Bilbos Geheimnis
Líli lief wutentbrannt zu Bilbos Hobbithöhle. Was war nun in ihn gefahren? Warum war er verschwunden? ,,Bilbo Beutlin!", rief sie zornig und hämmerte mit ihren Fäusten gegen die runde grüne Haustür, ,,du machst sofort diese Tür auf oder ich schlage sie ein!" Die Tür wurde geöffnet und Gandalf streckte den Kopf heraus. ,,Líli", stellte er fest. ,,Lass sie nicht rein, Gandalf", bat Thorin, ,,es ist besser für sie". Líli schnaubte wütend und drängte sich an Gandalf hinein in die Hobbithöhle. ,,Die Zeiten, in denen du entscheidest, was gut für mich ist und was nicht, sind entschieden vorbei!", meinte sie mit funkelndem Blick. Die Zwergin blickte zu ihrem Onkel und Bilbo, die beide Wanderstöcke in der Hand hatten. ,,Ihr wollt also miteinander durchbrennen?", fragte sie mit einem Schmunzeln, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
,,So würde ich es nicht ungedingt nennen". entgegnete Bilbo verlegen, ,,aber ich will wieder Berge sehen, Líli. Ich bin jetzt alt. Vielleicht sieht man es mir nicht an aber ich fühle mich alt. Und ich will wieder Berge sehen und ein ruhiges Plätzchen finden, um mein Buch zu Ende zu schreiben."
,,Und ich werde mit ihm kommen", sagte Thorin entschlossen und nahm Bilbos Hand.
Gandalf fragte:
,,Das fandest du wohl unheimlich schlau, was?"
,,Ah, komm schon Gandalf! Hast du ihre Gesichter gesehen?", entgegnete Bilbo. Líli schnaubte verächtlich. ,,Du hast mir und den anderen einen gewaltigen Schrecken eingejagt!"
,,Es gibt viele Zauberringe auf dieser Welt, Bilbo Beutlin, und keinen davon sollte man leichtfertig benutzen", sagte Gandalf ernst. Thorin sah unsicher zu Bilbo. Anscheinend war diese kleine Showeinlage die Idee des Hobbits gewesen. ,,Zauberringe?", fragte Líli verwirrt, ,,wovon redest du, Tharkûn?"
,,Es begann vor langer Zeit, im zweiten Zeitalter. Die Elben Eregions schmiedeten viele Zauberringe auf Geheiß eines Gesandten der Valar. Sein Name war Annatar. Doch dieser Gesandte stellte sich als der Dunkle Herrscher heraus. Zur selben Zeit schmiedete er den Einen Ring. Ein Ring, der den niederen Ringe überlegen war. Indem er den Elben die Ringe schenken wollte, wollte der dunkle Herrscher die Elben unterwerfen. Doch die Elben bemerkten sein dunkles Vorhaben und der Dunkle Herrscher verlangte die Ringe zurück. Jedoch versteckte Celebrimbor die drei mächtigsten Ringe. Nun verteilte der Dunkle Herrscher die Ringe an die Zwergen und Menschen, um sie als Untertanen halten zu können. Die Zwerge waren zu stur für die Machenschaften des Herrn des Dunklen Landes aber die Menschen verfielen den Ringen", erzählte Gandalf und rauchte dabei Pfeife.
Líli unterbrach ihn genervt: ,,Diese alte Geschichte kenne ich.
Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern im ihren Hallen aus Stein ,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun
Einer dem Dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Ein Ring sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn."
Gandalf sprang auf und funkelte sie zornig an. ,,Närrin! Namen haben große Macht! Du darfst solche Worte nicht an Orten wie hier aussprechen!"
Sie wich zurück und murmelte eine Entschuldigung. Thorin verließ das Zimmer leise und lief in die Küche. Líli konnte hören, wie er Wasser heiß machte. Wahrscheinlich kochte er Tee. ,,Aber was hat das denn nun mit Bilbo zu tun?", fragte Líli ungeduldig, als Gandalf sich wieder gesetzt hatte.
Der Zauberer steckte sich seine Pfeife wieder in den Mund und paffte eine Weile nur vor sich hin. Schließlich sprach er: ,,Du kennst die Geschichte also?" Líli nickte und entgegnete: ,,Ja, mein Vater hat sie mir und meinen Brüdern mal erzählt. Mein Großvater...hatte auch solch einen Ring. Er hatte ihn von seinem Vater bekommen. Ich fand den Ring sehr schön und kann mich bis heute an ihm errinern, obwohl es sehr lange her ist".
