Ein Entschluss
,,Ich hasse ihn!", stieß Líli Vílistochter knapp einandhalb Monate später hervor und ließ sich verärgert auf ihr Bett fallen. Gimli Glóinsson, der neben ihr lag, konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. ,,Du hasst deinen Onkel doch nicht", sagte Glória beruhigend.
Die Zwergin setzte sich ebenfalls auf Lílis Bett. Glória Gardístochter war die Tochter von Gloíns Schwester. Eigentlich war sie aus den Eisenbergen, aber seit ihre Eltern bei einem Orkangriff ums Leben gekommen waren, lebte Glória bei ihrem Onkel und seiner Familie. Glória war eine kleine, stämmige Zwergin mit großen blauen Augen und rotem Haar, welches sie immer in einem dicken, geflochtenen Zopf trug. Auch ihr Bart war rot. Glória war eine sehr hübsche Zwergin und so war es kein Wunder, dass ihr die jungen Zwerge auf den Straßen des Dorfes hinterherpfiffen. Obwohl sie eigentlich jeden haben könnte, hatte sich Glória für Lílis älteren Bruder Fíli entschieden. Glória war jünger als Fíli aber älter als Kíli.
,,Doch,ich hasse ihn. Er ist unfair mir gegenüber. Er lässt mich nicht mit, weil ich ein Mädchen bin!", entgegnete Líli wütend. ,,Du kannst dich nicht verteidigen, was man, wenn man es mit Drachen aufnehmen will, können sollte!", sagte Glória ernst. ,,Líli kann sich verteidigen", mischte Gimli sich ein. ,,Weißt du noch, als wir uns mit den Zwergenjungen aus den Eisenbergen geprügelt haben? Nachdem Líli den einen an's Schienbein getreten hatte, konnte der eine, eine Woche lang nur humpeln." ,,Das ist 50 Jahre her, Gimli Glóinsson!", sagte Glória.
Gimli achtete nicht auf sie. ,,Ja, ich verstehe auch nicht, warum Adad (Vater) mich nicht mitlässt. Angeblich sei ich zu jung", er verdrehte die Augen. ,,Was ja auch stimmt", merkte Glória spitz an. ,,Du bist nur 20 Jahre älter. Das ist nichts!", grummelte Gimli.
Líli konnte über die beiden nur den Kopf schütteln. Man könnte meinen, Glória und Gimli wären nicht Base und Vetter , sondern Geschwister. Jedenfalls benahmen sie sich so. ,,Ich verstehe Thorin nicht, mein ganzes Leben lang erzählt er mir, wie toll es im Erebor ist und dann lässt er mich nicht mitkommen", sagte sie.
Glória wollte ihr gerade antworten, als es an der Tür klopfte. ,,Herein", grummelte Líli, in der Erwartung, dass Thorin vor der Tür stehen würde. Aber es war nicht Thorin, sondern Gry, Gimlis Mutter. ,,Glória, hier steckst du also. Ich hab' dich schon gesucht. Fíli ist da.", sagte sie und lächelte ihrer Nichte zu. Glórias Wangen färbten sich rosa. Sie drängte sich an ihrer Tante vorbei und rannte nach unten.
Gry wandte sich an Gimli und Líli. ,,Das Essen ist gleich fertig. Kommt ihr dann auch runter?" ,,Ja, Amad (Mutter)", erwiderte Gimli. ,,Sind alle da?",fragte Líli gespannt. Gry nickte, ,,Alle 13. Sogar dieser seltsame Zauberer ist da. Wenn ihr mich fragt, ist der nicht vertrauenswürdig. Der wird deinem Onkel, Líli, nur Ärger machen, das sag' ich dir." Dann schloss sie die Zimmertür. Gimli rannte an die Tür. Er blickte aufmerksam durch das Schlüsselloch. ,,Alles okay, Gimli?", fragte Líli. Gimli nickte. ,,Ja,ja", sagte er und zeigte in Richtung der Tür, ,,aber meine Mutter hat die nervige Vorliebe, an Türen zu lauschen."
,,Also ist das, was du mir nun sagen willst nicht für die Ohren deiner Mutter gedacht?", schlussfolgerte Líli. ,,Genau richtig", erwiderte Gimli und setzte sich wieder. ,,Warum reisen wir nicht auch einfach zum Erebor?"
Ungefähr eine Viertelstunde später gingen Gimli und Líli nach unten. In der Küche stand nun eine lange Tafel, an der 16 Zwerge und ein Zauberer saßen. Líli erwischte den Sitzplatz neben einem sehr großen, sehr alten Mann. Er war ganz in grau gekleidet: Sein Umhang war grau, sein spitzer Hut war grau, selbst sein langes Haar und sein Bart waren grau. Neben ihm an seinem Stuhl lehnte ein großer Stock. Dieser Mann konnte nur Gandalf sein.
,,Tharkûn?", fragte Líli. Der Mann unterbrach sein Gespräch mit Glóin über Pfeifenkraut und wandte sich ihr zu. ,,Ja, so nennt man mich bei den Zwergen".
,,Ihr habt also viele Namen", stellte Líli fest. Gandalf lachte. ,,Das stimmt wohl", erwiderte er, ,,dürfte ich wohl auch Euren Namen erfahren?" Líli antwortete: ,, Líli, Vílis Tochter." ,,Und Tochter von Thráin und
Thrór", fügte Gandalf hinzu, ,,verzeiht, dass ich mich nicht vor Euch verbeugt habe, Prinzessin".
,,Ich bin keine Prinzessin oder seht Ihr eine Krone auf meinem Haupt?", sagte Líli etwas peinlich berührt. Gandalf entgegnete lächelnd: ,,Aber Eurer Onkel wird euch eine Krone mitbringen, da bin ich mir sicher". Oder ich hole sie mir selber, dachte Líli entschlossen.
,,Willkommen, meine Freunde", rief Thorin und sofort verstummten alle Gespräche.
,,Sind nun alle da?"
Alle nickten.
Die Versammlung lief ereinigslos ab. Die Zwerge besprachen ihre Anreise nach Hobbingen und nicht gerade wenige äußerten Gandalf gegenüber, dass es eine Schnapsidee war, einen Halbling als Meisterdieb mitzunehmen. Doch Gandalf bestand auf Bilbo Beutlin. Danach wurde viel gegessen, viel gesungen und noch mehr getrunken.
Trotz des Katers, den alle Zwerge am nächsten Morgen hatten, liefen die Vorbereitungen für die Abreise auf Hochtouren. Den ganzen Tag sattelten die Söhne Durins Ponys und Widder oder kramten sich den besten Wanderstock heraus. Dicke, große Rucksäcke wurden geschnürt. Proviant wurde eingepackt und am Fluss wurden die Feldflaschen mit kaltem Wasser gefüllt.
Líli war froh, dass ihre Mutter Gimli und sie ausschliefen ließ. Auch sie hatte gestern Abend viel Bier getrunken und Dori hatte ihr irgendwas Selbstgebranntes eingefüllt, dass sie lieber nicht hätte trinken sollen.
Am frühen Mittag erwachte Líli und machte sich schnell fertig. Dann schubste sie Gimli von der Matratze auf dem Fußboden. Nach einer kurzen Mahlzeit, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie nun Frühstück, Mittagessen oder Kaffeekränzchen sein wollte, ging es ans Rucksäcke packen. Unbemerkt besorgte Gimli auch Proviant und Líli füllte am Fluss auch Wasser ab.
Líli packte die abgetragenen Hosen, Hemden und Westen von Fíli und Kíli ein. Kleider würde sie auf dieser Reise wohl nicht brauchen. Schließlich ging Líli in das Schlafzimmer ihrer Mutter. Das Doppelbett sah aus wie immer. Die linke Seite des Bettes war zerwühlt(Dís hatte morgens wenig Zeit.)
Die rechte Seite, jedoch, war unberührt. Denn dort hatte seit Jahrzehnten niemand mehr geschlafen. Víli starb in einer Schlacht gegen Orks den Heldentod.
Líli ging um das Bett herum und zum Nachttisch ihres Vaters. Darauf stand ein eingerahmtes Bild von Víli, welches Tag und Nacht von einer Kerze erleuchtet wurde. Er sah Fili sehr ähnlich. Sie öffnete die Schublade. In ihr befanden sich Vílis Tagebücher aus seiner Zeit in seiner Heimatstadt Thal und Notizbücher, in die er Geschichten, Lieder und Gedichte geschrieben hatte.
Lílis Vater war ein Halbzwerg gewesen. Sein Vater, Snóri, war ein einfacher Bergarbeiter aus dem Erebor. Er war oft in Thal unterwegs. Dort hatte er Vílis Mutter kennengelernt. Ihr Name war Elanor Evansdottir und sie war eine Spielzeugmacherin aus Thal. Noch vor Vílis Geburt starb Snóri bei einem Bergunglück.
Víli wuchs bei den Menschen aus Thal auf. Sein Beruf war später auch Spielzeugmacher. Aber seine wahre Leidenschaft war das Schreiben. Líli und ihren Brüdern hatte er oft vorgelesen, Geschichten erzählt und vorgesungen.
Líli liebte diese alten Bücher aber sie brauchte diese auf ihrer Reise nicht. Ganz in unten fand sie, was sie suchte: Ein Schwert. Víli war kein Freund von Waffen gewesen und so wunderte sie es nicht, dass er es möglichst weit unten versteckt hatte. Das Schwert war von Elben geschmiedet und so fing es an blau zu leuchten, wenn Orks in der Nähe waren.
Entschlossen ließ Líli das Schwert in ihren Rucksack gleiten. Dann sah sie zum Bild ihres Vaters. Er sah aufmunternd zu ihr, als wenn er sagen wollte:
,,Du schaffst das, meine Tochter, ich glaube an dich."
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