- 10. Kapitel -
Langsam sank die Sonne Richtung Horizont. Der Himmel färbte sich in einem blutigen Rot und die Bäume warfen lange Schatten auf das Lager des RegenClans.
Bachfeder bewunderte das Zusammenspiel von Farben über ihm. Der Schnee unter seinen Pfoten knarrte, als er sein Gleichgewicht anders verteilte um einen besseren Blick auf den Himmel zu haben.
"Bachfeder!", Wipfelschnelles Stimme riss den Kater aus seinen Gedanken. Die zweite Anführerin klang gereizt, als hätte sie seinen Namen nicht zum ersten mal gerufen.
"Du hast Nachtwache", teilte sie ihm in einem freundlicheren Ton mit.
Langsam nickte der Kater.
"Es könnten zehn Füchse vor Bachfeder stehen und er würde sie nicht bemerken. Er hält niemals eine ganze Nachtwache durch, ohne in Tagträumen abzuschweifen", feixte Falkenwasser. Daraufhin folgte amüsiertes Schnurren von Splittermond und Luftsprung.
"Ach ja?", fauchte Bachfeder wütend zurück. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Wipfelschnelle auf ihn zu tappte um ihm beruhigend die Schweifspitze auf die Schulter zu legen. "Ist schon gut", flüsterte sie ihm ins Ohr.
"Wenn du ein Problem mit Bachfeder hast darfst du die Nachtwache anstelle seiner halten", meinte die Kätzin und funkelte den Kater an. Der Dunkelgraue schlug unruhig mit dem Schwanz, nickte dann aber.
"So ist zumindest sichergestellt, dass wir die Nacht überleben", zischte er Bachfeder ins Ohr. Der gleichaltrige Krieger hatte noch nie seine Abneigung gegenüber dem blaugrauen Kater versteckt. Seit der Kinderstube duellierten sie sich und gaben sich mit keiner Niederlage zufrieden.
Bachfeder war immer schon der ruhigere Krieger gewesen und wollte einfach nur seinen Frieden, aber Falkenwasser hörte mit seinen Sticheleien nicht auf.
In Wipfelschnelles Augen sammelte sich Wut, Hass.
Wieso reagierte sie so?
Bachfeder war zwar ihr Bruder, aber Wipfelschnelle konnte so schnell nichts aus der Ruhe bringen und sie behandelte alle Katzen mit gleichem Respekt und bevorzugte niemanden.
"Dann führst du die Morgenpatrouille, Bachfeder", miaute sie ohne die Augen von Falkenwasser abzuwenden. Dieser erwiderte ihren Blick und starrte neugierig zurück. Offenbar war er von Wipfelschnelles feindseligem Verhalten genauso überrascht wie Bachfeder.
Bachfeder nickte langsam, dann entfernte er sich in Richtung Kriegerbau, legte sich in sein Nest und schlief ein.
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Ihn weckte nicht das Licht der ersten Sonnenstrahlen wie sonst, sondern das Fauchen von Milbenstern.
"Diese Jungen sollen augenblicklich aus meinem Lager verschwinden"
Bachfeder rappelte sich auf. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, er musste gleich die Morgenpatrouille ausführen. Er stupste Sandnebel vorsichtig mit der Pfote an, sowie auch Wildfeuer.
"Wir führen die Morgenpatrouille. Sandnebel, kannst du die Schüler holen? Wir treffen uns am Lagereingang, wenn alle etwas gegessen haben"
Sandnebel nickte verschlafen.
Auf der Lichtung angekommen stand Milbenstern mit gesträubtem Nackenfell und starrte hasserfüllt auf Krähenjunges und Taubenjunges.
"Ich sagte, schaff sie hier weg. Ich will diese hässlichen Wesen nicht sehen müssen"
Wipfelschnelle war ebenfalls auf der Lichtung, beäugte alles mit misstrauischen Augen.
Krähenjunges und Taubenjunges waren Mohnwinds Junge. Die Königen stand hinter den Kleinen und legte schützend den Schweif vor sie, zog die den Körper nah an sich heran.
Die Jungen waren zu früh auf die Welt gekommen und hatten sich nicht richtig entwickelt. Deshalb waren beide ab dem Brustkorb miteinander verwachsen und teilten sich ihren unteren Körper.
Der Clan hatte sie so akzeptiert, auch wenn man skeptische Blicke auf Gesichtern von Kriegern erkennen konnte. Oder Sorge, dass sie doch zu schwach waren um Schüler zu werden. Und wenn sie Schüler werden würden, wie sie jagen oder kämpfen sollten.
Aber Mohnwind liebte sie, wie sie waren und hatte geschworen sie mit ihrem Leben zu verteidigen. Sie selbst wäre bei der Geburt beinahe gestorben, es war ein Wunder, dass alle drei überlebt hatten.
Milbenstern war die einzige Katze, die die Kleinen verabscheute.
Mohnwind fuhr die Krallen aus, bereit zu kämpfen.
Bachfeder schüttelte entrüstet den Kopf.
Wipfelschnelle trat schließlich zwischen die beiden Katzen, bevor sie sich gegenseitig anspringen konnten. "Milbenstern, es sind genauso Katzen wie du. Sie werden den Clan stark machen", sie schenkte den Jungen einen liebevollen Blick.
Natürlich, immerhin hatte sie selbst Junge gehabt und eines davon an den SternenClan verloren. Sie wusste, wie der Schmerz sich anfühlen musste und wollte Mohnwind diesen Schmerz ersparen.
"Sagt die Kätzin mit den HalbClan-Jungen", fauchte Milbenstern ohne den Blick von Tauben- und Krähenjunges abzuwenden.
Ein Raunen ging durch die Menge, die sich inzwischen gebildet hatte. Vermutlich schliefen die meisten Katzen nicht mehr, hatten die Wärme ihrer Baue verlassen um neugierig zu schauen, was passieren würde.
Wipfelschnelle kniff die Augen zusammen. Sie hatte nie verraten, wer der Vater ihrer Töchter war, nur, dass er RegenClan-Krieger gewesen sei. Bachfeder glaubte seiner Schwester und akzeptierte ihr Schweigen über den Vater. Blut war nicht alles. Viel mehr zählte Loyalität und niemand konnte Wipfelschnelles Jungen Untreue vorwerfen.
"Sie sind RegenClan", knurrte Wipfelschnelle beschwichtigend zurück.
Dann hob sie den Kopf und blickte ihre Clangefährten wütend an.
"Geht euren Aufgaben nach! Jeder, der nichts zu tun hat säubert die Kinderstube und den Ältestenbau. Los!", rief sie erbost.
Bachfeder lief schnell zum Lagereingang, wo Sandnebel bereits platzgenommen hatte und wartete.
"Die Schüler essen noch", erklärte er und deutete auf den Schülerbau, wo Käferpfote und Graupfote saßen.
"Was ist mit dir?", fragte Bachfeder.
"Keinen Hunger", erwiderte der kräftige Kater knapp. Offensichtlich eine Lüge. Aber Sandnebel war zu stolz um sich etwas zu nehmen, bevor der restliche Clan satt war. Genauso wie Bachfeder.
"Welche Grenze laufen wir ab?", fragte Wildfeuer, die sich zu den beiden Katern gesellte.
Bachfeder überlegte kurz, dann schnippte er mit dem Schweif: "SturmClan"
Vor einigen Tagen waren Spuren von Jagt auf dem Territorium des RegenClans entdeckt wurden. Milbensterns Reaktion darauf war der Kampf gewesen, aber Wipfelschnelle hatte es ihr ausgeredet. Der Clan war nicht stark genug für eine Schlacht, der Kampf sollte auf die Blattfrische verlegt werden.
Dennoch musste die Grenze verteidigt werden, ehe noch mehr Nahrung gestohlen wurde.
Sandnebel nickte, schließlich machte sich die Patrouille auf den Weg.
An der Grenze sah es friedlich aus, auch wenn der Geruch von SturmClan unverkennbar war. Die Luft hatte auch etwas metallisches an sich, roch nach Blut und Bachfeder hätte seinen Pelz darauf verwettet, dass der SturmClan gekämpft haben musste.
"Versteckt euch!", ordnete Sandnebel auf einmal an.
Bachfeder war wieder in Gedanken versunken, leistete den Aufforderung des Kriegers jedoch sofort folge. Er schnupperte kurz, dann wusste er, warum sich die RegenClan-Katzen verstecken sollten.
SturmClan-Katzen. Es waren wenige, zwei, vielleicht drei, die die Grenze schon übertreten hatten.
