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Ich war beinahe erleichtert, als der Taxifahrer mich leicht an der Schulter berührte, um mich aufzuwecken. „Wir sind da." Ich hob meinen Kopf vom Mittelsitz und blinzelte einige Male, um den Albtraum und den Schlaf zu vertreiben und wischte mir über die Wangen, die feucht waren. Anscheinend hatte ich im Schlaf geweint.
„Danke schön", erwiderte ich höflich und hielt ihm meine Karte entgegen bevor er den Preis genannt hat. „Geben sie ruhig 50$ mehr ein, für sie, als Dank für die Umstände." Ich lächelte ihm zu und er erwiderte es augenblicklich. Vielleicht erinnerte er sich an die Geste und überlegte zwei mal, falls ihm jemand nach dieser Fahrt fragen würde. Vielleicht aber auch nicht. In diesem Land war beinahe jeder Mensch käuflich, allein aufgrund der Armut die hier herrschte, aber ich konnte ihm nicht mehr geben. Ich nahm meine Karte wieder an mich und stieg aus dem Wagen. Noch immer war die Luft eiskalt, auch wenn es inzwischen Nachmittag sein müsste. Gedanken verloren blickte ich dem Taxi nach, dass wendete und zurück in meine Heimatstadt fuhr. Erst als es um die Ecke bog und damit aus meinem Blickfeld verschwand, konnte ich die Augen abwenden und mich dem Gebäude zu meiner linken zu wenden. Meine Aufregung stieg ins unermessliche. Ich befand mich im Rotlichmilleu, das war mir sofort aufgefallen, auch wenn es um diese Zeit verlassen war, konnte man überall Plakate lesen, die das heutige „Angebot" aufzeigten. Sofort überfiel mich ein Schauer. In dieser Branche war es nicht unüblich, Bordelle oder ähnliche Etablissemente zu unterhalten. Sie waren eine gute Nebeneinahme, hervorragend zur Geldwäsche geeignet und hier im Land drückten Polizisten bei Prostitution, ob freiwillig oder nicht, gerne zwei Augen zu statt einem.
Wie gesagt: Jeder ist hier käuflich, auch die Polizei.
Mein Herz begann zu rasen. Ich kannte den Mann nicht, ich wusste nur, dass das hier die Adresse war, die Papa mir eingebläut hat, doch bei dem Gedanken, dort zu arbeiten, wurde mir flau im Magen. Womit verdiente er nur sein Geld? In was war er verwickelt? Ich wusste nichtmal seinen Namen. Wie gut kannte mein Vater diesen Mann wirklich?
Allerdings was blieb mir anderes übrig? Ich konnte hier stehen bleiben, bis es Abends wurde, die Straße sich füllten und ich im schlimmsten Fall jemanden ins Auge fiel, der mir nichts gutes wollte. Ich hatte keine Wahl, ich musste tun, was Papa mir gesagt hatte. Dennoch fühlte ich mich auf einmal furchtbar alleine und am liebsten hätte ich angefangen zu weinen. Ich wollte nur das Papa mich in Arm nahm. Ich war schon immer sehr sensibel gewesen. Ein weitere Greund warum Papa mich stets in Watte gehüllt hatte, statt mich in seine Welt mitzunehmen. Sensibilität bedeutete hier nichts weiter als den Tod, wenn du niemanden hattest. Er wollte mich damit schützen und doch fühlte ich mich grade dadurch jetzt so furchtbar hilflos, dass ich nicht wusste was zu tun war. Mein Blickfeld verschwommen immer mehr. Gott, ich war viel zu schwach für diese Welt! Ein Hoffnungsloser Fall.
„Gehst dir gut?" Mein Kopf schnellte nach oben und schnell wischte ich mir mit dem Handrücken über die Augen, um die Spuren meines kurzen schwäche Nafalls verschwinden zu lassen. Naja so gut, wie das nunmal möglich war. Ein junger Mann, vermutlich nur ein paar Jahre älter als ich, war aus der Tür des Nachtclubs getreten, vor dem ich wahrscheinlich viel zu lange unschlüssig herum gestanden hatte. Ich versuchte etwas zu sagen, doch meine Stimme ging in einem Schluchzer über. Ich gehörte nicht in diese Welt. Ich wollte doch nur meinen Frieden. Irgendwo normal leben, ohne Gewalt, Kriminalität oder das Risiko jeder Zeit miterleben zu müssen, wie ein geliebter Mensch ermordet wird.
„Oh je, du zitterst ja." Mit schnellen Schritten war der Mann bei mir und hielt mir seine Hand hin. „Komm erstmal mir rein, wir wärmen dich schon wieder auf. Wie heißt du?" Seine Stimme war sanft und tatsächlich führte seine Anwesenheit dazu, mich etwas besser zu fühlen.
„Ich heiße Lucìa. Und du?"
„Ein schöner Name. Du kannst mich Canneo nennen." Mit diesen Worten schloss er die Eingangstor auf und führte mich augenblicklich eine Treppe nach oben. Vermutlich waren die Clubaktivitäten in den unteren Etagen.
„Du hast mich ganz schön erschrocken, als du da draußen angefangen hast zu weinen. Du hast Glück, dass ich um diese frühe Uhrzeit überhaupt schon wach bin. Die meisten Mitarbeiter stehen erst in ein paar Stunden auf. Und der Meister, tja den hab ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen , wenn ich so darüber nachdenke." Während Canneo weiter vor sich hin redete, führte er mich nach oben, bis wir schließlich in einem Wohnzimmer ankamen, dass gemütlich aber auch unfassbar prunkvoll aussah. Eins ist klar, wer auch immer dieser Meister war, er muss sehr wohlhabend sein. Canneo taxierte mich zu einem Sessel, der am nächsten am lodernderen Kamin stand und drückte mich leicht an den Schultern in ihn. Ich lehnte mich näher ans Feuer und zog die Kapuze von meinem Kopf.
„Das ist unser Empfangszimmer, hier kannst du dich sicherlich etwas ausruhen, bis es dir besser geht und..." Seine restlichen Worte blieben ihm im Hals stecken, als sein Blick auf meine äußerliche Erscheinung fiel, die er zu vor scheinbar übersehen haben musste.
„Lucìa, du bist verletzt!" Sofort griff er nach meinen Händen, die noch immer Blut verschmiert waren und untersuchte sie, doch er konnte keine Verletzung finden. Danach griff er nach meinem Kopf und strich die Haare von der Stelle, die noch immer pochte, aber aufgehört hatte zu bluten. Canneo fluchte leise etwas vor sich hin, doch ich hörte ihm nicht mehr zu. Mich überkam schon wieder eine solche Müdigkeit, dass alles zu verschwimmen drohte.
„Das sieht schlecht aus. Das sieht sehr schlecht aus", hörte ich Canneo noch sagen, bevor irgendwas zu Boden ging und er schon wieder irgendwas vor sich hin fluchte, aber alles schien irgendwie so weit weg.
„Was soll dieser Krach?!" Die Stimme zerriss die Luft und ich nahm verschwommen eine Gestalt war, die durch die riesige Flügeltür gekommen zu sein schien.
„Sie braucht medizinische Versorgung Meister. Sie hat eine Platzwunde und muss viel Blut verloren haben. Eventuell auch eine leichte Gehirnerschütterung. Und das alles schon vor Stunden, ohne dass sie behandelt wurde."
„Wer ist das?"
„Sie stand vor dem Nachtclub und..."
„Was interessiert mich das?" ,unterbrach er Canneo.
Seine Stimme war bedrohlich und nun deutlich näher, als zu vor. Erneut kämpfte ich gegen die Müdigkeit, als sich Finger unter mein Kinn legten und mein Kopf anhoben. Flattern öffnete ich die Augen und sah einen Mann, der so einschüchternd wirkte, dass ich am liebsten zurück gewichen wäre, doch ich war zu schwach.
„Mein Vater schickt mich", flüsterte ich nur noch leise, bevor ich vor Erschöpfung endgültig das Bewusstsein verlor.
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