27. Januar
Das Haus ist leer.
Normale Jugendliche würden jetzt wohl eine Party schmeißen, Freunde einladen, aber deine Nähe ist alles, wonach ich mich sehne.
Crave im Englischen.
Das passt viel besser.
Es klingt, als würde man verzweifelt nach etwas greifen.
Jedenfalls streife ich seit Stunden unruhig durchs Haus.
Koche etwas, schaue Fernsehen, bis ich es nicht mehr aushalte.
Dann setze ich mich auf die Mitte der Treppe und starre ins Wohnzimmer, wie ich es als Kind so oft getan habe.
Eine Zeit lang tue ich nichts anderes.
Dann verlässt ein leises 'Ich vermisse dich' meine Lippen und verschwindet irgendwo im Keller.
Ich fahre mir übers Gesicht.
Fange an, zu zittern.
Vergrabe mich hinter den Ärmeln meines Sweatshirts.
Bleibe sitzen.
Wie lange?
Ich weiß es nicht.
Schließlich kehrt die Unruhe zurück.
Ich kann jetzt nicht einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen.
Ich dimme das Licht und öffne die
Gartentür.
Ich spüre die Kälte noch nicht einmal.
Mit zwei Schritten stehe ich auf der Terrasse.
Die Sterne, die ich so sehr liebe, werden von einer Wolkendecke verschleiert.
Ich sehe sie einfach nur an.
Das Haus gegenüber.
Die Häuser neben mir.
Ich trete in die Mitte des Gartens.
Der Rasen fühlt sich weich unter meinen Füßen an.
Ich drehe mich um mich selbst, nehme mir die Zeit, lasse mich von meinem Gefühl leiten.
Mein Blick fällt auf das Wohnzimmer hinter mir.
Das perfekte Leben.
Und ich passe einfach nicht mehr hinein. Meine Gedanken ziehen mich zu einem Gespräch vor einigen Monaten.
Fahrid, Sonderschüler, beim Praktikum kennengelernt.
"Also bist du so voll die Brave?" Ich habe ihn wohl mit einem ziemlich entsetzten Blick gemustert, denn er setzte schnell hinzu. "Also, ich kenn dich ja nicht."
"Ich dich auch nicht." Und ich will es auch nicht tun, dachte ich, während er versuchte, meine Nummer zu bekommen und mir zum Kennenlernen von seinen armseligen Alkoholexzessen erzählte.
Damals war ich noch nicht so verbraucht von dir wie jetzt.
Ich bin nicht dieses brave Mädchen, für das er, und wahrscheinlich jeder andere, der nur Fakten über mich bekommt, mich hält.
Wie auch, mit so dunklen Gedanken?
Ich knie mich hin.
Spiele mit dem nassen Gras an meinen Füßen.
Richte mich wieder auf, laufe, bis ich wieder auf Stein stehe.
Lehne mich über die Mauer des Nachbarn.
Einfach so, weil ich es kann.
Starre meinen Schatten an.
Weißt du, was traurig ist?
Die erste Person, die in mein Leben tritt und mich auch nur einen Funken von dem spüren lässt, was du mit mir getan hast, wird diejenige sein, der ich sage, wie lange ich schon auf sie gewartet habe.
Nicht derjenige, den ich heiraten werde, nein, wegen dir werde ich diese Worte verschwenden.
Ich sehe auf die dunklen Bäume vor mir.
Die Kirchturmglocke schlägt.
Ich suche sie, aber dunkle Schatten verhüllen mir die Sicht.
Überall knackt es.
Ich laufe rastlos auf und ab.
Plötzlich habe ich das dringende Bedürfnis nach einem Shot Schnaps, Wodka, irgendetwas.
Oder auch nach einer ganzen Flasche.
Nicht, um mich zu betrinken, sondern, um das Brennen im Hals zu spüren.
Ich gehe wieder hinein, stoppe mich auf halben Weg zum Likörschrank und hole mir ein Bier.
Der erste Schluck ist göttlich.
Genau der bittere Geschmack, den ich gebraucht habe. Wenige Sekunden später ekelt mich das Zeug schon an.
Aber ich trinke weiter, denn es hält mich am Leben.
Es ist körperlicher Schmerz, den ich kontrollieren kann, der sich sogar noch als Getränk rechtfertigen lässt.
Siehst du, siehst du, was du mit mir gemacht hast?
Du hast mich auf jede mögliche Art zerstört und trotzdem bist du das einzige, was ich will und brauche.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro