Puppenhaus
Bei deiner Erkundungstour, nicht weit von deinen Gemächern, hattest du vor ein paar Tagen ein Zimmer entdeckt mit einem unheimlichen Puppenhaus. Es war dir sofort aufgefallen, weil es nicht so verstaubt war, wie die meisten Möbelstücke. Das ließ dich darauf schließen, dass es erst viel später hinzugekommen war, wenn nicht sogar erst vor einiger Zeit, oder sehr viel genutzt wurde. Das Puppenhaus hatte drei Etagen und elf Zimmer. In jedem Zimmer hatte jemand Puppen angebracht, die alle auf furchtbare Weise ermordet wurden. In einem Zimmer war eine erhängt, im anderen Zimmer eine mit aufgeschnittenen Pulsadern, die in einer Badewanne lag, im Wohnzimmer zwei Puppen, die auf dem Sofa vor dem Fernseher saßen und denen in den Kopf geschossen wurde. Ein sadistisches Kunstwerk eines Psychopathen. Du könntest brechen. Wegen diesem abscheulichen Kunstwerk warst du aber nicht hier. Neben diesem Puppenhorrorhaus lag das eigentliche Objekt, was dich interessierte. Eine Puppe mit schwarzen Haaren, einem Schädel als Gesicht und einem karierten Kleid. Am Bauch war ein Riss und die Füllung quoll bereits heraus. Was hatte Riccardo noch bei euer ersten Begegnung gesagt?
"Debilitas geht mit seinem Spielzeug nicht sehr pflegsam um. Und er vermag Puppen und Menschen nicht voneinander zu unterscheiden."
Du gehst also in das Zimmer, schnappst dir das gruselige Spielzeug und läufst direkt damit in den Garten. Deine Knie sind wieder weich, als du Debilitas erneut gegenüberstehst. Er müsste nur einmal mit seinem Arm ausholen, und schon konnte er dich ernsthaft verletzen, ob gewollt oder nicht gewollt, das spielte hier keine Rolle mehr.Der Riese nimmt dich erst nicht wahr, er hat genug Spaß mit seinem neuen Spielzeug. Immer wieder wirbelt er das rothaarige Mädchen lachend und jauchzend in der Luft, während sie schreit und um sich schlägt. Du musst irgendwie Debilitas Aufmerksamkeit bekommen, ohne dich in Gefahr zu begeben. Wenn du zu nah rangehst, könnte der Koloss dich womöglich unabsichtlich zertrampeln. Du schnappst dir einen Stein. Mit dem Stein stellst du dich auf einen Vorsprung und zielst auf Debilitas Nacken. Dir tut es jetzt schon ein wenig leid, als du ausholst und wirfst. Der Stein trifft und erzielt seine Wirkung. Debilitas brüllt, reibt sich den Nacken und sieht sich hektisch um, bis er dich entdeckt. Mit der Puppe stehst du da und hältst sie ihm direkt entgegen. Er scheint zu überlegen. Er hält das Mädchen hoch und sieht abwechselnd zu ihr und zu der Puppe. Zu dem Mädchen...und zu der Puppe....zu dem Mädchen....und zu der Puppe...Dir fällt beinahe ein Stein vom Herzen, als Debilitas sich tatsächlich für die Puppe entscheidet. Er lässt das Mädchen ins Gras fallen wie ein Spielzeug und reißt dir die Puppe aus der Hand. Du schreckst zurück und beobachtest, wie der Riese friedlich zusammen mit der Puppe Richtung Hecken verschwindet. Du kannst sein friedliches Summen hören und seine gigantischen Schritte, die den Boden unter dir vibrieren lassen. Als Debilitas nicht mehr zu sehen ist, wendest du dich dem Mädchen zu. Sie ist Gott sei Dank nicht ernsthaft verletzt und wohlauf. Lächelnd kommst du auf sie zu und streckst ihr die Hand hin. Zu deiner Verwunderung schreckt sie zurück. Ihre eisblauen Augen sehen dich unsicher an.
„Keine Angst, ich tue dir nichts", redest du beruhigend auf sie ein.
Das Mädchen weicht noch weiter zurück. Was dir sofort auffällt sind ihre Bewegungen. Sie sind animalisch. Sie bewegt sich Rückwärts in der Hocke, mit den Händen am Boden. Beinahe wie ein Affe. Mit schräg gelegtem Kopf sieht sie dich an. Sie hat angst vor dir.
"Hey, ich tu dir nichts. Ich wollte dir nur helfen."
"Vater sagt, ich darf nicht mit Fremden reden", entgegnet die kleine, dann sprintet sie davon.
Du machst Anstalten, ihr hinterherzulaufen, lässt es dann aber bleiben, denn eine Stimme hält dich zurück. Es ist Daniella.
„Miss, es ist Zeit für Ihr Bad. Beeilen Sie sich, bevor das Wasser kalt wird. Heute werden Sie den Herrn des Hauses treffen. Und er wünscht, dass sie sauber und angemessen gekleidet erscheinen."
Mit kühlem und ausdruckslosen Blick sieht die Magd dich an. Dir läuft es kalt den Rücken runter, doch du gehorchst. Was du nicht sehen kannst ist, wie Daniella hinter deinem Rücken bösartig lächelt.
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