,,Wenn du die Geschichte kennst, weißt du sicher auch, dass sich Elben und Menschen gegen den Dunklen Herrscher verbündeten." Líli nickte. Das letzte Bündnis, dachte sie. ,,In einer großen Schlacht schnitt Isildur, Elendils Sohn und Hochkönig von Anor und Gondor dem dunklen Herrscher mit seinem Schwert Narsil den Ring vom Finger. Nach der Schlacht ritt er nach Bruchtal. Doch unterwegs wurden sie von Orks angegriffen. Isildur steckte sich den Ring an den Finger. Dann sprang er unsichtbar in den Anduin. Doch der Ring ist verräterisch und tückisch. Er glitt Isildur vom Finger und der König wurde getötet." ,,Richtig", entgegnete Líli, ,,und dann wurde der Ring ins Meer gespült und nie wieder gesehen".
,,Eben nicht", entgegnete Thorin. Er stand im Türrahmen. In der Hand hielt er eine dampfende Tasse. Der Zwerg reichte Líli die Tasse. Sie nahm den warmen Tee dankend an.
,,Der Ring sank auf den Grund des Anduins", fuhr Gandalf fort, ,,und dort wurde er viele Jahre nach Isildurs Tod gefunden." ,,Von wem?", fragte Líli neugierig. Ihre zitternden Hände schlossen sich um die Teetasse.
Gandalf zog tief an seiner Pfeife und antwortete: ,,Ich weiß nicht viel darüber, wer dieser Jemand war, bevor er an den Ring kam. Aber er verfiel dem Ring und litt unter ihm. Jedoch warf er ihn nicht weg, sondern behandelte ihn wie einen Schatz. Das Geschöpf, heute trägt es den Namen Gollum, verkroch sich für viele viele Jahre in einer Höhle im Nebelgebirge. Und eben diese Höhle lag unter der Orkstadt, auf die ihr vor sechzig Jahren gestoßen seid".
Líli sah den Zauberer schockiert an und ließ sich in einen Sessel fallen. Sie fühlte sich wie gerädert. ,,Ich verstehe nicht", meinte sie leise und verwirrt, ,,der Ring ist noch immer in Mittelerde". ,,Richtig", erwiderte Gandalf, ,,und er wurde von dem ungewöhnlichsten Geschöpf in ganz Mittelerde gefunden: Einem Hobbit".
Sie sah mit großen Augen zu Bilbo. ,,Du?", fragte sie leise. Bilbo nickte und sagte: ,,Damals, als wir in der Stadt der Orks waren...ihr wurdet verschleppt..mich schienen sie übersehen zu haben. Aber plötzlich griff mich ein einzelner Ork an. Wir kämpften und stürzten schließlich in die Tiefe, in Gollums Höhle, wie sich später herausstellte. Gollum schleppte den verwundeten Ork weg und tötete ihn schließlich. Dabei fiel ihm ein kleiner goldener Ring aus der Tasche. Ich nahm den Ring an mich und wollte schon verschwinden, aber Gollum bemerkte mich. Wir beschlossen ein Rätselspiel zu spielen. Wenn er gewann, durfte er mich töten. Wenn ich gewann, musste er mir den Weg nach draußen zeigen. Dann stellten wir uns also gegenseitig Rätsel. Meine letzte Frage war: Was ist in meiner Tasche? Erst kam er nicht darauf aber dann schien er bemerkt zu haben, dass sein Ring fehlte. Gollum wurde furchtbar wütend und verfolgte mich. Ich flüchtete und merkte dabei, dass der Ring mich unsichtbar machte, wenn ich am Finger trug. So schaffte ich es zu flüchten und Gollum schrie mir Verwünschungen nach. Ich sei ein Dieb und er würde alle Beutlins hassen."
,,Warum hast du denn nie etwas gesagt?", fragte Líli traurig. Sie war enttäuscht darüber, dass er ihr anscheinend nicht vertraut hatte. ,,Ich hatte ihn in der Hand, damals in Thal. Da hielt ich ihn für ein Familienerbstück aus dem Auenland". Sie schnaubte: ,,Wie naiv ich doch war!" ,,Líli", bat Bilbo traurig, ,,glaub mir, ich wollte es dir sagen. Wirklich. Aber ich hatte zu große Angst". ,,Wovor?", fragte sie stirnrunzelnd.