"Es stinkt nach RegenClan", motze eine Stimme. Sie klang jung, vielleicht war es ein Schüler.
"Sei leise, Staubpfote", fauchte eine weitere Stimme zurück. Bachfeder erkannte die Stimme von Dornenblick. Er war der Mentor von Wolfspfote, warum also war er mit Staubpfote unterwegs?
Der Blau-Graue roch eine dritte Katze, eine Kätzin, aber konnte sie nicht identifizieren.
"Wildfeuer, Graupfote - ihr versperrt ihnen den Weg zurück in ihr Territorium. Bachfeder du kommst von vorne auf sie zu, Käferpfote und ich jeweils von der Seite. Wir kreisen sie ein und nehmen sie gefangen. Auf mein Zeichen", ordnete Sandnebel bereits an.
Bachfeder duckte sich und kroch etwas weiter zurück um ein bisschen zur Seite rutschen zu können.
Er sah Sandnebels Nicken und trat mit gesträubtem Fell auf die feindlichen Katzen zu.
Tatsächlich waren es Dornenblick, Staubpfote und Vulkanblüte.
Auch die restlichen Krieger traten aus dem Dickicht hervor und versperrten jegliche Fluchtmöglichkeiten.
"Was macht ihr hier, SturmClan?", fragte Bachfeder kühl.
Dornenblick drehte sich kurz um sich selbst, um seine Lage einzuschätzen. Er musste bemerkt haben, dass er keine Chance hatte und so blieb sein Nackenfell gesengt.
"Wir müssen die Grenze versehentlich übertreten haben", maunzte er dann mit gesengtem Kopf.
"Lügner!", fauchte Sandnebel und grub die Krallen in die kalte Erde.
Graupfote bearbeitete bereits den Schnee mit ihren Krallen und zerfetzte die weißen Flocken ungeduldig.
Bachfeder nickte Sandnebel kurz zu und öffnete den Mund: "Wir haben euren Geruch seit Tagen auf unserer Seite entdeckt. Ihr schuldet dem RegenClan eine Erklärung und eine Entschuldigung. Milbenstern soll entscheiden, wie es weitergeht"
Bachfeder wusste beim Reden, dass Wipfelschnelle statt Milbenstern schlussendlich sagen würde, was mit den drei Kriegern passieren sollte. Aber der RegenClan durfte keine Schwäche zeigen.
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"SturmClan!", rief Falkenwasser alarmiert, als die Patrouille ins Lager zurückkehrte. Bachfeder verdrehte innerlich die Augen.
Sieh sie dir an, sie sind so abgemagert. Wohl kaum werden sie uns im eigenen Lager angreifen, ging es ihm durch den Kopf.
Wipfelschnelle blickte den feindlichen Kriegern misstrauisch entgegen.
"Sie haben auf unserem Gebiet jagen wollen", berichtete Bachfeder knapp.
Die Stellvertreterin öffnete überrascht die Augen und antwortete etwas, doch Bachfeder hörte nicht mehr zu. Er schwelgte in Gedanken.
Alles, was er mitbekam, war wie Wipfelschnelle Sandnebel ein paar kurze Anweisungen gab und mit den beiden Kriegern in Milbensterns Bau verschwand.
Die Anführerin würde darüber nicht begeistert sein, überhaupt nicht. Ihr Vorschlag wäre womöglich sie zu töten; allein deswegen, weil ihr nichts besseres einfallen würde um die Krieger loszuwerden.
Bachfeder fragte sich oft, wie Milbenstern sich selbst wohl sehen musste. Wenn sie ihr Spiegelbild in einer Pfütze sah, erkannte sie dort die schreckliche, untaugliche Anführerin, die sie war?
Oder sah sie eine hübsche, junge Kätzin die versuchte seit Klein auf alles geradezubiegen, was der SternenClan ihr als Schicksal gegeben hatte?
Der Kater wusste, dass Milbenstern vom SternenClan nichts hielt. Damals, als sie Stellvertreterin geworden war, hatte sie ihre Ahnen um Rat gebeten. Sie hatte sich bemüht alles richtig zu machen. Sie hatte Ansätze gezeigt, aber war damals kaum älter als eine Schülerin gewesen, da sie ihren Kriegernamen zwei Monde vor dem eigentlichen Abschluss des Schülerlebens bekommen hatte.
Und als ihr Vater dann plötzlich vom grünen Husten überwältigt wurde, schob sie es in die Pfoten des SternenClans und verachtete die Toten von da an und jene, die besonders an dem Glauben zu ihnen festhielten. Sie hörte auf sich Mühe zu geben, verschwand in ihrem Bau und ließ Wipfelschnelle die Arbeit für sie machen.
In anderen Clans arbeiteten Stellvertreter und Anführer oft Pfote in Pfote und unterstützten sich gegenseitig. Die Last, die auf Wipfelschnelles Schultern lasten musste war womöglich kaum aus haltbar. Zum Glück stand ihr Clan hinter ihr.
"Bachfeder", Wipfelschnelle trat nun auf ihren Bruder zu, "nimm dir etwas zu essen. Und dann sorge dafür, dass unsere neuen Gäste einen Schlafplatzt erhalten"
"Sie sollen hier bleiben?", fragte der Blaugraue verwundert.
Die zweite Anführerin warf ihm einen strengen Blick zu, als sie miaute: "Wir können uns keine Schwäche leisten. Such dir eine Katze, die es sich zur Pflicht macht die beiden zu bewachen und dann kannst du mit Käferpfote zur Jagt aufbrechen"
Sie klang wieder gereizt, als wäre sie mit ihren Nerven am Ende. Was Bachfeder nachvollziehen konnte - irgendwann wurde es allein einfach zu viel, einen ganzen Clan zu leiten.
"Natürlich, Wipfelschnelle", er neigte den Kopf und tappte schnell zum Frischbeutehaufen.
"Weidenfuß!", rief der Kater dann schließlich eine weiße Kätzin zu sich.
"Was gibt's?", fragte sie und leckte sich leicht verlegen das Brustfell.
"Such dir ein paar Katzen, die einen Bau für die Gefangenen bauen. Und wenn du Falkenwasser siehst, sag ihm, dass er auf die drei aufpassen darf", erklärte er kurz. So würde ihn der graue Kater Bachfeder nicht die ganze Zeit bloßstellen können sondern sich mit den SturmClan-Kriegern befassen.
Weidenfuß nickte und lief zu ein paar anderen Kriegern.
Währenddessen suchte Bachfeder mit den Augen das Lager nach Käferpfote ab. Der Schüler musste irgendwo sein, wo er nicht sein sollte denn sonst wäre er auf der Lichtung geblieben.
Der Krieger schaute im Schülerbau und bei den Ältesten doch in keinem der Baue war eine Spur von dem großen Kater zu finden.
Eine hellgraue Kätzin lief auf ihn zu: "Kannst du Käferpfote auch nirgendwo finden?"
"Ja - warum suchst du ihn?"
"Tue ich nicht. Aber Honigpfote ist seit der Widerkehr der Morgenpatrouille auch verschwunden"
Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in Bachfeders Bauch aus.
"Meinst du, sie stellen etwas Dummes an?", fragte er dann unsicher.
Sturmblüte senkte den Kopf: "Käferpfote traue ich so etwas nicht zu...aber Honigpfote auf jeden Fall. Lass sie uns finden ehe etwas passieren kann", raunte sie leise.
"Ich begleite euch", bekannte sich Eschenfluss hinter den beiden, "Spatzenpfote ist auch nicht hier, dabei sollte er den Ältestenbau säubern"
Ihr Miauen klang mehr verärgert als besorgt, doch ihr Blick zeigte Bachfeder, dass sie die gleichen Ängste um die Schüler hatte wie er.
"Gut. Sind noch mehr Schüler weg? Was ist mit Graupfote und Libellenpfote?", erkundigte sich Sturmblüte. Ihr Schweif zuckte unruhig hin und her.
"Ebenfalls nicht da", sagte Eichhornpfote.
"Sie meinten, ihr würdet in der Trainingskuhle bereits auf sie warten und dann verließen sie das Lager"
"Krähenfraß!", fluchte Eschenfluss.
"Wir gehen sie suchen", versuchte Bachfeder sie zu beruhigen.
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Ein Weiteres Kapitel ist beendet :D
Wie immer freue ich mich über ein Sternchen oder einen Kommentar...ganz egal :)
Ich hoffe, ihr habt schönes Wetter^^
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