ,,Ich...ich hab noch nie im Leben ein Schwert geführt". ,,Und ich hoffe, du musst es nie. Falls doch, denke daran: Wahrer Mut bedeutet nicht, ein Leben nehmen zu können, sondern es zu bewahren", meinte Gandalf. Líli nickte andächtig. Tharkûn hatte Recht. Sie würde sich seine weisen Worte merken.
,,Da kommt etwas!", rief Thorin plötzlich. Gandalf rief: ,,Bleibt zusammen! Eilt euch! Bewaffnet euch!" Mit diesen Worten zog er sein eigenes Schwert. Líli wurde leicht panisch. Waren etwa Orks in der Nähe? Dann müsste sie ja kämpfen. Bei den Trollen war es ja noch einfach gewesen aber Orks waren viel gefährlicher, viel boshafter. Sie versuchte sich zu beruhigen, noch war sie nicht alleine. Noch waren sie sicher. Líli zog Vílis Schwert und stellte erleichtert fest, dass die Klinge nicht blau leuchtete. Also griffen sie schonmal keine Orks an. Trotzdem ging sie in Abwehrposition, wie die anderen Zwerge. Bilbo hatte derweil sein neues Schwert aus der Scheide gezogen und betrachtete es.
Plötzlich kam ein Schlitten, gezogen von Kaninchen, aus dem Gebüsch gebrettert. Líli wich zurück, das hatte sie sich nicht vorgestellt. Auf dem Schlitten stand ein kleiner, alter Mann. Er war ganz in braun gekleidet. Sein langer Bart und sein Haar waren grau, verfilzt und in einigen Strähnen klebte etwas, das aussah wie Vogelkot. Auf dem Kof trug der Alte einen alten, braunen Hut. ,,Diebe, Feuer, Mordio!", rief er panisch und hielt schlitternd vor ihnen an.
,,Radagast", stellte Gandalf erfreut fest, ,,das ist Radagast, der Braune". Líli musste kichern. Sie wandte sich zu Bilbo: ,,Der alte Waldschrat soll ein Zauberer sein? Das war ja klar!" Erst jetzt fiel ihr auf, dass die ganze Company und die beiden Zauberer sie anstarrten. Líli räusperte sich und sagte peinlich berührt: ,,Entschuldigung". Gandalf trat nun zu dem keuchenden Radagast. ,,Was in aller Welt tust du hier?", fragte er. Radagast antwortete: ,,Ich hab dich gesucht, Gandalf. Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht!"
,,Ja?", erwiderte Gandalf. Der braune Zauberer öffnete mehrmals seinen Mund und schloss ihn dann wieder. ,,Lass mich kurz überlegen", meinte er schließlich, ,,och, ich hatte einen Gedanken und jetzt ist es mir entfallen. Eben war es noch da, es lag mir schon auf der Zunge! Oh! Es war überhaupt kein Gedanke".
Dann öffnete er den Mund und Gandalf zog etwas heraus. Der graue Zauberer setzte Radagast das Etwas auf die Hand. ,,Es war eine Stabschrecke", stellte der fest. Die Zwerge und Bilbo starrten angewidert zu dem braunen Zauberer.
Radagast und Gandalf entfernten sich ein Stück von den anderen. ,,Erst macht er uns neugierig und dann dürfen wir es nicht mal erfahren, was denn gar nicht stimmen soll", maulte Líli beleidigt. ,,Ich sag, wir belauschen sie. Kommst du mit, kleiner Mann?" Das Zwergenmädchen wandte sich schon zum Gehen, da packte Bilbo sie plötzlich am Mantelsaum. ,,Nein, Líli", erwiderte er bestimmt, ,,ich komme nicht mit. Und du wirst sie auch nicht belauschen! Wenn wir es erfahren sollen, wird Gandalf uns schon davon berichten". Líli blieb schließlich bei dem Hobbit aber starrte immer wieder in die Richtung der beiden Zauberer. ,,Ich hasse Zauberer!"
