Der Herr des Hauses
„Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache", sagst du dir selbst, als du dich im Spiegel betrachtest.
Heute lernst du deinen Gastgeber kennen. Lorenzo. Für dieses Ereignis hat Daniella dich aufwendig eingekleidet. Während sie dir das weinrote edle Kleid, was du trägst, geknüpft hat, schwieg sie die gesamte Zeit wie ein Stein. Nicht einmal, als sie dir ausersehen eine Nadel in den Rücken stach und zu vor Schmerz zusammengezuckt bist, regte sich irgendetwas in ihr. Sie ist eine unheimliche Persönlichkeit. Und dieser eiskalte, unberechenbare Blick, den sie dir die ganze Zeit zuwarf, jagt dir jetzt gerade noch einen Schauer über den Rücken. Deine Haare sind kunstvoll hochgesteckt, du trägst hohe edle Lederstiefel und bist geschminkt mit rotem Lippenstift. Um den Hals trägst du die Kette deiner Schwester Mila. Ein Engel mit sechs Flügeln.Du nimmst diese Kette nie ab.
„Miss, der Meister ist nun soweit."
Daniella steht in der Tür und bittet dich, ihr zu folgen. Ihr lauft durch die Gänge, es ist Nacht. Tagsüber siehst du wenig von den Bewohnern von Schloss Belli, das Leben spielt sich hier immer in der Nacht ab. Das macht deinen Aufenthalt nicht gerade angenehmer. Du bekommst kaum Schlaf. Von draußen hörst du eine Eule, auf dem Korridor scheint der Vollmond.Im Speisesaal ist der lange Tafeltisch gedeckt. Eine rote Tischdecke und darauf überall Kerzen. Die Wände hier sind mit großen Bannern und Gemälden verziert. Es ist eines der edelsten und gepflegtesten Räume im Schloss Belli. Du sitzt am hinteren Ende der Tafel. Daniella bringt dich zu deinem bereits gedeckten Platz und stellt sich dann rechts neben dich. Riccardo steht zu deiner linken. Sie gibt dir einen edles verziertes Weinglas.
„Miss muss erschöpft sein...Miss soll das hier trinken", fordert sie dich auf.
Du nippst daran. während du die Speiseglocke auf deinem Teller begutachtest. Wenn du dich nicht täuschst, ist das Rotwein. Debilitas kommt durch die Tür und schiebt einen Rollstuhl vor sich her.Eine seltsame Figur sitzt da drin. Du erkennst eine gekrümmte Gestalt, die aussieht, als würde sie verfallen und verfaulen. Die Haare sind am ausfallen, das Gesicht ist eingefallen und das Gebiss unvollständig. Das sollte also der Hausherr Lorenzo sein? Irgendwie hast du dir Lorenzo ganz anders vorgestellt.
„Endlich lernen wir uns persönlich kennen, Miss. Es ist mir eine Freude. Ich bin Lorenzo."
Lorenzos Stimme ist heiser und unheimlich. In deinen Ohren klingt er wie die ungestimmte schräge Seite einer Violine. Das macht ihn noch viel unheimlicher, als er ohnehin schon für dich ist. Er hebt seine knochige zittrige Hand und gibt eine auffordernde Geste. Daniella reagiert und hebt die Speiseglocke auf deinem Teller hoch. Vor dir steht ein Gericht mit gebratenen Hühnerköpfen, serviert auf grünem Salat. Dir wird schlecht. Die Augen der Hühner schauen dich direkt an. Sie würden doch nicht von dir verlangen, dass du das essen wirst?
„Das ist eine Spezialität des Hauses", sagt Lorenzo lachend. „Greif zu und lass es dir schmecken."
Du nimmst die Gabel nicht in die Hand. Du weißt, dass du dieses Essen nicht anrühren wirst. Kein Mensch mit Herz und Verstand würde das tuen. Du hast keinen Appetit. Stattdessen beginnst du eine Konversation mit dem Herren des Schlosses.
„Warum bin ich hier? Ich will zurück zu meinen Eltern, sie machen sich sicher schon furchtbare Sorgen um mich."
Du hörst Riccardo neben dir leise böse Lachen. Er hat wie immer seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Seine Anwesenheit direkt neben dir machte dich nervös.
„Es tut mir leid, dir das zu sagen, Miss. Aber du bedeutest deinen Eltern einen Dreck", kommt es von Lorenzo.
Du verstehst nicht, was er dir damit sagen will.
„Das ist eine Lüge", sagst du empört. „Meine Eltern lieben mich."
„Lass es mich so ausdrücken", sagt Lorenzo röchelnd und verschränkt seine Hände ineinander.
„Sie haben etwas, das mir gehört. Ich möchte es wiederhaben und habe dich deswegen von Riccardo entführen lassen. In unserem Brief an deine Eltern steht deutlich geschrieben, dass wir dich gehen lassen, sobald sie mir geben, was meins ist. Sie haben meine Drohung nicht ernst genommen, wie es scheint. Nicht einmal, als ich meine Drohung wahr gemacht habe. Glaubst du also immer noch, dass deine Eltern dich...lieben?"
Das Wort „lieben" sagt er mit einem spöttischen Unterton. Du hättest ihn dafür gerne aus seinem Rollstuhl geschubst. Lorenzo will deine Eltern erpressen und hat dich als Geisel genommen. Für etwas, was deine Eltern ihm genommen haben? Geld? Andere Besitztümer? Was wollten diese kranken Psychopathen?
„Du irrst dich. Meine Eltern werden kommen und mir helfen. Sie sind gute Menschen und bestehlen nicht einfach so andere Leute. Bitte, lass mich gehen. Dann werde ich sie davon überzeugen, dass sie dir das wiedergeben, was dir gehört."
Lorenzo lacht schallend, sodass das Echo in der gesamten Halle widerhallt. Selbst Debilitas zuckt neben ihm zusammen.
„Glaub, was du glauben willst. Du wirst hier bleiben und deine Dienste erfüllen."
„Meine Dienste?"
„Nana, für deinen Aufenthalt auf Schloss Belli sollst du schließlich zahlen. Und das tust du, indem du ab sofort ein Versuchskaninchen für unsere Experimente wirst."
Ex....Experimente? Das trifft dich wie ein Schlag. Die Männer beginnen wieder, dreckig zu lachen. Du drückst dir die Ohren zu. Du kannst das nicht glauben, was hier gerade passiert. Das muss doch alles ein ganz schrecklicher Albtraum sein. Dir verschwimmt plötzlich die Sicht, alles um dich herum dreht sich, die Gelächter der Männer werden um dich herum immer dumpfer. Hat Daniella dir etwa vorhin etwas ins Glas getan? Du wirst bewusstlos und bemerkst nicht mehr, wie du vom Stuhl gleitest, direkt in die Arme von Riccardo.
„Bring sie in das Labor", befiehlt Lorenzo und seine Augen funkeln verräterisch.
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