,,Davor, dass du ihn mir wegnehmen würdest. Er war mein!", sagte Bilbo und kurz loderte Gier und Verlangen in seinen alten Augen auf. ,,Wie lange wussten Thorin und Gandalf davon?", fragte Líli verletzt. Sie hatte Tränen in den Augen. ,,Ich ahnte es schon lange", sagte Gandalf, ,,seitdem wir uns am Rand des Düsterwaldes voneinander verabschiedeten hatten". Thorin räusperte sich und meinte: ,,Bilbo hat es mir vor knapp zwei Jahren erzählt, als er am Durinstag im Erebor war".
,,Solange wusstest du es schon", murmelte Líli, ,,und nie hast du mir etwas gesagt." ,,Er wollte", verteidigte Bilbo seinen Geliebten, ,,aber ich habe ihn daran gehindert. Der Ring war schließlich mein Geheimnis". Für eine Weile war es still in Bilbos Hobbithöhle.
Dann sagte Thorin schließlich: ,,Du hättest keine solche Show daraus machen müssen, Amrâlimê (*1). Ich war zwar eingeweiht. Aber ich habe mich trotzdem erschrocken".
Bilbo erwiderte: ,,Tut mir leid, Amrâlimê(*1).
Das sollte doch nur ein kleiner Spaß sein! Ach, wahrscheinlich hast du wieder Recht, wie immer."
Er wandte sich an Gandalf und Líli: ,,Ihr werdet ein Auge auf Frodo haben, nicht wahr?
Gandalf antwortete:
,,Zwei Augen, sooft ich sie entbehren kann." Líli nickte zustimmend. Sie war immer noch etwas sauer auf Bilbo. Aber sie musste schließlich auf Frodo aufpassen. Er war für sie wie ein Bruder.
Bilbo meinte:
,,Ich hinterlasse ihm natürlich alles."
,,Was ist mit deinem Ring? Bleibt der auch hier?", fragte Gandalf.
,,Jaja, er liegt in einem Umschlag auf dem Kaminsims", antwortete Bilbo.
Gandalf warf einen Blick zum Kaminsims. Dort lag jedoch kein Umschlag.
,,Nein, warte. Er ist ... hier in meiner Tasche! Ist das nicht .... ist das nicht seltsam? Ja, warum eigentlich nicht, warum sollte ich ihn nicht behalten?", meinte Bilbo nachdenklich.
Gandalf wurde aufbrausend.
,,Du solltest den Ring zurücklassen Bilbo! Fällt dir das so schwer?"
Bilbo entgegnete wütend:
,,Ach was, nein! Und ja!!! Jetzt, da es soweit ist, mag ich ihn gar nicht hergeben, er gehört mir, ich habe ihn gefunden! Er ist zu mir gekommen!"
,,Du brauchst nicht zornig zu werden!", sagte Gandalf.
Bilbo entgegnete:
,,Wenn ich es bin, ist es deine Schuld! Es ist meiner, mein Eigen, mein Schahaatzzsss!" Líli wich zurück. Was war denn plötzlich mit Bilbo los?"
,,Dein Schatz?", fragte Gandalf skeptisch nach, ,, so ist er schon früher genannt worden, doch nicht von dir."
Bilbo meinte zornig:
,,Grr, was geht es dich überhaupt an, was ich mit meinen Sachen mache?!"
,,Du hast den Ring wirklich lange genug gehabt!", rief Gandalf.
Bilbo rief wütend:
,,Du ... du willst ihn nur für dich selber haben!!!"
,,Bilbo Beutlin, halte mich nicht für jemanden, der mit faulem Zauber arbeitet! Ich will dich nicht berauben ...ich will dir helfen", sagte Gandalf sanft.
Bilbo lief wimmernd in Gandalfs Arme.
,,All die Jahre waren wir Freunde. Vertrau mir, so wie früher, gib ihn auf!", bat der alte Zauberer.
Bilbo schniefte:
,,Du hast Recht, Gandalf, der Ring muss an Frodo gehen! Es ist schon spät und der Weg ist lang. Ja, ich muss aufbrechen."
Gandalf rief ihm hinterher: ,,Bilbo!"
,,Hm?", machte Bilbo.
Gandalf entgegnete:
,,Du hast ja den Ring immer noch in der Tasche!"
Bilbo nickte und meinte:
,,Ah... ja." Mit diesen Worten ließ er den Ring von seiner Hand gleiten.