,,Jetzt fangen sie auch noch an zu rauchen", meinte sie grimmig und sah zu Gandalf, der Radagast gerade seine Pfeife reichte. Plötzlich zerriss Wolfsgeheul die Stille. ,,War das ein Wolf?", fragte Bilbo ängstlich, ,,gi...gibt es Wölfe hier draußen?" ,,Wölfe?", erwiderte Bofur, ,,nein, das ist kein Wolf". ,,Schön wär's", murmelte Líli grimmig und reckte das Schwert ihres Vaters in die Richtung des Geheuls. Keine Sekunde zu spät, denn aufeinmal sprangen zwei Warge aus dem Gebüsch und griffen die Company an.
Líli schrie erschreckt auf. Sie bekam Panik aber versuchte sich wieder zu beruhigen. Es sind nur Warge, sagte sie sich, mach einfach! Mit diesem Gedanken schwang sie Vílis Schwert und stach es in den Hals eines Warges. Blut floss und Líli keuchte auf. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Einer der anderen Zwerge schob sie sanft aber bestimmt zur Seite und tötete den Warg schließlich.
Die Zwerge töteten die Warge schnell. Dann kamen Gandalf und Radagast herbei. ,,Späher", sagte Thorin, ,,dann kann die Orkmeute auch nicht mehr weit sein." ,,Orkmeute?", fragte Bilbo verschreckt nach. Gandalf fragte Thorin: ,,Wem außer deiner Sippe hast du von deinem Vorhaben erzählt?" ,,Niemandem", antwortete Thorin. ,,Wer weiß noch davon?", harkte Gandalf nach.
,,Niemand!", meinte Thorin, ,,ich schwöre es! Was in Durins Namen geht hier vor sich?" ,,Man macht Jagd auf euch", sagte Gandalf düster. Líli fluchte auf Khuzdul. Dwalin rief: ,,Wir müssen hier verschwinden!" ,,Können wir nicht", erwiderte Nori, ,,wir haben keine Ponys! Sie sind durchgegangen." ,,Ich werde sie weglocken", beschloss Radagast. ,,Das sind Gundabadwarge", warnte Gandalf ihn, ,,sie werden dich einholen!" Radagast antwortete triumpfierend: ,,Und das sind Rhosgobel-Kaninchen. Die sollen es ruhig mal versuchen!"
Radagast lockte die Warge und Orks davon und die Company versteckte sich hinter einem Felsen. Gandalf sah nach, ob die Luft rein war und drängte sie dann weiter. Die Zwerge und Bilbo rannten hinter Gandalf her durch die felsige Landschaft. Plötzlich stießen sie fast auf die Warge und drehten eilig wieder um. ,,Bleibt zusammen!", rief Gandalf. ,,Weiter, weiter!", drängte Thorin. Líli rannte gehetzt neben Bilbo und den anderen Zwergen her. Langsam konnte sie nicht mehr. Gandalf winkte die Company voran: ,,Kommt alle! Kommt, kommt rasch!" ,,Wohin führst du uns?", fragte Thorin misstrauisch. Er bekam keine Antwort.
Sie gingen erneut hinter einem Fels in Deckung. Auf einmal erschien ein Ork auf einem Warg oben auf dem Felsen und sah sich um. Thorin sah bedeutungsvoll zu Kíli , der seinen Bogen in der Hand hielt. ,,Kíli, nein!", flüsterte Líli ängstlich. Doch ihr Bruder zog entschlossen einen Pfeil und schoss. Die Zwerge töteten den Warg und seinen Reiter schnell doch der Rest der Orks war auf sie aufmerksam geworden.
Die Orks kamen in die Richtung der Zwerge. Schließlich war die Company umzingelt. Die Zwerge zogen ihre Waffen und versuchten die Orks und Warge zu töten. ,,Wo ist Gandalf?", fragte Thorin. ,,Er hat uns im Stich gelassen", stellte Dwalin bitter fest. Thorin zog sein Schwert und rief: ,,Haltet Stand!" ,,Es sind zu viele", keuchte Líli verzweifelt. Plötzlich erschien Gandalf zwischen zwei Felsen und rief: ,,Hierher, ihr Narren!" Das Zwergenmädchen sah zu ihm hoch und nahm sich vor, ihre Einstellung zu Zauberern schleunigst zu ändern.
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