Der goldene Ring fiel schwer auf den Boden.
Thorin trat näher auf Líli zu. Die Zwergin stand auf. Sie weinte: ,,Werde ich euch wiedersehen? Kommt ihr uns mal besuchen?" ,,Natürlich", lächelte Bilbo und umarmte sie. Líli schloss die Arme um den kleinen Hobbit und schluchzte leise. Bilbo löste sich schließlich von ihr, schulterte seinen Rucksack und nahm einen Wanderstock in die Hand. Ihr Onkel legte Líli sanft eine Hand an die Wange. ,,Wir kommen euch besuchen, versprochen", sagte er und umarmte sie. Líli erwiderte die Umarmung und weinte seinen Mantel voll. Schließlich nahm Thorin seine Rabenkrone ab. ,,Thorin?", fragte sie stirnrunzelnd, ,,was soll das werden?" ,,Siehst du das nicht?", fragte Thorin lächelnd und setzte ihr die Krone aufs Haupt, ,,ich übergebe dir mein Amt". ,,Ich bin nicht die Richtige dafür", sagte Líli zweifelnd. ,,Fíli drückt sich doch schon seit Jahrzehnten vor dieser Krone und Kíli hat doch sowieso nur Tauriel im Kopf", entgegnete Thorin, ,,du schaffst das. Außerdem werden dir Balin, Dáin und Dís sicher helfen.Ich bin mir sicher, dass du eine gute Königin unter dem Berge wirst".
,,Mir ist ein hübscher Schluss für mein Buch eingefallen: Und dann lebten sie vergnügt bis ans Ende ihrer Tage", meinte Bilbo munter und nahm Thorins Hand in die seine.
Gandalf entgegnete lächelnd:
,,Und ich bin sicher, das werden sie, mein Freund."
Sie verabschiedeten sich von einander. Líli wischte sich die Tränen von ihren Wangen und versuchte sich an das neue Gewicht auf ihrem Kopf zu gewöhnen.
Bilbo und Thorin sangen leise, während sie Hand in Hand davonwanderten:
Die Straße gleitet fort und fort, weg von der Tür wo sie begann....
Einige Wochen später stand Líli am Meer. Sie atmete die frische salzige Luft ein und musterte das graue Elbenboot, welches bald ablegen sollte. Die Elben musterten sie und ihre Brüder ebenfalls skeptisch. Was wollten Zwerge hier? Kíli lag gerade in Fílis Armen. Die beiden Brüder weinten leise. Líli warf Tauriel einen Blick zu. Die rothaarige Elbin lächelte und legte sich eine Hand auf den gewölbten Bauch. Kíli und Tauriel wollten in die unsterblichen Lande segeln. Sie wollten ihrem Kind ein besseres Leben bereiten, denn jeder wusste, dass Mittelerde bald etwas anderes als Frieden drohen würde. Kíli durfte Tauriel natürlich begleiten, da sie sein Kind im Schoß trug. Aber es gab noch einen anderen Grund. Herrin Galadriel hatte Víli damals einen Platz auf einem Elbenschiff nach Valinor angeboten. Aber Víli hatte seine Reise nie antreten können und so nahm nun sein Sohn dieses Privileg an. ,,Wir müssen los", sagte Tauriel leise.
Kíli nickte nur und löste sich von seinem Bruder. Er lächelte Líli liebevoll zu. Sie hatten sich bereits umarmt. ,,Mach's gut, Namad (*2)", grinste Kíli. Jedoch hatte er Tränen in den Augen. Dann lief der Zwerg zu Tauriel, nahm ihre Hand und die beiden liefen aufs Boot. ,,Achtung", rief Kíli den Elben zu, ,,vorsichtig! Vorsichtig, meine Herrschaften! Bitte passt auf! Aus dem Weg, bitte! Meine Frau ist schwanger! Sie trägt mein Kind!" Líli schmunzelte und trat näher an Fíli heran. ,,Er ist wie du", flüsterte sie. ,,Ich gehöre zu meinem Bruder", meinte Fíli leise. Die beiden Geschwister sahen zu, wie die Leinen losgemacht wurden. Das Schiff segelte langsam in Richtung Westen. Kíli und Tauriel winkten ihnen vom Schiff zu. Über dem Schiff ging die Sonne langsam unter.
(*1) Khuzdul: Meine Liebe
(*2) Khuzdul: Schwester
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro